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46 Seiten

Return to Home - Orion

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
-Beginn-

Der Chronometer stand bei T-Minus 10 Sekunden.
Die Spannung unter den Leuten nahm zu.
„An alle Stationen.“, hallte es durchs Schiff. „Sprung in 5… 4… 3… 2… 1… Sprung.“
Es kam Lucio so vor als würde die Rückkehr aus dem Hyperraum in den Normalraum eine Ewigkeit dauern. Vor der VF Orion, einem Schlachtkreuzer der Vermont Klasse, öffnete sich der Hyperraum. Sie ritten auf der Rückkehrwelle, deren wissenschaftliche Bezeichnung ihm nicht mehr einfallen wollte, aus dem Hyperraum.
Die unendliche Weite des Weltraums hatte das moderne Großkampfschiff der Union zurück. Eigentlich hätte sich das Sternensystem, in das Sie gesprungen waren, nicht von anderen unterschieden. Wenn da nicht 2 Großmächte mit ihren Flotten kämpften.
Auf der einen Seite die Gmah. Ein Volk, das durch die Galaxien zog, Planeten ausbeuteten, egal ob diese bewohnt waren oder nicht. Sie scherrten sich nicht um diejenigen, die auf den Planeten wohnten, deren Heimat er war.
Dann der Sternenbund. Über die nur wenig bekannt war. Sie schienen Wissenschaftsposten auf den Planeten Sansibar, Sirrah und Hävelod gehabt zu haben. Reisten durch die Weiten, beobachteten junge Völker. Wirkliche Siedlungen besaß der Sternenbund in diesem Teil der Galaxie nicht. Über die Gründe gab es unterschiedliche Meinungen.
Nichts davon spielte hier und jetzt eine Rolle.
Sie fochten eine Raumschlacht aus.
Die Gmah wollten die Vorherrschaft.
Der Sternenbund verteidigte die Freiheit.
Violette und Rote kinetische Energiebolzen surrten durch das Vakuum des Weltraums, schlugen auf die Kolosse aus gepanzerten Rümpfen ein, schnitten sich durch Stahlplatten, rissen Sie auseinander, sprengten Sie weg. Scharren von flinken, computergesteuerten Raketen schwirrten umher, wichen der gegnerischen Flak, den Antiraketen, Geschützbolzen und sonstigen Gegenmaßnahmen aus, aktivierten den Angriffsmodus als die entsprechende Angriffsentfernung erreicht war. Die Sprengköpfe brachten Leid und Tod über alles und jeden. Pumpten Röntgencluster in die Schildbarrieren, hämmerten mit Fusionsbomben dagegen, als wenn Sie anklopfen würden, gruben sich wie Bergbaufräser in die Schiffsrümpfe.
Die Schlacht war voll im Gange. Sie hatte das Anfangsstadium längst hinter sich.
Das ausgefahrene Taktik Display in seiner Armlehne zeigte ihm die Gegebenheiten.
Die Flotte vom Sternenbund stand am Rande einer Niederlage.
Lucio sah zu Commander Jerez, der an einem Terminal der Sensorstation stand. Ihm, oder besser gesagt seinen Vorgesetzten, hatten Sie es zu verdanken sich 7000 Jahre in der Vergangenheit wiederzufinden. Zu einer Zeit wo die Gmah und der Sternenbund einen Krieg in diesem Teil der Galaxie führten. Wohl wissend das die Orion und ihre Besatzung nicht zurückkehren konnten.
Er kehrte zum TD zurück. Sie waren in den ungeschützten Rücken der Gmah Flotte gesprungen. Scheinbar hielten die Gmah es nicht für nötig ihren Rücken zu schützen. Was nicht verwunderlich war, wenn man ein wenig über die Geschehnisse wusste. Der Sternenbund hatte alles im Sansibar System zusammengezogen. Ihr Feind schien nicht damit zu rechnen, dass der Gegner Verstärkung bekam.
Dem wäre auch so, wenn die Sonderabteilung für Taktische Aufklärung (kurz SATA) der Vereinten Flotte nicht beschlossen hätte ihr modernstes Großkampfschiff in die Vergangenheit zu schicken, um zu verhindern das die Gmah den Sieg im Sansibar System errangen. Was zur Vorherrschaft über die bekannte Galaxie, die unter anderem die Heimat der Vereinten Terra-Gvan Union darstellte.
Zu diesem Zweck wurde die Orion, ein kampfstarker Schlachtkreuzer, überhaupt gebaut.

***
Die Gmah mussten den Sprung geortet haben. Genau wie der Sternenbund. Daran hegte Lucio keinerlei Zweifel. Bloß waren die Letzteren viel zu sehr damit beschäftigt das unabwendbare abzuwenden, als das Sie sich um einen Hyperraumabdruck im Rücken des Feindes kümmerten. Wahrscheinlich glaubten Sie das lediglich feindliche Reservekräfte eingetroffen waren. Die Ortung der Gmah musste festgestellt haben, das eine ihnen unbekannte Signatur aus dem Hyperraum gekommen war.
Wie zu erwarten drehten 3, als Kreuzer klassifizierte Großkampfschiffe, aus dem Reserveverband der Gmah bei und hielten auf die Unbekannte Signatur zu.
Bei dem Manöver zuckten Lucio`s Mundwinkel für den Bruchteil einer Sekunde.
„Ziel Gold markiert.“, sagte EO Hazàrd von seinem Terminal, neben dem Kommandostuhl.
Eine Signatur im Hauptverband, dessen Kräfte die Schiffe des Sternenbundes attackierten, wurde mit einem goldfarbenen Sechseck umrahmt. Dabei handelte es sich um das Flaggschiff der Gmah. In einem Fenster tauchten die Sensordaten auf.
„Angriffsplan Sierra-Tango.“
„Aye, Captain. Angriffsplan Sierra-Tango.“, wiederholte der EO ohne jedes zögern. „Liegt an.“
Vor ihrem Sprung ins Sansibar System hatten man verschiedene Angriffspläne, Verteidigungsmaßnahmen und Ausweichprotokolle ausgearbeitet. Die Besatzung der Orion, ein eingespieltes Team, konnte nicht besser vorbereitet sein. Die Meisten hatten Kampferfahrung, wussten mit ihren Gefühlen und den einhergehenden Ereignissen umzugehen. Für diese Fälle wurden Sie ausgebildet, geschult und trainiert.
Lucio hielt seinen Blick aufs TD. Das feindliche Trio näherte sich ihnen. Sie waren auf Abfangkurs. Nichts anderes hatte er erwartet. „Ausführen.“

***
-Ein einzelnes Schiff kann keine Schlacht gewinnen, aber zur Niederlage aller beitragen.-
Das Zitat stammte aus der Biografie von Senior Admiral Yatamoto. Wenn die Vereinte Flotte eine Hall of Fame, wie im Sport, besäße würde der Mann ohne jeden Zweifel dem Illustren Kreis angehören. Der Mann war 100 Jahre vor ihrer Gegenwart gestorben. Vorher diente Yatamoto fast 40 Jahre in der Vereinten Flotte. Einige der Taktiklehren, die heute bzw. vor 7000 Jahren an der Flottenschule und Flottenakademie gelehrt wurden, beruhten auf sein Tun in den zahlreichen Kampfhandlungen, an denen er teilnahm.
Sein Zitat, so treffend und richtig es auch war, war hier und jetzt falsch. Sicherlich konnte man es nicht einfach sinngemäß übertragen. Denn er hatte ja vollkommen recht. Andererseits gab es viele Faktoren, die zum Sieg oder zur Niederlage führten. Doch nur ein Fehler, eine falsche Entscheidung, das geringste Zögern reichten aus, um zur Niederlage zu führen, die Tausenden das Leben kostete.
Nur beruhte sein Zitat, seine Annahme, alleine auf Geschehnisse in der Gegenwart. Mit Sicherheit dachte er nicht daran, dass ein modernes Großkampfschiff 7000 Jahre in die Vergangenheit reiste, um dort an einer Raumschlacht teilzunehmen.
Denn so fortschrittlich die Technologien der Gmah und des Sternenbundes in der Vergangenheit oder maßgebenden Gegenwart auch sind, waren Sie im Gegensatz zum technologischen Stand der VF Orion 7000 Jahre alt. Was nicht hieß, dass Sie die Orion mit Steinen bewarfen, während das Großkampfschiff mit Kugeln zurückschoss.
Selbst ihr 7000 jähriger Technologiestand konnte dem Unioner Raumschiff Schaden zu fügen. Auch Steine konnten einen verletzen.

***
Mit einer Effizienz, die in der Gegenwart unvorstellbar, ja unmöglich war, wurden die 3 Kreuzer, ohne den Hauch einer Chance, zerstört. Der abgefeuerte Schwarm Raketen der Orion widersetzte sich alle Maßnahmen, die ihnen die Kreuzer entgegenwarfen. Jede einzelne Rakete traf ins Ziel, trug zur Zerstörung und Tod bei. Eine 100-prozentige Trefferquote erlangte man nicht mal bei Gefechtssimulationen.
Senior Admiral Yatamoto hatte unrecht. Ein Schiff konnte eine Schlacht gewinnen. Wenn es 7000 Jahre in der Vergangenheit an einer Weltraumschlacht teilnahm.
Bei dem Scharmützel mit den Kreuzern wurde lediglich der Lack der Orion angekratzt. So flog Sie weiter, mitten durch die feindlichen Linien. Die Gmah hatten keine Chance.
Ohne Zweifel hatten Sie einen hohen Technologiestand. Der zählte aber nur für ihre Gegenwart. Außer dem Sternenbund gab es in diesem Teil der Galaxie kein Volk oder Rasse das zu den Sternen reiste und somit beide Sternenvölker herausfordern konnte. Denn weshalb sollten Sie Fortschritte erzielen, wenn es niemanden gab, mit dem man sich messen musste. Stillstand oder schleppender Fortschritt waren die Folge.
Aber selbst wenn sich die Gmah und der Sternenbund zuvor über 100 Jahre einen Wettstreit geliefert hätten, wären Sie gegenüber der Orion immer noch haushoch unterlegen.
Daher waren alle Bemühungen der Gmah zum Scheitern verurteilt.
Deren Flaggschiff riss es auseinander, als der Hauptrektor kollabierte. Energiekaskaden brachen aus dem Schiff, zerschnitten den Rumpf. Dutzende Explosionen rissen Löcher in der Größe einer Fähre in das Ungetüm, das wie eine Ausgeburt der Hölle erschien.
Jeder Schiffstyp der Gmah hatte exakt das gleiche Design. Sie besaßen ein glanzloses schwarzes Äußeres. Die Schiffsbauten wirkten wie überdimensionale Insekten, deren Leiber Duralstahl und Panzerplatten Mutationen besaßen. Der Träger, das Flaggschiff, sah wie ein Bienenstock aus, aus dem Hunderte Fliegen ähnliche Jäger flogen.
Bei der visuellen Übertragung bekam jeder auf der Kommandobrücke eine Gänsehaut. Manchen lief ein kalter Schauer über den Rücken. Bisher hatten Sie nur von den Gmah gehört oder historische Darstellung gesehen, die die Vorfahren der Sternenvölker ihrer Gegenwart machten. Sie jedoch leibhaftig zu sehen war mit nichts zu vergleichen. Das Grauen und Schrecken, das einen überkam, löste einen Instinkt aus, der tief in jedem schlummerte.
Kämpfen.

***
Genau das tat die Besatzung der Orion.
Der Schlachtkreuzer schlängelte sich durch die Reihen der Gmah.
Die Geschütztürme feuerten unablässig die kinetischen Bolzen ab. Die Werfer spuckten rotierend Raketen aus, deren Booster zündeten und sich mit ihre zerstörerischen Sprengköpfen auf den Weg machten. Die Jagdbewaffnung schoss alles und jeden in Stücke was vors Visier kam. Die Nahbereichsabwehr schützte das Schiff und die Besatzung mit einer Leichtigkeit, die kaum für möglich gehalten wurde. Das ECM sah sich keiner Herausforderung gegenüber.
Rings um die Orion vergingen Schiffe der Gmah Flotte in Rauch und Flammen. Feuerspuckend platzten die Ungetüme wie Eiterbeulen auf. Kernexplosionen ließen Sie verglühen, dessen Schauspiel einen an das Neujahrsfeuerwerk erinnerte. Funken regnend stoben die Insektenschiffe auseinander. Druckwellen rollten durch die Flotte, wie ein planetarer Tsunami. Ein Todbringendes Inferno, ausgelöst von einem Großkampfschiff dessen Besatzung lediglich einen leicht verletzten zu verzeichnen hatte, als es die sterbende Flotte hinter sich ließ.
Die Hauptstreitmacht der Gmah war dem Untergang geweiht. Der bevorstehende Sieg, eine katastrophale Niederlage.
Davon ausgenommen jene Schiffe die sich im Nahkampf mit der geschundenen Flotte des Sternenbundes befanden. Eine Handvoll Schiffe von dem Angriffsverband, der die Linien der Verteidiger durchbrochen hatte, traktierten das Flaggschiff. Seine Schutzeinheiten waren entweder Wracks, zerstört oder befanden sich in einem eigenen Zweikampf, der es ihnen unmöglich machte das Flaggschiff zu schützen.

