Roland, vierzig Jahre alt, groß und schlank, leitete jetzt als Vorstandssprecher die Geschicke des Bankhauses, die „3 Türme von Babel“.
Roland war damals vierzehn Jahre alt, als er ohne es zu wissen, den Grundstein für seine Karriere legte. Wenn im Sommer die Hitze in der Innenstadt unerträglich wurde, schlenderte der Junge zum Silbersee ins nahe Wäldchen, hielt die Füße ins Wasser und dachte an seinen verstorbenen Vater.
Eine dunkle Mädchenstimme war es, die Roland plötzlich wieder in die Gegenwart versetzte.
„Träumst du von mir oder vom großen Geld?“
„Vom großen Geld, wie du von einem großen Fisch“, konterte Roland, als er das Mädchen mit den Watstiefeln und der Angelrute sah.
„Hab‘ ihn leider noch nicht! Ich bin die Sabine!“, sagte das hübsche Mädchen.
„Hab‘ es auch noch nicht ...! Ich bin der Roland!“
„Hab‘ jedoch was anderes, Roland!“, erwiderte Sabine mit verführerischem Blick und leiser Stimme.
Und gleich holte Sabine die Schnur ein und legte die Angelrute neben sich ins Gras. Erhob sich langsam, zog die schwarzen Watstiefel bis zu den Oberschenkeln hoch, öffnete einen Knopf ihrer Bluse und präsentierte sich Roland in ihrer noch sehr jungen Weiblichkeit.
„Domina ...“, kam es Roland über die trockenen Lippen.
„Ganz so schlimm wird es nicht werden“, beruhigte Sabine und ging dabei langsam auf den Jungen zu. Sie riss den Überraschten zu sich hoch, nahm sein schmales Gesicht in ihre Hände, zog es zu sich herunter, küsste ihn zuerst zärtlich, dann jedoch stürmisch.
„Komm, wir gehen jetzt zu mir!“, sagte Sabine, nachdem sie sich von ihrer Attacke erholt hatte.
Als der Weg aus dem Schatten spendenden Wäldchen herausführte, sang Sabine dem Roland ihr Klagelied.
„Schlimm die Hitze! Spendierst du mir ein Eis? Da vorne ist ein Stand.“
Was sollte er nun um Himmels willen tun? Sein Taschengeld war verbraucht.
„Das Eis ist kalt und verkühlt dir den Magen“, erklärte Roland deshalb und plötzlich mit fester Stimme, „außerdem macht der viele Zucker dick.“
Als Sabine diesen Diätvorschlag verarbeitet hatte, sagte sie: „Du bist der Boss!“ Dann schob sie schnell Rolands Arm von ihrer Schulter.
„Mir ist heiß ...!“
Schließlich standen sie vor dem schmucken Einfamilienhaus, in dem Sabine lebte.
„Hier müssen wir uns trennen. Für immer! Du hast kein Geld! Wahrscheinlich weißt du noch nicht einmal, wie man es beschafft!“
Nun stand Roland als Vorstandssprecher seiner Bank wieder einmal hinter der verspiegelten Glasfassade in seinem Sprecherbüro, blickte auf die erleuchtete Stadt hinab und wusste plötzlich, wem er seine schnelle Karriere als Geldbeschaffer in Beruf und Gesellschaft verdankte.
Was mochte aus Sabine geworden sein? Heute könnte er ihr ein Eis kaufen. Und so sie es wollte, sogar eine Eisfabrik.
© 05.02. 2007 joLepies