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15 Seiten

Ouray, Colorado - Teil 2

Romane/Serien · Spannendes
© Tintentod
Julia Dustman war seit drei Tagen zu Hause. Sie hatte die Zwischenprüfungen hinter sich gebracht und wollte ein oder zwei Wochen bei ihrer Familie verbringen, das war jedenfalls der Grund, den sie ihren Eltern erzählt hatte. Der Schnee lag so hoch, dass sie die Zeit zum Skifahren und Motorschlittenfahren nutzen wollte, sie würde sich mit alten Freunden treffen. Für die ehemaligen Schulkameraden, die in Ouray hängen geblieben waren, hatte sie wenig Zeit, es sei denn, sie traf sie beim Einkaufen oder im Deli. Sie besuchte Harvard, ihre Eltern bezahlten die 50 000 $ Schulgeld im Jahr aus der Portokasse, sie war erfolgreich und hatte als Beste ihres Jahrgangs abgeschlossen. Sie war nicht nur hübsch sondern auch gescheit und wusste es einzusetzen. Sie war der Stolz ihrer Eltern.
Bei der Nachricht, dass eine Lawine die Straße nach Montrose unpassierbar gemacht hatte, hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, ob jemand verletzt worden sei, aber der Rest betraf sie nicht. Wenn sie dringend aus Ouray raus wollte, konnte sie sich einen Hubschrauber mieten, sie war noch nie mit dem Bus gefahren. In dem Jahrbuch ihrer Abschlussklasse hatte gestanden, dass es einfach Menschen gab, die auf der Sonnenseite geboren wurden und das traf auf Julia wirklich zu.

