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Der Banküberfall vor dem Fußballspiel

Spannendes · Kurzgeschichten
Da hockt er nun schweigend, auf diesem harten Stuhl – einem Stuhl auf dem er eigentlich nie mehr sitzen wollte. Manfred – seine Kumpels nannten ihn Manne – hatte sich fest eingeschworen sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Er ist ein sehr muskulöser Typ. Satte 110 kg sind auf 1,90m Körpergröße gut verteilt. Die sonst gefürchteten giftgrünen Augen blinzeln nur noch müde und sporadisch durch einen schmalen Schlitz. Wie gewohnt grinsen ihm die dunklen eisernen Gitterstäbe höhnisch entgegen. Mahnend – an die unrühmliche Vergangenheit erinnernd - verunzieren mehrere hässliche Narben sein rundes Gesicht mit den fettigen zotteligen Haaren, der viel zu großen Nase und den sehr kräftigen Wangenknochen. Auch sein Rücken und sein Bauch ist gezeichnet von vielen roten Flecken, die an die wüsten Schläge seines zornigen Vaters erinnerten.


Vor drei Monaten – im März – hatte er seinen runden dreißigsten Geburtstag in der Zelle gefeiert. Aber das eigentliche Geburtstagsgeschenk – mit dem er selbst in den kühnsten Träumen nicht mehr gerechnet hatte, sollte er erst jetzt in Empfang nehmen können – die vorzeitige Entlassung aus dem Knast wegen guter Führung. Die letzten drei Monate seiner zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe, brauchte er nun nicht mehr absitzen. Auch für Manfred war es eine faustdicke Überraschung, als würden Weihnachten, Silvester, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten auf einen Tag fallen.
War es ihm nun endlich gelungen, diesen fest gesurrten Teufelsknoten zu zerreißen, der ihn immer wieder in die schier endlosen tiefen des Abgrundes getrieben hatte?

Als Scheidungskind in der ehemaligen DDR aufgewachsen, hatte er wahrlich nicht viel zu lachen gehabt.
Oft war er den brutalen Schlägen seines Vaters – der dem Alkohol sehr zugetan war- zunächst noch hilflos ausgesetzt. Doch Manfred war aus dem selben harten Kaliber geschnitzt, wie sein jähzorniger Vater. Wenn er seine stahlharten Fäuste einsetzte, war wahrlich nicht zu spaßen, was Dietmar – so hieß Manfreds Vater - bald noch hautnah spüren sollte.
Dietmar war mit Ronald – einem ehemaligen Arbeitskollegen – und anderen Saufkumpanen,oft um die Häuser und in die Kneipen gezogen.
Diese Zechtouren führten meist zu handfesten Auseinandersetzungen, die nicht selten blutig endeten. Selbst auf dem schmucken Perserteppich, klebte mahnend das Blut und auch Ellen – seine bildhübsche Frau - blieb von Schlägen ihres Gatten meist nicht verschont, da Dietmar - leider viel zu oft - nicht mehr Herr seiner Sinne war.
Ellen hatte genug. Ihre Nerven lagen völlig blank. Sie musste sich in stationäre Handlung begeben, räumte die gemeinsame Wohnung, und reichte umgehend die Scheidung ein.

Manfred blieb mehrmals der Schule fern. Sofort schaltete sich das Jugendamt ein. Anders als in der freiheitlichen Ordnung der Bundesrepublik, galt Schulschwänzerei in der früheren DDR keinesfalls als Kavaliersdelikt.
Manfred wurde in den allseits berüchtigten Jugendwerkhof eingewiesen. Aus Kindern und Jugendlichen, die oft über die Stränge geschlagen hatten, und meist aus gestörten familiären Verhältnissen kamen, sollten unter strengem Gehorsam zu sozialistische Persönlichkeiten gereift werden. Dort sollte er aber nicht mehr lange verweilen.

Überall im Land regte sich Widerstand. Tausende Menschen demonstrierten friedlich. Der Ruf nach Freiheit, Menschlichkeit und Demokratie war unüberhörbar und wurde immer lauter, bis das Regime sich dem Druck der Straße beugen musste.

Im Juli 1990 gehörten auch die Jugendwerkhöfe der Vergangenheit an. Manfred zog zu seiner Mutter in eine viel zu enge Einraumwohnung und war von nun an wieder sich selbst überlassen.

Der Stadtteil, in dem Manfred mit seiner Mutter wohnte, machte alles andere als einen einladenden Eindruck. Nahezu überall rieselte Putz von den graugelben, sehr oft auch rußigen, Wänden. In vielen, dieser zum Teil nicht mehr bewohnbaren Häuser, waren die Fensterscheiben eingeschlagen. Im Inneren hausten obdachlose Jugendliche, die versuchten ihren Frust mit reichlich Alkohol herunterzuspülen. Auch die Straße war völlig heruntergekommen. Schlaglöcher schnitten sich durch das wellige Kopfsteinpflaster, die die Stoßdämpfer der Autos stressten. Dass der ohnehin schon labile Manfred in dieser tristen abbruchreifen Gegend auf die falschen Freunde treffen würde, war von vornherein abzusehen.
In der Tanne – seiner Stammkneipe - hatte Manne Ausschau nach dem Klientel gehalten, welches wie maßgeschneidert zu ihm passen könnte. Und rasch liefen ihm diese zwielichtigen Gestalten auch über den Weg. Einer von ihnen war Georgi - ein hochaufgeschossener Typ mit stahlharten Muskeln, einem kräftigen Kinn, starken Wangenknochen, einer viel zu großen Nase, die leicht gekrümmt linksseitig auslief und stahlblauen Augen, die er gefährlich schnell verdrehen konnte. Sein fettiges dunkelblondes Haar klebte stumm auf seinem runden Kopf und passte zu seinem ungepflegten Äußeren mit dem buschigen Bart, der seinen breiten Mund wild umschlungen hatte.

Ebbis Figur dagegen, war verglichen mit Manne, eher schmächtig. Dennoch konnte er seine knochigen Hände zu eisernen Fäusten ballen, die er auch oft und gekonnt einsetzte.

