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22 Seiten

open all nite teil 3

Romane/Serien · Spannendes
© Tintentod
Mascot schläft die ganze Nacht nicht. Sein Weg führt ihn aus Carrizozo hinaus, er lässt den Pick-up auf einer Waldwiese stehen, nimmt sich eine Decke und setzt sich mit untergeschlagenen Beinen ins Gras. Die Decke um die Schultern reicht ihm gegen die Kälte der Nacht, er summt vor sich hin, beobachtet die Sterne und den aufgehenden Mond. Er versucht, die abgestorbene Verbindung zu seinen Verwandten wieder aufleben zu lassen, glaubt fest an die alten Mythen seiner Vorfahren, auch wenn seine Leute in dem Reservat weder in der Lage waren, ihr Leben in der ursprünglichen Form zu leben, noch eine Perspektive in der Zivilisation hatten.
Im schwachen Mondlicht laufen streunende Hunde herum, wechseln über die Wiese in den Wald zurück und halten scheu Abstand zu Mascot. Einer von ihnen hat Ähnlichkeit mit einem Wolf, er bleibt stehen und hebt den grauen Kopf, schnuppert hin und her, dreht sich um und verschwindet wie ein Nebelhauch zwischen den dunklen Baumstämmen.
Mascot wünscht, er könnte ihm folgen, schwerelos und heimlich, er würde ihm bis hinauf in die Berge folgen, bis an die Schneegrenze. Wölfe laufen schnurgerade hintereinander, treten in die Spuren des ersten Wolfes und so weiß niemand, der eine Wolfspur findet, wie viele Tiere dort unterwegs waren.
Mascot würde es reichen, eine einzige Spur zu finden und ihr folgen zu können, aber er will Rick dabei haben, weil das ihn seinem Traum eine wichtige Komponente war. Er hat einen Haufen Geschwister, Eltern, Onkel und Tanten, von denen er noch einige in dem Reservat anzutreffen hofft; seine Eltern waren schon vor Jahren fortgegangen und niemand wusste, wo sie gelandet waren und ob sie irgendwo Arbeit gefunden hatten.
Bis zum Morgengrauen sitzt er auf der Wiese, folgt bewegungslos den zurückweichenden Schatten und empfängt die Sonne.
Jackie wird ihn nicht einfangen, denkt er, sie wird ihre Finger von ihm lassen.
Eine Nacht mit ihr gesteht er ihm zu, aber mehr wird nicht daraus, dafür wird er sorgen.
Nach der Nacht im Freien fühlt er sich fit und ausgeruht, fast noch besser, als wenn er zehn Stunden geschlafen hätte, bis auf die Tatsache, dass seine Gelenke furchtbar eingerostet sind. Er bringt den Pick-up in die Stadt zurück, stellt ihn vor dem Motel ab und bollert mit dem Fuß gegen die Zimmertür, bis Rick öffnet.

- Wie war sie?
- Einmalig, erwidert Rick, kratzt sich den nackten Bauch und sieht sich um, ich weiß nur nicht, wo sie geblieben ist.
- Hast du schon nachgesehen, ob deine Sachen noch da sind?
- Sie hat mich nicht beklaut, verdammt. Warum sollte sie das tun?
Mascot sieht sich abschätzend um.
- Ist sie weg?
- Sieht so aus.
- Wirst du sie suchen?
- Nein, wenn du willst, hauen wir sofort ab.
Sie checken aus, Rick meutert wegen des Preises und behauptet, es habe nur kaltes Wasser gegeben und der Fernsehempfang sei Scheiße gewesen, aber er bekommt keine Ermäßigung. Sie frühstücken gemeinsam, wobei Jackie kein Thema ist, es ist eine entspannte und erholsame halbe Stunde in dem Diner. Dann betritt sie die Bildfläche, setzt sich neben Rick an den Tisch. Sie trägt die selben Klamotten, legt ihre Neon-Handtasche auf ihre Oberschenkel, die nackt aus ihrem Rock herausragen. Sie verbreitet so offensichtlich ihre Reize, dass Rick nicht mehr die Augen von ihr lassen kann. Er will mit ihr reden, aber Mascot sitzt mit am Tisch und er kann nicht so, wie er gerne möchte und sowieso könnte er seine Gefühle nicht ausdrücken. Er will weder herumstammeln noch blöde lächeln, aber schnell wird ihm klar, dass er genau das tut.
„Rick“, sagt Jackie, streift beim sich zurechtsetzen seinen Oberschenkel mit ihrem nackten Knie, „würdest du mir einen kleinen Gefallen tun?“
„Klar, egal was.“
„Ich hab dir doch von dem Geld erzählt, was ich von meinem Vater bekommen habe.“ Sie beugt sich etwas vor, denn es ist nur für seine Ohren bestimmt, was immer es mit dem Geld ihres Vaters auf sich hat. „Ich brauche es, um über die Runden zu kommen, aber dabei gibt es ein kleines Problem. Es liegt nicht auf einer Bank, wo ich es mir abholen könnte, es ist in einem Schließfach im Busbahnhof. Die beiden Männer, die hinter mir her waren, wissen davon, sie versuchen, es mir wegzunehmen. Und deshalb“, ihr Mund ist bereits bis an seinem Hals angekommen und die Gänsehaut läuft ihm bis an die Waden hinunter, „brauche ich jemanden, der dort hingeht und es holt. Es steckt in einem schwarzen Lederrucksack. Den Schließfachschlüssel trage ich immer bei mir. Würdest du mir diesen Gefallen tun?“
„Wie lange wird das dauern? Denn wir sind schon wieder auf dem Sprung, weißt du, wir wollten schon längst auf dem Weg sein.“
Die Teller werden abgeräumt, Mascot bezahlt. Er braucht Rick nur anzusehen und weiß, was vor sich geht. Er hasst diese blonde Giftspritze.
„Eine halbe Stunde. Du bekommst einen Teil des Geldes, ich weiß, dass in diesem Leben nichts umsonst ist. Fünfhundert für dich. Eine halbe Stunde deiner Zeit. Ich wette, für fünfhundert Mäuse muss dein Alter lange am Band stehen.“
- Buddy, ich bin in einer halben Stunde wieder da. Ich kann schnell an fünfhundert Mäuse kommen und das lass ich mir nicht entgehen.
- Was musst du dafür tun?
Sie palavern auf der Herrentoilette, werden nur von einem alten Mann mit Prostatabeschwerden gestört, der am Urinal steht und kein Ende findet.
- Ich hole Geld für sie aus einem Schließfach. Da sind komische Typen hinter ihr her, deshalb kann sie es nicht selbst tun.
- Ist es wirklich ihr Geld?
- Und wenn nicht, na und? Ich pass schon auf.
- Du könntest dir ’ne Kugel einfangen. Wenn du willst, komm ich als Rückendeckung mit.
Rick überlegt, sieht in den Spiegel auf der anderen Seite des Raumes. Er kann Mascot auf dem ersten Blick erkennen, aber bei sich selber hat er Schwierigkeiten. So kann er nicht aussehen; denn gestern Nacht bei Jackie hat er sich großartig gefühlt, wie ein Mann auf dem Dach der Welt. Blickt er jetzt in den Spiegel, sieht er einen Haufen zerlumpter weiße Scheiße und ist irritiert darüber, dass Jackie ihn ausgesucht hat.
Das kann nicht normal sein. An der Sache ist etwas faul und mal ehrlich, er sollte Mascot als Rückendeckung mitnehmen.
- Soll ich mitkommen? fragt Mascot.
- Ich überlege gerade, warum sie nicht zu den Bullen geht und sagt, dass jemand hinter ihr her ist. Wahrscheinlich ist es wirklich nicht ihr Geld, aber was soll’s? Fünfhundert Scheinchen. Damit kommen wir weiter.