***
All die Zerstörung und der damit einhergehende Tod ließ Lucio vollkommen kalt. Niemand an Bord würde Reue oder Schuldgefühle empfinden. Keine Albträume, kein schlechtes Gewissen, das einen plagte.
Die Gmah hatten soviel Leid über Millionen, ja Milliarden gebracht, da empfanden die Frauen und Männer an Bord der Orion eine tiefe Befriedung es ihnen endlich heimzuzahlen. Sie hatten es mehr als verdient.
Doch es war noch nicht vorbei.
Die Orion hielt auf das Flaggschiff vom Sternenbund zu. Was ihnen auf dem Weg dahin in die Quere kam, wurde vernichtet.
Lucio behielt den Blick auf den Taktikplot gerichtet.
Jene Schiffe, die zur Angriffwelle gehörten, als Sie in das Sansibar System gesprungen waren, fielen über die heillos unterlegenen Verteidiger her, wie Heuschrecken über die Ernte. Trotz all der Vernichtung, die ihre Flotte erlitten hatte, brachte es Sie nicht von ihrem Tun ab.
Dabei hatten Sie keinerlei Chance das Desaster abzuwenden oder zu drehen.
Die Orion näherte sich unaufhörlich. Sie feuerten jedoch keine Raketen auf die Gmah ab. Trotz der phänomenalen Trefferquote bestand die Chance das sich bei einem Raketeneinsatz das eine oder andere Geschoss ablenken ließ, das Flaggschiff des Sternenbundes traf und zerstörte. Das Risiko eines Querschlägers war immer gegeben.
Beim Angriff durch die Flotte der Gmah spielte es keine Rolle. Abgelenkte Raketen visierten dann das nächstbeste Ziel an, wovon es inmitten des Verbandes genug Auswahl gab.
Als Sie schließlich in Reichweite der Jagdbewaffnung waren, eröffnete der Leitende Waffenoffizier (LWO) selbstständig das Feuer. Die Graserlafetten und Geschütztürme frästen sich, wie Bergbaubohrer einen Schnellzug großen Tunnel durch den Schiffsrumpf, als würden Schilde und Panzerung nicht existieren.
Auf dem Taktikplot sah Lucio wie die Signatur zu flackern begann, erstarb und bei der Reaktivierung der Hauptenergie explodierte.
Die Steuerfrau legte die Orion in eine weite Kurve, die den Schlachtkreuzer um das Flaggschiff herumführte. Die Jagdbewaffnung nahm das nächste Ziel ins Visier, schlug seine zerstörerischen Klauen hinein. Sie flogen an dem sterbenden Kreuzer vorbei.
Ein Zerstörer wandte sich vom Flaggschiff ab, drehte bei und stellte sich der Orion, wie eine Barrikade in den Weg. Ein zweckloser Versuch. Es wurde von der Jagdbewaffnung sprichwörtlich in zwei Teile geschnitten, brach explodierend auseinander.
Statt auszuweichen, flog die Orion, gesteuert von der Steuerfrau, durch die auseinanderdriftenden Rumpfteile. Ein grandioses Schauspiel.
Der Schlachtkreuzer rollte sich, flog 20000 Kilometer an dem vierten Angreifer vorbei. Röntgencluster, Granaten, Geschützbolzen und Kurzstreckenraketen hämmerten auf den Rumpf des Schweren Kreuzers ein. Innerhalb von Sekunden brachen die Schilde zusammen, deren Emitter praktisch schmolzen. Die Panzerung widerstand dem Flächenbeschuss einen Wimpernschlag lang.
Der letzte Angreifer, ein Schlachtkreuzer, brach seinen Angriff ab, wendete und schien sich retten zu wollen. Die Graserlafette zerfetzte das Heck, die Antriebsgondeln und schmolzen den Antriebsblock zu einem Haufen nutzlosen Schrott. Explosionsblitze vom Heck bis zum Bug rollten über das Schiff.
Vollkommen ruhig nahm Lucio all das übers Taktikplot wahr.
Lediglich 5 Schiffe der Gmah entgingen der Vernichtung. Hyperraumabdrücke erschienen, verschluckten die Großkampfschiffe und schlossen sich, wie die Knospe einer Blume. Zurück blieb ein Trümmerfeld, das einem Bergungsunternehmen ein Vermögen einbrächte und einst eine Angriffsflotte darstellte.
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-1-

Lucio nippte an der Tasse, schmeckte die lauwarme Milchschokolade mit der Zimtnote, genoss den Geschmack, trank gleich einen zweiten Schluck hinterher. Die Anspannung des Gefechts hatte sich verflüchtigt. Es herrschte eine erwartungsvolle Ruhe in der Crew.
Sie hatten sich vom verbliebenden Verband des Sternenbundes entfernt, ruhten der Dinge, die da auf Sie zukommen würden.
Der Gefechtsalarm war aufgehoben. Der obligatorische Statusbericht wurden erstellt. Die Nachbesprechung abgehalten, bei der es hauptsächlich um den Munitionierungsbestand ging. Es gab keine nennenswerten Schäden oder Verletzungen. Ein Crewmen der Werfermannschaft hatte sich eine Gehirnerschütterung zu gezogen. Er musste 3 Tage leichten Dienst verrichten. Die schiffsweite Diagnose zeigte keine gravierenden Fehlermeldungen.
Er stand vor dem menschhohen Fenster, schaute in die Tiefe des Sternenmeeres vom Universum. Lucio führte die Tasse an seine Lippen, nahm einen Schluck, machte sich über verschiedene Dinge Gedanken, die er sich in ihrer gebürtigen Gegenwart wohl nicht gemacht hätte. Er sinnierte über das Leben, das er einst führte.
Im Nachhinein bereute Lucio nichts, was es sich lohnte zu bereuen. Er hatte kein Bilderbuchleben geführt. Wer tat das schon!! Manches war aus heutiger Sicht sicherlich unglücklich gewesen. Zum Beispiel, das Er keine Familie hatte. Keine Frau, keine Kinder. Nicht das es an Möglichkeiten mangelte, fühlte er sich nicht bereit eine feste Beziehung einzugehen, die ihn letztlich in den Hafen der Ehe führte. Andererseits wäre er dann nicht an Bord der Orion, umgeben von Leuten, die er seine Freunde nannte.
Man musste die Dinge nehmen, wie Sie kamen, sagte seine Mutter. Genau das hatte Lucio stets getan.
Das Intercom piepte. Er nahm den Ruf entgegen.
„Sir. Wir bekommen Besuch.“, meldete Hazàrd.
Sie hatten ihn erwartet. Lucio verharrte einen Moment, schloss seine Gedanken ab. „Ich bin auf dem Weg.“ Er trank die Tasse aus, stellte sie in den Getränkespender und verließ den Kommandantenraum neben der Brücke der Orion.

***
Links und Rechts begleiteten je 2 Großkampfschiffe das Flaggschiff, ein Schlachtschiff. Der kleine Begrüßungsverband kam 15 Millionen Kilometer von der Orion entfernt zum Stehen. Verständlicherweise hatten die 4 Begleitschiffe die Zielerfassung auf das unbekannte Schiff gerichtet. Ihre Waffensysteme und Schilde waren vorgewärmt, aber nicht angeschaltet.
Ihre Vorsicht kam für die Frauen und Männer an Bord der Orion nicht überraschend. Sie an ihrer Stelle hätten ebenso reagiert. Vorsicht war besser als Nachsicht, wie ein menschliches Sprichwort lautete.
Ihre Schilde und Waffen waren nicht in Einsatzbereitschaft. Was sich innerhalb von Sekunden ändern konnte, sobald Lucio den Befehl dazu gab. Einzig die Panzerung war auf ¼ der Sollstärke eingestellt. Das sollte im Falle eines Überraschungsangriffs ausreichen, um das Unioner Schiff zu schützen.
Die Tonmelodie eines eingehendes Com-Rufs ertönte. „Sir. Wir werden gerufen.“ Meldete Junior Lieutenant Aegis.
„Dann wollen wir uns mal vorstellen.“
Der holografische Schirm baute sich schimmernd auf.
Ein männlicher Humanoid erschien. Er hatte eine weiß-rosa Haut, ein fein geschnittenes ovales Gesicht, 2 Augen, eine kleine Stubsnase, dünne Lippen, anliegende spitz zulaufende Ohren mit Wulstkerben, 2 Arme und 2 Beine, auf denen er Aufrecht stand. Das Wesen hatte Ähnlichkeit mit einer elbischen Fantasiegestalt.
Der haarlose Mann steckte in einer hellbraunen Uniform, an deren Kragenkranz sich unbekannte Platin ähnliche Rangabzeichen befanden. Hinter ihm standen 2 weitere Humanoide, die vergleichbare Merkmale aufwiesen. Sie trugen lediglich dunkelrote Uniformen mit anderen Rangabzeichen. Einer der Männer (auch Sie waren haarlos) trug an einer Hand eine Manschette. Im Hintergrund sah man die Aufbauten der Kommandobrücke, die wie eine Zuschauertribüne einer Sportarena wirkte.
Lucio stand vor seinem Kommandostuhl, hinter ihm die Brückenmannschaft bei der Arbeit. Neben ihm EO Hazàrd mit seiner nichtssagenden Miene. „Ich bin Flottenkapitän Lucio. Kommandant des Schlachtkreuzers Orion der Vereinten Terra-Gvan Flotte. Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen.“
Die haarlosen Augenbrauen zuckten bei dem Vorderen Humanoid innerhalb eine Millisekunde. Ein Mikroausdruck, kaum wahrnehmbar. „Raumlord Venjoun.“, stellte sich der Mann mit klangloser Stimme vor. „Kommandant vom Schlachtschiff Koi. Befehlshaber des 47. Aufklärungsverbands der Sicherheitsflotte des Rats.“
Ein Aufklärungsverband!! Am liebsten hätte Lucio zu Commander Jerez von der SATA geguckt. Der Sternenbund hatte im Sansibar System gar keine Systemflotte. Daraus zog er den folgenden Schluss, das Sansibar keineswegs zum Sternenbund gehörte. Wie es Jerez andeutete. Meine Güte!!
Trotz dieser Erkenntnis blieb Lucio äußerlich gelassen. Auch in seiner Stimme vernahm man keinen Aufruhr. Er trat einen Schritt vor. „Ich kann Ihnen versichern, verehrter Raumlord Venjoun, das wir keinerlei feindliche Absichten gegen Sie und Ihre Schiffe hegen. Im Gegenteil.“ Ein Anflug der Verunsicherung erschien auf seinem Gesicht. „Ich bin mir sicher Sie haben einige Fragen an mich.“ Er an seiner Stelle hätte Sie gehabt. „Sofern es mir möglich ist, werde ich Ihnen gerne Rede und Antwort stehen.“ Für ihn gab es keinen Grund nicht vollkommen offen und ehrlich zu sein. Sie hatten nichts vor dem Sternenbund zu verbergen. „Daher hätte ich einen Vorschlag für eine anstehende Unterredung.“
Raumlord Venjoun schien jemand zu sein der seine Emotionen unter Kontrolle hatte. Augenblicke später nickte er.
Was Lucio zum Anlass nahm dem Mann seinen Vorschlag zu unterbreiten.

***
Die holografische Abbildung zerstob.
Seine Dozentin für allgemeine Diplomatie auf der Flottenakademie hätte sich wohl verwundert die Augen gerieben, wenn Sie Ihn gesehen hätte. Die Prüfung für das Fach hatte Lucio einem Befriedigend bestanden. Für ein Raumkommando ist es ein Pflichtfach.
„Das scheint Interessant zu werden, Commander.“, richtete er weniger diplomatisch an den Mann dem Sie es mitunter zu verdanken hatten eine 7000 jährige Reise in die Vergangenheit gemacht zu haben.
Commander Jerez schaute nicht besonders glücklich drein. Den damit hatte er nicht gerechnet. Für ihn und die SATA schien Sansibar eine gewichtige Rolle im Sternenbund zu spielen. Jetzt hingegen, sah die Sache ganz anders aus.
„Sie werden mich begleiten.“ Lucio wandte sich ab, um jeden Widerspruch gleich im Keim zu ersticken. Hazàrd, sein EO, ließ erkennen, was er davon hielt, schwieg aber. „Crewmen Celeste.“
Die angesprochene Steuerfrau drehte sich in ihrem Stuhl. „Ja, Sir.“
„Sie werden die Fähre fliegen.“ Er schaute auf den Chronometer. „In 20 Minuten starten wir.“
„Aye, Sir.“ Crewmen Celeste erhob sich von ihrem Sitz, der sofort besetzt wurde, begab sich zum Lift und verschwand in der Kabine.
Er nickte Jerez knapp zu, der sich daraufhin ebenfalls zum Lift begab. Lucio wandte sich seinem EO zu. „EO. Sie haben das Kommando.“
„Jawohl, Captain.“ Man hörte dem Gvaner, an was er vom Vorhaben seines Kommandanten hielt. Ein Wider- oder Einspruch blieb jedoch aus. Der ohne Zweifel berechtigt gewesen wäre, hätte er ihn geäußert.
So sah Hazàrd seinem Kommandanten und Freund hinterher, wie er die Brücke verließ und in seinem Raum verschwand.

***
Lucio hätte es ihm jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht, wenn Hazàrd einen formellen Protest eingelegt hätte. Denn laut den Sicherheitsbestimmungen bei Außeneinsätzen mit Fremdkontakten musste stets ein Marine zum Einsatzteam gehören, deren Zusammenstellung frei wählbar war. Dummerweise hatte die SATA die Orion vor der letzten umfassenden Testreihe in die Vergangenheit geschickt, bevor eine Hundertschaft Marines an Bord kam, um an den letzten Abläufen der Testreihe teilzunehmen. Dazu zählte unter anderem das Entern und das Abwehren eines Enterkommandos.
Dadurch, dass die Orion vorher ihre 7000 jährige Reise machte, fehlten die Marines. Demzufolge konnte kein Marine zum dreiköpfigen Einsatzteam gehören. Zur Not hätte ein Mitglied der Waffenstation den Platz des Marine einnehmen können. Doch Lucio hatte diese Option nicht in Erwägung gezogen.
Womit er wiederum gegen die Raumdienstvorschriften verstieß. Wodurch Hazàrd jedes Recht hatte, gegen das Vorgehen seines Kommandanten Protest einzulegen. Nur wohin sollte er den Protest schicken!? Hier gab es keine Union, kein Flottenkommando, keine Flottenbasis. Somit konnte sich sein Freund den Protest schenken.
Lucio lächelte. Nicht das er glaubte sein EO, sein Freund, würde so verfahren. Sicherlich war der Gvaner mit seiner Entscheidung nicht einverstanden. Zumindest in der Form. Ohne Schutz zu einem Ersten Kontakttreffen zu gehen.
Ein sanfter Ruck ging durch die Fähre, als Sie in den Orbit von Sansibar eintrat. Ihre Begleiter, 3 Jäger des Sternenbundes, blieben an ihrer Seite. Im Orbit parkten die Überreste des Aufklärungsverbands. Auf dem Planeten erwartete Sie die Delegation vom Sternenbund.
Er lehnte sich zurück, schaute durch das Sichtfenster und genoss die Aussicht, als die Fähre den Anflug zum Treffpunkt auf Sansibar fortsetzte. Commander Jerez saß abseits. Weder er noch Lucio trugen Panzerwesten oder Pulser bei sich. Lediglich Crewmen Celeste war mit einer Panzerweste und einem Pulser ausgestattet. So gesehen stellte die junge Mischlingsfrau den Sicherheitsbeamten im Einsatzteam dar.
Darauf ließ sich eine Verteidigung aufbauen, für den Fall, dass Sie tatsächlich in ihre Gegenwart zurückgelangten. Was vollkommen ausgeschlossen war. Man sollte aber Nie, nie sagen. Ein herzhaftes Schmunzeln erschien auf seinem Gesicht, als Lucio der Satz seiner Mutter ins Gedächtnis zurückkehrte.
„Sir. Ich leite jetzt die Landesequenz ein.“
„Tun Sie das, Crewmen.“
Die Fähre ging in den Landemodus. Als Sie den Planeten erreichten, bekamen Sie die Koordinaten für das Treffen vom Flaggschiff des Sternenbundes mitgeteilt. Dabei wurden Sie gleichzeitig von den 3 Jägern in Empfang genommen. Zwei nahmen die Fähre in die Mitte. Der dritte Jäger flog hinter ihnen her. So das ihre Begleiter eine Keilformation bildeten, in der die Fähre flog.
Anders als erwartet nahm man Sie nicht in die Zielerfassung. Was Lucio als einen Vertrauenszuschuss empfand. Sollte es dennoch Hart auf Hart kommen, setzte er sein volles Vertrauen in die Flugfähigkeiten vom Crewmen Celeste.
Ein Ruck ging durch das Raumvehikel, als es landete. Die Triebwerke gingen in den Leerlauf. Das Anschnallzeichen erlosch mit dem obligatorischen Ping. Crewmen Celeste trat aus der Cockpitkanzel. Lucio und Jerez erhoben sich, gingen zur Luke. Die Gangway klappte aus, als Celeste den Button zum Öffnen der Luke drückte.
Er verließ als Erster die Fähre. Das Vorrecht des Kommandanten. Hinter ihm folgte zögerlich Jerez. Danach kam Crewmen Celeste in ihrer Panzerweste. Im Beinhalfter trug Sie den Pulser.
Man erwartete Sie.
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-2-

