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3 Seiten

Sucht – ein gar nicht märchenhaftes Märchen des Alltags

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
© Lena N.
Manche Dinge brauchte sie, obwohl sie wusste, dass sie ihr eigentlich nicht gut taten.
Leider war sie süchtig – süchtig nach Genuss, Vergnügen, Nikotin, manchmal auch nach Schmerz und Leid.
Da war einmal der Alkohol. Es hielt sich ja noch in Grenzen, an den Wochenenden war sie meistens recht gut dabei aber sonst blieb es bei einem Gläschen Wein wenn Freunde zu Besuch waren.
Schuhe, ja, die Schuhsucht teilte sie wohl mit den meisten ihrer Geschlechtsgenossinen, deswegen dachte sie da gar nicht weiter darüber nach.
Das mit den Zigaretten war wirklich nicht gut, das wusste sie, ungesund für sie selbst und andere, der Schönheit nicht gerade zuträglich, und schmecken tut es auch nicht.
Die Tabletten zum Einschlafen nahm sie auch nur, wenn am nächsten Tag ein ausgesprochen wichtiger Termin anstand und sie einfach genug Schlaf bekommen musste.
Süßigkeiten brauchte sie nur in Zeiten von PMS oder extremem Stress.
So lebte sie also, jahrein, jahraus, ging den kleinen Lastern nach und zuckte nur die Schultern, wenn Freunde sie für ihr maßloses Verhalten kritisierten.
Mit der Zeit blieb es nicht mehr bei einer Schachtel Zigaretten am Tag, ein, zwei Bier zum Einschlafen mussten auch sein, wenn sie den Abend allein verbrachte, dann doch noch eine Tablette hinterher,…

Ihre beste Freundin redete ihr ins Gewissen, versuchte ihr klarzumachen, wie sie in eine ernsthafte Abhängigkeit abzurutschen begann. Sie hörte nicht zu, ihr ging es gut, solange sie ihre Bedürfnisse befriedigen konnte. Der Kater jeden Morgen machte ihr anfangs zwar zu schaffen, aber irgendwann entdeckte sie, dass es Wunder wirkte, wenn sie nach dem letzten Vodka noch ein Glas von diesem herrlichen neuen Sprudel-Aspirin trank. Das einzige Problem an den drei Päckchen Zigaretten täglich war, dass es anfing, ins Geld zu gehen, und seit sie ihren Job verloren hatte (sie war wirklich nüchtern gewesen, die Fahne, die man ihr unterstellt hatte, konnte sie gar nicht haben, nach nur drei Flaschen Wein am Abend davor), konnte sie sich das nicht mehr leisten. Also hatte sie ein perfektes System entwickelt, dass es ihr ermöglichte, im Supermarkt nur eine Schachtel zu zahlen, aber mit fünf nach Hause zu kommen. Gut, man hätte das auch Diebstahl nennen können, aber sie brauchte es nun mal…
Ihre Freunde hatten alles versucht, sie zu Selbsthilfegruppen geschickt, ihre Eltern kontaktiert, einen Arzt konsultiert, aber nichts half. Einer nach dem anderen fing an, sich zurückzuziehen.

Wie in jeder guten Geschichte kam aber natürlich der Tag, da ihr Retter auf einem weißen Schimmel angeritten kam. Gut, eigentlich war er ein Beamter vom Arbeitsamt (oder wie das jetzt hieß, so genau hatte sie all das nicht mitbekommen), der den alten Funken in ihren Augen sah. Aber er machte es sich zur Aufgabe, sie aus der Abhängigkeit zu befreien.
Und tatsächlich, sie verliebte sich so sehr, dass sie das Trinken aufgab, die Tabletten nur noch in absoluten Notfällen hervorkramte, und sich sogar einen neuen Job suchte. Früher in der Agentur hatte sie zwar mehr verdient, aber hier im Drogeriemarkt hatte sie absolut feste Arbeitszeiten und musste nicht viel nachdenken.
So ging es eine Weile wunderbar weiter. Ihr neuer Freund, Frank der Beamte, war so herrlich langweilig und sie war ihm so dankbar, dass sie es absolut fertig brachte, die Sucht zu bekämpfen und hinter sich zu bringen.

