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6 Seiten

Das Weiße Königreich - Kapitel 10

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Nach dem Sie sich aufgewärmt, ihre Kleidung getrocknet war und man, was gegessen hatte, trafen sie sich mit dem Hauptverwalter von Monseran. Er wurde von einer Frau und einem Mann begleitet. Die Frau hielt sich im Hintergrund.
Samuel erzählte dem Hauptverwalter vom Tod des Magistrats. Der ältere Mann wirkte bestürzt. Genau wie seine beiden Begleiter. Die Frau bewegte stumm die Lippen.
„Kanntet ihr den Magistrat?“, fragte Erol nach einer respektvollen Schweigephase.
Der Hauptverwalter sah den Elb an. „Ja. Er war ein alter Freund. Vor einigen Tagen war er noch bei uns.“, sagte er betroffen.
Interessant! „War der Magistrat aus einem bestimmten Grund hier?“, wollte Michael wissen.
„Zu Studienzwecken.“
Das konnte einfach kein Zufall sein. Wenn der Zeitpunkt stimmte, und sie hatten keinen Grund daran zu zweifeln, war der Magistrat kurz nach den Jungs aufgebrochen. Lange war er aber nicht geblieben. Lediglich einen Tag. Danach reiste er wieder ab.
Der Hauptverwalter erzählte dass man eine Brieftaube mit einer Nachricht vom Magistrat erhalten hatte. In ihr bat er den Archivar um alte Schriften, Passagen und Kartenmaterial. Zudem ließ er ausrichten, zwei Jungen aus seiner Waisenmine würden in seinem Namen die Sachen abzuholen.
Welche Jungs der Magistrat meinte, war allen aus der Gruppe klar.
„Habt ihr die Sachen noch?“, richtete Michael an den Archivar.
Der Mann war ein wenig Größer wie die Zwerge, füllig und besaß nur noch spärliches Haar. Auf seiner Nase trug er eine Brille, dessen Glasstärke schon beachtlich war. Er nickte.
„Können wir sie haben?“, bat Samuel schneller als Michael.
Der Archivar sah kurz den Hauptverwalter an. Dann wandte er sich an die Frau. Sie verließ den Unterrichtsraum. Wenig später kehrte sie mit einem Lederbündel zurück. Samuel nahm es entgegen. „Danke.“
„Können wir sonst noch etwas für euch tun?“, fragte der Hauptverwalter Michael.
„Im Moment bräuchten wir einen Platz zum schlafen.“
„Natürlich. Ich veranlasse alles notwendige.“
Die Monseraner verabschiedeten sich. Samuel machte sich sofort daran das Lederbündel durchzusehen. Ein Angestellter kam, um ihnen ihre Schlafplätze zu zeigen. Baldami, Ramon, Erol, Michael, Sirka und Wong folgten ihm. Nur Samuel blieb zurück. Und mit ihm auch Kronos. Was dessen Laune nicht besserte.