Manne setzte sich an die Spitze dieses Trios. Raubzüge, Einbruchserien – sowohl in der Nacht, als auch am helllichten Tag - bis hin zu räuberischen Erpressungen, bestimmten fortan den Tagesablauf dieser Gang.
Ebbi und Georgi saßen jeweils zwei Mal für zweieinhallb, beziehungsweise drei Jahre ein, während Manne sogar vier Mal für eine Dauer von insgesamt zehn Jahren hinter Gitter verbannt worden war.

-

An einem heißen Sommertag im Juni stürmte Manne quietschvergnügt aus der Haftanstalt und streckte im Hochgefühl der Freude beide Arm in die Luft.
„Jetzt erst mal ein Bier trinken“, dachte sich Manne, der die Tanne – seine frühere Stammkneipe – zielsicher ansteuerte.
Kaum hatte er die Schwelle der zinnoberroten Holztür überschritten, schnellte Ramona – die bildhschöne Kellnerin mit dem makellosen ovalen Gesicht, den seidig glänzenden hellblonden Haaren und dem gelborange farbenem sexy Minikleid, unter dem sich ihre wohlgeformten Brüste besonders keck abzeichneten, auf Manne zu.
Spontan fiel sie Manne um den Hals und hauchte ihm sogar ein zartes Küsschen auf die Wange.
Mannes Augen fingen an zu leuchten und sofort glühten auch seine Wangen.
„ Du warst ja lange nicht mehr hier!“, stellte die Kellnerin – die emotional sehr gerührt war - fest, während ein aufreizendes Lächeln über ihr hübsches Gesicht huschte.
„Eigentlich sollte ich noch viel länger einsitzen, doch die haben mich wegen guter Führung eher entlassen. Die brauchen wieder Platz in den Zellen“, räumte Manne ergänzend ein.
„Sei doch froh, dass Du endlich wieder bei uns bist. Georgi hat dich so schrecklich vermisst.“ Noch während sie das sagte, baute sich der stämmige Georgi stolz vor ihm auf und straffte seinen Körper.
„Da bist Du ja wieder, du altes Haus, platzte es aus Georgi spontan heraus, dessen Herz vor Freude wie wild in seiner Brust hüpfte.
Zur Begrüßung bekam Manne einen deftigen Klaps auf die Schulter, den er prompt erwiderte.
„Nimm doch erst mal Platz, sagte Georgi, der den Stuhl für Manne zurecht rückte, und ihm anschließend eine Zigarette reichte.
Noch während Manne die Zigarette zwischen zwei Fingern schob, fragte er Georgi:
„Und was hast du die ganze Zeit so getrieben?“ Na was denn schon - Kohle besorgt.
Manne steckte die Zigarette in den Mund. Georgi gab ihm Feuer und Manne zog den Rauch genüsslich in sich ein.
„Naja, viel war es nicht, nur ein paar läppische Euros, die ich von den Vietnamesen hab' mitgehen lassen. Ramona stellte Georgi und Manne ein großes Bierglas auf den Tisch.
„Na dann Prost“, sagte Georgi, der zeitgleich mit Manne das Glas anhob. Beide stillten ihren Durst, bis die Gläser nahezu halb leer waren.
„Manne, hör doch mal genau hin. Ich habe eine geniale Idee. Wir starten ein Wahnsinnsding.“ Während er diese markigen Worte über seine viel zu breiten Lippen brachte, starrte Georgi gebannt zum Nachbartisch.
Ein schlanker Mann - Mitte 30 - wischte sich gerade den Schaum von seinem gepflegten Oberlippenbart und blätterte im Regionalteil der hiesigen Boulevardpresse. In einer der vielen Schlagzeilen stand auf dicken schwarzen Lettern geschrieben: „Hochbrisantes Lokalderby, schwere Ausschreitungen befürchtet.“ Georgi wies mit dem Zeigefinger auf die Schlagzeile dieses Blattes.
„Schau doch mal, am Mittwochabend steigt das Lokalderby. Die Fans beider Mannschaften können sich doch nicht riechen, da brennt garantiert die Luft. Während die Bullen voll mit den Hooligans beschäftigt sind, knacken wir eine Bank. Ich würde sagen die „Volksbank“ in der Zimmerstraße. Die liegt in einem anderen Stadtteil, weit weg vom Schuss. Das ist immer noch besser als diese blöden Fidschis aufzuklatschen und mit diesen paar mickrigen Peanuts zu türmen“, setzte Georgi fort. „Ich kann Dir versprechen, das wird eine todsichere Angelegenheit“, schwärmte Georgi, auf dessen Gesicht sich Lachfalten legten.
„Bist du verückt, bloß nicht schon wieder! Ich bin froh, dass ich endlich raus bin aus diesem widerlichen Knast“,wetterte Manne, der seine Augen so stark verdrehte, dass nur noch das Weiße herausschaute.
„So etwas kenne ich doch überhaupt nicht von Dir. Was soll das, du warst doch sonst alles andere als ein Weichei!“, posaunte es Georg so laut aus sich heraus, dass sich einige Gäste kurzzeitig umdrehten. Georgi war gerade dabei, sein lebendiges Gesicht, in eine schrecklich verzerrte Fratze, zu verwandeln.
Manne schwieg eine ganze Weile bedächtig. Während er überlegte, musterte er Georgi sehr gründlich. Weichei, diese dumme Bemerkung wollte Manne nun wahrlich nicht auf sich sitzen lassen.
„Na gut wir starten das Ding“, grummelte Manne, der sein Bierglas ansetzte und dieses bis zur Neige leerte.
„Ich nehm' dich beim Wort“, antwortete Georgi, der Manne anerkennend auf seine breite Schulter klopfte.
Flugs verbannte Georgi die grimmigen Falten aus seinem Gesicht, während er gleichzeitig überlegte:
„Wir brauchen aber noch ein Fahrzeug, damit wir uns blitzschnell aus dem Staube machen können“, gab Georgi zu verstehen.
„Das lass nur meine Sorge sein. Heute Abend besorge ich für uns ein schnittiges Wägelchen, versprach Manne heilig.
„Du machst das schon, gab sich Georgi siegessicher. Seine Augen wurden feucht und begannen zu glänzen.
„Vorher müssen wir aber noch Ebbi das Ding schmackhaft machen“, fiel Manne in diesem Moment ein.
„Hast Recht, an den habe ich gar nicht gedacht. Heute Abend rufe ich ihn noch an. Sollte er nicht noch dazwischenfunken, treffen wir uns morgen um zwei bei ihm.“ „Okay, platzte es aus Manne heraus, und beide besiegelten mit einem festen Händedruck den bevorstehenden Clou. Georgi leerte noch den Rest seines Glases. Beide bezahlten und verließen anschließend die uralte Kneipe, in der eine stickige Luft lag, die vom dicken blauen Dunst geschwängert war.

