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3 Seiten

Die Stimme (Teil 3)

Romane/Serien · Spannendes
„Kopf hoch junge Dame! Immer schön Geradeausschauen, - ja, soo ists besser!“ melodisch und streng, gab die Reitlehrerin ihre Anweisungen. „Wunderbar Carla!“ und sie klang dabei sehr zuversichtlich, dabei saß das Mädchen heute auffallend schlapp im Sattel. Während das Pferd an einer langen Leine geführt, mit ihrer Tochter in großen Kreisen durch die Halle schritt, versuchte Lisa das beunruhigende Erlebnis des Vormittags zu vergessen. Das Pferd, ein riesiger Andalusier-Hengst, faszinierte sie immer wieder. Meistens blieb sie bei den Reitstunden ihrer Tochter als Zaungast da, um sich davon zu überzeugen, dass nichts schief ging. Es ging immer gut. Sie konnte ihr Kind nicht lange aus den Augen lassen, und das, seit sie es vor knapp sieben Jahren zur Welt brachte. Heute aber hatte Lisa mehr Angst um sich als um Carla. Sie blieb in der Reithalle, um nicht mit sich allein zu sein. Es waren zum Glück immer viele Eltern anwesend.
- Da ist keine Stimme, und da war nie eine. Nur meine Gedanken. Meine Gedanken und – Angst! -
Sie zog ihre Stirn in Falten und hielt sich mit beiden Händen an der hölzernen Absperrung fest.
- Angst? Brauch ich nicht! Weg damit! Es geht mir gut! Ich bin gesund! Alles ist okay. Carla braucht doch ihre Mutter! Solange meine Mutter lebte, war meine Welt auch noch in Ordnung! Aber es ist doch so lange still gewesen. Ich habe nichts mehr damit zu tun. Das passiert mir nicht wieder. Ich darf ganz einfach nie wieder einen Stift in die Hand nehmen! Und auch nicht daran denken. Ich muss die Bilder vernichten.
-WENN DU MEINST, DASS ES DIR HILFT. ES IST SCHÖN WIEDER BEI DIR ZU SEIN!-
- Lass mich in Ruhe, sei still! -
Carla kam in diesem Moment langsam im Schritttempo auf ihre Mutter zugeritten. Lisa strengte sich an, ein Lächeln in ihr Gesicht zu zaubern, damit Carla es reflektieren würde. Der Versuch scheiterte, denn Carla antwortete mit einem eher flehenden Blick, und der ließ sie nicht los.
„Hey Mäuschen, guck immer schön nach vorne“ flüsterte Lisa ihr zu, danach biss sie sich auf die Zunge.
Sie wollte sich nichts anmerken lassen.
- Ich krieg das in den Griff. Wäre Tom doch bloß da, wenigstens in der Nähe. Ich bräuchte ihm nicht erklären dass es mir schlecht geht, er würde es einfach merken. Und dann käme ein Spruch wie: “Mädchen, ich liebe deinen Knacks.“, und er würde mich an sich drücken.-
Lisa atmete tief ein.
- An Tom zu denken ist gut! Er gibt mir immer so viel Kraft. – Aber wo zum Teufel ist meine Kraft? Meine eigene Kraft? Ich werde noch zu seiner Handpuppe, wenn ich nicht endlich an mir selbst arbeite. Ja er hatte Recht, Carla reitet nicht gern. Das ist überdeutlich. Sie sitzt da auf diesem hohen Ross, dabei will sie es eigentlich nur füttern, striegeln und lieb haben. Lass Carla mehr Freiräume! Jeden Tag schleppst du sie irgendwohin, montags Reiten, dienstags Turnen, was ist mittwochs dran? Er wollte mir daraus einen Vorwurf machen. Egal- ich weiß, dass es richtig ist. Wenn es nach ihm ginge, dürfte dieses Mädchen machen was sie will. Mit Farben experimentieren, sie mischen, sie ineinander laufen lassen.-
-WUNDERSCHÖNE BILDER MALEN-
-Halt dich daraus-
Lisa schloss ihre Augen, um sich besser auf Tom, Carla oder die Öffnungszeiten der Mülldeponie konzentrieren zu können. Sie war fest entschlossen diese Stimme zu ignorieren.
„Und jetzt im Galopp, Carla!“ kommandierte laut die Reitlehrerin. Carla reagierte nicht. „Komm Carla! Festus kann das - und du kannst das auch! Hab keine Angst!“
Carla schüttelte den Kopf.
- Was will diese Frau? Will sie mir etwas beweisen? -
Jetzt hob die Reitlehrerin die Gerte.