Rick beobachtete sie, nicht nur, weil sie genau in seinem Blickwinkel Platz genommen hatte, sondern auch, weil er häufig nichts anderes tat als beobachten. Es beruhigte seine Nerven, es hielt die Stimmen in seinem Kopf zurück. Er konnte bei Pärchen nach wenigen Sekunden sagen, ob sie frisch verliebt waren oder sich schon länger kannten, ob sie gerade Streit hatten oder nur schwiegen, weil es stille Harmonie war. In solchen dead dog towns war es immer spannend zu sehen, wer ein heimliches Verhältnis hatte und nach außen so tun musste, als würde man sich nicht näher kennen.
Julia, Blondine mit dem Haar bis zu den Ellebogen, schlürfte ihren Kaffee, las in der Zeitung, sah ab und zu auf und lächelte. Sie lächelte einfach, weil es ihr gut stand.
Rick hatte die Schüssel Zwiebelsuppe vor sich, aber er rührte nur mit dem Löffel darin herum, befühlte immer wieder seinen Nasenrücken, der sich taub und dick anfühlte.
Selbst Schuld, buddy, diese Faust hättest du schon im Ansatz sehen müssen.
Lass mich in Ruhe damit.
Julia drehte sich auf einen Ruf hin herum und dabei streifte ihr Blick über Rick hinweg, blieb nur kurz an ihm hängen, um ihn sofort wieder zu vergessen, entdeckte dann zwei Mädchen aus ihrer Schule, die das Glück nicht gerade gepachtet hatten.
Als Kinder waren sie liebe kleine Engel gewesen, aber mittlerweile hatten sie sich in schräge Vögel verwandelt. Sammy Joe war noch immer auf ihrem Schwarz-Trip, ihr Gesicht war so bleich, als habe sie seit einer Woche nicht mehr geschlafen, was vermutlich untertrieben war und ihre beste Freundin Aimee lief herum wie eine aufgedonnerte Truckernutte.
„Ich wusste doch, dass du es bist“, sagte Aimee, „seit wann bist du wieder hier?“
„Seit Sonntag.“
Julia ersparte es sich zu fragen, wie es ihnen ginge, es war offensichtlich.
„Wir müssen zusammen einen trinken gehen, auf die alten Zeiten.“
Sie wird mit uns nirgendwo hin gehen, dachte Sammy Joe, sie will sich doch nicht lächerlich machen vor ihren hippen Skifreunden aus der Stadt. Sie sieht uns an, als hätten wir was Ansteckendes. Wieso sieht Aimee so was nie?
Sammy Joe war müde. Sie musste wieder ins Bett, wenn sie noch auf die Party wollte; sie dachte ohne Zusammenhang „Oh, da sitzt er ja wieder“ und betrachtete neidisch Julias wundervolles Haar. Die richtige Genkombination des Elternpaares machte sich anscheinend doch bezahlt.
„Aimee“, sagte sie, „ich muss noch ’ne Runde schlafen, wenn’s heute Abend losgehen soll.“
„Habt ihr was vor?“ fragte Julia freundlich.
Sammy Joe wurde wütend vor Eifersucht, als ihr wieder klar wurde, wie makellos Julia war. Sie war so perfekt, dass es wehtat.
„Ne private Party“, erwiderte sie sehr kurz angebunden. Ihrer Freundin konnte sie ansehen, dass sie Julia am liebsten mitgeschleppt hätte und dass sie knapp davor war, diesen Vorschlag laut auszusprechen, also griff Sammy Joe mit ihren schwarz lackierten Fingern an Julia vorbei zu Aimee und zupfte an ihrem Jackenärmel.
„Kommst du mit oder bleibst du hier?“
Aimee wollte nicht gehen, sie wollte von Julia hören, wie es denn so lief auf ihrer beschissenen guten Universität und vielleicht spielte sie sogar mit dem Gedanken, mal von Julia nach Hause eingeladen zu werden – in die Villa.
Ich wird’s dir zeigen, Aimee. Du wirst schon noch merken, wer deine Freunde sind, ich bring dich schon auf den Teppich zurück.
Sie erhob sich, lächelte Aimee und Julia so falsch zu, wie sie nur konnte und versuchte dann einen möglichst eleganten Abgang. Auf hohen Absätzen (Nuttenschuhe, hatte ihre Mutter immer gesagt) konnte sie so perfekt laufen, dass sich alle Kerle nach ihr umdrehten, aber in der Winterzeit waren solche Schuhe nichts wert, Stilettos trug sie dann nur zu Hause. Sie versuchte also, mit ihren dicken Boots so elegant und aufreizend wie möglich aufzutreten und ging quer durch das Deli, war sich Aimees Blicke sehr genau bewusst.
Ich hab die Visitenkarte, sang sie in Gedanken, ich komme auf die Party, egal, wen ich mitnehme.
Sie setzte sich zu Rick an den Tisch, wie selbstverständlich, sah ihn an und fragte: „Was macht deine Nase?“
„Ist noch dran.“
Er sah müde aus, aber müde waren sie alle.
„Hast du heute schon was vor?“
„Was interessiert dich das?“
„Ich brauche eine männliche Begleitung für eine Party.“
Rick sah sehr gut, was sie wirklich vorhatte – sie wollte ihre Freundin ärgern, aber wie immer diese Sache ausging oder was auch passierte, das war nicht seine Angelegenheit.
„Wieso ich?“
„Ich könnte auch jemand anderes fragen.“ Sie strich sich mit den lackierten Fingern über die rasierte Schläfe. „Aber ich will nicht. Sagst du ja, wenn Sammy Joe dich fragt?“
„Muss ich wohl, wenn ich dich so ansehe.“
Es gab schlimmeres, was ihm zustoßen konnte in Ouray; möglicherweise wussten die Cops schon, dass er noch in der Stadt war und suchten ihn bereits, um ihn wieder ins Loch zu stecken.
Diese Braut mit dem Schwarz-Tick mochte keinen Durchblick haben, aber naiv sah sie auch nicht aus, kein Landei.
Als er New York verlassen hatte, hatte er sich Kalifornien als Ziel gesetzt, bis dahin war es noch ein weiter Weg und wer konnte schon sagen, was noch alles passieren würde. Nicht mal Mascot hatte ahnen können, wie ihn das Schicksal zu Fall bringen würde.
„Ich bin Rick“, erklärte er, „ich hoffe, Bennett war kein Freund von dir.“
Sammy Joe schüttelte den Kopf, hatte die Szene der kurzen heftigen Prügelei wieder vor Augen. Es gab einige Jungs, die so schnell wütend wurden wegen nichts, sich in rasende Idioten verwandelten, aber damit konnte sie leben. Ihre Mutter war nicht anders gewesen.
„Ich war mal mit Bennetts Bruder zusammen, aber das ist Jahre her. Gehen wir?“ Sie sah auf seine Suppe. „Oder willst du noch aufessen?“
„Nope.“
Sie würdigte Julia und Aimee keines Blickes, als sie an ihnen vorbeiging und Rick ihr folgte, obwohl er nicht wusste, wo es eigentlich hin ging.
„Muss ich den kennen?“ Julia hatte sich zu ihm herumgedreht, nur das fremde Gesicht und dieses furchtbar gefärbte Haar registriert, während Aimee sehr wohl begriff, was los war. Sammy Joe war eingeschnappt.
„Hast du von der Lawine gehört?“
„Natürlich.“
In Harvard sagte man ‚natürlich’, man sagte nicht ‚jap’ oder ‚Scheiße, ja’ und Aimee bedauerte es wirklich einen Moment, dass Julia nicht mehr zu ihnen gehörte.
„Ich war im Bus nach Montrose und das Ding hätte uns fast erwischt. Er saß mit im Bus, aber keine Ahnung, wer er ist. Vorhin hat er im Pinball jemandem eins aufs Maul gegeben.“
„Sehr schön“, erwiderte Julia, „es scheint sich hier nichts verändert zu haben.“