Kaum war die riesige Scheibe der blutorange schimmernden Abendsonne hinter den Häuserschluchten in die endlose Weite getaucht, senkte sich ganz allmählich der Schleier der Dunkelheit über der Stadt.
Manne blieb in der Nähe einer belebten Kreuzung –die am Rande der Stadt lag - stehen und überlegte.
Beidseitig wurde die Bundesstraße von eng aneinander stehenden Bäumen umsäumt, dessen Kronen ein dichtes Blätterdach bildeten.
Linksseitig der Bundesstraße lag ein schmuckes Birkenwäldchen, vorher allerdings wuchsen nahezu ungebremst Holunder- Vogel- und Brombeersträuche, die von üppig wucherndem dornigen Gestrüpp umzingelt waren.
Manne versteckte sich hinter einem der Brombeersträucher. Er duckte sich und harrte in dieser Stellung eine ganze Weile aus, bis sich ein silbergrauer Mercedes der Ampel näherte, die in dem Augenblick gerade auf Rot schaltete. Am Steuer saß - nichts ahnend - eine ältere Frau mit gekräuselten weißgrauen Haaren Gedankenschnell sprang Manne auf und rannte - flink wie ein Wiesel - auf die Nobelkarosse zu.
Als er merkte, dass die Fahrertür nicht verriegelt war, riss er diese blitzschnell auf und schrie auf:
„Das ist ein Überfall!“
Noch während die Frau erschrocken zusammen zuckte, packte er sie an der linken Hand und zerrte sie mit brachialer Gewalt aus dem Wagen. Die Frau rannte mit schmerzverzerrter Miene panikartig stadteinwärts und rief verzweifelt um Hilfe, doch keiner wollte der total verängstigten Frau unter die Arme greifen. Einige Jugendliche trotteten gleichgültig an der älteren Dame vorbei, und lächelten auch noch spöttisch. Manne schwang sich ans Steuer und brauste eilig davon, obwohl die Ampel noch nicht mal auf Grün geschaltet hatte.
Noch während er die ersten Meter zurückgelegt hatte, zuckte plötzlich ein Gedankenblitz durch seinen kühlen Kopf.
„Das Kennzeichen der Besitzerin muss erst noch verschwinden, ansonsten rücken mir die Bullen auf die Fersen, dachte sich der Schlauberger.
Instinktiv bog er links in eine Seitenstraße ein, die nicht weit von dieser Kreuzung entfernt lag.
Hinter einem metallicfarbenem Audi, brachte er das gestohlene Fahrzeug zum Stehen.
Gekonnt löste er das vordere und hintere Kennzeichen der Besitzerin aus der Plastikverankerung und warf es in den Kofferraum. Anschließend entfernte er die beiden anderen Kennzeichen des Audi, die er routiniert in die Halterung des Mercedes einpasste.
Die schmale Straße war beidseitig von Pappeln eingesäumt. Auf der linken Seite standen einzelne willenartige Häuser, die schick in eine Umfassungsmauer eingebaut waren.
Durch das blättrige Astwerk schimmerte verlegen -wie ein silbriger Taler - der Vollmond und warf einen sanften Schein, der sich mit dem fahlen Licht der nahen Gaslaterne vermischte, auf den Mercedes.
Manne merkte nicht, dass sich von hinten ein Liebespärchen näherte. Eng umgarnt – auf einer Woge innigsten Glückes schwebend - genossen die beiden leidenschaftlich die pure Romantik dieser lauen Sommernacht.
Noch während Manne das hintere Kennzeichen montierte, warf der Mann den Arm von der Schulter seiner Freundin und sagte zu ihr leise ins Ohr:
„Das darf doch nicht wahr sein. Der klaut einfach Toms Kennzeichen. Dieser Mercedes ist doch garantiert geklaut. Der hat einfach das Original-Kennzeichen entfernt, um nicht erkannt zu werden.“ Tom war Handelsvertreter und wohnte mit dem Mann im gleichen Haus. Vorsichtig schlich er mit seiner Partnerin ins Haus. Sofort klingelte er bei Tom, der Sekunden später – vom schrillen lang anhaltenden Ton aufgeschreckt - aus dem Bad stürmte, durch den Türspion lugte und schließlich öffnete. Tom rief sofort die Polizei an, die eine halbe Stunde später auch eintreffen sollte. Manne war natürlich mit dem flotten Mercedes längst über alle Berge.

Mit stolz geschwellter Brust klingelte Manne an Ebbis Wohnungstür. Der öffnete sofort und Mannes Blicke trafen grinsend auf freudig blitzende, graugrün gesprenkelte Mandelaugen, die in sein schmales Gesicht mit den kastanienbraunen gekräuselten Haaren, geschnitten waren.