So leibhaftig wirkte Raumlord Venjoun größer (obgleich die Holodarstellung 1zu1 war) und noch anmutiger elbisch. Wie nicht anders zu erwartet hatte Venjoun eine Abteilung Sicherheitsleute mitgebracht, die das Treffen und die heimische Delegation schützen sollte.
Die Soldaten trugen Rüstungen, wie aus dem Mittelalter der Erdepoche. In ihren Händen trugen Sie große Bazooka ähnliche Energiegewehre, die unhandlich und kompakt wirkten. Der integrierte Rüstungshelm verbarg die Gesichter derjenigen, die in den Rüstungen steckten.
„Raumlord Venjoun.“, grüßte Lucio den Mann. Mit dem er den ersten Kontakt zwischen Union und Sternenbund herstellte. Ein historischer Moment, der nie in die Geschichtsbücher eingehen würde.
Einer der Männer, die beim Com-Ruf zusehen waren, hielt sich im Rücken des Raumlords auf. Er musste demnach zum Kommandostab gehören. Dazu kam eine Frau mit schulterlangem Haar. Sie hatte ein Engelsgesicht. Der Mann neben ihr, wirkte wie ein Gelehrter, trug eine Brille und hatte Altersfalten im Gesicht. Dazu kamen die 15 Soldaten, deren Geschlecht sich nicht spezifizieren ließ.
Er wandte halb nach hinten, zeigte auf Commander Jerez. „Das sind Commander Jerez“ Lucio schaute den Mann kurz an, drehte seinen Kopf zum Raumlord. „und Crewmen Celeste. Unsere Pilotin.“
Venjoun schaute die Zwei kurz an, blickte wieder zu Lucio. Jetzt stellte er seine Begleiter vor. „Commodore Yoo, mein Stabschef.“ Der Mann rechts vom Raumlord (links von Lucio) nickte knapp. „Premier Taison, Leiter der Wissenschaftsexpedition auf dem Planeten. Counselor Saria, seine Assistentin.“
Ein weiterer Baustein, bei dem sich die SATA so sehr irrte, das Lucio deren Existenzberechtigung langsam in Zweifel zog. Bisher schien sich das meiste der Fantasie eines kreativen Mitarbeiters der SATA entsprungen zu sein.

***
Das Gebäude, ein Außenposten, sah wie ein überdimensionaler Pilz aus. Im Sonnenlicht reflektierte die silbergraue Fassade kaum. Der Außenposten schien eine Weile nicht mehr benutzt worden zu sein. Man hatte ihn eilig`s für das Treffen wieder hergerichtet. Mehr oder weniger.
Woran sich Lucio keinesfalls störte.
Sie hatten sich in einen großen Konferenzraum in der Pilzkuppel vom Gebäude begeben. Eine mattierte Tischplatte, die auf einem Chromgestell stand. Schalenstühle, die unbequem und Rücken schädlich aussahen, waren die einzigen Sitzmöglichkeiten. Die Raumfront war mit getönten Scheiben verglast, die einen herrlichen Blick über die Landschaft ermöglichten. In den Wänden am Kopfanfang- und ende des Tisches befanden sich große Bildschirme.
Die Glastür glitt zischend beiseite, als man in den Erfassungsbereich des Türsensors kam. Die Delegationen traten ein. Die Soldaten vom Sternenbund hingen blieben draußen, postierten sich vor der Tür, auf dem Flur, in der Empfangshalle und auf dem Gelände.
Der Raumlord, mit seinen Begleitern, setzte sich auf die eine Seite des Tisches. Lucio und Jerez nahmen auf der gegenüberliegenden Tischseite platz. Crewmen Celeste blieb hinter ihrem Kommandanten stehen.
Auf dem Konferenztisch stand eine gefüllte gläserne Wasserkaraffe. Daneben ein Tablett mit Gläsern.
„Darf ich?“ Lucio deutete auf die Karaffe.
Venjoun nickte schlicht.
So nahm er sich ein Glas, schenkte sich Wasser ein, nahm einen Schluck ohne die Flüssigkeit vorher getestet zu haben. Eine kühle Frische ging vom dem Wasser aus. Es schmeckte angenehm.
„Sie können sich sicherlich vorstellen, das wir einige Fragen an Sie haben, Flottenkapitän.“, begann Venjoun die Unterredung, nachdem sein Gegenüber das Glas abgestellt hatte.
Lucio nickte. „Wie ich schon sagte, bin ich mir dessen bewusst und werde mich bemühen Sie umfassend zu beantworten.“ Das war sein voller Ernst. Davon ließ er sich auch nicht abbringen.
„Raumlord Venjoun.“, sagte Premier Taison respektvoll. Der Mann nickte. Daraufhin schaute der Premier zu ihnen. „Wer sind Sie?“ Anscheinend hatte er die Erlaubnis eingeholt. Demzufolge hatte das Wort vom Raumlord immens Gewicht in der Runde.
„Commander Jerez ist ein Gvaner. Ich bin ein Mensch.“ Der Premier richtete seinen Blick hinter ihn. „Crewmen Celeste ist ein Mischling unserer Rassen.“ Verstehend kehrte sein Gegenüber zu ihm zurück.
„Woher kommen Sie?“
„Das ist einwenig komplizierter, Premier Taison.“, antwortete Lucio mit dem Anflug eines Schmunzelns. Er lehnte sich ein wenig zurück. „Wir kommen aus dieser Galaxie.“ Wie nicht anders zu erwartet, runzelte der Premier verwirrt die Stirn. „Unsere Vorfahren hingegen stammen nicht von hier.“ Er schaute zum Raumlord, der nichts erkennen ließ. „Ähm, da wäre noch die Kleinigkeit, das unsere Gegenwart 7000 Jahre in der Zukunft liegt.“
Damit ließ Lucio die Bombe platzen.

***
Die Unerschütterlichkeit von Raumlord Venjoun führte Lucio auf folgendes zurück. Der Mann musste einen Verdacht gehabt haben, der von den Geschehnissen während der Raumschlacht herrührte. Mit ziemlicher Sicherheit hatte er die Raumschlacht, bzw. den Part der Orion sich wiederholt angesehen. Hinzu kamen die gewonnen Sensordaten über das Unioner Großkampfschiff und die damit einhergehenden überlegenden Technologie. Ein einzelnes Schiff, wie Orion, tauchte nicht plötzlich auf, warf sich in eine Raumschlacht und half den Unterlegenen aus der Patsche. Und der Sternenbund war sicherlich einen Tag in diesem Teil der Galaxie. Nichts deutete je daraufhin das jemand eine solche Technologie besaß.
Er an seiner Stelle hätte jedenfalls Verdacht geschöpft. Keinen negativen wohlbemerkt. Zumindest nicht gänzlich.
Hingegen der Premier und seine Assistentin waren vollkommen baff. Sie schauten Lucio mit verstörter entgeisterter Miene an, als hätte er ihnen gerade gesagt der Planet sei keine Scheibe, sondern eine Kugel, die sich um einen Stern (die Sonne) drehte und nicht anders herum.
„Fahren Sie fort, Flottenkapitän.“, bat Raumlord Venjoun nach gut 5 Minuten Stille.
Sein Gegenüber klang vollkommen ruhig. Den Seitenblick des Premiers ignorierte er. „Unsere Vorfahren mussten ihre Heimatwelt verlassen.“
„Weshalb?“, warf Counselor Saria gefasster als ihr Chef ein.
Lucio schaute in die wachen Augen der Frau. „Die Gmah.“ Als hätte er dem Premier eine Backpfeife gegeben, zuckte sein Kopf hoch. „Die Menschen kamen nach Odyssee in diese Galaxie, landeten auf einem Planeten und fingen von vorne an. Das Schiff der Gvaner hatte einen schweren Reaktorschaden. Sie landeten auf dem Zwillingsplaneten in jenem Sternensystem, indem die Menschen landeten.“ Das war die Kurzfassung. In Wahrheit hätte man darüber einen Roman schreiben können (was auch getan wurde). „Wir halfen uns, bauten eine Zivilisation auf. Sind eine der führenden Sternennationen in diesem Teil der Galaxie. Die Vereinte Terra-Gvan Union.“
„Wie ist das möglich?“ Die Frage kam von Commodore Yoo.
Lucio nahm einen Schluck Wasser, bevor er antwortete. Mit der Frage zielte der Stabschef vom Raumlord auf die vorherrschende Situation mit den Gmah. „In unserer Gegenwart sind die Gmah verschwunden.“ Die Reaktion von Commander Jerez neben ihm machte ihn kurz stutzig. „Genau wie der Sternenbund.“, fügte er hinzu. Keine Reaktion.

***
Letzteres schien niemand am Tisch zu überraschen.
Wie bei dem legendären und beliebten Spiel Tetris fügten sich einzelnen (Spiel-) Bausteine ineinander. „Sie verlassen den Planeten und unsere Galaxie.“, stellte er nüchtern fest.
Vor ihrem Anflug auf Sansibar war ein unbemanntes Postschiff aus dem Hyperraum gesprungen, hatte eine Nachricht an das Flaggschiff geschickt und in eine Parkposition im Orbit gegangen. Sie hatten die Nachricht zwar nicht aufgezeichnet, aber registriert.
Die Reaktion der Delegierten zeigte ihm das Er voll ins Schwarze getroffen hatte. Jerez hingegen schien fassungslos.
„Wir haben die Anweisung vom Rat die Wissenschaftsexpedition unverzüglich einzustellen, alle an Bord zu nehmen und das System schnellstmöglich zu verlassen.“
Damit war geklärt wieso man in der Gegenwart nichts vom Sternenbund sah und hörte. Sie hatten sich aus dem Staub gemacht. Vermutlich, weil die Gmah eine Bedrohung darstellte, der man besser aus den eigenen Vier Wänden heraus begegnete, statt abseits der Heimat.
In gewisser Weise war der Zug sogar verständlich. Daher konnte man dem Sternenbund keinen Vorwurf machen. Außer das Sie die Einzigen waren, die den Gmah Einhalt gebieten und verhindern konnten das Sie über die Galaxie mit ihren jungen Völker herfielen.
„Wann?“
Raumlord Venjoun schaute zu seinem Stabschef. Der Commodore übernahm die Antwort. „63 Stunden.“
Aus dem Augenwinkel sah Lucio, wie sich die Augen von Jerez weiteten. Anscheinend hatte die SATA die jetzigen Geschehnisse falsch interpretiert und gedeutet. Nichts schien zutreffend zu sein. Sonderabteilung für Taktische Aufklärung. Von wegen!! Eher Dumm wie Dackelscheiße (DD).
„Weiß der Rat von dem Angriff?“
„Noch nicht.“, entgegnete Raumlord Venjoun. Doch er würde ihn informieren. Die Frage war bloß, wie umfassend.

***
Kaum war das Ladungsboot, der Soldaten und die Fähre abgehoben, wirbelte Lucio herum. „Es ist an der Zeit, dass Sie mir sagen, was hier gespielt wird, Commander.“ Er fixierte den SATA Mann. „Ich habe nämlich den Eindruck, dass es um mehr geht, als Sie uns Weiss machen wollen.“
Jerez war tatsächlich vor den Kopf gestoßen. Alles, was Sie glaubten, zu wissen war falsch. All die Jahre ihres Tuns, der Vorbereitung für nichts und wieder nichts. Was aber unmöglich war. Das Wurmloch von Silaa musste geschlossen werden, andernfalls war die Galaxie ein für alle Mal verloren. Doch ohne den Sternenbund war das Vorhaben unmöglich. Sie hatten sich in ihren Annahmen über den Sternenbund getäuscht.
Jerez schaute den Mann an, in den Sie all ihre Hoffnung und Vertrauen legten. Schließlich hatte er es einmal geschafft. Aus diesem Grund schufen Sie die Gleichen Voraussetzungen, damit die Orion es wiederholen konnte. „Die Gmah sind nicht verschwunden, Captain.“ Etwas vorzuenthalten spielte keine Rolle mehr. Die Union existierte hier und jetzt nicht. Und gelang es ihnen nicht das Wurmloch zu verschließen, würde Sie das auch nie. „Sie sind abgetaucht. In den Untergrund gegangen. Warten.“
„Worauf?“
Bei Jerez Antwort gefror ihm das Blut in den Adern.
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-3-

Mit einem starren Blick schaute Lucio sich die beiden gesplitteten Abbilder an. Hazàrd hatte etwas herausgefunden, das sich kaum als gute Nachricht bezeichnen ließ. Sein EO hatte während seiner Abwesenheit sich noch Mal die Sensoraufzeichnung aus dem abgestürzten Gmah Jäger auf Sansibar aus ihrer Gegenwart angesehen. Jerez hatte Sie ihnen freundlicherweise zur Verfügung gestellt, nach dem die Orion samt Besatzung in die 7000 jährige Vergangenheit geschleudert wurden.
Aus einem Gefühl heraus, begann sich Hazàrd mit der Aufzeichnung zu beschäftigt, sah Sie sich ein Dutzend Mal an. Bis zu jenem Zeitpunkt, wo er sich absolut sicher war, gefunden zu haben, wonach er suchte, aber hoffte nichts zu finden.
Bei Lucio`s Rückkehr unterrichtete er ihn unverzüglich. Gleich nachdem sein Kommandant ihn von der neusten Entwicklung berichtete. Am liebsten hätte der Gvaner den SATA Vogel aus der Luftschleuse geworfen.
„Das passt ja wunderbar.“, nuschelte Lucio bitter. Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, sackte in sich zusammen und schloss müde die Augen. In der Hoffnung, wenn er sie wieder öffnete, das alles nur ein böser Traum gewesen ist.
Hazàrd erwiderte nichts. Es gab nichts zu sagen. Die Abbilder zeigten Aufzeichnung der Raumschlacht. Bloß mit einem gravierenden Unterschied. Die Zeitstempel stimmten nicht überein. So wie es aussah, hatte sich die Orion zu früh an der Schlacht beteiligt. Den Sensordaten aus dem Jäger zur Folge war das Flaggschiff vom Sternenbund just in dem Moment zerstört worden, als die damalige Orion auftauchte. Womit die Vernichtung des Flaggschiffs nicht verhindert werden konnte.
Genau das hatten Sie getan. Eben weil Sie zu früh eingetroffen waren. Anscheinend hielt es bei der SATA niemand für notwendig sich an den zeitlichen Ablauf der Geschehnisse zu halten. Man hatte die Orion zu früh in die Vergangenheit geschleudert.
Natürlich war es rein spekulativ über das Was-Wäre-Wenn Szenario nachzudenken. Dennoch kam man nicht umhin festzustellen das sich die Lage, durch ihr frühes erscheinen veränderte. Vermutlich war nicht nur das Flaggschiff zerstört worden, sondern auch das Postschiff. Denn nach dem Zeitstempel vom Jäger musste es wenige Minuten nach der Orion ins System gesprungen sein. Doch die Sensordaten verzeichneten keine entsprechende Signatur. Demnach musste es von den Gmah zerstört worden. Womit die verbliebenden Schiffe vom Aufklärungsverband nie den Befehl erhielt einzupacken und zu verschwinden.
Lucio schaute auf den Chronometer. 57 Stunden.
Er stöhnte, richtete sich auf, sah die schwebenden Holoabbildungen an. „Das lässt sich jetzt nicht mehr ändern.“ Mit einer Eingabe in die Konsole, löste sich gesplittete Abbildung über seinem Tisch auf. Wenn es bloß so einfach wäre!! Er schaute Hazàrd an. „Wie sieht es am Wurmloch aus?“
Die Miene des Gvaner verdüsterte sich. Was für eine Überraschung!! Sein EO gab etwas in das Pad ein, das er dabei hatte. Unverzüglich baute sich eine neue Holoabbildung über den Kommandantentisch auf. Es zeigte ein Sensorabbild.
Vor dem Abflug von Sansibar zur Orion hatte Lucio befohlen eine Langstreckensonde ins Silaa System zu schicken. Die vor 5 Stunden das System erreichte. Seither sendete Sie ein Sensorstream.