- Meine Tochter ist noch nicht so weit. Eine professionelle Lehrerin ist geduldig. Lass ihr Zeit! Bitte zwing sie nicht zum Galopp-
Die Reitlehrerin stupste den Hengst mit der Gerte. „Komm Carla, auf geht’s!“
Das Pferd schnaufte, wurde unruhig, veränderte seine Gangart. Das Kind auf seinem Rücken verkrampfte sich. Die zuversichtliche Stimme der Reitlehrerin raunte: “Ruhig Festus, ganz ruhig.“ Aber das Tier bockte und ging in die Knie. Der Sattel war rutschig, das Mädchen glitt heraus und fiel kopfüber auf den Boden. Sofort hob das Pferd den Kopf wieder an und wieherte. „Festus!“, eindringlich versuchte die Frau, auf das Pferd einzureden, und es von dem Kind wegzuziehen.
In Lisa schnürte sich alles zusammen. Sie wollte nicht glauben was sie sah; ihr Kind lag regungslos im Sand. Lisa spürte ihren Körper nicht mehr, und versuchte sich gegen den Ohnmachtsanfall zu wehren, der sich anbahnte.
- NEIN!-
Verkrampft hielt sie sich fest. Andere Personen, die sich in der Halle befanden, setzten sich in Bewegung, umringten ihr Kind. Bald konnte sie Carla nicht mehr sehen. Alles wurde unruhig. Die laute Stimme der Lehrerin rief irgendwelche Namen. Der Hengst schnaufte und zog an den Zügeln, die sie Jemandem in die Hände drückte. „Ho, Festus Ho!“
Lisas Atem ging schwer, langsam lösten sich ihre Hände aus der Verkrampfung - sie ließ das Gatter los.
-Ich muss zu Carla-
Ihre Schritte durch den Sand kamen ihr wie in Zeitlupe vor. Nur mit Mühe gelang es ihr die Menschentraube zu erreichen. „Wir brauchen einen Arzt!“ schrie jemand. Eine ältere Reitschülerin, die Lisa als Carlas Mutter erkannte, bahnte sich mit ihr einen Weg durch die Zuschauer. Als Lisa sich neben den kleinen bizarr verrenkten Körper knien wollte, sah es aus als bräche sie zusammen.
„Carla, bitte...“ brachte sie heraus,„...mach deine Augen auf, bitte!“ Es geschah nicht. Irgendwer meinte: „Lassen sie das Kind so liegen, nicht an den Kopf kommen! Bitte bewegen sie nichts.“ Lisa nahm vorsichtig die Hand ihrer Tochter, und kämpfte gegen die Tränen an. " Ist sie tot?" fragte ein Kind. Eine Männerstimme meinte: “Wir müssen sie richtig lagern! Wie geht denn die Schocklage? “ „Sie atmet!“ stellte eine andere Mutter fest. Jemand telefonierte, ein anderer brachte eine Decke. Zeit verging.
Ein Arzt war plötzlich zur Stelle, und bat die Umstehenden zu gehen. Zwei Sanitäter brachten eine Trage. Hilflos sagte Lisa:„Ich bin ihre Mutter.“,
und brach in Tränen aus. Der Arzt stellte einige medizinische Fragen, die Lisa mit gepresster Stimme, so gut sie konnte, beantwortete . Die Reitlehrerin legte ihr eine Hand auf die Schulter, gegen die Lisa sich nicht wehren konnte.
- Nimm die Hand da weg! Du bist doch Schuld an diesem Unfall!-
Als das Kind auf einer Trage aus der Halle transportiert wurde, ging sie nebenher, gestützt von der Frau, der sie am liebsten die Augen ausgekratzt hätte, aber sie brauchte jetzt all ihre Energie für ihre Tochter. “Warum haben sie ihr nicht mehr Zeit gelassen? Sie war noch nicht soweit.“ ,dann stieg sie in den Notarztwagen.
 
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Kommentare  

Trauriges ende. Ich bin gespannt, wie es weiter geht, ich hoffe, es kommt noch eine fortsetzung.

lg Holger


Homo Faber (16.12.2006)

Whow, danke rosmarin! - freue mich über dieses feedback!

Karamba (13.12.2006)

hallo, karamba, das ist ja traurig und, wie die vorigen teile auch, gut geschrieben. aber auch diesmal fehlen wieder die kommatas. einen kleinen schnitzer gibt es auch. - Zwei Sanitäter brachten eine Trage. „Ich bin ihre Mutter“, sagte sie, ... - . vielleicht fügst du die fehlenden kommatas noch hinzu, damit es fünf punkte werden können?
gruß von rosmarin


rosmarin (12.12.2006)

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