„Da bist du ja endlich“, rief Ebbi aus, der Manne zur Begrüßung fest die Hand ausstreckte, und anschließend den Zeigefinger auf das Wohnzimmer richtete und sagte: „Komm doch mit.“ Ebbi rückte Manne den Stuhl zurecht. Das Bier hatte er schon längst auf dem kleinen runden Tisch arrangiert, da schrillte die Glocke an der Eingangstür.
„Das kann doch nur Georgi sein“, warf Manne ein und Ebbi sprang sofort auf, rannte zur Eingangstür und offnete diese: „ Hallochen“, sprudelte es aus Georgi heraus. Seine Augen blitzten schelmisch.
„Gut, dass du da bist“, freute sich Ebbi, der Georgi gleich ins Wohnzimmer bat.
„Hi Georgi“, begrüßte Manne ihn mit einem spitzbübischen Lächeln und zeigte auf das Wohnzimmerfenster. „Schaut mal runter!“ Georgi und Ebbi starrten gebannt aus dem rissigen Holzfenster, von dem ein Teil des Lackes längst abgebröselt war. Dieses alte Fenster passte so richtig ins fatale Bild dieser Behausung, die eher einer Rumpelkammer glich.
Selbst in den kleinsten Ecken dieser Mansardenwohnung lagen überall Bier- und Schnapsflaschen . Auch Gläser und Dosen, sowie CD's und alte Schallplatten türmten sich an einigen Stellen und lagen quer verstreut in der ganzen Wohnung herum.
Schmutzige unansehnliche Tapete klebte stumm an allen Decken und Wänden. Die Luft war erfüllt von einem öden muffigen Fäulnisgeruch, und es stank auch fürchterlich nach Alkohol - den Ebbi täglich in großen Mengen in seine durstige Kehle gekippt hatte.
Georgi und Manne störte das wenig. Die hatten sich an diesen fahlen Geruch längst gewöhnt.

„Schaut mal, dieser tolle Schlitten gehört jetzt mir!“ Manne geriet ins Schwärmen und prahlte wie mühelos und lässig er diesen Raubzug doch über die Bühne gebracht hatte.
„Das hier ist der totale Wahnsinn!“ lobte Ebbi Manne, dessen ganzes Gesicht wie ein Honigkuchen strahlte.

Nun begann Manne Ebbi die Idee vom Banküberfall vor dem Fußballspiel so richtig schmackhaft zu machen. Alle drei hatten an dem kleinen runden Tisch Platz genommen. Er plauderte nochmal aus, was er vorher bereits mit Georgi abgesprochen hatte.
„Die Fans der beiden Teams können sich doch nicht riechen, da brodelt der Kessel ganz gewaltig, bis er schließlich droht zu explodieren. Wenn es sein muss, mischen wir auch noch mit, um die Bullen noch schneller anzulocken. Wenn die erstmal in der Spur sind, haben wir freie Bahn.
Die Bullen können sich auf einen heißen Nachmittag einstellen. Dieses kann ich dir versprechen!“ Ebbi plagten Zweifel: „Wenn es nur so an Bullen wimmelt fliegen wir doch ganz schnell auf und tappen ganz schnell in eine Falle.
„Quatsch“, die haben doch so viel Schiss in der Hose. Denn wenn die Hools erstmal so richtig in Fahrt sind, haben die garantiert keine Zeit mehr für uns. Da können wir doch in aller Ruhe ausräumen, zumal die Volksbank in der Zimmerstraße fernab vom Schuss liegt“, sagte Manne im Brustton der Überzeugung, Manne versuchte Ebbi mit einem sanften Lächeln zu beruhigen. Ihm war nämlich nicht entgangen, dass Ebbis Augenlider immer noch flackerten.

„Den Schlachtplan habe ich perfekt ausgearbeitet. Es wird nichts dem Zufall überlassen.
Die Idee stammte allerdings von Georgi. Wir treffen uns um vier am „Bräustübl“- zwei Stunden vor Spielbeginn – und harren eine Weile aus. Sobald die Bullen anrücken, machen wir uns aus dem Staube und düsen zur Volksbank in die Zimmerstraße. Natürlich nehme ich die Pappmasken und die Gaspistole wieder mit. Zuerst steigst du aus dem Auto und beobachtest ob viele Passanten an uns vorüberziehen. Wenn die Luft rein ist, gibst du ein Zeichen. Dann stürme ich mit Georgi in die Bank und erledige mit ihm die Angelegenheit. Du bleibst draußen und stehst Schmiere. Während wir wieder aus der Bank rennen, nimmst du uns den Koffer mit den Geldscheinen ab und wirfst ihn in den Kofferraum. Sofort schwingen wir uns ins Auto und fahren zu Georgi. Eines kann ich dir versprechen. Dann steigt 'ne Party, die größte Sause unseres Lebens, blickte Manne beschwörend voraus, als wäre es die normalste Sache der Welt.
„Du bist der größte Filou den ich jemals kennen gelernt habe“, sprudelte es spontan aus Georgi heraus. Dabei war gerade er es, der Manne gestern noch als Weichei titulierte. Wie schnell sich doch Meinungen ändern können!
Georgi, Manne und Ebbi klatschten sich gegenseitig ab und besiegelten hiermit die gegenseitigen Abmachungen.

-

An diesem kochend-heißen Sommertag im Juni wälzte sich eine schier endlose Menschenmenge durch die beliebte Flaniermeile mit den schicken Kaffees und schmucken Restaurants. Den Einkaufstüten schleppenden Passanten rollten Schweißperlen von der Stirn. Einige suchten Abkühlung an einem Springbrunnen, andere stillten ihren Durst mit einem kühlen Bier oder ließen ein leckeres Softeis auf der Zunge zergehen.
Selbst der Asphalt kochte und flimmerte in dieser sengenden Hitze.
Georgi, Ebbi und Manne hatten sich längst vor dem „Bräustübl' postiert und harrten der Dinge, die da noch kommen sollten. Noch herrschte die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm in der Fußgängerzone, was sich jedoch bald ändern sollte.
Sekunden später waren schon aus weiter Ferne die ersten Krakeeler zu hören. „Hooligan, Hooligan“, hallte es durch die Häuserschluchten.
„Wir warten erstmal noch einen Moment ab“, empfahl Manne.
Fortan sollten sich die Ereignisse überschlagen.
Die Rowdys hatten die Flaniermeile als eine Art Schlachtfeld auserkoren und begannen zu hausen wie eine Wildschweinrotte.