***
Was zusehen war, verwunderte nicht.
Die Gmah hatten sich vor dem Wurmlochausgang praktisch eingeigelt. Darunter auch 4 der 5 Signaturen, die aus dem Sansibar System geflohen sind. Anscheinend war man sich im Klaren darüber, was als Nächstes kam.
„Wir kommen nicht mal in die Nähe des Wurmlochs.“ Die Feststellung seines EO traf sprichwörtlich den Nagel auf den Kopf.
Im Sansibar System hatten Sie unter anderem das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Außerdem beschäftigten sich die Gmah mehr mit den Schiffen des Sternenbundes, als auf die Orion zu achten. Jetzt waren Sie gewarnt. Man würde jede Waffe auf die unbekannte Signatur richten, sobald Sie in Reichweite war und mit allem Feuern, was schießen konnte.
Gegen solch einen Wall war selbst die technologisch überlegene Orion chancenlos. Hazàrd hatte recht. Sie würden nicht in die Nähe des Wurmlochs kommen. Gab es aber überhaupt eine andere Option?
Er schaute sich in der Runde seines Kommandostabes um. Niedergeschlagenheit. Traurigkeit. Müdigkeit, obwohl alle die maximale Dienstdauer eingehalten hatten. Resignation gegenüber ihrer Situation. Lucio sah in den Gesichtern keine Hoffnungslosigkeit. Was er niemanden zum Vorwurf gemacht hätte. „Arbeiten Sie einen Angriffsplan aus, EO.“
Einige in der Runde waren entsetzt und erschrocken.
„Bei allem Respekt, Captain, aber das kann nicht ihr ernst sein!“, warf Senior Lieutenant Tasha Rockwell ein. Sie war der Leitende Waffen Offizier an Bord der Orion. Gleichzeitig bekleidete die Menschenfrau den Posten des Zweiten Offiziers (ZO) hinter Hazàrd. Sie richtete ihren Blick kurzzeitig auf das Sensorabbild der Langstreckensonde. „Die Gmah werden uns alles entgegenwerfen, was eine Waffe abfeuern kann. Es ist unmöglich das Wurmloch zu verschließen.“ Ihr Einwand war berechtigt.
Wie sagte Admiral Vik`torja; Nichts ist unmöglich. In diesem Fall konnte Sie unrecht haben. Ein Ding der Unmöglichkeit bei ihr. Sie war das Nonplusultra der Vereinten Flotte. In den Streitkräften konnte nur Colonel Boletti mit ihrem Ansehen und Ruf Schritthalten.
Lucio führte seine Kommandostabbesprechungen stets offen. Jeder konnte Einwände erheben, Vorschläge unterbreiten oder sich äußern. In dieser Hinsicht war ihm Admiralin Vik`torja ein Vorbild. „Was schlagen Sie demnach vor, Lieutenant?“
Sie schaute ihm fest in die Augen. Wie wohl jeder an Bord hatte sich Tasha Gedanken gemacht. „Wir sollten uns andernorts niederlassen.“ Ihr widerstrebte es den Satz gesagt zu haben. Sie war niemand der davon lief, sobald es schwierig wurde. Gepaart mit ihrer Raubeinigkeit und Schroffheit eckte Sie in ihrer bisherigen Flottenlaufbahn oft an. Zu oft, wodurch Sie in die Reserve versetzt wurde. Von dort holte Lucio Sie in seine Testmannschaft, gab ihr den Führungsposten des LWO.
Nicht jeder in der Runde war mit ihrem Vorschlag einverstanden. „Den Schwanz einziehen?“, erwiderte LSO Za`dik erschüttert. „Das kann nicht dein Ernst sein, Tasha.“ Die Squashpartner sahen einander an. „Wir können den Gmah nicht das Feld überlassen.“
„Was bleibt uns übrig?“, warf Junior Lieutenant Aegis, LCO, ein. Der Mischling stellte sich damit auf Tasha`s Seite. „Sinnloses Anrennen gegen den Wall schließt das Wurmloch nicht.“
„Mag sein.“, entgegnete Za`dik. „Es ist unsere Pflicht es wenigstens zu versuchen.“ Der Konter überzeugte die 2 nicht.
„Mit dem Ergebnis, das wir zerstört werden.“, schaltete sich Lieutenant Schuster, der Leitender Steuer Offizier (LSO), in die Diskussion ein.
Za`dik sah die 3 nacheinander an. „Damit überlässt ihr den Gmah die Herrschaft über die Galaxie.“ Drückendes Schweigen trat ein.
Niemand in der Runde wollte das. Jeder kannte mehr oder weniger die Vergangenheit aus ihrer Gegenwart. Menschen wie Gvaner hatten am eigenen Leib erwahren, was die Folgen sind. Sie verloren ihre Heimat, mussten von vorne anfangen, um zu überleben. Man fand eine neue Heimat, Freunde wie Feinde.
Lucio beugte sich leicht vor. „Ihr Einwand wird zur Kenntnis genommen, LWO.“ Er sprach ruhig, ohne jede Feindseligkeit. Den nächsten Satz richtete er an alle. „Sie werden mit dem EO, basierend auf den Sensordaten, einen Angriffsplan ausarbeiten.
Fragen?“
Erschüttert das der Captain trotz der hoffnungslosen Aussicht daran festhielt das Wurmloch zu schließen, blickten ihn Tasha, Paul und Aegis an. Wirkliche Zuversicht ließ keiner erkennen. Tasha sah zu Hazàrd. Der EO hatte bisher geschwiegen. Er schaute störrisch drein.
Da sich der Gvaner weder für Sie oder gegen Sie äußerte, sah sich Tasha gezwungen den nächsten Schritt zu machen. Der Ihr missfiel. Schließlich hatte Sie dem Captain einiges zu verdanken. Er hatte Sie aus dem tristen Reservealltag geholt. Ihr einen Kommandoposten gegeben. „Sir.“ Lucio schaute Sie an. In seinen Augen erkannte Tasha, dass er wusste was jetzt kam. Er blieb dennoch gelassen. „Ich muss gegen Ihre Entscheidung offiziell Beschwerde einlegen.“
Manch einer hätte ihr deswegen gegrollt. „Wird vermerkt, Lieutenant.“ Es war schließlich ihr gutes Recht Beschwerde einzulegen. Nur konnte bezweifelt werden das Ihr Einspruch je die Orion verließ. Unter anderen Umständen müsste ihre Beschwerde an die zuständige Beschwerdestelle der Vereinten Flotte auf Gvan gesendet werden. Doch im hier und jetzt war Gvan unbewohnt.
Auch wenn Paul und Aegis ihre Ansicht teilte, unterstützten die 2 ihre Beschwerde nicht. Nicht aus Angst vor Repressalien, Anfeindungen oder dergleichen. Ihnen kam dieser Schritt bloß zu drastisch und sinnlos vor. Die Union existierte nicht, ebenso wenig die Vereinte Flotte.
„Sie können wegtreten.“
Nach und nach erhoben sich Kommandooffiziere, verließen den Besprechungsraum.
Lediglich Hazàrd blieb sitzen. Er schaute seinen Freund an. „Sie hat recht.“
Lucio lehnte sich in den Stuhl zurück, atmete tief durch. „Ja.“, gab er zu.

***
Stundenlang versuchte Lucio einen Ausweg zu finden, der trotz allem das Wurmloch schloss, die Orion samt Besatzung rettete und verhinderte das die Galaxie unter die Knechtschaft der Orion geriet. So sehr sich auch bemühte, fand sich keine brauchbare Option die alle Punkte beinhaltete. Selbst einzelne Punkte blieben unerreicht. Nicht solange die momentanen Voraussetzungen herrschten.
Er nahm einen Schluck von seinem Rumcocktail, schwenkte die Flüssigkeit im Glas, legte die Beine auf die Couch, schaute an die Decke seines Quartiers, in der Hoffnung dort eine Lösung zu finden. Weit gefehlt. Sie trug nichts zur Lösung bei.
Lucio döste vor sich hin. Seine Gedanken schweiften unproduktiv ab. 5, 10, vielleicht 15 Minuten lang, lag er auf der Couch, kurz vorm Einnicken, als er plötzlich hellwach hochschreckte. Dabei verschüttete er beinahe den Schluck vom Rumcocktail.
Konnte es so einfach sein!?
Wie lange er letztlich für die Möglichkeit brauchte, ließ sich zeitlich nicht festlegen. Ein Bildnis materialisierte sich vor seinem geistigen Auge.
War das die Lösung!?
Lucio wusste es nicht.
Er wusste nur das es die einzige Möglichkeit war die Zukunft, ihre Gegenwart, zu retten. So setzte sich Lucio auf, stellte das Glas ab, machte eine Eingabe. Ein InterCom Kanal öffnete sich. „Der Wachhabende Offizier.“ LCO Aegis.
„Lieutenant. Verbinden Sie mich mit Raumlord Venjoun.“
„Aye, Sir. Einen Augenblick.“ Auf der Brücke gab Aegis dem diensthabenden Crewmen ein Zeichen, die Anfrage des Captains zu bearbeiten. Es dauerte keine 20 Sekunden, als sich Aegis meldete. „Sir. Die Verbindung steht.“
„Danke, Lieutenant.“ Er schloss den InterCom Kanal zur Brücke, öffnete stattdessen den Comkanal, den der Crewmen zum Flaggschiff aufbaute, wo man den Ruf entgegen nahm und die Anfrage weiterleitete.
Ein holografisches Comfenster baute sich auf. Raumlord Venjoun schaute ihn mit einer nichtssagenden Miene an. Möglicherweise änderte sich das demnächst.

***
Kam eine außerweltliche Delegation auf ein Schiff der Vereinten Flotte, egal ob Freund oder Feind, musste Sie von einem bewaffneten Marine begleitet werden. Das war eine Sicherheitsbestimmung. Gegen die er wieder einmal verstoßen hatte. Andererseits blieb ihm, in Ermangelung, von Möglichkeiten gar keine andere Wahl als dieses spezielle Sicherheitsbestimmung außer Kraft zu setzen.
Wozu er eigentlich gar nicht autorisiert war.
Der Zweck heiligte die Mittel.
Lucio kümmerte sich nicht weiter drum. Er hatte Wichtigeres zu tun. „Wenn sie sich nun die Zeitstempel ansehen, Raumlord.“
Venjoun hatte einem persönlichen Treffen an Bord der Orion ohne sichtbaren Widerwillen zu gestimmt. Mit ihm waren sein Zweiter Offizier, ein gerüsteter Soldat und Counselor Saria an Bord gekommen. Premier Taison war mit der Räumung der Wissenschaftsexpedition von Sansibar beschäftigt.
Die Mimik des Raumlords zeigte keine Reaktion. Anders bei seinem Zweiten Offizier. Dessen Augen weiteten sich, tanzten von einem Abbild zum anderen, wurden Größer und größer. Sie drohten ihm jeden Moment aus dem Kopf zu fallen. Counselor Saria sah man den Schreck an, der sie erfasste, als ihr die Tragweite dessen bewusst wurde, was Sie bildlich sah.
Nicht mehr 30 Sekunden sagte keiner ein Wort. Es herrschte vollkommende Stille im Besprechungsraum neben der Kommandobrücke der Orion. Außer Lucio war nur noch Hazàrd zu gegen.
Nicht nur äußerlich ließ sich der Mann nichts anmerken. „Woher haben Sie die Daten?“ Als würde Eiswasser in seinem Blutkreislauf sein.
„Die Sensordaten Links stammen von einem Jäger der Gmah, der in der Vergangenheit unserer Gegenwart während der Raumschlacht auf dem Planeten abgestürzt ist.
Wenn Sie sich davon überzeugen wollen, geben wir Ihnen selbstverständlich die Koordinaten der Absturzstelle.“, bot Lucio an. „Das Abbild rechts stammt aus den Aufzeichnungen der stattgefunden Raumschlacht.“
Nur langsam fingen sich die Begleiter vom Raumlord. Wie der Soldat die Sache aufnahm, ließ sich nicht feststellen. Er trug den Helm.
Dann schaute ihn der Raumlord an, wohl wissend, was Lucio damit bezweckte.
„Darf ich offen sprechen, Raumlord Venjoun.“
Ohne Zögern gab er ihm nickend die Zustimmung.
„Sie werden sich nicht ihren Befehlen widersetzen, dessen bin ich mir bewusst.“ Er an seiner Stelle würde es ebenso wenig. Schließlich hatten Sie eine Sternennation zu verteidigen. Genau wie die Besatzung der Orion. Bloß mit dem Unterschied, das die ihre erst in 7000 Jahren existierte. „Ich bitte Sie aber über die Folgen nachzudenken, dir Ihr handeln haben wird.“ Er musste es einfach versuchen. „Wenn Sie sich zurückziehen, überlassen Sie den Gmah das Feld. Damit verdammen Sie alle Völker dieser Galaxie in die Sklaverei, die Sie ausrotten wird.“ Die Crjaner waren nur ein historisch belegtes Beispiel. Hätten die Gmah Crja damals nicht verlassen, wären Sie dem Untergang geweiht gewesen. „Ohne ihre Unterstützung können wir das nicht verhindern.
Wir brauchen ihre Hilfe.“
Nicht mehr und nicht weniger.
Er setzte alles auf eine Karte. Nur so konnte er verhindern, dass alles umsonst sein würde.
Sekunden verstrichen zu Minuten. Raumlord Venjoun sah zur holografischen Projektion. Dann tat er etwas Überraschendes.
Er wandte sich zu Counselor Saria. Sie nickte und er stellte sich unerwartet hinter Sie.
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-4-