Er reißt sich von dem Spiegelbild los, probiert ein Grinsen und sagt:
- Ich mach’s allein. Du wartest hier und dann sind wir wie ein geölter Furz in Ruidoso, Okay?
Sie kehren an den Tisch zurück, wo Jackie drei Kaffee nachbestellt hat. Ihr Lächeln ist verschwunden, als habe es nie auf ihrem Gesicht existiert.
„Gib mir den Schlüssel“, sagt Rick.
„Nicht so schnell. In dem Rucksack ist eine Menge Geld und obwohl ich dir traue, will ich nicht, dass du in Versuchung kommst, einfach abzuhauen. Ich brauche eine Garantie, richtig? Hör zu, Ricky, und dann gebe ich dir den Schlüssel. Du hast vierzig Minuten, vierzig, weil du es bist, um genau hier wieder aufzutauchen und mir das Geld zu übergeben. Der Busbahnhof ist am südlichen Ende der Stadt, nicht zu verfehlen. Selbst zu Fuß könntest du das schaffen. Tauchst du bis zwanzig nach elf nicht auf, werde ich zu den Bullen gehen und sagen, dass ich per Anhalter gefahren bin, ein Pick-up hat mich mitgenommen und der Fahrer hat mich vergewaltigt. Vergiss nicht, dass ich jedes Tattoo an dir genau beschreiben kann. Sie werden dich sehr schnell finden und wieder einbuchten, glaub mir.“ Sie hält Rick den Schlüssel mit der aufgestanzten Schließfachnummer vor die Nase, lässt ihn hin und her baumeln und sieht ihn fragend an. Rick nimmt den Schlüssel, betrachtet ihn und wagt sich nicht vorzustellen, in was er da hineingeraten ist.
„Vorher will ich noch eins wissen“, sagt er, „was war das schlimmste, was du je getan hast?“
„Ich hab meiner besten Schulfreundin Drogen in die Cola getan und dann dabeigesessen, als die Jungs der Footballmannschaft nacheinander über sie drübergerutscht sind.“ Sie lächelt. „Und wenn du wieder hier bist, erzählst du mir dein kleines Geheimnis.“

Es gibt kein Geheimnis. Er hat Mascot geholfen und ist von zu Hause davongelaufen, während sein Bruder Curtis in Vietnam war. Irgendwann war er es einfach leid gewesen, an allem Unglück der Scanlons Schuld zu sein, die unselige Wiedergeburt seines Großvaters Duane McGuire, Schwarzbrenner und irischer Gangster, den sie bis zum Schluss nicht schnappen konnten und von dem erzählt wurde, er habe sich angeschossen in einem Kloster versteckt und sei nach seiner Genesung nach Chicago zurückgekehrt, um den Laden von hinten aufzurollen. Er hatte noch Zeit, ein paar Kinder zu zeugen, bevor er bei einer Verhaftung erschossen wurde. Rick liebt die Vorstellung, dass er noch ein paar Polizisten mitgenommen hatte, ein großartiger Abgang von der Weltbühne. Rick ist rasend eifersüchtig auf jeden in seinem Alter, der es besser hat, der ein Heim und eine Familie hat und diesen Reichtum nicht zu schätzen weiß. Er selbst kann nicht zurück. Nach seinem ersten Knastaufenthalt fahren Mascot und er zurück nach Mt. Vernon, sehen sich die Schule und die alten Straßen an. Sie fahren auf einem geklauten Motorrad, auf dem sie kaum gemeinsam Platz finden. Die Sonne brennt so heiß vom Himmel, dass sie fast einen Hitzschlag bekommen, aber sie fühlen sich großartig. Rick kann sich nicht mehr daran erinnern, wer überhaupt auf diese verrückte Idee gekommen war, Mascot hat eingewilligt und die Revolver besorgt, was kein Problem war, nicht bei meinen Verbindungen, buddy. In einer wundervollen idyllischen Abenddämmerung erreichen sie die Farm der Scanlons, steigen vom Motorrad und sehen sich um. Mascot meint, dass es verlassen aussieht und er hat recht. Hier lebt niemand mehr und es gibt keinen Hinweis darauf, wo sie hingegangen sein könnten. Trotzdem ist noch Leben auf dem Hof; auf der Weide hinter dem Stallgebäude stehen ein paar Mastrinder und Rick beginnt, auf sie zu schießen, einfach nur so. Sie versuchen wegzulaufen, aber sie sind zu langsam und bevor sie überhaupt begreifen, was los ist, liegen sie sterbend im Gras. Rick und auch Mascot haben mehrere Magazine auf ihnen geleert. Die Stille danach ist herrlich. In der Scheune steht der alte Traktor und Rick findet eine zahme Hofkatze und einen Kanister Benzin. Er trägt die Katze mit sich herum, setzt sie draußen ab und scheucht sie weg, dann sieht er sich um und findest nichts, an das er sich gern erinnern würde. Die Szenerie ist so unwirklich, erst das Sterben der Rinder, dann der benebelnde Geruch des auslaufenden Benzins und das Feuermeer, grandiose Flammen, die alles vernichten. Sie stehen wieder nur da und beobachten, Rick klickt mit dem Zippo herum, steckt es in seine Tasche zurück. Er verschwendet keinen Gedanken daran, was sie getan hätten, wäre seine Familie noch auf der Farm gewesen. Als die Flammen vom Stall auf sein Elternhaus übergreifen, sich explosionsartig vermehren und ausbreiten, ist es in seinem Kopf seltsam leer und ruhig, er ist wie das ruhige Auge eines Hurricanes. Das Feuer ist meilenweit zu sehen und Mascot drängt, endlich zu verschwinden, sie fahren die selbe Strecke, die sie gekommen sind, halten immer wieder an und sehen zurück zu dem orangeroten Fleck am Horizont, der immer kleiner wird. Die Zeit danach verbringen sie an der Westküste, aber dort gefällt es ihnen nicht und sie machen sich wieder auf den Weg. Wenn es ein Geheimnis geben sollte, dann wird er es sicher nicht ausplaudern nur aus einer Laune heraus. Jackie will kein Geheimnis hören, sie will wissen, ob er etwas getan hat, wofür er sich schämt und da gibt es sicher eine ganze Menge.
- Nimmst du den Pick-up?
- Wäre einfacher, aber ich zieh das Ding lieber zu Fuß durch. Ich will nicht, dass da jemand auf mich lauert und dann den Wagen sieht, mit dem erkennt man uns sofort wieder. Wenn ich nicht wieder auftauche, fährst du weiter nach Ruidoso und wartest da auf mich. Ich schlag mich schon durch.
- Du wirst das schon durchziehen. Wäre nicht das erste Mal.
- Als wenn Jackie das gewusst hätte.
- Sie hat sich den richtigen rausgepickt, sagt Mascot säuerlich.
Er legt es nicht darauf an, bei Jackie am Tisch sitzenzubleiben, um auf Rick zu warten; ohne ein Wort zu verlieren, fährt er mit dem Pick-up davon. Er traut Rick den Alleingang zu, aber er geht gern auf Nummer sicher und was soll er in diesen vierzig Minuten sonst tun, als mit dem Pick-up in der Nähe des Busbahnhofs zu warten und die Augen offen zu halten. Gegen eine Sicherheitsleine konnte niemand etwas haben. Er rauchte eine Zigarette nach der anderen, bis ihm fast schlecht ist vom Nikotin und er sich wie die stereotype eines werdenden Vaters fühlt. Die Uhr über dem Gebäude des Busbahnhofs behält er ständig im Auge und die Minuten verticken so zähflüssig, dass sie zu einer Ewigkeit werden. Rick kommt nicht aus dem Haupteingang, nachdem die Zeit fast abgelaufen ist, sondern läuft aus der Seitenstraße auf die Hauptstraße zurück, unter dem Arm geklemmt hält er den schwarzen Lederrucksack, und er rennt, als wolle er einen neuen Rekord aufstellen. Mascot verfolgt seinen Lauf, zufrieden damit, dass Rick sich nicht alle paar Meter umdreht, um zu sehen, ob die Verfolger noch hinter ihm sind, natürlich mit dem Erfolg, dass er stolpern und gegen eine Laterne rennen würde; Rick läuft schnurgerade die Straße hinunter, weicht den Passanten aus, ist schnell aus Mascots Blickwinkel verschwunden. Soweit er sehen kann, ist niemand hinter ihm her, ein gutes Zeichen. Wer immer es war, Rick hat ihn erfolgreich abgehängt.