Die ersten Passanten wurden angerempelt und bald klirrten auch schon die ersten Scheiben.
Plastikstühle angrenzender Kaffees flogen durch die Luft. Eine ganze Horde Vandalen – von denen nicht wenige auch vermummt waren - fielen über Kneipen und über einen „Netto-Markt her und deckten sich gratis mit Bier und Schnaps ein. Einige nahmen ein erfrischendes Bad im Springbrunnen ohne freilich ihre erhitzten Gemüter ausreichend abkühlen zu können. Passanten irrten ziel- und planlos - wie wild aufgescheuchte Hühner - in alle möglichen Richtungen. Sie alle hatten nur ein Ziel vor den Augen – bloß weg von diesem Mob!
Jetzt mischten auch die ersten „Fans“ der gegnerischen Mannschaft kräftig mit. Viele, die grüne Schals trugen, hetzten jetzt auf die Einheimischen mit den roten Schals los, während ohrenbetäübender Lärm die Wände in der Fußgängerzone zum Wackeln brachte. „ Schlagt die Grünen tot“, riefen die Einheimischen, „Wir wollen keine roten Schweine“, die Auswärtigen. Eine wilde Schlägerei war vom Zaun gebrochen, während die meisten Passanten schon längst das Weite gesucht hatten.
Normalerweise werden die Gästefans von der Polizei zum Stadion eskortiert. Diesmal war das auch nicht anders. Nur war es einigen der Fans gelungen aus dem Pulk auszubrechen und in die City zu strömen. Einige der Fans, die die Flaniermeile heimsuchten, waren entweder nicht mit dem Zug angereist, oder hatten einen früheren Zug genommen.
Die Situation in der City schien jetzt völlig außer Kontrolle zu geraten. Selbst vor Kindern machten die schlagwütigen Rowdys keinen Halt. Vom Alkohol völlig benebelt, traten sie selbst den Jüngsten – die schon total verstört am Boden lagen und schrecklich wimmerten – noch ins Gesäß. Viele konnten nicht weg, da sie eingekesselt waren. Es dröhnte so laut, dass selbst die flirrend heiße Luft vibrierte. Zähes Blut rollte durch die Ritzen des sonnenheißen Kopftsteinpflasters – doch von Polizei immer noch keine Spur.
„Wann werden die Bullen endlich anrücken!“, schrie Manne Ebbi ins Ohr, da er sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Die Drei hatten etwas abseits vom Geschehen Stellung bezogen.

Endlich kamen die ersten Kombiwagen angerollt und auch der erste Krankenwagen.
„Bullenschweine“, skandierten nun die Fans beider Mannschaften. Die Hooligans, ließen urplötzlich voneinander ab. Sie hatten nämlich einen gemeinsamen Feind ausfindig gemacht – die Polizei. Die Beamten wurden mit Knallkörpern und Leuchtraketen beschossen. Alles was nicht niet- und nagelfest war, musste als Wurfgeschoss gegen die Beamten herhalten, angefangen von Bier- und Schnapsflaschen bis hin zu Steinen und Plastikstühlen. Mit dem Mute der Verzweifelung versuchten sich die Bediensteten mit ihren Schutzschilden und Schlagstöcken gegen den Hagel der Wurfgeschosse, und gegen die Wucht eisenharter Fäuste zu wehren. Doch noch waren die Hools in der Überzahl.

