3


2 Seiten

Es war einmal...

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Er war gegangen. Wann wusste sie nicht genau, auf jeden fall war er nicht mehr da.
Sie fühlte die Einsamkeit, die abermals in ihr hoch kroch und begann die Regentropfen an der Fensterscheibe zu zählen. Sie stellte sich vor, wie diese die einzelnen Pigmente ihrer Haut benetzten. Ein Tropfen traf sie mitten im Gesicht und glitt –einer Träne gleich- an ihrer Wange hinunter bis zu ihren Lippen.
Als sie mit der Zunge drüber fuhr, stellte sie fest, dass es salzig schmeckte. Draußen prasselte der Regen weiter gegen ihr Fenster.
Sie dachte für nicht mehr als einen kurzen Augenblick an den längst vergangenen Sommer, welcher eine tiefe Lücke in ihr hinterlassen hatte.
Wie lässt man Dinge los, die man loslassen muss, obwohl man sie gar nicht loslassen will?
Sie hoffte mit der Antwort eine Wunde in ihrem Herzen nähen zu können, doch umso mehr sie darüber nachdachte, desto mehr lähmte es sie.
,,Es war einmal...“, ja, so hätte dieses Märchen beginnen können.
Nur leider gab es kein Märchen mehr, denn das, was zu einem solchen hätte werden können, endete nicht mit einem ,,und so lebten sie glücklich bis an ihr Lebensende“.
Alles, wonach sie sich sehnte, war sein Atem, seinen Berührungen, sein verschmitztes Lächeln. Sie wünschte sich die Zeit zurück.
Er ging so langsam, aber jeden Tag einen Schritt mehr von ihr, dass sie es kaum bemerkte. Im Augenblick schien es das Beste zu sein, wenn sie ihn vergessen würde, und das wollte sie auch, nur würde das bedeuten ebenso die schönen Erinnerungen in den Mülleimer des Vergessens zu werfen.
Die Gedanken an all die Dinge, die ihr Band knüpften und es wieder trennten fingen sie jeden Tag auf ein Neues ein. Oftmals saß sie –so kam es ihr vor- eine Ewigkeit da, während die Zeit an ihr vorbeizog. Insgeheim wünschte sie sich, dass Problem selbst würde an ihr vorbeiziehen und vielleicht würde es das auch eines Tages. Zeit heilt Wunden, hinterlässt jedoch Narben.
Sie wollte nicht warten, denn genau in diesem Moment zog das Leben an ihr vorbei.
Ihr Atem verlangsamte sich und in das regelmäßige Trommeln der Regentropfen mischte sich leise Jazz-Musik, welche eine Etage tiefer erklang.
Es gibt Leute, die glauben eine Lösung für ein solches Problem zu haben.
Sie sagen ,,Ablenkung“. Doch letztendlich ist Ablenkung nicht mehr als eine Droge. Eine Droge, die das Problem und die damit verbundenen Gefühle zeitweilig vergessen macht, die sie einnebelt, sie verschleiert, jedoch nicht lösen kann.
Ihre Blicke wandten sich vom Fenster ab, hin zu der alten Kommode. Sie öffnete gezielt die oberste Schublade und nahm eine Postkarte heraus, die er ihr damals geschrieben hatte. Sein Duft, der diese Karte eingehüllt hatte, war verflogen. Aber vielleicht konnte sie ihn auch einfach nicht mehr riechen. Ja, sie konnte, wollte und durfte ihn nicht mehr riechen. Als sie sich selbst im Spiegel sah, erschrak sie für einen Wimpernschlag.
Zum ersten Mal wurde ihr klar dass es nicht nur innerlich an ihr nagte. Mit in Traurigkeit gemischtes Entsetzen fixierte sie ihr Spiegelbild oder vielmehr sich selbst. ,,Nichts!“
Langsam ertastete sie das Gesicht mit den Fingern und strich sich eine lange, schwarze Haarsträhne zurück. ,,Nichts muss mir leid tun!“ Wie konnte er sich einfach seiner Verantwortung entziehen? Sie hat und hätte alles für ihn getan, doch so etwas konnte sie nicht verdient haben. Sie stand sich selbst im Weg! Sie stand sich die ganze Zeit selbst im Weg.
Es war so, als hätte jemand mit den Fingern geschnipst und auf einmal war sie da, die Erkenntnis, mit der sie ihr Problem endlich lösen konnte.
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

hey jessy, ich bin ganz gut beeindruckt von dir. du hast das ja echt drauf. selbst hier in amerika les ich deine werke. wie gehts dir denn so? hast mir ja nicht mehr zurückgeschrieben.

Erik (13.04.2007)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Lebensdrama - Tragödie vom menschlichen Akt  
,,ohne Titel" oder ,,Die Wahrheit der Eurydice"  
Ein Stück Lebenserinnerung  
Gedanken an Dich  
Schweigen  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De