Seit dem Tod ihrer Mutter lebte Sammy Joe allein im Haus ihrer Eltern in der 12th Avenue, wenn sie auch kaum in der Lage war, es in Ordnung zu halten. Tante Ruth wohnte schräg gegenüber und kümmerte sich ein wenig um sie, kam unaufgefordert durch die Hintertür, zeterte über die unaufgeräumten Zimmer, die dreckige Küche, den leeren Kühlschrank, nahm die schmutzige Wäsche mit und brachte sie sauber zurück und meckerte wieder, dass Sammy Joe allein nicht zurecht käme und endlich zu ihr ziehen sollte.
„Ich will meine gottverdammte Ruhe“, schrie Sammy Joe bei solchen Gelegenheiten, dann verschwand ihre Tante mit den Worten, sie habe es nicht nötig, sich so anschnauzen zu lassen und es wäre das letzte Mal - das endgültig letzte Mal gewesen, dass sie ihre Hilfe anbot und stand dann zwei Wochen später wieder auf der Matte.
Rick sah sich um, schlenderte durch jedes Zimmer und blieb nach der Besichtigungstour im Türrahmen zur Küche stehen, wo Sammy Joe das Wasser für einen Kaffee aufsetzte, dann ihre Schuhe und die dicke Astronautenjacke auszog.
„Gefällt’s dir?“
„Viel Platz für dich allein.“
„Woher willst du wissen, dass ich allein lebe?“
„War nur eine Zahnbürste im Glas.“
Der Wasserkessel war undicht, als die Platte heiß wurde, hüpfte er polternd umher, Sammy Joe rückte ihn nach jedem Hüpfer wieder zurecht. Ohne Verpackung sah sie ganz niedlich aus, Rick konnte darauf wetten und gewinnen, dass sie auch schwarze Unterwäsche trug.
„Trinkst du deinen schwarz?“ fragte sie, steckte sich das Haar wieder hinter das Ohr, auf der Seite, die sie nicht ausrasiert hatte, „die Milch ist sauer.“
„Du musst dir keine Mühe geben, nett zu mir zu sein.“
„Du kannst jeden in Ouray fragen, ob ich ein nettes Mädchen bin“, erwiderte sie ungerührt, „das bin ich selten. Im Moment will ich nur wissen, wie du deinen Kaffee trinkst.“
Sie hatte geplant, noch zwei Stunden zu schlafen und dann mit dem Styling für die Party zu beginnen, aber das kam dabei heraus, wenn man Pläne machte. Sie hatte einen Wildfremden im Haus, machte Kaffee und lief auf Socken umher, reizend.
Sie blieben in der kleinen Küche, weil dort der Heizlüfter stand und es gemütlich warm war, setzten sich an den Küchentisch und tranken Kaffee.
„Wo kommst du her, Rick?“
„Indiana“, sagte er. Es war nicht gelogen, wenn er in Indiana auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr gewesen war und sich daran nicht gern erinnerte.
„Was hat dich hier her verschlagen? Du bist jedenfalls kein Handelsvertreter.“
Und du nich das blühende Leben.
„Ich bin Mechaniker.“
Schöne Umschreibung, wirklich gelungen.
„Ich bin unterwegs, weil ich Ärger hatte.“
„Gibt es irgendjemanden, der keinen Ärger hat?“
Sie beantwortete diese Frage selbst mit einem Seufzen.
„Wenn man Julia heißt, hat man keinen, das ist klar. Sie war im Deli. Die Blonde.“
Sie imitierte Julias Art den Kaffee umzurühren und den Löffel auf den Unterteller zu legen. Rick grinste.
„Kann ich dein Bad benutzen?“
„Fühl dich wie zu Hause.“
Sie hörte die Toilettenspülung und dann das prasselnde Wasser aus der Dusche, nutzte die Zeit, um schnell etwas Ordnung zu schaffen. Sie stopfte die herumliegende Unterwäsche in die Schubladen des Wäscheboards, was langsam auseinander fiel, pustete die Staubschicht von den Lampen und Plastikfiguren, die sie überall herumstehen hatte. Die beiden Zimmer, die sie nicht benutzte, weil es das Schlafzimmer und die Kammer ihrer Mutter gewesen waren, schloss sie ab und versteckte die Schlüssel in einem Paar Winterstiefel, die sie nicht mehr trug, aber trotzdem nicht wegwarf.
In ihrem Wohnzimmer sah sie sich um, betrachtete die Wände mit der vergilbten Tapete, die billigen Möbel, die Couch mit dem fleckigen Bezug und die weinroten Vorhänge, die selbst auf die Entfernung nach Nikotin stanken. Auch sie kannte diese inneren Stimmen, die einem manchmal ins Ohr flüsterten, wenn etwas nicht in Ordnung war.
Sieh dich um, Sam, sagte diese Stimme, die sehr nach ihrem Vater klang, warum lebst du in einem solchen traurigen Chaos und bemerkst es nicht einmal mehr? Was ist los mit dir?
Er hatte sie immer Sam genannt, mit ihm hatte es nur schöne Zeiten gegeben, aber als sie zwölf gewesen war, hatte er seine Jacke übergezogen, war in seinen Chevy gestiegen, losgefahren und nicht mehr zurückgekommen.
Als Kind hatte sie sehr oft darüber nachgedacht, wo er war und was er tat, aber als sie älter wurde, dachte sie nur noch daran, ob er noch lebte. Sie wollte ihn schon längst nicht mehr wieder sehen, um ihm zu sagen, wie schrecklich sie sich gefühlt hatte und wie hart das Leben allein mit ihrer Mutter gewesen war. Die Zimmer schloss sie nur ab, um ihre Mutter auszusperren.
Rick duschte exakt fünfzehn Minuten, brauchte dann noch mal so lange, um sich abzutrocknen und wieder anzuziehen; inzwischen saß Sammy Joe wieder in der Küche, gab vor, in einer Illustrierten zu lesen und rauchte dabei eine Zigarette. Sein nasses Haar hatte einen scheußlichen graugelben Ton angenommen.
„Erzähl mir was von der Party“, sagte er.