***
Bei den Schlafplätzen handelte sich um jeweils ein Zimmer, die durch eine Tür miteinander verbunden waren. Sie lagen alle nebeneinander. Baldami inspizierte Ramons Zimmer. Erst danach konnte sich der Junge zu Bett legen. Jeder begutachtete sein Zimmer. Sie waren vorsichtig.
Michael stieg aus seinem Bett. Ihm gingen einfach zu viele Gedanken durch den Kopf, um einzuschlafen. Seine Gedanken kreisten um Selena. Sie hatte ihre Finger mit drin, dass stand zweifelsohne fest. Warum sonst lauerte sie Samuel in Vaduz auf?
Die Albin war kein Kind von Traurigkeit aber jemanden grundlos zu töten war nicht ihre Art. Jedenfalls erinnerte sich Michael nicht, das so was vorgekommen war. Und ihre Wege hatten sich des Öfteren gekreuzt. Wieso all das?
Das war die Kernfrage, die ihn beschäftigte. Egal wie er sich den Schädel zermarterte, eine plausible Antwort bekam er einfach nicht zustande. Noch lag einfach zu viel im Verborgenen.
So stand er letzten Endes aus dem Bett auf, legte sich seinen Waffengurt an und verließ das Zimmer. Es regnete weiterhin. Die Kälte ließ ihn seinen Atem sehen. Ein kühler Wind wehte auf der Mauer von Monseran.
Wie den meisten Menschen gefiel ihm ein mildes Klima besser, aber mit dem momentanen Wetter hatte er keine Probleme. Sie verbrachten die meiste Zeit in der Natur. Das härtete einen ab.
Am Schluchtende der Mauer blieb Michael stehen, sah in den Fluss hinab und blickte dann in den Himmel. Der Regen war in Niesel übergegangen. Die Wolkendecke brach gelegentlich auf. Man konnte die Sterne erkennen. Das Mondlicht verlieh der brüchigen Wolkendecke ein faszinierendes Muster.
„Michael.“
Er hatte die Frau bereits bemerkt, bevor sie ihn ansprach. Ein Gefühl sie von irgendwoher zu kennen verdrängte seine Gedanken und Überlegungen um Selena. Ihre Anwesenheit lenkte ihn ab. Was durchaus positiv sein konnte.
„Du erkennst mich nicht!“, stellte die Frau fest.
Sie war hübsch. Ihr Gesicht hatte weiche Züge. Die Augen waren braun. Das Haar seidenschwarz, schützend vor dem Regen unter der Kapuze verborgen.
Je länger er sie ansah desto stärker wurde sein Gefühl ihr schon einmal begegnet zu sein.
Ein hämisches Lächeln erhellte ihre Miene. „Dafür das du mich dauernd triezte, hast du ein schlechtes Gedächtnis.“
Wow! Meine Güte! Aus dem kleinen Mädchen war eine hübsche junge Frau geworden. Als sie sich das letzte Mal sahen, waren sie Acht Jahre alt.
Als Tanja sah das ihm ein Licht aufgegangen war, lächelte sie noch breiter. Beide hatten sich enorm verändert. Auch wenn sie ihn sofort erkannte.
„Tanja!“
„Genau die.“
Meine Güte. Er wiederholte sich. Sie hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Mädchen, das Michael von damals her kannte. „Wie geht es dir?“
„Gut.“, beantwortete sie die plumpe Frage. „Du hast also deine eigene Gang?“
„Nein. Die Jungs haben wir durch einen Zwischenfall in Vaduz getroffen.“
Kurze Sorge blitzte in ihren Augen auf.
Michael wiegelte ab. „Nichts ernstes. Der Junge Samuel hatte eine Begegnung mit einer Albin.“
Ihre schönen Augen weiteten sich vor Schreck. Albe verbreiteten in Eurasien Angst und Schrecken. Die Geschichten die man sich erzählte trugen ihren Teil dazu bei. Denn eigentlich lebten sie recht zurückgezogen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen.
„Deswegen sind die Zwerge deren Leibwächter!“ Michael nickte. „Und du?“
„Ich brauch keine Leibwächter. Die Anderen und ich passen aufeinander auf.“
„Und was tut ihr so?“, wollte Tanja neugierig wissen. Sie kam etwas näher und schob eine Strähne hinters Ohr.
„Wir ziehen durchs Land und versuchen dem Ärger aus dem Weg zugehen.“
Ihr Lächeln erschien wieder. „So wie früher?“, neckte sie ihn mit einem diebischen grinsen.
Schon als Kind schien der Ärger immer zu wissen, wo er war und wartete auf ihn. Ein Umstand, der ihn in aller Regel in Schwierigkeit brachte. So lernte Michael früh, wie er daraus kam. Mal mit Erfolg und dann wieder nicht. Da hingehend hatte sich wenig verändert.
„Warum bist du in Monseran?“, fragte er um das Thema zu wechseln.
„Ich gehe hier in die Lehre beim Archivar.“
Er hob überraschend die Augenbrauen. „Tatsächlich.“
Zu Bestätigung nickte sie. „Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe. All das Wissen was hier versammelt ist muss für die Nachwelt bewahrt werden.“ Sie hörte sich schon wie ihr Lehrmeister an. Er hatte aber recht.
Michael kam eine Idee. Er erzählte ihr alles über die Hintergründe, die zum Tod des Magistrats führten. Tanja hörte ihm aufmerksam zu. Als er endete, war sie in Gedanken versunken.
„Hhm.“, nuschelte sie abwesend.
„Und?“, hackte Michael ungeduldig nach.
Sie kehrte aus ihren Gedanken zurück. In Tanjas Augen lag dieser typisch wissende Glanz. „Was ist dir meine Hilfe wert?“, fragte sie.
Überrascht über die Frage sah er sie mit langsamen Blick an. „Mach mir ein Angebot. Ich bin zu allem bereit.“, entgegnete Michael anzüglich.
„Immer noch derselbe Knabe wie früher.“, erwiderte Tanja freundlich.
„Und ich soll dich geneckt haben!“