Lucio und Hazàrd sahen sich überrascht an. Damit hatten Sie nun alles andere als gerechnet, geschweige den erwartet oder vorausgesehen. Nun erklärte sich auch die Teilnahmslosigkeit von Raumlord Venjoun. Er hatte zwar einen hohen Rang, doch es gab jemanden der einen noch höheren Rang besaß. Dieser Jemand war der wahre Entscheidungsträger.
Saria löste ihren Blick von der holografischen Projektion. Ihre glühenden grünen Augen hatten vor Schreck an Glanz verloren. Sie war zu tiefst erschüttert. „Ich“ Ihre Stimme klang heiser. „muss mich für die Täuschung entschuldigen, Flottenkapitän Lucio. Es war nicht unsere böswillige Absicht Sie hinters Licht zu führen.“ Das war nur die halbe Wahrheit. Eine Täuschung brachte die Verschleierung der Wahrheit zwangsläufig mit sich.
Lucio verkniff sich einen Kommentar, akzeptierte die Entschuldigung mit einem Nicken. „Ich nehme also an, Sie sind kein Counselor.“ Eine enthüllte Feststellung.
Ihre aufgefühlten Augen schauten ihn an. „Nein.“ Ein kurzlebiges Schmunzeln erschien auf ihrem geschockten Gesicht. „Ich bin Ratsfrau des Hohen Rats der Sternengemeinschaft, den Sie als Sternenbund kennen.“
„Dann nehme ich mal an, Sie haben die Entscheidungsgewalt als Ratsfrau!“
„Zum Teil, Captain.“, gestand Saria und ließ ihr Dilemma durchsickern. „Ich muss gestehen, dass es ein wenig komplizierter ist.“
„Klären Sie uns auf, Frau Ratsfrau.“
„Wie Ihnen der Raumlord mitteilte, erhielt er eine Nachricht vom Hohen Rat, in der man ihn davon unterrichtete, dass die Wissenschaftsexpedition zu beenden ist und unverzüglich zurück zukehren hat.“ Diesen Teil der Geschichte kannten Sie schon. Daher nickte Lucio schlicht. Was Ratsfrau Saria zum Anlass nahm fortzufahren. „Tatsächlich handelt es sich nicht um eine Wissenschaftsexpedition, sondern um eine Aufklärungsmission gegenüber den Gmah.
Premier Taison und sein Team sollten dem Rat eine Gefahreneinschätzung liefern.“
Der angebliche Aufklärungsverband war demnach ein Schutzverband. Der Sternenbund hatte auf Sansibar einen Beobachtungsposten errichtet, einen Vorposten mit Flottenschutz. Mit dem Angriff wollten die Gmah ihre Entschlossenheit gegenüber einer Einmischung des Sternenbunds in dieser Galaxie demonstrieren. Eine Einschüchterung. Nicht mehr und weniger. Und Sie hatten Erfolg.
Obgleich er sich denken konnte, was in dem Dossier stand. „Wie lautet Sie?“, wollte Lucio wissen.
Ratsfrau Saria wartete einen Moment. Sie wog ihre Worte ab. „Das die Gmah langfristig gesehen eine Bedrohung darstellen, der man entschlossen entgegen treten müsse. Kurz- und mittelfristig sind Sie aber mit der Ausbeutung der Galaxie beschäftigt.
Weshalb er keine direkte Bedrohung für den Sternenbund sieht. Vorläufig.“
„Hat der gute Premier Taison“ Wenn Sie den Hohn raushörte, der in seinen Worte mitschwang, dann zeigte Saria es nicht. Wahrscheinlich würden die Beamten vom Diplomatischen Corp einen Herzstillstand erleiden, wenn Sie die Abschrift der Unterredung gelesen hätten. „in seinem Bericht auch ein Zeitfenster genannt, wie lange die Gmah beschäftigt sein werden?“
Sie nickte knapp. Ihrer Reaktion nach empfand Sie genau wie Lucio. „100 Jahre. Tendenz steigend.“
Er gluckste angewidert. „Wenn Sie Mitglied des Rats sind, weshalb sind Sie hier?“
Hazàrd neben ihm blickte grimmiger drein als sonst. Er hätte den Premier am liebsten windelweich geprügelt. So viel Scheiße konnte man doch nicht verzapfen.
Leider war sich Lucio nur zu deutlich bewusst, das es immer eine Steigerung gab. Da war die jetzige Gegenwart keine Ausnahme. Genauso wenig wie die Ihre.
„Ich bin in meiner Funktion als Ratsfrau hierher gekommen, um mir einen eigenständigen Überblick zu verschaffen. Als ich eintraf, hatte Premier Taison seinen Einschätzungsbericht bereits an den Hohen Rat geschickt.
Kurz nach unserer Ankunft sprangen die Gmah ins System. Den Rest kennen Sie ja, Captain.“ Sie nahm sich ein Glas Wasser, trank einen Schluck. „Bei der Ankunft des Postschiffs bekam ich die Abschrift des Berichts und den Ratsbeschluss zu gesandt.
Ich bedauere den Beschluss.“
Lucio erkannte, dass Sie die Wahrheit sprach. Ratsfrau Saria gehörte zu jenen die eine Intervention befürworteten, statt sich zurückzuziehen und zu hoffen die Gmah mögen 100 Jahre warten, bevor Sie sich ihnen zu wandten. Vor den Gmah gab es keine Sicherheit. Weder jetzt noch in 7000 Jahren.
Man musste Sie bekämpfen. Heute und nicht morgen. Je länger man wartete, umso stärker wurden Sie und so schwerer wurde es.
„Dann werden Sie also abziehen?“ Mehr eine Feststellung, als eine Frage.
Sie ließ Niedergeschlagenheit in ihren Augen erkennen. „Ich kann den Beschluss des Rats nicht aufheben, Captain. Dafür ist eine Mehrheit im Rat notwendig.
Die es nicht gibt.“, gestand Sie offen.
„Verstehe.“ Er sah jeden Delegierten an. Seine Hoffnung den Raumlord, bzw. jetzt die Ratsfrau umzustimmen, verflüchtigten sich während der Unterhaltung.
Dann blitzte es in ihren Augen, was ihn aufhorchen ließ. „Jedoch kann ich Ihnen die Begleitschiffe meines Hauses zur Verfügung stellen. Sofern Sie es wünschen, Captain!“
Die Stirn des Raumlords hinter ihr zuckte überrascht.

***
Auf dem Plot vom Taktik Display hatte sich um die Orion ein Ring aus 7 Großkampfschiffen gebildet. Bei den Signaturen handelte sich um 3 Schlachtkreuzer, 2 Jagdfregatten und 2 Schwere Kreuzer. Sie gehörten zum Verband mit dem Ratsfrau Saria in das Sansibar System gereist war und zusammen mit dem Vorort stationierten Aufklärungsverband gegen die Gmah kämpften, bevor die Orion eintraf und alles schlimmer machte.
Jetzt bemühte sich Lucio den Schlamassel, den die SATA anrichtete, irgendwie abzuwenden. Damit ihre Gegenwart überhaupt eine Zukunft hatte.
Mit den 7 Schiffen war ihr Vorhaben nicht ganz so aussichtslos, als wenn Sie alleine loszogen. Echte Zuversicht, das Ihnen die Schließung des Wurmlochs gelang, kam aber nicht auf. Dazu reichten 7 Großkampfschiffe nicht aus. Es bedurfte einer Flotte um einen Keil in den Wall zu schlagen, durch die Orion hindurchstoßen konnte.
Lucio machte eine Eingabe. Ein Comkanal öffnete sich.
„Ja!“ Crewmen Celeste Stimme ertönte.
„Wie sieht es aus, Crewmen?“
„Eine Fuhre noch, Sir. Dann sind wir fertig.“
Lucio schaute auf den Chronometer vom Plot. Man lag im Zeitplan der Unternehmung, die als Vorbereitung vor dem Abflug diente. Die Signatur der Fähre, die von Crewmen Celeste gesteuert wurde, befand sich im Anflug zum Schiffshangar der Orion. Eine zweite Fährensignatur löste sich von einer der Jagdfregatten, driftete davon, bevor der Pilot die Triebwerke startete und Kurs auf die Orion setzte. Die dritte und letzte Fähre der Orion stand im Hangar eines Schlachtkreuzers, deren Besatzung das Fluggefährt am Ausladen war.
„Verstanden, Crewmen. Orion Ende.“ Er schloss den Comkanal. „Sobald Crewmen Celeste gelandet ist, LCO, können wir mit der Statusabfrage beginnen.“
LCO Aegis nickte. „Aye, Captain.“ Er teilte jemanden seiner Mannschaft dafür ein.
Für die Beladung der Fähre von Crewmen Celeste, brauchte die Lademannschaft keine Minute. Nach Rücksprache mit der Flugkontrolle, die der Sensorstation unterstellt war, startete die junge Pilotin die Fähre, verließ den Hangar, nahm Kurs auf ihr letztes Ziel. Einen der zwei Schweren Kreuzer. 5 Minuten vergingen, als Sie im Kreuzerhangar landete. In weniger als 90 Sekunden hatten die Frauen und Männer der Kreuzerbesatzung die Fähre entladen. Woraufhin Crewmen Celeste nach der eingegangenen Flugbestätigung den Hangar verließ, zur Orion zurückflog und dort nach 3 Minuten und 47 Sekunden landete.
Die Achtung Melodie hallte kurz danach durchs Schiff. „Der EO an alle Stationen. Statusabfrage. Brücke Ende.“ Hazàrd`s Stimme tönte brummig aus dem schiffsweiten Intercom.
Anders kannte die 67 köpfige Besatzung Sie gar nicht.

***
Die 11 Frauen und Männer vom Institut für Wissenschaft & Forschung (IfWF) an Bord der Orion halfen bei den Vorbereitungen, wo Sie konnten und gebraucht wurden. Außer ihrem Leiter, Professor Andrews, der stand da noch unter Arrest. Was ihn anhand der vorherrschenden Situation auch nicht weiter störte. Wahrscheinlich, so überlegte Jekaterina, hatte er sich in seinem Quartier verbarrikadiert.
Nun stand Sie zusammen mit den anderen Mitgliedern der IfWF Testgruppe im Hangar. Jeder hatte seine Reisetasche dabei, die er schon bei der Ankunft bei sich trug.
Ein Wartungstrupp inspizierte die zuvor gelandete Fähre. Vor jedem Start (Landung-Start wurde als Umlauf bezeichnet) fand eine Inspektion statt. Auch im zivilen Raumverkehr der Union.
Ein Schmunzeln huschte über ihr müdes Gesicht, als Jekaterina Flottenkapitän Lucio kommen sah. „Sie verabschieden sich persönlich von uns, Captain?“
Er sah kurz an ihr vorbei. „Ich muss doch sicher gehen das Sie auch tatsächlich von Bord gehen, Doc.“
Sie stemmte ihre Arme entrüstet an. „Sie scheinen zu glauben wir würden uns Ihrer Anweisung widersetzen!“
„Selbstverständlich nicht, Ma’am.“, entgegnete er prompt. „Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.“ Gab Lucio ein Zitat wieder.
Dann standen Sie eine Weile schweigend dar.
Inzwischen hatte der Wartungstrupp die Inspektion beendet. Der Gruppenführer gab daraufhin die Fähre frei. Somit konnten die IfWF Leute an Bord gehen.
„Wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten, hätte ich dich zu einem Kaffee eingeladen.“ In den letzten Stunden hatte er immer wieder an Jekaterina gedacht. Sie hatte es ihm angetan. Was die Ablehnung ihres Gesuchs zum Bleiben nicht leichter machte. Alle die nicht zur regulären Besatzung gehörten mussten von Bord. Zu diesem Teil gehörte neben den Frauen und Männern der IfWF auch Commander Jerez. Im Gegensatz zu ihrem Gesuch, stimmte er dem von Jerez zu, als dieser sich freiwillig zum Dienst an Bord der Orion meldete. Wohl wissend, welchen Ausgang die Sache nahm. Genau aus diesem Grund hatte Lucio auch Jekaterina’s Gesuch abgelehnt.
Ihre Augen zeigten ein liebevolles Leuchten. „Du bist aber von dir überzeugt!“
„Natürlich.“, prostete Lucio mit gespielter Übertriebenheit. „Ich bin schließlich ein Offizier der Vereinten Flotte.“
Jekaterina gluckste heiter. „Wieso glaubst du würde ich mit einem Offizier der Vereinten Flotte einen Kaffee trinken gehen?“ Hinter ihr stiegen gerade die Letzten in die Fähre ein.
Worum sich im Moment keiner der Beiden kümmerte.
„Einmal wegen der schicken Uniform.“ Zur Untermauerung strich er seine graublaue Uniform glatt. „Und wegen dem Bling-Bling.“ Damit spielte Lucio auf die poliert glänzenden Rangabzeichen und Ordensstreifen am Revier an.
Sie lachte herzlich. Ganz unrecht hatte er nämlich nicht.
Beide machten einen Schritt aufeinander zu, waren für einen Bruchteil unschlüssig, was angebracht war, bis Sie sich entschlossen einander zu umarmen. Länger als nötig. Kürzer als gewünscht. Beim lösen widerstand Jekaterina dem Drang ihn zu küssen.
So sahen Sie sich einander an, wissend das man mehr für den jeweils anderen empfand als bloße Bekannt- oder Freundschaft. Der Punkt woraus da mehr wurde würden Sie nicht überschreiten. Sie wussten, dass das hier ein Abschied war.
Daher wandte sich Jekaterina ab, kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an bestieg die Fähre.
Hinter Ihr, sie war die Letzte, schloss sich die Gangway. Kurz danach bekam der Pilot von der Flugkontrolle die Starterlaubnis. Die im Leerlauf befindlichen Triebwerke surrten auf, gingen in ein tiefes rhythmisches Brummen über. Dann hob das Vehikel ab, wendete schwebend und flog langsam in Richtung Hangartor.
Draußen zog der Pilot die Fähre sachte nach oben links, womit sie aus seinem Sichtfeld verschwand.
Lucio blieb einige Augenblicke an Ort und Stelle stehen. Da fand er ausgerechnet jemanden an Bord eines Testschiffes, das für eine Reise in die Vergangenheit auserkoren wurde, aus der es keine Rückkehr gab, mit dem er sich eine gemeinsame Zeit vorstellen konnte. Doch daraus würde nichts werden.
Ratsfrau Saria hatte sich bereit erklärt die Leute der IfWF an Bord ihres Schiffs zu nehmen, mit Ihnen in den Sternenbund zu fliegen. Wo Sie alles versuchen würde, den Senat und Hohen Rat davon zu überzeugen sich gegen die Gmah zu stellen. Nicht erst wenn es zu spät für die Völker dieser Galaxie Sie selbst war. Zu diesem Zweck würde Sie Jekaterina zu einer Plattform verhelfen, auf der Sie sprechen konnte.
Seine Hoffnung war, dadurch den Sternenbund in Form des Senats und Hohen Rats zum Handeln zu bringen. Ihnen würde es nicht mehr helfen, sollte sich der Sternenbund entschließen seinen Beschluss zu revidieren.
Mehr den je war er entschlossen alles zu versuchen das Wurmloch zu schließen. Nur so ließen sich die Gmah aufhalten. Alles andere spielte keine Rolle.