Mascot haut den Gang rein und fährt zurück in Richtung Diner, die Strecke ist lang genug, dass er Rick unterwegs einholt, hupt und ihm den Wagenschlag öffnet.
- Alles geklappt? Hast du die Moneten?
Rick ist außer Atem, hält sich die Seite und japst nach Luft, kann nicht direkt antworten. Der Rucksack klemmt zwischen seinen zitternden Knien. Es ist etwas in seinem Blick, was Mascot überhaupt nicht gefällt.
- Erzähl mir nicht, das Geld ist weg, erzähl mir das bitte nicht, buddy.
- Shit, das Geld hab ich hier, aber der Typ, der hinter mir her war, war nicht von schlechten Eltern. Fast hätte er mich gehabt. Der wollte nicht erst diskutieren, wem die Knete gehört, der ist mir sofort an den Kragen gegangen.
Rick keucht und zittert, nickt zu dem Rucksack hinunter und sagt, Mascot solle seinen Anteil rausnehmen, den Rest zu Jackie ins Diner bringen.
- Das war nicht die Abmachung, ich weiß, aber wenn ich ihr jetzt begegne, dreh ich ihr den Hals um.
Mascot erledigt die Übergabe, beantwortet keine von Jackies hektischen Fragen, wie es gelaufen sei und ob ihnen jemand gefolgt wäre, er hofft nur, dass er sie nicht mehr wieder sehen wird.
Im Pick-up ist Rick in sich zusammengesunken, hält sich noch immer die Seite unter der Lederjacke und Mascot argwöhnt, dass Seitenstiche langsam nachgelassen haben müssten, selbst heftige Seitenstiche. Aus seiner Sicht ist ihnen niemand gefolgt, an der nächstbesten Parkbucht hält er an und beugt sich zu Rick hinüber.
- In was hat sie dich da reingeschickt, Rick?
Rick seufzt, noch immer kurzatmig, nimmt langsam die Hand aus der Jacke und betrachtet erstaunt das Blut, das von seinen Fingern tropft. Kein Wunder, dass ihm die Beine zittern.
- Ist nur ’n Schnitt, sagt er, kein tiefer Stich, er ist abgerutscht dabei, aber es sprudelt ganz schön, was? Du könntest in den nächsten Drugstore gehen und ein paar Meter Pflaster kaufen.
- Ich sag dir was. Sie hat irgendjemandem das Geld geklaut und die sind hinter ihr her. Die wussten von dem Schließfach und haben dort einfach nur gewartet, dass jemand auftaucht und die Tasche holt. Jackie brauchte einfach nur einen Blödmann, der das für sie erledigen musste.
- Das waren die fünfhundert nicht wert.
- Fünfhundert? Sie hat auf tausend erhöht, aber das weiß sie noch nicht.
Mascot lacht und steckt die Zunge durch die Zahnlücke.

Sie quartieren sich in einem kleinen Hotel ein, Rick markiert eine Gallenkolik und sie sind ungestört in dem hübschen Zimmer, was sie sich unter normalen Umständen niemals geleistet hätten. Die Wunder unterhalb seiner Rippen ist nicht tief, ein glatter Schnitt durch das obere Gewebe, aber Mascot sagt, dass so was besser genäht werden sollte und er will versuchen an Antibiotika ranzukommen, damit sich der Mist nicht entzündet. Sie brechen in Gelächter aus, als Rick ihn an die Geschichte erinnert, als sie Hollis in ähnlicher Situation Medikamente von einem Tierarzt besorgt hatten und erst hinterher feststellten, dass das Zeug wirklich nur für Pferde, Schweine und Rinder brauchbar war und sie etwas von ‚Wartezeiten bei essbarem Gewebe von zum Verzehr vorgesehenen Tieren’ lasen. Hollis hatten sie davon nichts erzählt.
- Ich hoffe, die Typen erwischen sie, obwohl ich denke, dass sie schlau genug sein wird, aus dieser Gegend zu verschwinden.
- Was wir auch tun sollten.
Rick legt sich vorsichtig zurück, stöhnt und sieht an die Decke, tastet mit der linken Hand immer wieder an den Verband, den Mascot vorsichtig und sorgfältig angebracht hat. Sie hören bis spät in die Nacht Radio, lauschen stumm den Worten von Father McGuire, sein munteres Gesicht vor Augen.
Rick schläft ein, ohne es zu bemerken, hat einen Alptraum, wie immer, wenn er auf dem Rücken einschläft.
Der Mann in dem schwarzen Anzug, der ihn bei dem Schließfach anrempelt und festhält, ist diesmal schneller und Rick sieht das Messer kommen, fühlt den Stich in seinem Bauch, wieder und immer wieder. Nur die offene Schließfachklappe in seinem Rücken und der Mann vor ihm halten ihn noch auf den Beinen und dahin ist sein Traum vom leicht verdienten Geld für die halbe Stunde Arbeit. Aus diesem Traum schreckt er hoch, mit pochender Wunde und in Schweiß gebadet. Er redet sich ein, dass das nur der schlechte Traum ist und keine Infektion, schläft wieder ein, obwohl Mascot schnarcht wie ein Berglöwe.
Am nächsten Morgen kommt Mascot mit einer Zeitung ins Zimmer zurück, hat die Medikamente darin eingewickelt.
- Unseren ersten Tausender zur Million hab ich noch nicht angebrochen, sagt er, das hab ich nicht übers Herz gebracht.
- Hah? Rick reagiert langsam und wie unter Wasser. Mascot wirft Zeitung und Plastikröhrchen zu ihm auf das Bett.
- Hast du nicht in den Rucksack reingesehen?
- Hatte ich keine Zeit zu.
- Jackie wird den Verlust von einem Tausender nicht mal bemerken, glaub’s mir. Das könnte ’ne viertel Million in dem Sack gewesen sein. Gebrauchte Scheine, so würde ich mir Lösegeld vorstellen.
- Mascot? Du hast doch nicht etwa einen Tausend Dollarschein genommen?
- Doch, warum? Ich wollte nicht lange abzählen.
Rick lacht bellend auf und greift sich sofort an die Seite, angelt mit der anderen Hand nach einem Pillenröhrchen, was in seine Nähe gerollt ist. Painkiller. Immer gut.
- Versuch dir folgendes vorzustellen. Einer von uns beiden kommt in einen Laden, egal, in welchen Laden. Kauft etwas und bezahlt mit einem Tausender. Hörst du auch schon die Alarmglocken?
- Komm schon, es gibt genug Hehler, die nicht wissen wollen, wo das Geld herkommt.
- Kennst du in dieser Gegend einen, der uns nicht an die Typen verraten wird, die ihre Kohle wiederhaben wollen?
Mascot grinst und erwidert: - Ich kenne jemanden, der uns nicht verpfeifen wird.

Rick hält die Idee für Schwachsinn, wettert und motzt dagegen, bis Mascot den Schein greift und es selbst durchziehen will, aber damit ist er auch nicht einverstanden. Er ringt Mascot das Geld wieder ab und zieht sich mühsam die Jacke über. Das Blut ist zu dunklen Flecken getrocknet.