Julia hatte es plötzlich sehr eilig nach Hause zu kommen, als Aimee auf die Idee kam, sie zu einer Privatparty einzuladen. Sie bezahlte und bot Aimee gerade noch an, sie mit dem Wagen ein Stück mitzunehmen. Sie lehnte dankend ab. Dass Sammy Joe den Typen abgeschleppt hatte, ärgerte sie nicht, wohl aber, dass sie jetzt zusehen konnte, wie sie auf die Party kam. Auf der Toilette machte sie ihr Make-up zurecht, verbrauchte noch ein wenig Haarspray und machte sich auf die Suche nach Duncan, der noch herumgeistern musste, um Gäste zu finden. Sie würde ihm noch eine Karte abluchsen und Sammy Joe beweisen, dass ihr kleiner Racheplan nach hinten losgegangen war.

Sie trafen sich alle drei auf der Party wieder, die in Franklyns Haus stattfand, weil seine Eltern nicht da waren. Die Nachbarn in den umliegenden Häusern bekamen nichts mit von diesen Partys, denn die Musik würde nicht lauter sein als sonst auch, nur ein oder zwei der Gäste waren vorbestrafte Drogenhändler, aber die würden sofort wieder verschwinden, sobald sie ihr Geld hatten. Franklyn war niemand, der solche Partys schmiss und das Dope aus eigener Tasche bezahlte – jeder hatte seinen Anteil abzugeben und unterm Strich sah es für ihn immer gut aus.
Zwei seiner Freunde kontrollierten die Gäste an der Tür, checkten die Visitenkarten und nahmen den Eintritt; sie wurden misstrauisch, als Sammy Joe in fremder Begleitung kam, aber als sie erklärte, Rick sei in Ordnung und würde keinen Ärger machen, ließen sie ihn durch.
„Keinen Ärger machen?“
Sammy Joe drehte sich verschwörerisch zu ihm herum.
„Läufst du zu den Bullen, dass du auf einer Party Pot geraucht hast?“
„Overturf würde mir sowieso nicht zuhören.“
Sie gluckste belustigt, wollte ihn fragen, was er mit dem Sheriff zu tun hatte, als Aimee mit schwingenden Schritten auf sie zukam und sagte: „Hat nicht geklappt, was?“
„Ja? Und wieso ist Julia nicht hier?“
Die Freundinnen standen sich gegenüber, das Kinn erhoben und funkelten sich grinsend an, worauf Rick sich verzog. Er drückte sich durch die herumstehenden Gruppen und landete in einem fensterlosen Raum, in dem es nach Hasch roch. Die Party war gut durchgemischt, einige waren älter als Rick, die meisten aber jünger, alle hatten sie gemeinsam, dass sie sich abmühten, cool zu sein. Sie trugen alle diese albernen Schuhe, dünne Jacken aus glänzendem Material, bei dem Rick immer an Heißluftballons denken musste, die in der Wüste aufstiegen.
Ein schmuddeliger Typ mit grüner Wollmütze auf dem Kopf klimperte auf seiner Gitarre herum, hatte drei Mädchen zu seinen Füßen sitzen und begann dann mit düsterer Stimme zu singen.
„Hi“, sagte das Mädchen neben Rick, sie trug eine rote Baseballkappe, den Schirm nach hinten gedreht, „möchtest du?“
Sie bot ihm einen dünn gedrehten Joint an, hatte das Feuerzeug bereits angeklickt. Er roch an dem Ding und gab ihn dem Mädchen zurück.
„Was ist los? Hättest du lieber ’ne Marlboro?“
Auf ihren etwas verächtlichen Ton erwiderte er: „Ich hab im Knast von New Mexico schon besseren Shit geraucht als das Kraut da. Steck’s dir wo hin.“
Er bediente sich beim Flaschenbier, blieb in einer Gruppe hängen, die so tat, als seien sie Musiker. Sie hörten sich an wie komplette Arschlöcher, Rick schlenderte mit stoischem Gesicht weiter, hörte ein Mädchen sagen, dass sie niemals aus Dosen trank, weil man dabei immer einen blöden Gesichtsausdruck machte.
Seltsame Welt, in der man sich über so etwas Gedanken machen musste. Auf einer solchen Party war er nicht mehr gewesen, seit derjenigen, auf der er Sophie in den Pool gestoßen hatte. Das war in New York gewesen.
Wir gehen nach New York, hatte Mascot gesagt, dort machen wir so viel Geld, dass wir uns eine dieser Wohnungen über der Stadt kaufen können. Dann sitzen wir nachts dort oben und sehen auf die ganze Welt hinunter. Die chicas werden uns allein schon wegen dieser Wohnung zu Füßen liegen.
Aber allein mit der Automarderei war nicht so viel Geld zu machen, um diesen Traum zu erfüllen. Wenn sie ein paar Hunderter oder sogar Tausender in den Fingern hatten, wurden sie leichtsinnig und größenwahnsinnig, sie warfen das Geld zum Fenster heraus, soffen und kifften tagelang, bis sie wieder mit Schulden auf der Straße saßen. So lief es jedes Mal und diesen Teufelskreis konnten sie nicht durchbrechen. Wenn sie Kohle in den Händen hatten, fuhren sie für ein gutes Glas Guinness bis nach Boston rüber.
Mit euch Spinnern sollte man Werbung machen, hatte der Barceeper stets gesagt.
Partybier aus der Flasche zu trinken brachte zwar den gewünschten Effekt, aber es schmeckte Rick nicht besonders. Er wanderte umher, wurde gefragt, mit wem er da war. Als ihm warm wurde und er seine Jacke ausziehen musste, hoffte er, dass das Funzellicht seine Tätowierungen nur undeutlich erkennen lassen würde, er trug sie, weil sie zu seinem Leben gehörten, einen Teil seiner Geschichte erzählten, aber er war es verdammt leid, Leuten erklären zu müssen, was es mit diesen Motiven auf sich hatte.
Ein Mädchen mit auftoupierter Frisur, mit der sie an jeder Lampe hängen blieb, fragte ihn, wo er seine Schuhe gekauft habe und er musste grübeln, wo die Treter eigentlich her waren und ob das Mäuschen ihn nicht nur auf den Arm nahm.
