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Jeanne

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Jeanne trank nachts im Bett Espresso.
Jeanne kaufte Bücher ohne auszuwählen.
Jeanne schrieb auf ihren Spiegel ‚BLUES’.

So lebte sie fünfundzwanzig Jahre unter Licht und Himmel vor sich hin. Aß vor offenem Fenster. Und trieb sich mit ahnungslosen Jungs herum. Dann geschah das: Jeanne hörte eine Stimme. Die Stimme einer alten Frau: ‚Du bist zum Untergehen!’ Erst dachte sie, sie träumte. Aber sie war wach. Ein seltsamer Satz, nicht ganz sinnvoll, oder? Sie hörte ihn bald täglich. Und als sie darüber nachdachte, ob sie diese Stimme kannte, kannte sie die Stimme schon so gut, daß sie nicht sagen konnte, ob sie sie schon früher gekannt hatte. Früher, im richtigen Leben.

Jeanne trank morgens violetten Wein.
Jeanne kaufte dünnere Bücher.
Jeanne sagte in den Spiegel ‚UNTERGANG’.

Sie arbeitete als Kellnerin. In einem Kommunalarchiv. Für die Marktforschung. Schlief in der Mensa neben ihrem Teller. Und sagte, sie verliere ihr Haar. Aber das war Unsinn. Sie hatte dickes finsteres Haar wie immer. Wenn ich sie traf, nahm ich sie in den Arm. Weil mir nichts einfiel. Ich fürchtete mich jedesmal dabei vor dem Moment, in dem die Umarmung endete und man sich ansehen und sprechen mußte. Meist klagte ich dann über irgendwas. Denn fröhlich sein konnte ich nicht. Ich klagte über meine Müdigkeit, das Geld, den kalten Wind. Und sah sie traurig an: traurig wegen meiner Müdigkeit, des Geldes oder kalten Winds.
Sie schwieg sich durch die Nähe, zwischen ihren weit entfernten Sätzen, einander fremd wie gute Nachbarn.

Jeanne war, wenn sie wach war, nicht mehr wach wie früher.
Jeanne stand wie vergessen in Geschäften.
Jeanne flüsterte mit ihrem Spiegelbild.

Es kamen Nächte, die verbrachte Jeanne vor ihrer Tür. Den Schlüssel legte sie davor. Sie war wie schlaflos bis in alle Ewigkeit. Sie arbeitete nicht mehr. Nirgends traf ich sie. Sie hatte Geburtstag. Jemand sagte, sie sei schwanger. Unsinn, sagte ich. Vielleicht verliert sie bloß ihr Haar.
Dann öffnet sie nicht mehr. Ich klopfe an die Läden, wenn die Sonne scheint. Einmal hebt sie ab und sagt, sie höre nur noch zu. Ich frage: wem? Ich höre eben zu.
Jeannes Mutter hat sich umgebracht. Wann? hatte ich gefragt. Keine Ahnung, sagte sie. Hab sie nie lebend gesehen. Nie gesehen? Oder kannst du dich nur nicht daran erinnern. O doch, sagte Jeanne, ich erinnere mich gut. Daß ich sie nie lebend gesehen hab. Das heißt, gesehen schon. Aber nie lebend. Immer leblos.

Jeanne hat keinen Morgen mehr.
Ihre Nacht erinnert sich nicht.
Jeanne spiegelt sich in Scherben.
 
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Kommentare  

Epermimentell.
Ich kann nicht genau sagen, wie ichs finde. Der Text hat tolle Passagen, aber auch solche, wo ich finde, sie wirken bemüht "abstrakt".
Eigentlich käme es fast mehr darauf an, was du wolltest und was deine Motivation dahinter war.
So bleiben einige Stilblüten, ein guter Dialog und vor allem ein meiner Meinung schwacher Einstieg.
gruss presko


Presko (16.03.2006)

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