- Ich mach das. Wenn’s nicht klappt, ist es meine Schuld, mein Tausender, mein Schnitt.
Er faltet den Schein zu einem kleinen Rechteck zusammen, Mascot macht eine absegnende Geste, unterdrückt den Wunsch, seinem buddy saftig in den Hintern zu treten. Das Geld bleibt in Ricks Hand, sie berühren kurz die Handflächen des anderen und Rick fragt, ob er nicht zu schlimm aussehe für die Aktion.
- Wenn er Mitleid mit dir hat, ist das nur von Nutzen.
Es ist Sonntag und Zeit für die Messe. Obwohl die alte Kirche Platz für hunderte von Kirchgängern bietet, sind nicht viele gekommen, um sich die Predigt anzuhören und alte Lieder zu singen. Bei der heiligen Kommunion hat Father McGuire kaum ein Duzend Hostien zu verteilen. Rick bleibt im hinteren Teil nahe der Tür, und wartet dort, ohne teilzunehmen. Von seiner katholischen Mutter hat er eine Menge über das Höllenfeuer erfahren, nur wenig über den Himmel und Vergebung und er glaubt nicht, dass ihm die Messe gefallen wird. Aber McGuire verteufelt niemanden, er streckt die Hände aus und erinnert die Anwesenden daran, einmal bei dem alten Mann nebenan vorbeizusehen, ob er eine Zeitung braucht oder ein Schwätzchen halten möchte, er erzählt die Geschichte des betrunkenen Autofahrers, der von einem Streifenpolizisten angehalten wird, und statt eines Strafzettels mit den Worten heimgelotst wird: Meine Kinder gehen hier zur Schule. Wenn sie das nächste Mal betrunken ins Auto steigen, denken sie einmal an meine Kinder, und zeigt ihm Fotos von zwei lachenden glücklichen Engeln.
Rick will den Mann nicht mögen, aber er kann nichts dagegen tun; McGuire ist ein guter Kerl, der es wirklich drauf hat. Die Kirche leert sich schnell, die Messdiener haben es eilig zu verschwinden, weil irgendwo ein Softballspiel stattfindet. Sie rennen hinaus, in sauberen ordentlichen Klamotten, gepflegten Haarschnitten und machen sich im Traum keine Gedanken darüber, dass das Leben auch anders aussehen konnte.
Er wagt sich nach vorn in den Gang bis vor den Altar, setzt sich dort in eine der vorderen Reihen. Father McGuire ist angenehm überrascht ihn zu sehen.
„Du bist zur Messe hier gewesen?“
„Ja, ich hab’s mir mal anhören wollen. Ich war das letzte Mal etwas gereizt, tut mir leid.“
„Ist schon Okay.“ McGuire setzt sich eine Reihe vor ihn, noch immer in seinem Messgewand. „Wie darf ich dich nennen?“
„Rick reicht fürs erste, wenn’s ihnen nichts ausmacht.“
„Rick – ich möchte mich schnell umziehen gehen, dauert nicht lange. Hast du Zeit? Wartest du hier?“
„Ja, klar.“
Ihre Stimmen hallen durch den hohen Raum, selbst ein Flüstern und Füße scharren ist zu hören und Rick denkt, dass Gott diese Akustik lieben muss.
Father McGuire kommt zurück in T-Shirt und Stoffhose, kämpft noch mit dem Verschluss seiner Armbanduhr.
„Willst du hier sitzen bleiben? Ich weiß, dass die leere Kirche zauberhaft ist, aber nebenan ist es vielleicht etwas privater. Und mein Kaffee ist auch nicht schlecht.“
Es ist seine Wohnung, eine Art Arbeitszimmer, Fotos in Rahmen auf dem Schreibtisch, eine Menge Akten, Briefe, Rechnungen, Grünpflanzen, alte gepolsterte Stühle. Sie trinken den Kaffee und Rick findet keinen Einstieg zu dem Thema, was ihn hergeführt hat; er lässt den Father erstmal reden.
„Ich kann dir ansehen, dass du es nie über die Lippen bringen würdest, mich Father McGuire zu nennen, deshalb darfst du einfach John zu mir sagen. Deinen Respekt muss ich mir verdienen, das weiß ich. Ist dein Freund noch in der Stadt?“
„Er wartet auf mich.“
„Ich dachte, ihr könntet euch getrennt haben, wegen diesem hier.“ McGuire tippt sich an die Schläfe.
„Das war nur’n Unfall. Mascot und ich sind auf dem Weg nach Ruidoso.“
„Mascot? Ich hätte einen indianischen Namen erwartet.“
„Er hat einen, aber den kann keiner aussprechen. Ich hab ein kleines Problem und deshalb bin ich hier.“ Sein Blick schweift ab, fährt über die Fotos, die vor seiner Nase stehen, denn es macht ihn nervös, seinem Gegenüber ins Gesicht zu sehen. Die Wirkung des Schmerzmittels lässt nach und seine Wunde pocht und brennt, es lenkt ihn ab und er kann sich nicht auf die Überleitung zu dem Geld konzentrieren und dann bleibt sein Blick auch noch an einem der Fotos hängen.
„Ich dachte ehrlich, ich hätte mich verknallt in dieses Mädchen, man sieht eine an und es passiert, und man würde alles tun, um sie zu beeindrucken, so ist es doch. Die meisten Mädchen, die ich kenne, sind’s nicht wert, aber dieses eine Mal hab ich gedacht, es wäre die richtige. Sie hat mich von vorn bis hinten verarscht und ich kann das nicht komisch finden. Aber wir sind ja auch nicht unterwegs, weil ich ’ne passende Braut suche.“
„Rick, du solltest etwas anderes tun als mit deinem Kumpel durch die Gegend zu fahren, du solltest irgendwo ein Heim haben, einen Beruf. Das scheint das spießige Leben zu sein, was keiner in deinem Alter führen will, aber sieh dir die Jungs aus den Rockbands an. Die haben alle Heim und Familie und lassen nur auf der Bühne den wilden Mann raus.“
„Gehen ihnen solche Sprüche niemals aus?“ Rick sucht nach seinen Zigaretten, wühlt in den Jackentaschen und Father McGuire bemerkt seine vorsichtigen Bewegungen, nimmt an, dass nicht nur sein Gesicht bei dem freundlichen Gerangel etwas abbekommen hat.
„Haben sie ’ne Zigarette?“
„Nichtraucher, tut mir leid.“
Der Kaffee entschädigt für die fehlende Zigarette etwas, Rick starrt auf eines der Gruppenfotos und beginnt erneut, eine Überleitung zu dem Geld in seiner Hosentasche zu suchen.
„Mascot sucht seine Leute, deshalb sind wir hier. Als er klein war, haben seine Eltern ihn und seine Geschwister gepackt und haben das Reservat verlassen und in irgendeiner Stadt hat er sie verloren. Er sagt, er war zu klein, er kann sich nicht mehr daran erinnern, wo es war und dann haben die Behörden ihn aufgegriffen und in ein Heim gesteckt. Jetzt ist er zurück und versucht sie zu finden. Ist das da ihre Familie, John?“
Komm endlich zur Sache, du Idiot, bevor du noch genug Stoff für ’ne Doktorarbeit ausspuckst. Das Geld. Er soll doch nur den Schein klein machen.
John McGuire ist auf dem Gruppenfoto unschwer zu erkennen, obwohl es ihn als Kind zeigt. Die Fotographie ist alt und verblasst, nichts ist mehr schwarz und weiß, alles nur noch hell und dunkel Sepia. McGuire nimmt das Foto zur Hand, wirft einen langen Blick darauf, ein einsamer Mann in einer Berufung, die ihn dazu zwingt, Tag und Nacht mit Menschen auszukommen.