„In New York gibt’s einen Laden mit Importklamotten aus London“, sagte er, weil ihm nichts Besseres einfiel. Sie war sichtlich beeindruckt, obwohl an den schwarzen Doc Martens nichts Besonderes dran war. Er trug sie schon lange, es war sein einziges Paar Schuhe, das die Odyssee überstanden hatte.
„Mit wem bist du hier?“
Sie hatte eine niedliche helle Stimme, machte ein wenig auf kleines Mädchen, was ihr ganz gut stand, wenn sie es denn nicht übertrieb. Rick sah sich nach seiner schwarzhaarigen Begleiterin um, konnte sie nicht finden und antwortete achselzuckend: „Meine Begleitung hat sich abgesetzt.“
„Ich heiße Flame.“
„Wirklich?“
Sie lächelte schelmisch. „Ich bin ein Opfer meiner durchgeknallten Eltern. Und du?“
„Meine Eltern waren das Opfer ihres durchgeknallten Sohnes.“
Sie stupste ihn an und prustete: „Ich wollte deinen Namen wissen.“
Die Musik aus dem Nebenraum wurde lauter, anscheinend kannte die ganze Clique den Song, denn sie grölten alle mit und hatten ihren Spaß, übertönten die Gitarre und nicht jeder von ihnen sollte den Job, den er hatte, für eine Musikerkarriere hinschmeißen. Rick nannte seinen Namen, sie klickten die Bierflaschen zusammen und prosteten sich zu. Bevor er auf den Gedanken kam, sie nach ihrem Alter zu fragen, nur, um sicher zu sein, schob sie sich an ihn heran, hakte sich bei ihm unter und sagte: „Welches Sternzeichen bist du? Du bist ungefähr vierundzwanzig, oder noch älter?“
Rick platzte vor Lachen heraus, fand den Gedanken einfach nur herrlich komisch, als ‚noch älter’ bezeichnet zu werden, wenn man über vierundzwanzig war; hatte sich noch nie gefragt, welches Sternzeichen er war, weil die Sterne keinen Einfluss auf sein Leben hatten. Den Einfluss nahmen Freunde und Feinde, tote und lebende, Bullen, Wärter, Frauen, Autofahrer, aber keine Steinklumpen, die irgendwo im Weltall schwebten und in ihrer Gruppierung zufällig an etwas erinnerten.
„N Merzedes hat’n Stern-Zeichen, Okay? Lass mich in Frieden mit dem Scheiß.“
Er sagte das wenig freundlich, Flame schluckte bei diesem plötzlichen Stimmungswechsel, aber sie wahrte ihr Gesicht, so gut sie konnte. Und sie versetzte Rick in Erstaunen, als sie antwortete: „Ich verwette meinen Arsch, dass du Wassermann bist.“
„Dreißigster Januar.“ Ricks Stimme war perplex.
„Bingo“, erwiderte Flame, streckte ihr Näschen in die Luft und ließ ihn stehen.
Buddy, dachte Rick, du hast’n Händchen für Frauen. Is’n Wunder, dass sie dich vor lauter Begeisterung noch nicht umgebracht haben.
Er trank viel Bier, aber er trank es aus Langeweile und Gleichmut, nicht, weil er sich amüsierte auf dieser Party. Für gute Stimmung brauchte er seine Freunde um sich, aber die waren in New York, nicht in Ouray, Colorado und wenn er ehrlich mit sich war, brauchte er Sophie noch mehr. Deshalb trank er ohne Freude, nur um alles zu vergessen.
Er wurde von einem Kerl angesprochen, dem die Zotteln in die Augen hingen und der ihn fragte, ob er an gutem Stoff interessiert sei.
„Was haste anzubieten?“
„Kommt ganz drauf an, wo du hin willst, nach oben oder nach unten.“
„Hacia abajo“, erklärte Rick, „ich feiere lieber meine eigenen Partys.“
Dass ihm später wieder Sammy Joe über den Weg lief und sie sich mit Aimee wieder vertragen hatte, bekam er nur noch am Rande und sehr undeutlich mit. Die Welt war etwas abgekippt und in Schräglage geraten, die Musik waberte von einer Ecke in die andere, er konnte die ganzen Gesichter nicht mehr auseinander halten und klammerte sich nur immer wieder an Sammy Joes düster geschminktes Gesicht, um nicht ganz unterzugehen.
Er verlor den Sinn für Zeit und Raum, was ihm nicht unangenehm war, Sammy Joe schleppte ihn in eine Ecke, in der sie sich gemütlich auf eine grüne Couch mit Cordbezug niederließen und sie erzählte ihm Unsinniges aus ihrem Leben. Er hörte zu, aber er begriff nichts von dem, was sie sagte. Die Dröhnung hielt lange an und die Kombination mit Alkohol war der Hammer.
Rick schwebte durch den Raum, teilte sich mit Sammy Joe eine halbe Flasche Tequila und das letzte, an das er sich deutlich erinnern konnte, war der Satz von ihr: „Kennst du das, wenn du jemanden so sehr magst, dass du ihn beißen willst? Ich meine nicht wehtun, ich meine nur ins Fleisch beißen, bis an die Grenze, bevor es weh tut. Wenn die Zähne diese Abdrücke in der Haut hinterlassen. Kennst du das?“
Er hatte das Gefühl einzuschlafen, obwohl er sich sicher war, dass seine Augen offen waren, versuchte er die Lider zu heben, wollte die Finger zur Hilfe nehmen und stach sich mit dem Fingernagel in den Augapfel.
„Outsch“, machte er und Sammy Joe wollte ihn untersuchen und dann küssten sie sich lange, hatten die Beine und Arme verschlungen, dass sie nicht mehr wussten, wer zu welchem Körperteil gehörte. Eine Hand hatte er unter ihrem Pullover an ihrer Brust, auf der anderen saß sie irgendwie drauf, jedenfalls konnte er sie nicht bewegen, aber dafür hatte Sammy Joe beide Hände zwischen seinen Beinen und war dort zugange. Beim Sex war er noch nie eingeschlafen, aber die Dröhnung übermannte seinen Geist auf so hinterhältige Art und Weise, dass er sich nicht mal dagegen wehren konnte.
Sammy Joe und diese Party der Kleinstadtkids verschwanden und er fiel in ein dunkles tiefes Loch.