***
Mit dem Transferflug gab es keinen weiteren von der Orion oder zur Ihr hin. Während sich das Hangartor schloss, bugsierte der Pilot die Fähre in die Parkbucht auf dem Hangardeck. Wieder schwirrte ein Wartungstrupp um das Vehikel. Die Lademannschaft begann das Luftfahrzeug für die kommenden Aufgaben fertig zu machen. Ihre Kollegen werkelten fleißig an den zwei anderen Fähren.
Die Frauen und Männer spürten die Vibrationen, als der Schlachtkreuzer nach dem Countdown in den Hyperraum sprang. Genau wie ihre 7 Begleitschiffe. Alle machten ihre Arbeit, gaben ihr Bestes unter den vorherrschenden Bedingungen. Sie würden dafür Sorgen das man die Gmah mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfte. Um zu verhindern das Ihre Gegenwart ein anderes Zukunftsbild bekam, in dem die Gmah über die Galaxie und die Völker herrschten.
Nichts anderes zählte für die uniformierten 68 Frauen und Männer. Sie verteidigten das was in 7000 Jahren ihre Gegenwart, ihr Leben, sein wird. Notfalls mit ihrem Leben, darin waren Sie sich im klaren und niemand störte es so sehr das er seine Pflicht nicht tun konnte. Jeder war vom Captain vor die Wahl gestellt worden. Man konnte den Dienst quittieren und als Zivilist die Orion mit den IfWF Leuten verlassen. Oder sich für den Dienst, die Flotte, die Gegenwart, die Union, die Galaxie entscheiden. Mit allen Konsequenzen die damit einher gingen.
Dazu zählte nun mal auch der eigene Tod.
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-5-

Wie eine blühende Blume im Frühling, die sich beim Sonnenaufgang öffnete, erschien die Hyperraumöffnung in jenem Sternensystem in dem die Silaaner Zuhause waren. Wo sich das Wurmloch, das mythische Auge der Götter, befand. Die Gmah, die silaanische prophezeite Finsternis, nutzten es alle 182 Tage Ihre Präsenz in diesem Teil der Galaxie zu festigen.
Als sich der Hyperraum öffnete, die Orion und seine 7 Begleitschiffe in den Normalraum zurückkehrten, würde sich das Auge der Götter in 20 Stunden wieder am Himmel von Silaa zeigen. In diesen 20 Stunden entschied sich im Silaa Sternensystem das Schicksal der Galaxie. Gegenwart wie Zukunft.
Eine Streitmacht aus 87 Schiffen lag, wie ein Blockadewall, vor dem Wurmloch. Die Gmah hatten alles zusammengezogen, was auf dieser Seite des Wurmlochs weilte. Ein 12 zu 1 Verhältnis. Unter normalen Bedingungen unternahm niemand mit gesunden (Menschen)-verstand ein solches Unternehmen.
Doch es herrschten keine normalen Bedingungen.
Nichtsdestotrotz war die Orion nicht in der Lage alleine gegen den Wall zu bestehen. Sie brauchten Hilfe um ihn zu durchbrechen. Die Gmah würden alles aufwenden um zu verhindern dass das hochmoderne Flottenschiff in die Nähe des Wurmlochs kam. Auch wenn Ihnen höchstwahrscheinlich die Absicht, welche die Unioner Besatzung verfolgte, nicht klar war.
Angeführt von der Orion beschleunigte der kleine Angriffsverband in Richtung Wurmloch, direkt auf den Wall zu.
Wie nicht anders zu erwarten, zeigten die Gmah keine Reaktion. Sie würden Ihnen nicht entgegen kommen, indem Sie die Blockade aufweichten. Nein, sie rührten sich nicht einen Zentimeter vom Fleck.
Etwas anderes wäre Lucio lieber gewesen, doch damit gerechnet hatte er nicht. Es gehofft, ja. Trotzdem hatte er die Hoffnung nicht verloren. Wenn das geschah, war es Aus und vorbei. Dann hatte er versagt. Mit diesem Gefühl und Gedanken wollte Lucio nicht aus dem Leben scheiden. Das Opfer der Menschen, Gvaner und Mischlinge an Bord der Orion durften nicht umsonst gewesen sein. Diese Last hätte ihm unter normalen Umständen die Luftzufuhr abgeschnürt, wie ein Strick der um seinen Hals zu gezogen wurde.
Er saß im Kommandostuhl, betrachtete den Plot vom Taktik Display, sah sich im Nebenfenster die Sensordaten der feindlichen Signaturen an, wanderte zurück zum Plot und war von einer Ruhe erfüllt die schon erleuchtete Wirkung hatte.
Sie wussten um den Rhythmus, mit dem sich das Wurmloch öffnete und schloss. Das Zeitfenster, für den Augenblick wo sich das Wurmloch in Folge eines Transits öffnete, lag bei gut 16 Stunden, 37 Minuten und 42 Sekunden. Ein entsprechender Countdown wurde auf dem Schiffschronometer angezeigt. Soviel Zeit blieb Ihnen das Wurmloch zu erreichen und zu verschließen. Mit einem massiven Tachyonimpuls. Dafür sollten die Graserlafetten innerhalb von 35 Sekunden umprogrammiert werden. Zuvor mussten Sie aber dafür sorgen, dass die Orion überhaupt in die Nähe kam, um den Tachyonimpuls abzufeuern.
Seine Zuversicht sank nicht, als die 87 Kampfschiffe der Gmah, eine Raketenwelle von nahezu 5900 Stück auf die kleine Flotte um die Orion abfeuerten.
Die obligatorische Meldung wurde gerufen. Gegenmaßnahmen optimiert und vorbereitet. Die Angriffsentfernung sank im Sekundentakt. Gut 1 Minute später feuerten die Gmah eine zweite Welle, gleicher Stückzahl ab.
Ungerührt setzten die 8 Schiffe ihren Flug fort, den Raketenwellen entgegen. Man konnte meinen selbstmörderisch.
Doch weit gefehlt.

***
Lucio hätte gerne die Gesichter der Gmah Oberen gesehen, als die erste Welle Raketen plötzlich einen völligen Blackout erlebte. Die markierte Zielsignatur verschwand, ließ eine gähnende schwarze Leere auf dem Ortungsschirm der Zielerfassung zurück. Augenblicklich suchte das Sensorsystem in den Raketen nach neuen Zielmöglichkeiten, fand jedoch nichts.
Ganze Raketenschwärme kollidierten miteinander, schalteten sich komplett ab und trieben fortan im Weltraum umher.
Unterdessen flogen die 8 Signaturen einfach durch die vorbeiziehende Raketenwelle, ohne einen Kratzer ab bekommen zu haben. So ging die enorme Zerstörungsgewalt von 5900 Raketen sprichwörtlich in Rauch auf.
Rein technisch gesehen war es faktisch unmöglich das eine solche Menge Raketen keine Ziele fanden, die eine Megatonnen Tonnage besaßen und schwer zu verfehlen war. Genau das war aber soeben geschehen.
7 Sieben Minuten später pflügten die 8 Signaturen durch die zweite Raketenwelle, deren Zielerfassung trotz aller Mühen der KI und des Feuerleitsystems an Bord der Großkampfschiffe einfach nichts fand, was Sie angreifen konnten.
Unaufhörlich näherten sich die 8 Signaturen dem Verteidigungswall.
11800 Raketen abgefeuert ohne einen einzigen Treffer. Eine hervorragende Raketenabwehrquote. Was bisher unmöglich schien.
Ein diebisches Grinsen huschte über seine Züge.
Die Gmah mussten sich unschlüssig sein, den Sie feuerten keine dritte oder vierte Welle ab. Der Grund lag auf der Hand. Sie hatten nicht die geringste Ahnung wie ihre Raketen ein sicher geglaubtes Ziel verlor und nicht wieder auffinden konnte, obwohl die Schiffssensoren zeigten, dass die Signaturen mittendurch flogen.
„Steuer.“
„Ja, Sir!“
„Werfen Sie die Maschinen an. Wir wollen doch nicht zu spät zu unserer Party kommen.“
„Aye, Captain.“
Mit diabolischer Freude dachte er daran, wie sich die Verwirrung der Gmah steigerte, als auf einmal 8 identische Signaturen aus dem Nichts auftauchten und beschleunigten. Zugleich änderten die ersten 8 Signaturen ihre Flugbahn. Sie gingen auf Rendezvouskurs mit den zweiten 8 Signaturen.
Als Sie sich vereinten, hatten sich die Gmah scheinbar zu einer Entscheidung durchgerungen. Statt eine dritte Welle zu vergeuden, setzte sich ein 23 schiffstarker Kleinverband in Marsch. Er ging auf Abfangkurs.

***
-Wer die Initiative in einem Flottengefecht erstmal verliert, erringt Sie so schnell nicht zurück. Daher ist es unumgänglich ein Flottengefecht weitsichtig aber zeitnah zu führen.- Diese Lektion während seiner Flottenakademiezeit schwappte an die Oberfläche seines Bewusstseins. Admiralin Vik`torja war damals die Gastdozentin. Schon damals war die Gvanerin eine Legende, eine Ikone der Vereinten Flotte. -Zeitgleich muss man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.-
Diesen Part der Erinnerung hatte er sich bemüht einzuhalten. Ob es Ihnen gelungen war, würde sich zeigen. Überraschungen konnten ihnen das Genick brechen. Daher war Lucio mit seiner kleinen, 8 Schiffsstarken, Flotte darauf bedacht nicht ins Hintertreffen zu geraten. Agieren, statt reagieren lautete die Devise. Das wollten Sie unter allen Umständen bewahrheiten.
„Raketenstarts!“ Ertönte die Meldung von einem Mitglied der Sensormannschaft.
Auf dem Plot tauchten blinkend die entsprechenden Icons auf. Die Gmah Schiffe begannen wieder zu feuern. Ein Nebenfenster tauchte auf, zeigte alle relevanten Daten an.
Anscheinend war der Oberkommandant der Hauptflotte am Wurmloch nicht besonders erfreut über den Raketenbeschuss. Zumindest wenn man nach dem Comverkehr ging, den das Flaggschiff des Kleinverbandes erreichte. Worin es auch immer ging, der Verbandschefs erfuhr nie, das sein Oberkommandant Recht behalten sollte. Falls es bei den Gmah eine vergleichbare Befehlsstruktur gab.
„Dann wollen wir mal das Hindernis aus dem Weg räumen.“, meinte Lucio eisig. Er empfand keine Reue oder Schuldgefühle bei dem, was folgen würde. Die Gmah hatten nichts der gleichen verdient. „LWO. Angriffsplan Delta-Zeta.“
„Jawohl, Captain.“, bestätigte Senior Lieutenant Rockwell. Der entsprechende Angriffsplan wurde geladen.
Hazàrd schaute ihn an. „Der Lady wird es nicht gefallen, das wir Ihren Plan zweckentfremden.“
Lucio begegnete dem Blick seines EO. „Sie wird es nie erfahren.“
„Oh, das wird Sie.“, widersprach er ihr.
„Es ist für einen guten Zweck. Sie wird es verstehen.“
Sie sprachen von niemand geringeren als Admiralin Vik’torja.
„Ausführen.“

***
Das Rendezvous zwischen den zweien 8er Signaturen war abgeschlossen, vereint flogen Sie vorwärts, der Kleinflotte und deren abgefeuerten Raketenwelle entgegen.
Als Lucio den Befehl zum Ausführen vom Angriffsplan Delta-Zeta gab, veränderte sich die vereinte Formation. Die ersten 8 Signaturen schoben sich nach vorne, vor die zweiten 8 Signaturen. 3 davon fielen hinter die 5 Gefächerten zurück, bildeten eine zweite Linie vor der Diamantformation der zweiten 8er Gruppe. Von der Breite her deckten sie die Gruppe ab.
Sie waren keine Großkampfschiffe, imitieren dafür deren ID-Signaturen perfekt.
Es handelte sich um Abwehrdrohnen der neusten Generation. Sie sollten in der Testphase der Orion ausgiebig auf Herz und Nieren geprüft werden. Diese Testreihe war abgeschlossen worden, bevor das moderne Unioner Großkampfschiff 7000 Jahre in die Vergangenheit geschickt wurde. Sie konnten mit den verschiedensten Abwehrsystemen ausgestattet werden.
Keine der Raketen kam auf Angriffsentfernung an den Feind heran oder überhaupt in deren Nähe.
Plötzlich vervielfältigten sich die erfassten Ziele sprungartig. Innerhalb von Sekunden wurden aus 8 Signaturen erst 17, 29, 19 und dann 27. Signaturen kamen und verschwanden zu Dutzenden. Die Raketenzielerfassung tänzelte von einer Signatur zur anderen, fixierte Sie und suchte von Neuem, als Sie sich wieder auflöste. Es konnte kein sauberer Schuss angebracht werden. Als wäre das nicht schon genug für die KI, tauchten auf den Sensorschirmen der Raketen hunderte Blendkörper auf, detonierten und ließen ein Blitzlichtgewitter los, das die KI in die Knie zwang. Sie waren einfach nicht in der Lage in diesem Gewittersturm die springenden Signaturen für einen Schnellschuss zu erfassen.
Der Verbandschef und sein Oberkommandierender mussten geschockt mit ansehen wie ihr zerstörerisches Kriegsgerät zahnlos und reihenweise von ihren Ortungsschirmen verschwanden ohne einen einzigen Treffer zu markieren oder überhaupt gezündet zu haben.
Der Angriffsplan Delta-Zeta basierte aus einer geordneten Deckung heraus einen Gegenangriff zu starten, der auf der Annahme basierte, dass man der Gegenseite unterlegen war. Admiralin Vik’torja hatte ihn ersonnen, um einen Befreiungsschlag zu führen.
Dieser Part von Delta-Zeta folgte, nach dem sich die einkommende Raketenwelle in Luft auflöste.
Im Vergleich zur Gmah Flotte konnten die Orion und ihre Begleitschiffe keine Welle aus 5900 Raketen verschießen. Dazu fehlte Ihnen einfach die nötige Werferzahl. Dafür besaß die Orion jedoch über Angriffswaffen, mit denen sich nichts vor Ort messen konnte. Es bedurfte demzufolge eine geringe Anzahl Geschosse, um die 23 Gmah Schiffe zu vernichten. Doch jedes abgefeuerte Geschoss fehlte folglich im fortlaufenden Gefecht.
Und das ging weiter als die 8 Großkampfschiffe ohne Kratzer an dem zurücklassenden Trümmerfeld vorbei flogen.
Auch die Gmah warteten mit der einen oder anderen Überraschung auf.