„Meine alte Frau Mutter und ihre drei Kinder, das hier bin ich. Ich war schon immer kräftig, wie du siehst. Mein Dad ist nicht mit drauf, er war zu dem Zeitpunkt bereits tot. Meine Schwester und mein älterer Bruder. Wir haben uns in alle Himmelsrichtungen verstreut, als ich mit Andy das letzte Mal telefoniert habe, war er gerade in Alaska. Was ist mit deiner Familie? Möchtest du über sie reden?“
Als er diese Frage hört, zerfällt etwas von Ricks harter Fassade und er beginnt an den Nägeln herumzukauen. Sein lädiertes Gesicht wird weich und macht eine erstaunliche Verwandlung zu einem kleinen Jungen durch, der nichts anderes möchte als ein Licht neben seinem Bett zum einschlafen und dabei das leise Gespräch der Eltern nebenan zu hören. Er mag sich einreden, in seinem Leben zurechtzukommen und alles im Griff zu haben, aber sein Herz weiß, wonach er sich sehnt.
Father McGuire sieht diese Veränderung und ist froh darüber, noch eine sensible Seele gefunden zu haben; viele, die er kennt, sich Jahre jünger als Rick und dazu nicht mehr fähig.
„Ich bin von zu Hause weg vor acht Jahren und als wir irgendwann mal in der Nähe von Mt. Vernon waren, sind wir zur Farm rausgefahren, aber da waren sie nicht mehr. Keine Ahnung, wo es sie hinverschlagen hat, es interessiert mich auch nicht wirklich. Meine Mutter hat mich bei jeder Gelegenheit verprügelt und unter der Treppe eingesperrt und mein Alter hat so getan, als sei das alles nur halb so schlimm. Ich musste in der Küche an der Hintertür schlafen. Sie wollte nur einen Sohn haben und das war mein Bruder Curtis und der Bastard, der danach noch kam, war ihr vollkommen egal. Mascot hat gesagt, dass ich auch abhauen kann, wenn ich es ihnen nicht recht machen kann und in Indianapolis würde es uns beiden besser gehen. Mann, sie haben doch solche Geschichten schon tausend Mal gehört, oder? Ist doch immer das gleiche, wenn sich jemand über sein Elternhaus auskotzt.“
„Du bist irischer Abstammung, nicht wahr?“
„Von beiden Seiten. Warum, wollen sie meine Trinkfestigkeit überprüfen?“
Father McGuire legt den Kopf schief, stellt vorsichtig das Foto an seinen alten Platz, hat scheinbar Mühe, Rick wieder anzusehen.
„Nein, es fiel mir nur gerade ein, danach zu fragen. Iren erkennen sich untereinander, glaube ich. Wie ist dein Nachname?“
„Scanlon.“
„Trinkst du einen Whiskey von der Insel mit mir?“

Mascot erwartet ihn bereits unten auf der Straße vor dem Eingang des Hotels, sein langes Haar liegt ihm offen auf den Schultern unter dem Cowboyhut und er hat die Stiefel nicht an den Füßen. Seine Füße sind vom hin und herlaufen staubig.
- Hast du’s? Hat’s geklappt? Verdammt, mach endlich den Mund auf.
- Ich brauch noch was Zeit.“
- Was zur Hölle soll das denn heißen?
Mascot schubst ihn unsanft, dafür tritt Rick nach seinen Kniekehlen, lässt die übliche Treffsicherheit vermissen und sein Wanken bestätigt Mascots Vermutung, dass er getankt hat. Wieder in ihrem Zimmer lässt Rick sich stöhnend auf das Bett sinken, umfasst seinen Kopf mit beiden Händen.
- Ich brauch was von der Dröhnung. Die Mischung wird mich drei Tage schlafen lassen, ab ins Koma. Buddy, ich bin nicht mal dazu gekommen, den Tausender auch nur zu erwähnen, der Mann hat mich mit Tullamore Dew abgefüllt und nur Fragen gestellt, Fragen, Fragen, Fragen. Keine Ahnung, was das sollte, aber wenn ich morgen hingehe, drück ich ihm den Schein wortlos in die Hand und dann klappt’s. Heute hab ich einfach den Dreh nicht gekriegt.
- Ich hab Zeitung gelesen während zu weg warst und ich denke, wir sollten so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Rick schluckt zwei Schmerztabletten, legt sich auf die gesunde Seite und zieht die spanisch sprachige Tageszeitung zu sich heran, die aufgeblättert neben ihm liegt. Mascot tippt auf den Artikel, obwohl das überflüssig ist. Jackies Foto ist abgebildet.
Ich wünsche ihr, dass sie tot ist, umgebracht und irgendwo verscharrt, aber Scheiße, es tut noch immer weh. Sie hat mit mir herumgespielt und wenn ich aus dem Busbahnhof nicht lebend rausgekommen wäre, hätte sie nicht eine Träne vergossen. Es ging ihr nur um das Geld. Sie geht über Leichen, diese blonde Schlange.
Aber in dem Artikel steht nichts darüber, dass sie eine falsche Schlampe ist, Jacqueline Mazurski, Tochter von Logan Mazurski, wird noch immer vermisst, zwölf Wochen nach ihrer Entführung auf dem Heimweg von der High School, und nach Übergabe des Lösegeldes. Verzweifelte Eltern, die noch mal um ein Lebenszeichen ihrer Tochter bitten, um ihre Freilassung. Die Polizei ist eingeschaltet und steht vor einem Rätsel. Das schlimmste wird angenommen und scheint immer wahrscheinlicher.
Rick sieht auf das Foto, das sie als brave Tochter zeigt und ist mit einem Schlag nüchtern. Dieses biedere Schulfoto gibt ihm wirklich den Rest.
- Sie hat das eingefädelt, ihre eigene Entführung. Das Geld ist von ihrem Alten. Sie kommt aus Fort Sumner.
- William Bonney, sagt Rick. Es ist ihm wieder eingefallen.
- Sie muss Komplizen gehabt haben, denen der Anteil wohl zu mager ausgefallen ist. Die sind hinter ihr her.
- Warum geht sie nicht nach Hause?
- Sie wird sich mit der Kohle irgendwo ein schönes Leben machen wollen.
Rick sieht noch mal auf den Artikel.
- Die Hölle auf Erden scheint sie nicht gehabt zu haben.
- Ich weiß es nicht, buddy, du hast mit ihr geschlafen, nicht ich.
Schlafen, denkt Rick, oh ja. Die Tabletten wirken lassen und bis morgen früh durchknacken.
- Morgen verschwinden wir, sagt Mascot, aber Rick ist bereits eingeschlafen, hat nicht einmal die Jacke ausgezogen. Mascot zieht ihm die Schuhe von den Füßen, wischt Zeitungen und Klamotten von seiner Hälfte des Bettes und setzt sich aufrecht hinein, die Wand im Rücken. Es ist viel zu früh zum schlafen, es sei denn, man hat mit einem Pfarrer Whiskey gesoffen und dann auch noch Schmerztabletten genommen, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Mascot raucht, denkt nach.
Wir könnten nach Fort Sumner zurückfahren, den Schmied fragen, wo wir die Farm der Mazurskis finden und denen den Tip geben, wo sie ihre Tochter finden. Am Telefon würden sie uns das nicht glauben. Sie könnten es uns nicht abkaufen wollen und die Bullen rufen. Naja, Rick dürfte nicht sagen, dass er mit Jacke geschlafen hat.
Im Schlaf zuckt Rick zusammen, murmelt und zischt undeutlich, wirft sich auf den Rücken und beruhigt sich wieder.
