Das Untergeschoss des U-Bahnhofes war auch in dieser Nacht zunächst menschenleer. Jetzt vernahm Werner die Fahrgeräusche aus der Tunnelröhre und spürte auch den kalten Luftzug, der die Ankunft des letzten U-Bahn-Zuges an diesem Tag ankündigte.
Plötzlich wurde Werner hinterrücks von starken Fäusten gepackt. Die beiden vermummten Männer hielten ihm den Mund zu, hoben den schmächtigen Mann hoch, trugen ihn zur Bahnsteigkante und stießen den Hilflosen auf die Geleise. Dann flüchteten sie.
Wahnsinnig vor Schmerzen versuchte Werner sich aufzurichten. Doch mit einem Aufschrei fiel er wieder vornüber. Beide Handgelenke waren gebrochen.
In Todesangst wälzte sich der Mann nun seitwärts von den Schienen und erreichte gerade noch rechtzeitig den Personenschutzbereich unter dem Bahnsteig. Da rauschte die U-Bahn auch schon an ihm vorbei. Kam erst in Höhe der Rolltreppen mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Hilfskräfte konnten Werner schließlich aus dem Schutzbereich bergen.
Nach längerem Krankenhausaufenthalt gestand der Mann: „Seit diesem Unglück habe ich Angst vor jeglicher Art von Bahnsteigen, vor Dunkelheit, vor späten Abendstunden und vor Männern, die mir paarweise entgegenkommen. Auch am Tag.“
Wochen später konnte die Polizei die Täter fassen, die Werner auf die U-Bahn-Geleise geworfen hatten. Sie hassten nicht nur dunkelhäutige Menschen, sondern ganz allgemein auch schwarzhaarige.
„Deutsch ist blond“, meinten sie. „So wie wir!“
Nach diesem Geständnis begab sich Werner sofort zum Friseur und ließ seine Haare blond färben. Mit diesem neuen Aussehen verlor er plötzlich auch seine Angst vor Bahnsteigen, vor Dunkelheit, vor späten Abendstunden und vor Männern, die ihm paarweise entgegenkamen. Auch am Tag. Klar! Jetzt war er ja „deutsch“, weil blond.
Wenn Werner aber auf sein neues Aussehen angesprochen wurde, erklärte er: „... ist mein Beitrag zur Vermeidung von Gewalttaten!“
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