„Die haben heute noch genug zu tun. Auf geht’s!“, forderte Manne vehement.
Die Gauner flitzten zum Auto – welches Manne in der Georgstraße – einer Seitenstraße mit schmucken renovierten Häusern, die einst im klassizistischen Stil erbaut worden waren – abgestellt hatte. Sie stiegen ein und preschten davon.
Den Wagen brachte Manne in der Herrmannstraße – einer Seitenstrastraße mit nur wenigen Häusern, aber eingesäumt vom satten Grün der Pappeln und Ahornbäüme, zum Stehen.
Wie vorher abgemacht, schob sich Ebbi zuerst aus dem Auto.
Nervös tippelte Ebbi entlang des Wagens auf und ab, fingerte eine Zigarette aus seiner Schachtel, und rollte diese zwischen Daumen und Zeigefinger. Während er diese in den Mund steckte, zitterte die ganze Hand. Hypernervös tastete er nach dem Feuerzeug und nur mit Mühe war es ihm gelungen, die Zigarette zum Glühen zu bringen. Während er den Rauch nervös und hastig inhalierte, saugten sich seine Blicke an den vorüberziehenden Passanten fest. Noch hetzten und trödelten zu viele Menschen auf dem schmalen, mit neuestem Kopfsteinpflaster versehenen Bürgersteig, entlang. Das Risiko entdeckt zu werden schien ihm doch noch zu hoch zu sein. Mit scheinbar stoischer Gelassenheit hatten es sich Manne und Georgi auf den geräumig-flauschigen Sitzen der Luxuskarosse gemütlich gemacht. Aus den vier Lautsprechern des Autoradios dröhnte der hämmernde Sound der „Toten Hosen“. Es lief der Megahit „Hier kommt Allice“, und Manne sang inbrünstig mit.
Ebbi schlich sich an die gläserne Tür heran. Er sah, dass noch drei Kunden an den Schaltern weilten, um sich Bargeld auszahlen zu lassen.
Wenige Minuten, nachdem die letzten Kunden die Bank verlassen hatten, ebbte auch der Strom der Passanten auf dem Fußweg deutlich ab.
„Ich glaube, jetzt können wir losmachen“, war Ebbi felsenfest überzeugt. „ Du holst Aktenkoffer und Pistole aus dem Kofferraum. Die Pistole reichst Du mir, und den Koffer für die Scheine, Georgi. Dann legen wir los, und du stehst Schmiere. Wenn wir mit fetter Beute die Bank verlassen haben, hältst du uns die Türen auf, und wir düsen sofort davon. Das alles muss teufelsschnell gehen, damit uns möglichst keiner sieht, erklärte Manne Ebbi zur Sicherheit noch einmal.
Eine Minute später gab Ebbi mit einem kurzen Pfiff das Startzeichen. „Los, die Luft ist rein.
Zuerst stülpten Manne und Georgi die torfschwarzen Masken über, die ihnen ein gespenstisches Aussehen verliehen. Blitzschnell öffnete Ebbi den Kofferraum und fischte Pistole und Aktenkoffer heraus. Kurz nachdem Manne und Georgi aus dem Auto geklettert waren, drückte Ebbi Manne die Pistole in die Hand und reichte Georgi den Koffer. Alles klappte wie am Schnürchen.
Jetzt stürmten Manne und Georgi auf die Bank zu. Sie mussten aber vor der gläsernen Eingangstür kurz halt machen und warten, bis sich die Tür automatisch geöffnet hatte.
Eva - eine der Angestellten - war eine junge ebenmäßige Schönheit mit seidig glänzenden, leicht gekräuselten naturblonden Haaren – die von schmalen Schultern gebändigt wurden. Die freundlich glitzernden kleinen bernsteinfarbenen Kulleraugen, passten harmonisch zum Bild dieser jungen Frau, mit der niedlichen Stupsnase und den sinnlich geschwungenen kirschroten Lippen. Ihr herzförmiges Gesicht, die tollen Beine und ihre schlanke biegsame sexy Figur mit den formschönen Rundungen – waren eine Augenweide. Doch selbst Frauen mit der erotischsten Ausstrahlung, hätten Manne und Georgi nicht dazu bewegen können, von ihrem waghalsigen Unterfangen Abstand zu nehmen.
Die junge Frau stöberte - nichts ahnend - in ihren Akten.
„Das ist ein Überfall!“ schrie Manne bitter auf und richtete die Pistole auf das Gesicht der zierlichen Frau.
Kurzzeitig schwenkte er dann die Pistole in Richtung der anderen drei Angestellten aus und schrie Furcht einflößend:
„Auf den Boden!“ Gehorsam und mit einem gehörigen Flimmern in den Herzen, sanken die Frauen in sich zusammen. Nur Eva blieb mit schlackernden Knien stehen.
„Das ganze Geld in den Koffer!“ brüllte Manne und drückte ihr die Pistole an die Schläfe.
Eva wusste nicht, dass es sich hierbei nur um eine Gaspistole handelte. Georgi entriegelte den Koffer, schnappte diesen auf und reichte ihn an Eva weiter. Als sie die Waffe in ihrem Gesicht spürte, drohte ihr weiches Herz vollends zu zerspringen.
In dem Moment, als sie begann den Tresor zu öffnen, machte sich auch noch eine bedrückende Enge in ihrer Brust bemerkbar.
Eva versuchte eiligst die gebündelten Scheine in den Koffer einzuschichten.
Wie soll das aber gehen, wenn die Nerven ihr einen Streich spielen?
„Ich hab' das schon schneller gesehen, raunzte Georgi, dessen Gestalt sich noch bedrohlicher straffte.
Fortan drückte Manne die Pistole noch heftiger an ihre Schläfe. Als sie den kalten Stahl der Pistole noch stärker auf ihrer geröteten Haut spürte, zitterten ihre geschmeidigen Hände in einem viel schnelleren Takt.
„Schneller, schneller“, schrie Mann, dessen Geduldsfäden wohl bald reißen könnten.
„Los, los, dalli, dalli“, brüllte Manne so laut, dass sich die Balken hätten biegen können.
Doch es half nicht. Da sowohl die Hände, als auch der ganze Körper vibrierten, glitten ihr die Scheine kaum noch aus der Hand. Ihr sensibles Herz war jetzt völlig außer Takt geraten.
„Was für eine Scheiße!“, rastete Manne völlig aus. Doch Georgi tat das einzig Richtige. Er versuchte sowohl Manne, als auch Eva, zu beruhigen. „ Ich helf' dir, sagte er ihr höflich. Er sortierte weitere Päckchen mit Scheinen ein, bis das Fassungsvermögen des Aktenkoffers die Obergrenze erreicht hatte. Auch Manne war dabei sich wieder zu beruhigen– im Raum war es mucksmäuschenstill geworden. Die drei anderen Angestellten wälzten sich total verängstigt auf dem Boden. Ihre Gesichter waren leichenblass.
In der Zeit des Einsortierens konnten Manne und Georgi nicht wissen, dass von außerhalb neues Ungemach drohte.
Ein älteres Ehepaar hatte sich der Bank genähert.
„Halt, stehen bleiben! Hier ist ein Überfall!“ gab Ebbi dem Rentnerehepaar unmissverständlich zu verstehen. Mit erhobenen Fäusten schob er die Betagten beiseite und rief: „Verschwindet, fort, fort, dalli.“ Von Ebbis Drohgebärden eingeschüchtert, verließen die beiden fluchtartig das Terrain.

Georgi schnappte den Koffer zu und gab das Kommando. Er rief: „Schnell... Weg von hier!“ Georgi und Manne rannten aus dem Bankgebäude, während die drei Angestellten immer noch wie hypnotisiert am Boden lagen und erst zehn Minuten später wieder zur Besinnung kommen sollten.
Eva war die erste, die wieder klare Gedanken fassen konnte. Sie rief die Polizei an, und die Beamten in der Zentrale, nahmen den Sachverhalt sofort auf. Doch woher nur das Personal nehmen?

Unmittelbar vor dem Anpfiff hatte sich die Situation vor, und im Stadion, bedrohlich zugespitzt. Einige dieser sogenannten „Fans“ waren ineinander geraten und bereits nach fünf Minuten Spielzeit, musste der Unparteiische das Spiel erstmals für fünf Minuten unterbrechen, da die ersten Leuchtraketen – von beiden Lagern aus abgefeuert – auf das Spielfeld flogen. Da hatte die Polizei alle Hände voll zu tun. Die Beamten –mit Schutzschilden und Helmen ausgerüstet – hatten vor beiden Blöcken Stellung bezogen. Ein wildes Durcheinander herrschte. Erst nach über einer Stunde Spielzeit – als sich die Gemüter etwas zu beruhigen schienen – wurde ein Streifenwagen mit drei Ordnungshütern zur Volksbank abkommandiert.