Als er aufwachte, wusste er nicht, wo er war.
Denk nach, Rick, denk nach, wo du sein könntest.
Er lag in einem Bett, sah an die Decke, an der sich das helle Tageslicht reflektierte, er war nackt, aber zugedeckt.
Okay, dachte er.
Links neben sich ertastete er einen warmen weiblichen Körper; als er weiterfühlte, bewegte sich eine Hand ganz oben an der Innenseite seines Oberschenkels. Rick wandte den Kopf, ihm wurde übel, ein säuerlicher Geschmack stieg in seinem Hals hoch. Diese Party kam ihm in den Sinn, er erkannte Sammy Joe, erinnerte sich an ihren Namen und wusste, wo er war. In ihrem Haus, in ihrem Bett.
Wie sind wir nach Hause gekommen? Konnte ich überhaupt noch laufen? Wer hat mich ausgezogen?
Ganz langsam stemmte er sich hoch, schluckte die Übelkeit hinunter und ließ Sammy Joes Hand von sich herunterrutschen. Vielleicht wollte sie so nicht aufwachen, mit seinem besten Stück in der Hand.
Jemand drehte sich brummend und noch im Schlaf auf die andere Seite, aber es war nicht Sammy Joe. Rick fand Aimee zu seiner Rechten, sie trug nur einen Sport-BH und hatte ihren Kopf halb unter dem Kissen vergraben.
Damit, dachte er, kann ich leben.
Sein Kreislauf war noch nicht stabil genug um aufzustehen und den Tag in Angriff zu nehmen, also legte er sich wieder zurück und schlief zufrieden ein. Wenn die beiden noch da waren, wenn er das nächste Mal aufwachte, konnte der Rest des Tages gar nicht besser beginnen.