***
Die sicheren Mauern von Olympia lagen 3 Tage vom Lager der hellanischen Hundertschaft entfernt. Bisher war man auf keinerlei Spuren gestoßen, die frischer als einen Tag waren. Dennoch befanden Sie sich in Feindesland, daher waren die Wachen verdoppelt, die Feuerstellen auf ein Minimum reduziert und die Schlafstellen eng aneinandergelegt worden. Um bei einem Angriff nicht zu weit auseinander zu liegen.
Irgendwie war er froh, dass es bisher zu keinem Aufeinandertreffen mit den Urikais oder Alben gekommen war. So sahen das auch ein Großteil seiner Männer. Ihr Proviant reichte für 20 Tage. Sicherlich fand sich in den Wälder vom Grenzland dass eine oder andere Wild, doch die Wälder waren noch gefährlicher als das offene Gelände. Man konnte nie wissen, ob hinter einem Baum ein Alb auf einen wartete. Ein solches Risiko war Kostas nicht bereit einzugehen. Selbst mit einer Hundertschaft kampferprobter Soldaten nicht.
Die Vergangenheit zeigte, dass das Begehen der Wälder im Grenzland einem Himmelsfahrtkommando gleich kam. Und das war sein Auftrag nicht. Sie sollten die Lage im Grenzland auskundschaften. Ob es größere Truppenbewegungen oder sich irgendetwas Ungewöhnliches abspielte. Wobei der Prinz dummerweise nicht näher beschrieben hatte, was er mit –Ungewöhnlich– meinte.
Demichelles kam an die Feuerstelle. Seinen Freund hatte er zu seinem Stellvertreter bei diesem Auftrag ernannt. Pflichtbewusst hatte er eben seine Runde gemacht. „Alle sind auf ihren Posten. Keine Vorkommnisse.“, meldete er und rutschte näher ans Feuer.
Die Nächte wurden kälter. Der Frühwinter kündigte sich an. Es dauerte nicht mehr lange und der Erste Schnee fiel.
Kostas nickte und nahm einen Schluck aus der Tasse. Sie würden weiter Richtung Osten reiten. Parallel zum Fluss Zion, welcher 2 Tage weg von ihnen war. Wenn Urikais im Grenzland umherzogen und auf Raubzug waren, mussten sie früher oder später den Fluss überqueren. Mit Sicherheit erwarteten die Ungetümer keine Hundertschaft im Grenzland, die sie in Empfang nahm.
Ein Vorteil, den Kostas gedachte auszunutzen, sollte es Notwendig werden. Bis dahin konzentrierten sie sich darauf relativ frische Spuren zu finden. Bei umherziehenden Urikais sollte dass das geringste Problem sein, dachte er und trank die Tasse mit der Brühe aus. Was im ansatzweise Sorgen bereitete, war das nicht näher vom Prinzen definierte -Ungewöhnliche-.