Vielleicht sollte doch ein Anruf reichen, in dem Diner muss sie öfters als einmal gesehen worden sein und schon ist es aus mit dem Märchen der Entführung, wenn die Bullen dieser Spur einmal folgen. Dann wird sie von beiden gejagt, von ihren Komplizen und von den Bullen. Geschieht ihr recht.
Gedankenverloren beginnt er ein Lied zu singen, kein indianisches Lied, sondern eines der Stücke, die sie ständig im Radio hören, zieht an der Zigarette, starrt in die Glut. Ab und zu sieht er zu Rick hinüber, wartet selbst darauf, müde zu werden. Manchmal kommt er ohne richtigen Schlaf aus, ist überzeugt davon, dass es am Mond liegt; bei Vollmondnächten ist er immer unterwegs, mit einem Kribbeln unter der Haut und schnellen Füßen. In diesen Nächten ist er sicher, dem Tod näher zu sein als zu anderen Zeiten.
Wieder wirft Rick sich herum, setzt sich abrupt auf und sagt mit verwaschener Stimme: - Lass mich in Ruhe, verdammt.
- Hey. Alles klar?
- Ja, sagt Rick zögernd, unsicher darüber, wo er eigentlich ist.
Er schwingt die Beine über den Rand und bleibt dort hocken.
- Wenn du nicht schlafen kannst, drehen wir noch ’ne Runde.
- Geht gleich wieder, wenn die Bilder weg sind. Und ich dachte immer, bei so einer Dröhnung würde man nicht träumen. Hast du überhaupt geschlafen?
- Mein Totem lässt mich nicht.
- Ich hol mir noch was zu trinken.
- Bring mir was mit.
Im Dunkeln tastet Rick sich an die Minibar, nimmt zwei Flaschen blind heraus und hofft, dass er nicht gerade das Mineralwasser erwischt hat. Mascot zuckt zusammen, als Rick ‚Hepp’ macht, aber es kommt nichts geflogen. Sie knacken die kleinen Flaschen und nehmen den ersten Schluck.
- Was hast du?
- Tequila. Und du?
- Wodka mit was süßem. Weibergesöff.
Sie rülpsen, werfen die Flaschen ans Fußende und Rick meint, dass er wohl wieder einschlafen könne nach diesem Zeug. Er versucht sich auf den Bauch zu legen, aber er kann nur ohne Schmerzen atmen, wenn er die Arme von sich streckt und so schläft er wie ein Vogel fliegt. Mascot macht sich kleiner und rutscht zur Seite, döst endlich ein.
Der kleine Mann mit der Stimme von John McGuire ist wieder da, singt ‚Viva Las Vegas’ und schwingt mit den Hüften. Rick findet das absolut lächerlich, kann aber nicht darüber lachen, weil etwas unter seiner Haut lauert, wovon Rick nichts wissen will und je länger der kleine Mann singt, umso wahrscheinlicher wird es, dass er es ausplaudert. Curtis kommt die Treppe herunter, den Kopf rasiert, er steckt in seiner Uniform und sagt, dass er da drüben mit einem Hubschrauber abstürzen, aber es überleben wird. Also mach dir keine Sorgen um mich, Kleiner. Wir werden uns wieder sehen, die Welt ist klein. Rick will davon nichts hören, er presst sich die Handflächen an die Ohren und will taub werden, aber das Fatale ist, dass diese Stimmen aus seinem Inneren kommen und er sie nicht abwürgen kann. Die wirren Träume, gesponsert von Alkohol und Schmerzmittel, hören bis in den frühen Morgen nicht auf und er muss kräftig strampeln, um nach dem Aufwachen davon loszukommen.
Seine Wunde ist trocken und sieht gut aus, wenn sich die Wundränder auch nicht von allein schließen. Er verklebt sie sorgfältig und zieht sich das T-Shirt über.
- Wir müssen darüber reden, sagt Mascot.
- Erst geh ich zu McGuire, dann reden wir über die Sache mit Jackie.
Sie plündern die Minibar, füllen die Flaschen mit Wasser auf und Rick kratzt die letzten Krümel für einen mickrigen Joint zusammen, noch bevor sie überhaupt an ein Frühstück denken. Als er an die Tür des Haupteingangs klopft, macht Rick einen verlotterten Eindruck, er kann nicht leugnen, dass er nicht nüchtern ist. Eine Frau öffnet und sieht ihn fragend an, hinter ihr im Flur läuft ein Staubsauger auf Hochtouren und sie ist angetan mit einem blauen Kittel, de wie eine Mülltüte aussieht.
„Ich wollte...“ beginnt Rick, dreht sich zur Straße um und kommt wieder von seinem Plan ab, „ist wohl besser, wenn ich später wiederkomme. War nicht so wichtig.“
Die Frau wendet sich um, tritt gegen den Staubsauger und der Motor geht aus.
„Sei möchten Father McGuire sprechen, kommen sie doch rein.“
„Die Hintertür wäre besser gewesen, was?“
Die Frau in der blauen Mülltüte mustert ihn von oben bis unten, knirscht abschätzend mit ihrem Gebiss, was sie nicht sympathischer macht, aber sie tritt zur Seite und lässt ihn über den Schlauch des Staubsaugers steigen.
„Diese Tür steht jedem offen, junger Mann, ob sie es glauben oder nicht. Wir haben hier schon illegale Mexikaner versteckt und vor ein paar Jahren auch Männer in ihrem Alter, die nicht nach Vietnam wollten. Es gibt für alles seine Zeit. Gehen sie geradeaus und dann rechts, warten sie im Arbeitszimmer.“
Rick denkt bei sich, dass es wohl seine Schuld ist, wenn McGuire wie eine Leiche aussehen wird; erinnert sich nur zu deutlich an das Saufgelage. Die Flasche lag ständig waagerecht über den Gläsern und McGuire balancierte seinen trainierten Hintern auf dem Rand des Stuhls, den Oberkörper in dem schwarzen Hemd nach vorn gebeugt und stellt Fragen über Fragen.
Heute lass ich mich nicht so einwickeln, keinen Tropfen heute. Den Schein raus und nach Wechselgeld fragen, mehr nicht. Wenn er zur Bank muss, vergessen wir das ganze.
Rick setzt sich in den Stuhl des Vortages, kratzt sich den Kopf und betrachtet dabei wieder die Fotos, deren Anordnung sich geändert hat. Die neuen Fotos sind alle nach hinten geschoben, auch das Bild mit dem Trauerflor, das den Jungen zeigt, der in LA in einem Flutkanal ertrunken ist und den McGuire getauft hatte. Das Foto zeigt ihn auf einem blauen Fahrrad vor dem Haus, schelmisch lachend. An der Lenkstange ist ein Windrad befestigt, direkt neben der Hupe mit dem großen schwarzen Gummiball. Rick hat den Namen erfahren, kann sich aber jetzt nicht mehr an ihn erinnern.
Die Schnittwunde unter seinen Rippen an der rechte Seite brennt und juckt, er bewegt sich vorsichtig im Oberkörper, um den Verband reiben zu lassen, aber es wird nicht besser. Ihm fällt auf, dass das alte Familienportrait fehlt und auf der Suche danach sieht er sich in dem Zimmer um. Father John McGuire kommt herein, noch mit seiner Putzfrau verhandelnd, bis er Rick seine Aufmerksamkeit schenkt. Er sieht blass aus, das ist schon alles, keine Anzeichen eines ernsthaften Absturzes.
„Hi“, sagt Rick, „wir müssen noch was von gestern klären, weshalb ich überhaupt hier war...“
„Hast du die Nacht durchgemacht?“
„Nein“, antwortet Rick.
McGuire schließt die Tür hinter sich und der Lärm des Staubsaugers ist weitgehend ausgeschlossen.