***
Lucio sah auf seinem Plot, wie sich die Geschosse auf und davon machten. Beinahe 65 Prozent wurden von der Orion mit ihren Doppel- und Dreierwerfern sowie einer Schnellschussrate abgefeuert, die Jenseits von gut und böse war.
Wenn sich der Oberkommandierende die Beschießung in der Wiederholung angesehen hätte, wäre er stutzig geworden. Sofern Sie die Daten aus dem Raumgefecht von Sansibar analysierten, wäre ihm möglicherweise aufgefallen das die 7 Begleitschiffe weniger Raketen abfeuerten, als Sie in der Lage waren abzufeuern und das die Geschwindigkeit der Geschosse geringer war, als beim ersten Aufeinandertreffen in Sansibar.
Nichts was die Gmah hatten konnte sich mit dem Gerät der Orion Ansatzweise messen. Trotzdem hatte Lucio nicht vor mit dem Schiffs ins offene Messer zu laufen. Jedenfalls nicht vorsätzlich.
Befriedigt sah er neue feindlich klassifizierte Icons auf dem Plot auftauchen.
Vor dem Wall, gute 2 Millionen Kilometer, hatten Sie zwei Reihen mit allerhand Plattformen und Bojen aufgestellt. Störbojen, Blender- und Raketenabwehrplattformen, stationäre Geschütze.
„Wir werden uns wohl einen Weg durchschießen müssen.“, nuschelte Lucio mehr zu sich. Waffen.“ Die Verteidigungslinie war gut gestaffelt. Die Waffenplattformen überlappten sich, so das kein toter Winkel entstand durch den man schlüpfen konnte.
„Ja, Sir.“, meldete sich der LWO unverzüglich.
„Ich will mittendurch.“
„Lässt sich arrangieren, Captain.“ Keine 30 Sekunden später. „Wir sind soweit.“
„Ausführen.“
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-6-

Der Grund für die geringe Geschwindigkeit lag darin, das es sich bei den Geschossen nicht um Raketen handelte, wie Sie sich den Sensoren darstellten. Es handelte sich unter anderem um Schleppdrohnen der neusten Generation. Wie alles an Bord der Orion. Sie waren in der Lage 15 Mehrzweckbehälter hinter sich her schleppen. Die Schleppseile waren aus einer Titan-Duran Legierung, konnten bis zu 1 Kilometer ausgerollt werden.
Im Moment schleppten die 12 Schleppdrohnen jeweils 5 Raketengondeln hinter sich her. In 4 Gondeln befanden sich die Predator 5b Raketen, die auch in den Magazinen der Orion lagerten. In den übrigen Gondeln hingegen hatte man kurzerhand die Geschosse vom Sternenbund untergebracht. Dazu mussten kleine Veränderungen an den Gondeln vorgenommen werden. Dadurch verringerte sich die Magazingröße. Was Lucio in Kauf nahm. Statt 50 Predator 5b Geschossen lagerten in den verbliebenden 8 Gondeln jeweils 30 Raketen des Sternenbundes.
Damit ging eine geringere Schusssalve einher, die statt 600 nur 440 Stück betrug.
Eine solche Schwächung führte man nie vorsätzlich herbei. Vor allem nicht in ihrer misslichen Situation. Sie konnten zwar nie eine Übermacht an Schusssalven gegenüber den Gmah herstellen, doch Lucio hatte vor die geringen Mittel die ihm zur Verfügung standen vorausschauend einzusetzen. Dazu gehörte eben auch die Waffen der Großkampfschiffe vom Sternenbund mit einzubinden.
So fortschrittlich die Waffen der Orion auch waren, Sie alleine konnten es niemals richten.
Innerhalb von unter 30 Sekunden vervielfältigten sich die Icons ihrer Schusssalve um 440 Stück, mischten unter die übrigen Geschosse, gingen eine Symbiose ein.
Außer den Raketen befanden sich außerdem Stör-, Blendersonden und Täuschkörper in der Angriffssalve die den Abwehrsystemen der Verteidigungslinie das Leben schwer machen sollten, effektiv gegen den Angriff vorzugehen.
Nach der Abkopplung der Gondeln verwandelten Sie sich zusammen mit den Schleppdrohnen in Rammböcke. Eigentlich sollten sie eingesammelt und wiederverwendet werden. Sie in primitive Rammböcke umfunktionieren würde bei den Frauen und Männern im Wehrbeschaffungsamt Herzinfarkte, Schlaganfälle und plötzlichen Herzstillstand auslösen.
Ihre Schusssalve kam in Angriffsreichweite.
Beide Seiten warfen sich Stör- und Blendsignale entgegen, als würde es kein Morgen geben. Nur 3 ihrer Raketen ließen ablenken oder blenden. Alle anderen hielten Kurs. Die KI ließ sich nicht täuschen. Eine 2000 Stück große Antiraketenwelle wurde gestartet. Flakgranaten abgefeuert, als die Mindestentfernung erreicht war. Die Störsignale nahmen zu, wurden verstärkt.
Dann teilte sich die Angriffssalve in Grüppchen auf, die auf jeweils ein Ziel zu hielten. Sie blieben auf Kurs, 5 Stück wurden ablenkt. Der Angriff stand kurz bevor. Die Geschütze spien ihre Bolzen in alle Richtungen aus, zerfetzte lediglich eine Handvoll Geschosse, von denen 3 Stör- und Blendsonden waren.
Ihre Angriffssalve ging schließlich zum Angriff über. Keine Minute dauerte es. Ein Massaker, anders konnte man die Angelegenheit nicht nennen. Lasercluster traktierten die Schutzschilde, brannten ein Loch hinein und hämmerten mit der verbliebenden kinetischen Energie auf die Rümpfe der Plattformen ein. Dutzende Sprengköpfe detonierten direkt vor den Plattformen, vernichteten diese auf Anhieb. Energieblitze frästen sich durch das Schildgitter, sprengten die Panzerung weg und machten den Weg für die Zerstörungswut der Lasercluster frei die ihnen nachfolgten.
Die Angriffssalve schlug eine Schneise der Verwüstung in die Verteidigungswelle der Gmah. Plattformen die sonst jeden Angriff abgewehrt, abgeschwächt oder abgelenkt hätten, explodierten, wurden auseinander gesprengt oder gingen einfach in Rauch auf.
Dabei hatte sich nicht mal die komplette Angriffssalve an den Plattformen ausgetobt. Ungefähr 200 Geschosse blieben übrig, flogen durch das zurückgelassene Trümmerfeld. Hinter der Verteidigungslinie warteten bereits neue Ziele.

***
Tatsächlich flog der Kleinverband mitten durch die einstige Verteidigungslinie, als hätte es Sie nie gegeben. Auf einen Gegenangriff brauchten Sie nicht lange warten. Kaum hatten die 8 Schiffe die zerfetzte Verteidigungslinie hinter sich gelassen, feuerten die Gmah eine weitere Raketenwelle ab. 4300!!
Eins musste man den Gmah lassen. Sie ließen nichts unversucht sie daran zu hindern das Wurmloch zu erreichen. Alleine ihre Übermacht der verbliebenden 64 Großkampfschiffen die locker 4300 Raketen verschießen konnten, ließ die Gmah wie der Gewinner aussehen. Doch der Eindruck konnte täuschen. Sicherlich waren auch der Orion irgendwo Grenzen gesetzt, den auf Dauer konnten selbst das Unioner Großkampfschiff nicht standhalten.
Dessen schien sich der Oberkommandierende bewusst zu sein. Denn er ließ im Abstand von unter 5 Minuten 3 weitere Raketenwellen abfeuern. Dabei hatte die Erste den Kleinverband noch gar nicht erreicht. Somit konzentrierten sich fast 16900 Raketen auf die 8 Großkampfschiffe. Was pro Schiff 2112 Geschosse machte. Zu dem kam das sich mit Sicherheit ein Großteil auf die Orion konzentrieren würde. So modern die Schiffsverteidigung auch war, einen solchen massiven Angriff konnten Sie nicht abwehren, ohne einige Treffer abzubekommen.
Damit hatte man natürlich gerechnet. Dementsprechend waren Maßnahmen ergriffen worden, um den Schaden am Schiff und der Besatzung so gering wie möglich zu halten. Nichtsdestotrotz flog der Kleinverband weiter, unverdrossen dem Wall entgegen auf die Wurmlochöffnung zu.
Die Erste Welle erreichte die Orion und ihre Begleitschiffe in weniger als 2 Minuten 25.
„Hyperraumabdrücke!“ Mit dieser Meldung hatte wohl kaum einer auf der Kommandobrücke gerechnet. Lucio fuhr herum, schaute zur Sensorstation. „15 Kontakte.“, fuhr ein Crewmen der Sensormannschaft mit der Meldung fort, ohne von seiner Station zu blicken. „Systemeinwärts. 5 Millionen Kilometer entfernt.“ Lucio wandte sich seinem Plot zu. Die neuen Kontakte befanden sich in ihrem ungeschützten Rücken. Ein Sprung Systemeinwärts war zwar nichts außergewöhnliches, aber immer einem Risiko behaftet mitten in den Systemflugverkehr zu springen. Jedenfalls in ihrer Gegenwart. Hier lagen die Dinge wieder anders. Da es keinerlei Flugverkehr im System gab, war ein solcher Sprung durchaus zeitsparender als Systemauswärts in den Normalraum zurückzukehren.
Wie wohl jeder an Bord, rechnete Lucio, damit das sich die weißen Icons rot verfärbten. Was Sie zu feindlichen Einheiten machte. Stattdessen blinkten die Icons Blau auf. Verwundert zuckten seine Augenbrauen.
Die Melodie einer einkommenden Nachricht hörte er nicht.
„Sir. Raumlord Venjoun bittet, um Erlaubnis sich uns anzuschließen.“
Er sah den LCO an. Seine Überraschung über diese unerwartete Wende war ihm, wie jedem auf der Brücke, anzusehen. „Er soll dem Feuerwerk folgen, Fähnrich.“
Ein breites Lächeln erschien auf dem Gesicht der Mischlingsfrau. „Aye, Captain.“

***
Selbst in der späteren Gegenwart der Frauen und Männer an Bord der Orion, fand man keine vergleichbare Raumschlacht, wie Sie zur Zeit im Silaa System tobte. Jedenfalls in den historischen Datenbanken und Archiven.
Die Raketen prasselten auf die 8 Schiffe ein, spuckten ihre zerstörerische Ladung aus, tobten sich wie Kleinkinder an den Rümpfen der Großkampfschiffe aus, töteten und zerstörten. Die modifizierte Raketenabwehr der 7 Schiffe vom Sternenbund war überfordert. Durch die Löcher im Raketenschild schlüpften Dutzende Geschosse, zündeten ihre Sprengköpfe.
Der Schlachtkreuzer erbebte unaufhörlich. Meldungen gingen ein. Zwei der Begleitschiffe vergingen im Raketenregen. Eine Signatur flackerte auf. Die Crew versuchte alles um das Schiff am Leben zu erhalten, doch es war zwecklos. Die Signatur erlosch, das Großkampfschiff wurde zu einem Wrack, von dem sich etliche Rettungskapseln lösten. Das andere Begleitschiff in der äußeren Formation rissen die unzähligen Treffen auseinander. Nur wenige konnten sich über die Rettungskapseln rechtzeitig retten.
Lucio schloss die Augen, sprach stumm ein schnelles Gebet für die Frauen und Männer. Dann wandte er sich wieder dem Plot zu, sah, wie aus dem 15er Verband ein Schiff beidrehte und die Überlebenden aufnahm. Beide Schiffskommandanten hatten vor ihrem Sterben die spezielle Ladung in den Andockschleusen ausgeworfen. Es handelte sich dabei um Raketenbehälter, in denen die Predator V Geschosse steckten. Durch den installierten Up-Link verfügte nun die Waffenstation der Orion über die Offensivwaffe.
Dann gingen die verbliebenden 6 Schiffe zum Angriff über. Die 5 Begleitschiffe setzten, die verteilten Raketenbehälter per Fähre oder durch die Andockschleuse aus. Gleich danach integrierte sich das Feuerleitsystem mit der Waffenkontrolle der Orion. Als der Sicherheitsabstand erreicht war, leerten sich die beinahe 65 Raketenbehälter a 50 Predator V Raketen in unter 20 Sekunden. Dazu kamen knapp 300 Raketen der Sternenbundschiffe. Ihre Angriffssalve bestand aus 3550 Geschossen. Im Pulk befanden sich zudem Blender, Störsonden und Täuschkörper, die die Raketen verteidigen sollten.
Die zweite Angriffswelle der Gmah rückte an. Jetzt verteilten sich die beinahe 4300 Geschosse auf (nur noch) 6 Schiffe. Von denen jedes durch die Erste Welle zwar angeschlagen aber weiterhin kampftüchtig war. 716 Raketen pro Schiff. Eine solche Masse konnte die Raketenabwehr einfach nicht bewerkstelligen. Wohl wissend was das für den Kleinverband bedeutete, sprintete ein Schiff vom Sternenbund nach vorne, mitten auf die Angriffswelle zu.
Sie konnten nichts weiter tun als hilflos mitanzusehen, wie sich die Jagdfregatte in die einkommende Welle warf, unter den Hunderten Treffern erbebte. Dann platzte das Großkampfschiff in einer gewaltigen Explosion auseinander. Zuvor waren alle von Bord gegangen, die die Rettungsboote erreichten. Das Schiff war nicht durch einen Treffer zerstört worden, auch wenn es den Anschein hatte. Sie hätte noch mehr ausgehalten. Doch die Absicht des Kommandanten war es, ein Loch in die Angriffswelle zu reißen, somit das Überleben der anderen und der Orion zu sichern. Zu diesem Zweck sprengte er kurzerhand das Schiff. Von den zuvor 4300 Stück umfassenden Raketenwelle überlebten weniger als 1000. Von denen keine 100 Stück durch die Raketenabwehr kam. Sie richteten keinen nennenswerten Schaden an.
Unterdessen erreichte die Angriffswelle des Kleinverbandes den Verband der Gmah. Sie setzte das Gemetzel fort, das im Silaa System tobte.