***
Stunden lang ging Samuel die Schriften, Texte, Passagen und Karten durch die der Magistrat zusammengestellt haben wollte. Bisher hatte er nicht einen Anhaltspunkt entdeckt. Zu der Verzweiflung kam die Müdigkeit, die ihn immer öfter einnicken ließ. Wenn er dann hochschreckte, versuchte er sich wach zuhalten. Was ihm immer seltener gelang.
Kronos lehnte an einem Wandabsatz und schlief. Ab und zu grunzte er auf oder murrte ungehalten. Eigentlich sollte der Zwerg ihn doch beschützen? Auch Zwerge wurden irgendwann müde.
„Du solltest schlafen gehen.“, flüsterte Erol.
Wie zu Bestätigung grunzte Kronos.
Samuel sah den Elb an. War das ein lächeln? „Ich muss herausfinden“ Er konnte das gähnen nicht unterdrücken. „warum der Magistrat diese Unterlagen wollte.“
Erol sah ihn mit einer Ruhe und Ausstrahlung an, die nie ein Mensch im Stand war, auszustrahlen. „Dir fehlt das Wissen des Magistrats. Nur er alleine wusste, warum er die Unterlagen brauchte.“
Warum sind wir dann hier? Niedergeschlagenheit übermannte ihn im Bündnis mit einer Welle Müdigkeit. Er hatte tatsächlich geglaubt herausfinden zu können, was der Magistrat herausgefunden hatte. Erol hatte jedoch recht. Ihm fehlte entscheidende Wissensinformationen.
Der Grund, warum er mit kommen wollte, war der Umstand etwas mehr über den Tempel der Sida herauszufinden. Denn damit fing in gewisserweise alles an. In dem Lederbündel fand sich nichts darüber. War der Magistrat einen Schritt weiter? Die Idee die kurz davor stand ins Bewusstsein vorzustoßen, wurde von der Müdigkeit wieder fortgespült. So das er nicht ahnte wie nahe er einer Antwort gewesen war.
Müdigkeit übermannte ihn ein weiteres Mal. Samuel gähnte ausgiebig.
„Der Schlaf gibt dir neue Kraft. Sicher findest du morgen etwas, was du bisher übersiehst.“ Der Elb klang zuversichtlicher als Samuel.
Etwas was er nicht zwangsläufig teilte. Andererseits hatte er recht, nach einer Runde Schlaf konnte sich eine Sackgasse als fortführender Weg herausstellen.
„Du hast recht. Ich werde schlafen gehen.“
„Endlich.“, murmelte Kronos halb im Schlaf.
Erol schmunzelte. Er mochte die Zwerge. Was nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhte. Vor allem nicht bei diesem Zwerg. Doch daran störte er sich nicht.
Samuel legte die Unterlagen zusammen, rollte das Lederbündel auf und verknotete es. Dann verließen die 3 den Unterrichtsraum. Bei ihren Zimmern angekommen, wünschte Erol ihnen einen guten erholsamen Schlaf. Kronos überhörte ihn und durchsuchte Samuels Zimmer.
Er bedankte sich bei ihm und wünschte dem Elb eine gute Nacht. Erol ging den Flur zu seinem Zimmer entlang. Wäre Samuel nicht so müde gewesen, hätte er bemerkt, das Erol nicht in sein Zimmer ging.
Wenig später lag er in seinem Bett und schlief. Nichts ahnend wie nahe er dran gewesen war.
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Ende, Kapitel 10
© by Alexander Döbber
 
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Kommentare  

Mensch machst du einen neugierig. Wo war Samuel denn DRAN? Und dann dieser Erol, warum geht der denn nicht in sein Zimmer? Hilft nix, als auf das nächste Kapitel zu warten.

Jochen (24.05.2010)

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