„Du hast doch irgendwas genommen, das seh ich dir an.“
„Ja und? Ist das hier ein drogenfreier Raum seit gestern?“
Ricks Ton ist scharf, denn in seinen Augen verwandelt sich der Father, zu dem er ein gutes Verhältnis gehabt zu haben glaubte, in einen der älteren Sprücheklopfer und entweder-oder Typen, einer von der Sorte, der in Jicarilla mit in dem Diner hätte sitzen können und er versteht nicht, was diesen Wandel bewirkt hat. Die geschlossene Tür und der Bulle von einem Mann davor machen ihn unruhig, sehr unruhig.
„Rick, ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen und ich konnte es noch nie ertragen, Jungs gegenüberzusitzen, die stoned sind. Ich habe dir eine Menge zu sagen, aber nicht in diesem Zustand.“
„Kann ich loswerden, weshalb ich eigentlich hier bin? Ich bin noch klar genug, dass ich das schaffe und dann sehen sie mich nicht mehr wieder.“
Jetzt, denkt er, raus damit.
„Ich war gestern nicht hier, um mich wegen eines Mädchens auszuheulen, ich wollte sie ganz einfach um einen Gefallen bitten. Ich hab hier einen Geldschein und den können wir nicht ausgeben, weil es die Typen auf unsere Fährte locken würde, die hinter uns her sind, die hinter mir her sind. Wenn sie mir den Gefallen tun und den Schein gegen andere eintauschen, gehe ich hier raus und bin verschwunden, und dann ist niemand mehr da, der sie an die Sauferei erinnern wird.“
Das Geld, der Tausender, sitzt in seiner Jackentasche fest und scheint in einer Falte des Futters gerutscht zu sein, Ricks Finger wühlen und suchen danach und er ist wütend auf sich selbst, weil er ihn in die Tasche auf der verletzten Seite gesteckt hat, jede Muskelbewegung tut weh.
„Ich kann dich so nicht gehen lassen“, sagt McGuire, „nicht ohne Erklärung.“
„Ich scheiß drauf.“
Er hat sich erhoben, um besser in der verdammten Tasche wühlen zu können und der Schlag, den John McGuire ihm versetzt, befördert ihn zurück auf den Stuhl und lässt ihn hinten über schweben. So kommt es ihm vor, wie ein Schweben, sein rechter Fuß saust hoch, die Fußspitze trifft einen der Bilderrahmen. Der Schmerz in seiner Seite explodiert bei der harten Landung auf dem Rücken und er weiß wieder, dass Schmerz eine Farbe hat – grellrot, durchzogen mit schwarzen Fäden. Er kann nicht mehr atmen und sich nicht mehr bewegen, in Zeitlupe sieht er die Fotos umkippen und teilweise von dem Tisch fallen, aber das trockene zerbrechende Glas kann er nicht hören. McGuire taucht über ihm auf, greift nach ihm und lenkt die Schmerzen in ein grelles weiß.
Bis das wieder nachlässt, vergeht Zeit, Rick keucht nach Luft, wischt sich das Haar aus dem Gesicht und blinzelt die Tränen weg. Er sitzt wieder, zu seinen Füßen liegt ein zerbrochener Bilderrahmen, darum kümmert Father McGuire sich allerdings nicht.
Ricks innere Stimme fragt an, was mit dem Familienbild passiert sei, das Bild, das Ricks Blicke immer wieder auf sich gezogen hatte. Interessierte er sich sonst für alte Fotos? Bestimmt nicht. Was war es dann? Hey, Ricky, kam dir möglicherweise eines dieser Gesichter bekannt vor? Ich hab McGuire erkannt, an den Augenbrauen und an diesem Kinn. Nein, buddy, kam dir jemand bekannt vor, den du nicht erwartet hättest?
„Es tut mir leid, es tut mir so leid, mein Gott, ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Du hast Blut an der Hand, du hast dich an den Splittern geschnitten. Ich hol dir...“
Rick bewegt die Finger, senkt etwas den Kopf und sein Haar fällt ihm wieder in die Stirn, das Foto am Boden unter den winkeligen Glasscherben zeigt einen Mann mit ausrasierter Frisur und starken Aknenarben im Gesicht, er sieht aus wie ein Mann, dem man nicht krumm kommen sollte.
„Das ist Duane McGuire“, sagt Rick ohne jede Betonung, wirft den Kopf in den Nacken und fährt fort: „Ich hab mich nicht am Glas geschnitten, das Blut kommt hier her.“
Noch am Morgen war die Wunde trocken und der Schnitt hätte von innen heraus heilen können, aber der Sturz mit dem Stuhl hat alles erneut einreißen lassen und der Mullverband unter den Leukoplaststreifen hält das Blut nicht mehr. Rick zieht das T-Shirt aus dem Bund der Jeans, zieht die Luft ein und möchte woanders hinsehen, er kann sich nicht selbst bluten sehen, daran wird er sich nie gewöhnen können. Das helle Blut läuft unter dem Verband hervor, er wischt es mit dem Rad des T-Shirts weg und beginnt sich zu fragen, ob das etwas mit göttlichen Zeichen zu tun hat, dass er bei Father McGuire ständig zu bluten anfängt. Sein Verstand hat es noch nicht verarbeitet, dass dort auf dem Boden ein Foto seines Großvaters liegt, was das denn eigentlich zu bedeuten hat.
John McGuire, der an eine geprellte Rippe oder an blaue Flecke geglaubt hatte, möchte auf der Stelle einen Arzt holen oder die Ambulanz rufen, reißt sich mühsam zusammen und redet sich ein, dass er nicht verbluten wird. Es blutet ziemlich heftig, aber er wird nicht verbluten, Okay? Er wird nicht daran sterben.
„Rick, das ist Duane, mein Vater. Meine Mutter hatte ihn bereits verlassen und war mit uns Kindern weggegangen, als er in Chicago gestorben ist. Ich weiß es selbst erst seit gestern, was los ist, als du die Namen erwähnt hast und den Ort Mt. Vernon. Meine Schwester Sheila ist dort hingezogen, nachdem sie diesen ahnungslosen Träumer Frank Scanlon geheiratet hat. Gestern konnte ich es dir nicht sagen, obwohl ich mit mir gerungen habe, aus Angst, du könntest verschwinden und von unserer Verwandtschaft nichts erfahren.“
„Was?“ Rick sieht ihn angestrengt an, hört die Worte und versteht sie nicht.
„Was brauchst du für die Wunde? Ich hab alles hier für den Notfall. Das Loch will ich gar nicht sehen, so wie das blutet.“
„Das hört gleich wieder auf, der Schnitt ist nicht tief“, sagt Rick, „aber was macht Duane McGuire da auf dem Foto? Ich weiß, dass er es ist, weil ich die Fotos von meinen Alten gesehen habe. Und als er erschossen worden ist, hat das auch damals in der Zeitung gestanden. Wieso haben sie ein Foto von ihm?“
„Das Familienfoto“, sagt Father McGuire sehr eindringlich, „du hast es dir gestern immer wieder angesehen, weil du deine Mutter erkannt hast, meine Schwester Sheila, verstehst du?“
„Ich bin auf einem verdammten Scheiß Trip.“
Du hast es schon kapiert, flüstert seine innere Stimme, die sich irgendwann in Mascots Stimme verwandeln und ihn immer öfter und eindringlicher beraten und weisen wird, wie ein eigenständiges Lebewesen.
Er ist dein Onkel. Erinnerst du dich an deine Worte, als du seine Stimme das erste Mal im Autoradio gehört hast? McGuire ist der Mädchenname meiner Alten. Begreif es endlich. Du sitzt hier vor einem nahen Verwandten, von dem du keine Ahnung hattest.
„Wird das irgendwas ändern zwischen uns?“
Sein T-Shirt ist blutbefleckt, aber an den äußeren Stellen beginnt es bereits zu trocknen.