Zwei Stunden später wurde Sammy Joe wach, weil sie auf Toilette musste, aber mit ihrem dicken Kopf, der sich wie ein Kürbis anfühlte, den man auf einen Stock gespießt hatte, dauerte es schon lange, bis sie sich überhaupt aus den Decken gewühlt hatte. Aus der Küche kamen Geräusche von klapperndem Geschirr und sie lehnte sich zu ihren Bettgenossen hinüber, um nachzusehen, wer fehlte und somit das späte Frühstück für drei vorbereitete. Es versetzte ihr einen herben Schlag, als sie sah, dass sie beide noch schliefen – Aimee und Rick.
Sie wickelte sich eine Decke um ihren nackten Oberkörper, keine Sekunde zu früh, denn schon stand Tante Ruth in der Schlafzimmertür, ohne anzuklopfen und ohne zu rufen, ob sie schon wach sei. Sie blieb in der Tür stehen, hatte alles mögliche erwartet, aber das nicht. Sammy Joe saß aufrecht im Bett, nackt bis auf eine Decke, die sie an ihrer Seite zusammenhielt, die Augen noch immer mit schwarzem Kajal verschmiert, der aus der hellen Bettwäsche nie mehr rausgehen würde. Aimee erkannte sie nur an einigen feuerroten Haarsträhnen.
„Samantha.“
In der Mitte des Bettes lag ein Mann, der sich gottlob auf die Seite gedreht hatte und ihr so nur einen Teil seines nackten Hintern präsentierte, sein Rücken und sein Oberarm waren tätowiert, er sah aus wie ein Seefahrer mit ausgebleichtem Haar. Ruth wollte gar nicht darüber nachdenken, was die drei, Jesus steh uns bei, in diesem Bett getrieben hatten.
Sammy Joe hasste es, wenn ihre Tante sie Samantha nannte und sie hasste es noch mehr, sich von ihr Moralpredigten anhören zu müssen. Beim Klang ihrer schrillen entsetzten Stimme fuhr Rick nach oben, starrte die unbekannte Frau in dem Kunstnerz an und bekam sein erschrockenes Herz kaum wieder unter Kontrolle. Von solchen Tönen geweckt zu werden konnte ihm gründlich die Laune verderben.
Aimee hatte sich auf der Party genug Shit rein gezogen, um noch immer halb betäubt zu sein; sie hob nur ihren Kopf und murmelte ein „Guten Morgen“.
„Samantha, ich kann nicht glauben, was ich hier sehe. Wenn das deine arme alte Mutter wüsste, Gott hab sie selig, was denkst du dir dabei?“
„Ruth, wir haben hier nur geschlafen, sonst nichts.“
Rick sah sie an, zog sich automatisch die Decke zwischen die Beine und nickte bekräftigend.
„Rick ist ein guter Freund und er war gestern Abend zu müde, um nach Hause zu fahren, das ist alles. Hätte ich ihn in einem der Sessel schlafen lassen sollen? Dann wäre er jetzt querschnittsgelähmt.“
Sammy Joe sah aus wie ein Geist, aber sie war fit, ihre Stimme war gefasst und freundlich, sie hatte sich nicht einmal räuspern müssen, um überhaupt einen Ton herauszubekommen.
„Es ist mein Haus“, setzte sie hinzu, „und ich lasse meine Freunde hier übernachten, wann und wo ich es für richtig halte.“
Sie stellte ihre Tante nicht zur Rede, was sie in der Küche gemacht hatte und weshalb sie ins Schlafzimmer geplatzt war; seufzte nur erleichtert, als Ruth den stummen Rückzug antrat und die Hintertür hinter sich zuklappte.
Endlich konnte sie auf Toilette gehen.
Diese Gelegenheit nutzte Rick, um aus dem Bett zu steigen, seine Hosen zu suchen und sich soweit anzuziehen, grinsend von Aimee beobachtet.
„Hey“, sagte sie und er drehte sich zu ihr um. „Hat’s dir gefallen?“
„Was denn?“
„Du erinnerst dich nicht?“ Sie griff neben sich nach einer Packung Zigaretten und steckte sich eine an.
„Haben wir irgendwas zu dritt angestellt?“
„Du solltest dich nach Lippenstiftspuren untersuchen“, sagte Aimee genüsslich, „der rote ist von mir.“
Rick murmelte etwas auf Spanisch, ohne Socken (weil er die nicht finden konnte) schlüpfte er in seine Schuhe, zog einen herumliegenden Pullover über, der nicht von ihm war und verließ das Haus.
„Wo willst du hin?“ rief Sammy Joe, der er vor dem Bad begegnete. Er hatte einen Mordshunger und brauchte gleichzeitig etwas gegen seinen Monsterschädel. Bei seinen Streifzügen durch Ouray hatte er sich einen guten Überblick verschafft, fand schnell einen 7-eleven und eine Drogerie, erregte etwas Aufmerksamkeit wegen seiner Aufmachung und Jack an der Kasse, seit zwei Monaten glücklich verheiratet, bei dem er das Aspirin und das Alka Seltzer bezahlte, sagte später zu seiner Frau, er habe ausgesehen, als sei er beim Ficken gestört worden. Sein Haar war gleichzeitig platt gedrückt und aufgewirbelt, das Gesicht unrasiert, der Strickpullover unter der offenen Jacke zu eng und die offenen Schnürsenkel seiner Schuhe brachten ihn fast zu Fall.
Aber Rick fühlte sich gut, er fühlte sich lebendig und im Gleichgewicht, er liebte sein Leben und er machte sich nichts daraus, dass ihm jeder ansah, dass er sich herumtrieb.

