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Carli der Schubser

Kurzgeschichten · Für Kinder
Ich bin Carli. Ich bin ein Schubser, aber die Chefin habe ich noch nie geschubst, nur einmal aus Versehen.

Chefin war gestern abend wieder böse mit mir, weil ich so gedrängelt habe, aber ich hatte auch wieder überall die Fliegen hängen und die sind mir richtig auf die Nerven gegangen. Deshalb habe ich immer versucht, vorzulaufen, aber Chefin hat gesagt, ich soll neben ihr bleiben. Sie hat zwei Beine weniger als ich und ist auch viel kleiner, aber sie ist die Chefin und meistens mache ich dann auch das, was sie sagt.

Dafür habe ich dann wieder getrödelt, als wir bei den Mädchen vorbeigekommen sind. Die muss ich mir immer ansehen. Die Mädchen aus Friesland mit dem schwarzen Haar und den dicken Hintern. Manchmal rufe ich nach ihnen und es ist mir egal, dass sie mich ignorieren. Chefin sagte, ich solle jetzt endlich mitkommen, weil sie auch schon überall die Fliegen krabbeln hat.

Im Sommer bin ich mit den anderen Jungs den ganzen Tag auf der Spielwiese. Kumpel Shanni ist ein Kneifer, der kann richtig gut kneifen, dass es weh tut, aber er meint es nicht ernst. Ich bin ein Schubser. Ich habe eine richtig breite Brust, nehme den Kopf ganz hoch und dann schubse ich alle aus dem Weg. Wenn Shanni mal vor mir auf der Spielwiese ist, renne ich zu ihm hin und schubse ihn einmal. Er kneift zurück und dann gehen wir beide unserer Wege.

Chefin hat immer ganz nette Namen für mich, wenn sie mich ruft. Zuerst ruft sie Carli, und wenn ich nicht reagiere, sagt sie: Na, Speckbulette? Oder sie sagt: Wie gehts heute, Tittenheinz?
Sie hält mir immernoch vor, dass ich die Mädchen mag. In meiner Jugend bin ich ganz arg operiert worden und eigentlich dürfte ich die Mädchen nicht mehr mögen, aber wenn ein Mädchen gut riecht, dann kann ich garnicht anders, als es ihr zu besorgen. Aber nur, wenn sie ja sagt. Das mache ich dann so lange, bis mir der ganze Bauch weh tut und der Rücken auch. Deshalb ist Chefin mit mir umgezogen, in eine neues zuhause, wo wir Jungs nicht mehr mit den Mädchen spielen dürfen.
Manchmal versuche ich es trotzdem noch. Wenn Chefin uns Jungs am Wochenende auf die Spielwiese bringt, müssen wir aus unseren Zimmern selbst rauslaufen und auf dem Weg dorthin kommen wir immer an dem grünen Türchen vorbei. Hinter dem Türchen stehen die Friesenmädchen und einmal bin ich dort stehengeblieben und habe reingerufen: Hallo, Mädels! Leider hat Chefin mich gehört, ist um die Ecke gekommen und hat mich angebrüllt: Carli! Was glaubst du, was du da machst? Jetzt aber ab mit dir, Freundchen!!
Ich bin dann ganz schnell den anderen Jungs hinterher gelaufen, denn wenn Chefin wütend wird, renne ich besser weg.

Aber beschweren will ich mich garnicht. Ich kann den ganzen Tag spielen, essen, schubsen, und abends, wenn es nach Hause geht, kümmert Chefin sich darum, dass ich noch meinen Snack bekomme und wenn es mir nicht gut geht, muss ich nur komisch aus den Augen gucken und sie ruft sofort den Arzt an. Den Arzt mag ich nicht besonders, weil der immer mit Spritzen kommt, aber danach gehts dann immer schnell besser. Außerdem habe ich so dicke Haut, ich merke die Spritzen garnicht.

So vergeht jetzt langsam der Sommer. Wenn es so heiß ist, darf ich abends mit Chefin duschen. Das ist klasse! Danach bekomme ich noch ein Brötchen und eine Möhre und dann gehe ich schlafen.

Das Leben ist sehr schön, seit ich mit Chefin nicht mehr arbeiten muss. Ich bin nämlich in Rente, weil mir meine Füße manchmal weh tun. Chefin sagt oft: Carli, andere in deinem Alter fangen jetzt erst an, richtig gut zu werden.
Chefin – das tu ich auch – nur auf meine Weise.
 
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Kommentare  

Hinreißende kleine Story für Kinder. Ich hoffe der alte Carli lebt noch und erfreut sich bester Gesundheit.

Dieter Halle (05.08.2015)

Hallo Pia, sehr schöne Geschichte, habe sie neulich schon einmal gelesen. LG Sabine

Sabine Müller (12.08.2008)

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