Da dies hier jedoch kein Märchen ist, muss auch der Teil nach dem „und so lebten sie glücklich und froh…“ erzählt werden:
Frank ging jeden Tag nach der Arbeit immer länger mit Freunden aus, sie wusste, das etwas komisch daran war, dass er ständig nach einem anderen Frauenparfum roch, wenn er heimkam und die seltsamen Anrufe mitten in der Nacht kamen ihr auch spanisch vor. Aber das war doch ihr guter Frank, der zuverlässige Beamte, der sie gerettet hatte. So saß sie Abend für Abend daheim, er wollte ja nicht, dass sie ihre alten Freunde wieder traf, die aus seiner Sicht an allem Schuld waren. Fürsorglich, wie er war, hatte er jeden Alkohol aus der Wohnung verbannt und weckte sie immer auf, wenn er nach Hause kam, damit sie ihn anhauchte, um zu beweisen, dass sie nicht rückfällig gewesen war. Manchmal hätte sie gerne ferngesehen, aber das wollte Frank nicht, die ganzen schlimmen Dinge in der Glotze wären ein schlechter Einfluss, meinte er. Einmal traf sie sich auf einen schnellen Kaffee mit ihrer besten Freundin von früher, als Frank schon in der Kneipe war. Als er nach Hause kam, erzählte sie es ihm begeistert. Er scheuerte ihr eine und kam ab diesem Abend jeden Tag nach der Arbeit nach Hause, brachte Freunde mit, und machte sich in der Wohnung einen lustigen Abend. Sie solle lieber schlafen, meinte er, der Anblick des Alkohols wäre eine zu große Prüfung.

So war sie also von der Alkohol- und Tablettensucht in eine andere Abhängigkeit gerutscht. Sie hing von Frank genauso ab, wie einst von den Flaschen und Schachteln. Er bestimmte ihr Leben, wie es früher die Promille und Milligramm getan hatten. Doch an ihrem Geburtstag, als sie das dritte Jahr mit Frank zusammen war, kam ihre Freundin sie überraschend von der Arbeit abholen. Sie sah das neueste Veilchen, stellte keine Fragen, wollte keine Antworten, sondern nahm sie mit zu sich nach Hause. Die Drohanrufe von Frank brachten sie schließlich soweit, dass sie wieder zur Flasche griff. Moderat zwar, aber der erste Schritt war getan.
Da es schwer ist, eine Sucht aufzugeben, ohne sie mit einer anderen zu kompensieren, griff ihre Freundin ein letztes mal ein: Bevor es zu spät wäre, überredete sie sie zu einer Entziehungskur, die sie auch meisterhaft durchstand.

Heute ist sie zum ersten Mal in der neuen Arbeit gewesen, in einer neuen Stadt, und kommt gerade in ihre neue Wohnung, um zum ersten Mal im neuen Bett zu schlafen.
Das märchenhafte Ende steht noch in den Sternen, aber der erste Schritt ist getan.
 
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Kommentare  

Hallo,

mir gefällt die geschichte sowohl vom inhalt als auch von der darstellung. Ich find es bei dieser geschichte durchaus passend, dass du erstmal mit dem hintergrund der hauptperson begonnen hast und nicht direkt mit einer handlung begonnen hast. Aber du hättest die gefühle der hauptperson etwas deutlicher schildern können, als die probleme mit ihrem neuen freund auftraten. An der stelle hast du dich wirklich etwas zu kurz gefasst. Aber insgesammt eine schöne story.
lg Holger


Homo Faber (21.03.2006)

Hallo Lena,
die Idee ist gar nicht so schlecht, sie wurde leider nur sehr lieblos umgesetzt.
Die Charaktere der Protagonisten sind kaum erkennbar, so daß die Geschichte ziemlich "leblos" so dahinplätschert und nur wie eine Abhandlung wirkt.
Die Einleitung ist ebenfalls viel zu lang, die Geschichte sollte viel spontaner - vielleicht sogar mit einer Handlung - beginnen.


Minotaurus (13.03.2006)

Danke middel.
Ich werd die Geschichte auf jeden Fall nochmal überarbeiten, wollte nur erst mal sehen, wie die Idee überhaupt so ankommt.


Lena N. (12.03.2006)

Gute Idee, auf jeden Fall, das ist bei Geschichten immer das Allerwichtigste!
An einigen Stellen aber noch überarbeitungswürdig. Etwas mehr Charme und Esprit würde deinem Text gut tun. Und etwas mehr "Profil" - es liest sich zu schnell!


Middel (12.03.2006)

"Das märchenhafte Ende steht noch in den Sternen, aber der erste Schritt ist getan."
Diese Geschichte hat kein Happy End, nur eins mit einem Hoffnungsschimmer am Horizont.
Und das mit dem Tausch von einer Sucht gegen eine andere ist auch nichts positives, was ich doch eigentlich recht deutlich gemacht habe, denke ich.
(Im Übrigen: Satire!)
Ich glaube, du hättest ein bisschen aufmerksamer lesen sollen.


Lena N. (11.03.2006)

Super, so schnell kommt man von einer Sucht los, man tauscht die eine gegen die andere und eine gute Freundin (die Gute) gibt einen guten Rat und alles wird gut. ich bin schwer beeindruckt

Raoul A. RaoulYannik (11.03.2006)

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