„Wechseln sie mir einen Tausender und lassen sie mich danach gehen?“
„Vermutlich kann ich dich nicht aufhalten, wenn du wirklich weg willst, obwohl ich das sehr bedauern würde. Es ist ein Wendepunkt für uns beide, verstehst du das? Unser Zusammentreffen hat etwas zu bedeuten, vielleicht wird es keine große Veränderungen geben, aber selbst, wenn wir einen kleinen Schritt in eine andere Richtung machen, lernen wir etwas neues kennen. Du kannst mir nicht vorwerfen, was meine Schwester falsch gemacht hat und deshalb solltest du uns eine Chance geben.“
„Ich will nur das Geld wechseln, damit ich es ohne Probleme ausgeben kann, alles andere interessiert mich nicht. Was ist jetzt? Ich kann nicht viel länger warten, wir wollen weiter.“
Rick versucht die Fassung zu bewahren, sein Schutzschild wieder aufzubauen, stellt sich vor, dass er ein Raumschiff unter feindlichem Beschuss ist und alle vorhandenen Reserven mobilisiert, um das Schutzschild wieder hochfahren zu können. Es ist ein sehr deutlicheres Bild in seinem Kopf, dass er sogar den albernen Knochen von Captain Kirk auf seiner Kommandobrücke sehen kann.
„Einen Tausender wechseln? Glaubst du, so viel hätte ich in meiner Portokasse?“ Father McGuire schwankt zwischen Frustration und verzweifeltem Humor, weiß nicht, wie er diese Situation unter Kontrolle bringen soll. Gibt er Rick das Geld, ist dieser sofort verschwunden und er wird wohl nie erfahren, wo es ihn hinverschlagen hat und was aus ihm geworden ist.
Natürlich hat er Geld im Tresor seines Büros, weil häufig Mütter von sechs Kindern und arbeitslose Männer zu ihm kommen und um Hilfe bitten, nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Dafür ist das Geld gedacht, gespeist aus den Spenden der wenigen Mitbürger, denen es besser geht.
„Okay“, sagt er leise, „du blutest, du willst weg, du brauchst Geld, was du auch ausgeben kannst. Ich hoffe für dich, dass du mir keine Blüte andrehst, denn dann jage ich dich persönlich bis ans Ende der Welt. Warte draußen. Ich mache den Tresor prinzipiell nur auf, wenn ich allein im Raum bin.“
Rick erhebt sich und geht vor die Tür, zieht dort das T-Shirt an seiner Seite hoch und versucht einen Blick unter den Verband zu werfen, ohne die Leukoplaststreifen zu lösen. Seine Hände zittern. Captain Kirk hat das Schutzschild wieder aufgebaut und bedankt sich bei Scotty für die gute Arbeit, argwöhnt aber gleichzeitig, dass sie einen ungebetenen Gast an Bord haben, jemand hat sich eingeschlichen und seine Anwesenheit wird es unmöglich machen, das Raumschiff zurück auf den Heimatplaneten zu fliegen.
Das Geld ist plötzlich Nebensache.
Seine Wunde sieht blutverkrustet sehr hässlich aus, aber selbst eine Infektion ist ihm egal. Er steht vor der geschlossenen Tür, sieht auf den Schnitt und das Blut herunter und endlich kommt ihm der Gedanke, was es bedeuten könnte für ihn, seinen Onkel gefunden zu haben. Was ist mit Curtis?
Wenn der Padre noch Verbindung hatte, konnte er vermutlich auch sagen, ob sein Bruder lebend und gesund aus dem Krieg heimgekommen war und wo er jetzt lebte. Er hatte sich nie dafür bedankt, dass er stets versucht hatte, ihm zu helfen und erst jetzt bereitet ihm das ein schlechtes Gewissen. John McGuire hatte recht und Rick war nicht so dumm, das nicht zu erkennen, er musste diese Möglichkeit, die sich ihm aufgetan hatte, nutzen, durch die Tür hindurchgehen, die plötzlich in der Wand war, aber er hatte seinen Stolz, der ihn daran hinderte, es sofort zuzugeben.
Father McGuire kommt aus seinem Büro, zählt ein Bündel Banknoten, überreicht es Rick in einer knappen Geste, die noch immer Verärgerung ausdrückt. Endlich hat Rick den Geldschein aus Jackies Lösegeld in seiner Tasche gefunden, faltet ihn auseinander, glättet ihn und beschmiert ihn dabei mit Blut.
„Wenn ich dich mit dem Schein in irgendwas reinreiße, tut mir das leid, aber mit dieser Sache, von der das Geld stammt, haben wir nichts zu tun. Das wär nicht unser Ding. Du hast mich gestern Abend nur abgefüllt und diese ganzen Fragen gestellt, weil du was über mich rauskriegen wolltest, aber du hättest mir sagen sollen, dass wir verwandt sind. Das wäre das mindeste gewesen. Ich hätte dir dann einiges mehr von deiner Schwester erzählt. Als ich mit elf das erste Mal heimlich mit dem Wagen durch die Gegend gefahren bin, hat mein Vater mir ’ne Ohrfeige verpasst und dann war die Sache für ihn gegessen, aber Sheila hat einen Besenstiel auf meinem Rücken kaputt geschlagen. Sie war eine Hexe.“
„Ich weiß, wie sie ist. Wer hat dich verletzt?“
„Ich weiß es nicht, keine Ahnung, aber wenn der Typ hier auftaucht und nach mir sucht, kannst du ihm gerne sagen, dass ich so was nicht vergesse. Ich werde es ihm zurückzahlen.“
„Wie willst du das anstellen, wenn du nicht weißt, wer er ist?“
„Er hat direkt vor mir gestanden und versucht, mir die Luft rauszulassen, ich würde ihn unter den Zuschauern des Super Bowles herausfinden, dazu muss ich seinen Namen nicht wissen.“
Father McGuire faltet den Geldschein zusammen, falzt ihn sehr sorgfältig and den Stellen, die Rick mühsam glattgestrichen hatte, überlegt lange, ob er das Geld annehmen, ob er sich in diese Sache hineinziehen lassen soll. Er hat schon vielen geholfen, denkt er sich dann, warum sollte er bei einem Blutsverwandten eine Ausnahme machen.
„Ich muss gehen“, sagt Rick, „ich weiß nicht, was ich hier eigentlich noch suche.“
 
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Kommentare  

Dieses Kapitel gefällt mir ganz besonders gut. Nicht nur, weil du immer mehr von Ricks und Mascots Vergangenheit preisgibst, auch die gesamte Geschichte bekommt klarere Züge. Rick hat für Jackie eine "kleinen Auftrag" erledigt. Er und Mascoth besitzen nun viel Geld. Wer wechselt ihnen jetzt die Scheine? Jackie scheint zwar eine wesentlich bessere Kindheit als Rick und Mascot gehabt zu haben, denn sie hatte reiche Eltern. Aber ist das eine Versicherungskarte für`s Glücklichsein? Warum hat sie ihre eigene Entführung inszeniert? Rick findet durch Zufall in Father McGuire seinen Onkel wieder.
Dieser Mann könnte ihm helfen, ihm der - außer Mascot - weiter keinen Menschen zum Freund gehabt hatte.


Jochen (21.04.2009)

Obwohl die zwei Typen echt nicht ganz geheuer sind und bisschen durchgeknallt, gibst Du ihnen noch was Unberechenbares und gleichzeitig aber auch noch was Menschliches, was das ganze Geschehen und die Personen interessant macht. Mal schauen, wohin uns die beiden noch führen. Diese Geschichte könnte ich mir auch sehr gut als Film vorstellen.

Fan-Tasia (20.04.2009)

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