Als Sammy Joe und Rick frühstückten und mühsam die chemischen Cocktails abbauten, hatte Julia bereits mit ihrem Bruder David zu Mittag gegessen, war kurz in der Bibliothek gewesen und hatte mit der Uni telefoniert, dann hatte sie eine Verabredung mit Elliott, einem netten jungen Mann, der sie zum Skifahren eingeladen hatte. Ihren Vater hatte sie den ganzen Tag noch nicht zu Gesicht bekommen, hatte nur beim Hinausgehen gehört, dass Sheriff Overturf bei ihm im Büro war.
Es erschien ihr unhöflich, nicht kurz Hallo zu sagen, aber dann hörte sie, dass es um irgendetwas Unangenehmes ging. Das erkannte sie am Klang der Stimme ihres Vaters und sie machte, dass sie hinauskam.
Overturf kam nicht oft in die Villa, meist traf er sich mit dem alten Dustman im Stadtbüro und wenn er sich in seinen Wagen setzte und sich die schmale lange Zufahrt hinaufquälte, hatte das meist einen unangenehmen Grund. So wie diesmal auch. Dustman hatte kein offizielles Amt in Ouray, aber sein Geld steckte in jeder Ecke der Stadt. Overturf kam mit einem unguten Gefühl zu ihm, denn er hatte von der verdammten Lawine zu berichten, die die einzige Straße nach Ouray unterbrochen hatte. Er hatte alles in Bewegung gesetzt, was in seiner Macht stand und ärgerte sich darüber, für Dustman den Handlanger machen zu müssen.
„Sir, es kann noch Tage dauern, bis der Pass geräumt ist, vielleicht sogar noch länger. Alles Räumgerät ist bereits irgendwo im Einsatz und wir haben hier keinen wirklichen Notfall. Wir werden warten müssen.“
„Das gefällt mir nicht.“
Natürlich gefiel Dustman das nicht. Er sah seine Geschäfte den Bach runtergehen.
„Ich habe alles angestrengt, was ich konnte. Ich bleibe am Ball.“
Die Männer sahen sich an, als würden ihre Blicke die Schwerter kreuzen, sie mochten sich nicht, mussten aber miteinander auskommen.
Ich habe auch noch was anderes zu tun, dachte Overturf, unter anderem muss ich diesen kleinen Scheißer finden, der noch immer durch die Stadt läuft. Dustman interessiert sich nur für seine Geschäfte, dabei quillt ihm das Geld schon aus seinen verdammten Ohren raus.
„Gibt es sonst noch etwas, Sheriff?“
Dustman war als junger Mann nach Ouray gekommen, hatte da schon genug Geld gehabt, um sich ein gutes Geschäft aufbauen zu können und er sah auf alle eingeborenen Kleinstädter verächtlich herab. Es war symptomatisch, dass er seiner Familie ein großes Haus über der Stadt gebaut hatte und dort wie ein König Großkotz über seinem kleinen Volk lebte.
Schon Overturfs Großvater war Polizist in Ouray gewesen und sein Vater war im Dienst gestorben. Er war nicht erschossen worden, sein Dienstwagen war in eine dieser Nächte, in der so etwas immer passierte, von der Straße abgekommen. Norman Overturf war zu der Zeit auf der Polizeischule gewesen und es änderte sich nichts an der Tatsache, dass auch er in den Staatsdienst treten würde. Es war so etwas wie Familientradition gewesen. Seine Ehe war nach zehn Jahren zerbrochen und er hatte keine Kinder, das hatte ihn mürrisch und hart werden lassen. Er war ein guter Polizist und hatte keine Probleme, Ouray vor dem Schlimmsten zu bewahren, aber das sah Dustman nicht in ihm. Er sah nur einen Kleinstadtsheriff, der nicht in der Lage war, über seinen Horizont hinauszusehen und endlich zu begreifen, dass es nichts Wichtigeres gab als die wirtschaftliche Lage der Stadt. Von dem Tourismus hing alles ab, aber Dustman fühlte sich in dieser Sache noch immer allein gelassen, vom Stadtrat, vom Sheriff, von der Vereinigung der begriffsstutzigen Einzelhändler. Er lebte sein halbes Leben in Ouray, aber man konnte nicht behaupten, dass er die Stadt liebte.
„Ich erledige meinen Job“, sagte Overturf sehr verbissen, „übrigens habe ich ihre Tochter mit dem Motorschlitten da draußen gesehen. Sie wissen, was ich von diesen Dingern halte.“
Dustman nickte nur. Letztes Jahr hatte sich ein junges Mädchen mit so einem Ding fast totgefahren.
Nachdem der Sheriff gegangen war, zündete Dustman sich eine seiner dicken Zigarren an, paffte gedankenverloren und beobachtete durch das Fenster seines Büroraumes, wie sich der Polizeiwagen die schmale Straße zurück in die Stadt wühlte. Es schneite schon wieder. Bald konnte man die Hand nicht mehr vor Augen sehen.
 
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Kommentare  

Ein humorvolles zweites Kapitel. Heiße Party. Rick war zwar mit zwei Frauen im Bett ( ist zu beneiden, der Junge) weiß aber nicht so recht, wie das alles passiert ist. Das hatte ihn einfach über-mannt *Grins *

Jochen (29.05.2009)

Also ich finde diese chaotische, schräge Type Rick schon bis hierher wieder einfach so was von köstlich. Auch alleine kannst Du ihn sehr witzig rüber kommen lassen. Das war wieder so humorvoll, einfallsreich und zum lachen, auf der Party und dann auch noch das Danach. Richtig gut erzählt und Du machst das ganze aber auch wieder interessant, was die Handlung betrifft, so dass man immer gespannt ist, wie es weiter geht. Das liest sich aber auch einfach so saugut ;-)

Fan-Tasia (26.05.2009)

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