Georgi und Manne stürmten aus dem Gebäude. Georgi reichte Ebbi den Aktenkoffer mit der fetten Beute, den er in den Kofferraum verstaute. In Sekundenschnelle kletterten die Räuber in die gestohlene Luxuskarosse, die in der abendlichen Sommersonne besonders herrlich glitzerte. Manne setzte sich ans Steuer und brauste davon. „Das ist der größte Coup unseres Lebens, der helle Wahnsinn!“, jubelte Manne, der die rechte Hand zu einer Faust ballte, und, als sichtbares Zeichen des Sieges, an die Decke streckte. Sekunden später schaltete Manne das Autoradio ein. Der Regionalsender spielte den Wendehit des Jahres 1989, „Wind of change“ von den „Scorpions“. Anschließend meldete sich die Moderatorin zu Wort. Ihre Stimme klang hell und freundlich. „Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für eine Verkehrsmeldung: Wegen eines Fußballspiels ist bis in die späten Abendstunden in der City mit zum Teil erheblichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Es wird empfohlen in dieser Zeit die Innenstadt weiträumig zu umfahren. Und nun noch eine Fahndungsmeldung der Polizei:„Gesucht wird nach dem Fahrer eines silbergrauen Mercedes, der in den Abendstunden des 3. Juni gegen 22.15 Uhr, an der Kreuzung Goethestraße – Schillerstraße, während die Ampel auf Rot stand, die Besitzerin gewaltsam aus dem Wagen gezerrt hatte, und rücksichtslos davongefahren war. Es liegt die Vermutung nahe, dass der Fahrer mit einem gestohlenen Kennzeichen unterwegs sein könnte. Die Nummer des gestohlenen Kennzeichens könnte lauten:...“Das darf doch nicht wahr sein!“, platzte Manne mitten in die Meldung hinein. „Wir müssen das Auto irgendwo in der Stadt abstellen, ansonsten werden wir eine leichte Beute für die Bullen, behauptete Ebbi. „Bist du denn total verrückt geworden! Wir müssen zu einem abgelegenen Feldweg fahren, das Fahrzeug abfackeln, damit die Spurensicherung es nicht erkennt“, konterte Georgi.„Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!“, schrie Manne voll auf. Er setzte fort: „Ich besorge für uns ein neues Kennzeichen. Dann können die Bullen doch gar nicht wissen, wem der Schlitten eigentlich gehört“, sagte Manne mit zornbebender Stimme und drehte sich kurz um. Vor ihm fuhr ein roter Citroen Saxo, der plötzlich bremsen musste. Manne hatte zwar den Blick wieder nach vorn gerichtet und voll auf die Bremse gedrückt. Dennoch – es war zu spät! Der Mercedes fuhr mit voller Wucht auf den Citroen auf, dessen Heck dieser total zerquetschte. Der Fahrer des Citroen erlitt einen Schock und einige Wunden hatten sich tief in seine Stirn geschnitten, hervorgerufen durch die splitternde Frontscheibe. Der Citroen war nur noch ein wertloser Haufen Schrott.

Manne, Georgi und Ebbi waren mit einem blauen Auge davongekommen – standen aber für einige Sekunden unter Schock. Alle drei blieben unverletzt, dennoch war auch der Mercedes beschädigt. Risse in der Frontscheibe liefen nach allen Richtungen hin aus, und in der Mitte klaffte ein größeres Loch. Auch die Vorderfront war stark eingedrückt und zerbeult. Von den vorderen Reifen war die Luft entwichen, so dass an ein Weiterfahren überhaupt nicht mehr zu denken war.
„Wir müssen sofort verschwinden!“, schrie Ebbi, der als erster wieder zur Besinnung gekommen war. Ebbi öffnete die Tür und stieg aus. „Beeilt euch, los, los!", brüllte Ebbi verzweifelt. Sekunden später folgten Manne und Georgi ihm. In der Zwischenzeit hatten sich die ersten Gaffer um das Auto gescharrt. Das Erste Hilfe leisten, kam keinem von ihnen in den Sinn, obwohl der Fahrer des Citroen Saxo benommen, und - wie eine Bogenlampe - in seinem zertrümmerten Auto hockte. Das Blut, es rollte unaufhörlich über sein weißes Hemd und über seine braune Manchasterhose.
„Was wollen wir denn jetzt machen?“, fragte Manne, der sehr verstört wirkte.
„Das überlasse mir mal“, sagte Ebbi, der von jetzt an das Kommando übernahm.
„Ab geht’s!“, raunte er. „Halt, nahm Ebbi das Kommando wieder zurück,...“der Koffer.“ Ebbi öffnete die Klappe des Kofferraumes und tastete nach dem Aktenkoffer mit der Beute.
Wie angewurzelt blieben Manne und Georgi stehen. In der Hektik merkte keiner von ihnen, dass ein Tourist eine Kamera in Reichweite hatte, die er schnell ausgepackt und auf Manne und Georgi, aber auch auf den Mercedes richtete. Sofort klickte er auf den Auslöser, dann packte er den Apparat schnell in einen Plastikbeutel ein, und steuerte auf das Polizeipräsidium zu, welches nur ca. 300 Meter vom Unfallort entfernt lag.
„Jetzt geht’s los, aber sofort!“, mahnte Ebbi zur Eile, während das Heer der Gaffer am Unfallort immer größer wurde.
Ebbi rannte als erster fort. Georgi und Manne folgten ihm. Im Höllentempo hetzten die Flüchtigen durch eine Unterführung, mussten aber immer wieder das Tempo drosseln, da zahlreiche Passanten den kürzesten Weg versperrten. Nach dem Ende des Tunnels, rannten sie auf dem Bürgersteig der Helmut-Schmidt-Straße weiter entlang. Alle schnappten gierig nach Luft und waren so außer Atem, dass man befürchten müsste, die Lungenflügel könnten platzen.
Nach etwa 300 Metern bogen sie links in eine Seitenstraße ab, und kurz danach noch einmal links in einen schmalen Torbogen ein, der in den Hinterhof eines alten Gemäuers führte, welches in der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende erbaut worden war. Völlig erschöpft lehnten sie sich an die schwarze Hauswand. Die meisten Wohnungen waren längst verwaist, nur noch hinter wenigen Fenstern hingen Gardinen.
Nachdem sich das Trio wieder erholt hatte, sagte Manne: „Hört mal zu, das Beste wäre, wenn wir aus dieser blöden Stadt verschwinden würden. Dann sind wir weg von den Bullen.“ „Hast Recht“, antwortete Georgi. „Bin auch einverstanden“, stimmte Ebbi Manne zu.
„Jetzt, da wir genug Kohle haben, können wir nach München fahren und dort in einer noblen Herberge absteigen“, ergänzte Ebbi.
„Was für eine tolle Idee!“ freute sich Manne. Auch in Georgis Augen erglomm ein blitzkleines Lächeln, welches ein Fünkchen Hoffnung widerspiegelte.
„Wir müssen aber sehen, dass wir schnell an Boden gewinnen. In über einer Stunde ist das Spiel zu Ende, da wird der Bahnhof voller Bullen sein, um die gegnerischen Fans zu verabschieden“, fürchtete Georgi nicht ohne Grund.
„Stimmt“, pflichtete Ebbi ihm bei.
„Also, ab gehts“, forderte Manne, der fortan wieder das Kommando übernahm.
Federnden Schrittes ging es bis zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Nach fünf Minuten Wegezeit, erreichten sie diese. Sie hatten Glück, denn eine Bahn der Linie fünf, kam unmittelbar vor ihnen zum Stehen. Der Wagen war nur zur Hälfte gefüllt und bereits nach zwei Stationen hatten sie das Ziel – den Hauptbahnhof – erreicht. Die Gangster kletterten aus dem Waggon und trauten ihren Augen kaum. Bereits vor dem Eingang A der riesigen - mit weiten Bögen gespannten Halle - hatten schon die ersten zwanzig Polizisten Stellung bezogen.
„Was machen wir jetzt bloß?“, fragte Manne mit kleinlauter Stimme..
„Wir rennen einfach drauflos“, antwortete Ebbi spontan.
„Ab durch die Mitte!“, forderte Manne mit Nachdruck.
Das Trio ahnte nicht, dass jetzt schon eine Hundertschaft Polizisten an den Seiten im Eingangsbereich dieser Halle postiert waren.
Bundespolizei, die örtlichen Beamten und Bedienstete der Bahnsicherheitsgesellschaft (BSG) gaben sich die Klinke in die Hand. Die Großfahndung nach den Bankräubern war bereits in vollem Gange, was Ebbi, Georgi und Manne, noch nicht ahnten.
Ebbi und Georgi hörten auf Mannes Kommando und rannten einfach draufzu - ins Verderben.
Als sie den Eingangsbereich stürmten, rief einer der Polizisten: „Halt, bleiben Sie sofort stehen!“ Doch kopflos rannten die Drei weiter. Weit kamen sie aber nicht mehr, denn im Nu stürzten sich von beiden Seiten aus kommend, zahlreiche Uniformierte auf die Bankräuber, die nun hoffnungslos eingekesselt waren.
Einer der Beamten riss Manne den Koffer mit den Geldscheinen aus der Hand, ein anderer Polizist packte Manne am rechten Oberarm und in Bruchteilen von Sekunden hatte es klick gemacht.
Auch Ebbi und Georgi wurden sofort Handschellen angelegt. Während die Drei abgeführt und in einen der Mannschaftswagen verfrachtet wurden, erfüllte ein jämmerliches – nahezu gespenstig klingendes Hundegebell – die Halle. Einige der Polizisten konnten nur mit Mühe, ihre, im Dienst stehenden Vierbeiner, an der Leine halten.

-

Der Traum vom schnellen Reichtum - geplatzt wie eine Seifenblase. Dabei hatte sich Manne doch fest eingeschworen, nie wieder mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Leider waren es wieder die „Freunde“ von einst, die Manne in die falsche Spur gelockt hatten. Den Versuchungen - des großen Geldes wegen - konnte er nicht widerstehen – leider! Und als Weichei wollte er wahrlich nicht gelten.
 
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Kommentare  

Spannend, traurig und humoristisch. Das hast du gut gemacht.

Evi Apfel (07.02.2010)

Bin der gleichen Meinung wie meine Vorkommentatoren. Dank deines unterschwelligen Humors und deiner Fähigkeit, das Geschehene sehr lebendig und lebensecht zu schildern, gelingt es dir den Leser mitzureißen. Besonders packend, die brodelnde Unruhe mit den Hooligans.

Jochen (06.02.2010)

Oha, bei meinem "Sarkasmus" musst du dir das eine "s" wegdenken, okay?*peinlich*:(

Petra (04.02.2010)

Kann mich nur an Doskas Worte anschließen. Wie schaffst du das nur, Spannung in eine Story reinzulegen, bei der ganz genau weiß, wie sie ausgeht? Eine tolle Geschichte, sehr authentisch, wieder mit deinem typischen Sarkasmuss gewürzt und darum so lesenswert.

Petra (04.02.2010)

Obwohl man ahnt, wie es ausgeht, ist das alles sehr spannend und unwahrscheinlich lebensecht geschrieben. Und irgendwie hat man Sympathien für Manni, obwohl er eigentlich sehr viel Unheil anrichtet. Es scheint so, als wären deine drei Ganoven eben nie richtig erwachsen geworden, als wäre diese Welt nur ein einziges Abenteuer für sie. Man sagt sich am Ende, eigentlich schade um die Drei. Gutes Lesefutter.

doska (04.02.2010)

ja, ja, immer sind es die anderen. dein manne wird immer wieder rückfällig werden und sein leben lang im knast sitzen. was sagt uns das? man darf sich nicht erwischen oder muss die krummen sachen bleiben lassen.
grüß dich


rosmarin (03.02.2010)

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