***
Die 14 Großkampfschiffe schlossen zum zerschundenen Kleinverband auf, gingen in die vorderste Reihe, richteten ihre Abwehrwaffen aus, feuerten und schützten mit dem erweiterten Abwehrschild die Orion und ihre verbliebenen Begleitschiffe. Sie kamen dem Wall näher, drehten nicht ab oder bei, wie es die Gmah wohl durch den Dauerbeschuss erwarteten.
Mehr als die Gmah wussten Sie was auf dem Spiel stand. Es gab keinen Mittelweg, keinen Kompromiss. Alles oder Nichts.
Der Grund warum der gewachsene Verband nicht beidrehte war, das Sie sich nicht auf ein langlebiges Raketengefecht einlassen konnten. Sie mussten in den Nahkampf. So modern die Fernwaffen der Orion auch waren, waren Sie begrenzt. Im Nahkampf hingegen hatten Sie alleine im Sansibar einen feindlichen Verband aufgerieben. Sicherlich waren zu jener Zeit die Voraussetzungen andere.
2 weitere Schiffe wurden zerstört.
Die Gmah verloren 4 Schiffe.
Dann warf die Orion ihre letzten Raketenbehälter aus.
Die umgebauten Fähren luden ihre Ladung aus, drehten bei und sammelten die Rettungskapseln, brachten die Überlebenden zum Schlachtkreuzer des Sternenbundes, der zuvor aus dem Verband abgedreht war. Dort wurden die Überlebenden gesammelt. Nahezu im Sekundentakt starteten und landeten Fähren im Hangar. Das war das mindeste was die Frauen und Männer der Orion für diejenigen tun konnte, die Ihnen beiseite standen, kämpften und starben.
Raumlord Venjoun Schiffe feuerten eine Salve ab. Die Raketenbehälter der Orion entluden sich, die Predator V Geschosse jagten denen des Sternenbundes nach, blieben trotz der höheren Beschleunigung im Hintertreffen. Was einen Grund hatte.
Die Gmah mussten ihr Abwehrfeuer auf die vordere Welle konzentrieren, den die bildeten einen Schild für die Raketen der Orion, die nahezu verlustfrei an die Großkampfschiffe der Gmah heran kamen, angriffen und 7 weitere Schiffe ins Jenseits beförderten. Aufgrund der Verluste bildeten Sie eine neue Formation, erwiderten mit verminderter Salvendichte das Feuer.
Die Schiffe von Raumlord Venjoun ließen sich nicht davon abbringen die Orion weiter ans Wurmloch zu bringen. Sie opferten sich.
Worte konnten nicht beschreiben wie Lucio dabei empfand. Letztlich war es deren Opfer das es möglich machte ihre Gegenwart zu bewahren. Ohne diesen Einsatz würden die Gmah in 7000 Jahren über diesen Teil der bekannten Galaxie herrschen. Dank war ein untertriebenes Wort, das nicht mal annähernd ausdrückt was Sie Ihnen schuldig waren.
Dann war es soweit. Der Nahkampf begann.

***
Die Gmah kämpften verbissen um jeden Zentimeter. Sie rückten nicht ab, feuerten aus allen Rohren, trafen den Feind, zerstörten ihn und starben letztlich selbst. Wie das Neujahrfeuerwerk sah die Raumschlacht aus. Farbige Blitze. Explosionsformationen, in unterschiedlichen Farben und Formen. Energiefontänen, die aus den Rümpfen der Kolosse tropften, wie Wasser aus dem Hahn. Ein Schauspiel, das zugleich wunderschön und abstoßend war.
All das blendete Lucio aus. Ansonsten würde er wohlmöglich verrückt werden bei dem Gedanken viele Leben dieses Schauspiel kostete. Zu viele und doch weniger als bei einer Niederlage. Denn dann wurden aus Zehntausend Millionen, Milliarden, Billionen, ja Trilliarden. Mit diesem Gewissen wollte und konnte er nicht aus dem Leben scheiden.
Die Orion hatte schwer eingesteckt. Bisher hatten Sie 17 Verletzte und 2 Tote zu beklagen. An zwei Stellen hatte der Schlachtkreuzer Hüllenrisse, die versiegelt wurden, die Decks geräumt und abgeschottet waren. 3 Raketenwerfer der Backbordbatterie waren verloren. Die Abwehrflak musste man neu ausrichten. 2 Geschütztürmer hatte es zertrümmert. Die Panzerung war lädiert aber intakt. Das Schildgitter musste neu konfiguriert werden.
Sie waren nicht mit heiler Haut davon gekommen, was auch niemand gehofft oder erwartet hatte. Doch im Gegensatz zu ihren Begleitern waren Sie glimpflich davon gekommen.
Ein Umstand, für den er sich tief im Inneren schämte.
Sein Tun wurde davon aber nicht beeinträchtigt.
Sie hatten es geschafft. Jetzt war nur noch eins zu tun. „Laden Sie die Graser für den Tachyonimpuls.“ In seiner Stimme schwang keine Empfindung des Sieges mit.
„Tut mir leid, Sir.“ Junior Commander Kendra sah ihn über den Comschirm seines Kommandostuhl an. „Die Energieemitter der Graserlafetten sind geschmolzen.“ Die Nachricht war ein brutaler Schlag in die Magengrube. Sie befanden sich in Schussweite, hatten etwas unvorstellbares geschafft und doch alles verloren.
„Können Sie sie reparieren?“ Er klang nicht nur monoton, sondern war es auch.
„Ich kann schon, Captain.“, erwiderte die Mischlingsfrau ohne jede Zuversicht. „Doch dazu brauche ich ein Reparaturschiff, eine Horde Techniker und einen kompletten Satz neuer Energieemitter.“
Ohne die Energieemitter konnten sie keinen leistungsstarken Tachyonimpuls generieren, der das Wurmloch verschloss. Sie waren soweit gekommen, zahllose Leben ausgelöscht, nur um am Ende mit leeren Händen dar zustehen.
Sein Blick wanderte zum Chronometer.
Ihnen lief die Zeit davon. In gut 40 Minuten würde sich das Wurmloch öffnen. Was und wie viel dann in das Silaa System gelangte, konnten Sie beim besten Willen nicht aufhalten. Obwohl gewonnen, hatten Sie gleichzeitig verloren. -Ein Sieg war auch immer eine Niederlage.- Das Zitat kam in unweigerlich in den Sinn.
„Sir!“
Lucio kam aus seiner düsteren Gedankenwelt vom jähen Ende in die brutale nackte Realität zurück. Er sah auf den Comschirm LI Kendra an. Verwirrung kam bei ihrem Gesichtsausdruck in ihm auf. Wie es schien, hatte Sie die Hoffnung nicht verloren.
„Vielleicht kann ich eine Alternative anbieten!“ Klang das zuversichtlich. Lucio nickte nur. „Ich könnte das Energiegitter einer Sonde so modifizieren das es einen Tachyonimpuls erzeugt.“ Die Vorsicht mit dem Sie den Vorschlag aussprach war hörbar.
„Wie lange brauchen Sie für die Modifizierung?“ Seine Stimme klang mechanisch, wie die computergenerierten Stimmen.
Ein kurzes Schweigen folgte. Kendra überschlug die benötigte Zeit. Sie warf einen Seitenblick auf den, in ihrem Display, synchron laufenden Chronometer. „40 Minuten.“ Mehr Zeit stand nicht zur Verfügung.
„Fangen Sie sofort an.“
„Aye, Captain. Maschinenraum Ende.“ Der Comschirm erlosch.
Lucio sah zur Terminalstation, an der sonst der EO stand. Sie war leer. Hazàrd lag verletzt, mit einer schweren Gehirnerschütterung, bewusstlos auf der Krankenstation. Zusammen mit 17 anderen der Besatzung. Verwundert stellte er fest, kürzer gegrübelt zu haben, als von ihm eingeschätzt. Gerade mal 2 Minuten. Er hatte mit mindestens 10 gerechnet. Da Hazàrd ausfiel, rückte automatisch der Zweite Offizier (ZO) nach. „ZO!“
Tasha Rockwell sah von ihrem Terminal auf. „Ja, Sir.“
„Leiten Sie Evakuierungsprotokoll Gold ein.“
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-7-

Niemand sagte ein Wort. Alle verharrten. Manche trauten sich nicht zu atmen. Keinem an Bord der Orion war bekannt das je das Evakuierungsprotokoll Gold an Bord eines Schiffs der Vereinten Flotte in Kraft getreten war. Trotz des fehlenden Präzedenzfalls (oder gerade deswegen) wusste jeder, was das bedeutete. Sie hätten bloß nie gedacht mitzuerleben, wie es in Kraft trat.
Lucio wusste um die Bedeutung seiner Worte. Daher konnte er das Schweigen, das Zögern seiner Leute gut verstehen. Eine akzeptable Zeitspanne verstrich, ohne das ein Wort gesprochen oder sein Befehl wiederholt wurde.
Tasha musste sich dessen bewusst gewesen sein, den genau in diesem Augenblick öffnete Sie ihren Mund. „Aye, Captain. Leite Evakuierungsprotokoll Gold ein.“ Kaum war die Eingabe bestätigt, schrillte der markante Alarm durchs Schiff. Eine computergenerierte Stimme teilte der Besatzung unvermittelt mit das soeben der Evakuierungsplan Gold in Kraft trat und unverzüglich die Evakuierung des Schiffs begann.
„Com. Teilen Sie Raumlord Venjoun mit das wir Evakuieren.“
„Jawohl, Sir.“
Lucio erhob sich, wandte sich den Frauen und Männern zu, die er seine Freunde nannte, mit denen er zusammenarbeitete und feierte. Er hätte sich keine bessere Besatzung wünschen können. Aus einer Testbesatzung war eine Raumbesatzung geworden, die sich vor niemanden verstecken musste. „Ich brauche 7 Freiwillige.“, wandte er sich an die Frauen und Männer.
Aus dem Augenwinkel sah Lucio wie sich Crewmen Celeste aus dem Steuerstuhl erhob. Im gleichen Moment traten Zwei Leute vor. Junior Lieutenant Aegis. Der Gvaner Za`dik stellte sich neben Aegis. Ihnen folgten Crewmen Santiago, aus der Com Mannschaft. Henry, Crewmen der Waffenmannschaft. Fähnrich Savio Woo, Sensormannschaft. Mit ihm trat Senior Lieutenant Rockwell vor.
Er schaute die Frau an. Trotz ihrer Differenzen respektierte Lucio die Frau mehr als ihr wohl bewusst war. Sie ließ nicht den Mund verbieten, egal wer vor ihr stand. Und wenn es der liebe Gott höchstpersönlich wäre, würde Sie ihm ihre Meinung unzensiert mitteilen. Manchmal vergriff Sie sich im Ton gegenüber jemanden, der Ranghöher war. Aus diesem Grund wurde Sie regelmäßig bei Raumposten übergangen. Lucio hingegen wählte Sie, gab ihr einen Kommandoposten, vertraute ihrem Urteil. „Tut mir leid, Tasha.“, sprach er Sie persönlich an. „Doch ich muss ihre Meldung ablehnen.“ Sie wollte widersprechen, doch er hob beschwichtigend die Hand. Wodurch Sie nicht zu Wort kam. „Sie müssen sich um die Besatzung kümmern.“ Er senkte seine Stimme. „Und um Hazàrd.“ Ihre Augenlieder zuckten überrascht. Lucio schmunzelte über die überraschte Reaktion. „Er hat geschwiegen wie ein Grab.“ Deckte er seinem Freund den Rücken. „Ich bin nicht blind, Lieutenant.“ Die Beiden hatten eine Beziehung. Sie liebten sich, waren ein Paar. „Ich hab gesehen, wie Sie sich ansehen.
Daher kann ich ihre Meldung nicht annehmen.“
Sie schwieg einen Moment. Dann nickte Tasha knapp.
„ZO. Räumen Sie die Brücke.“
„Jawohl, Sir.“
Er sah ihr hinterher, wie Sie zusammen mit der restlichen Brückencrew in die Liftkabine trat, salutierte und hinter der Lifttür verschwand.

***
Lucio blieb einen Moment stehen, schaute auf die geschlossene Lifttür. Dann wandte er sich den Freiwilligen zu. „Gehen Sie auf ihre Posten.
Steuer.“ Crewmen Celeste nickte. „Laden Sie einen Kurs in das Wurmloch. Wir fliegen hinein, sobald der Letzte von Bord ist.“
„Aye, Captain.“, bestätigte die Mischlingsfrau ohne jedes zögern. Sie setzte sich auf den Flugstuhl, tippte auf ihre Konsole ein.
Alle nahmen ihren Posten auf der Brücke ein.
Da öffnete sich die Lifttür. Junior Commander Kendra trat hinaus. „Captain. Der Maschinenraum ist geräumt und versiegelt. Ich melde mich freiwillig.“
Er nickte ihr zu. „Wie weit sind Sie mit der Sonde?“
Sie ging zu einer freien Terminalstation, gab ihren Personalcode ein und lud die Kommando- und Zugriffscodes vom Maschinenraum. „Bin noch dabei.“
Dabei beließ Lucio es. Sie weiter zu löchern ließ Sie nicht schneller arbeiten. „Aegis. Sie haben die Brücke. Ich bin in meinem Raum.“ Solange die Evakuierung lief, gab es nichts zu tun, außer Vorbereitungen zu treffen. So stand er auf, verließ die Brücke. Bevor der Letzte von Bord gegangen war, hatte Lucio noch was zu tun.
Er setzte sich an seinen Tisch, holte 3 Speicherkristalle heraus, schob einen in den passenden Slot, tippte auf das Eingabefeld. Ein Textschirm mit einem blinkenden Cursor öffnete sich.

***
Eine Evakuierung schien auf den ersten Blick kaum in geordnete Bahnen abzulaufen. Doch der Anschein täuschte. Niemand drängelte sich vor, flehte oder schäumte vor Wut. Als Erste verließen die Verletzten und Toten das Schiff in den abflugbereiten Fähren. Unterdessen wurden Evakuierungsgruppen erstellt, die gemeinsam ausgeflogen wurden, sobald die jeweilige Gruppe an der Reihe war.
Mit zu den Letzten gehörte Senior Lieutenant Rockwell, da Sie als ZO die ranghöchste vor Ort war, beaufsichtigte Sie die Evakuierung.
„Lieutenant!“ Captain Lucio erschien im Hangar, nickte den Frauen und Männer zu. Er reichte ihr 3 Speicherkristalle. Auf den Stäben waren Namen eingelasert. Damit wusste Tasha, wer der Empfänger war. Einer der Speicherkristalle trug Hazàrd’s Namen. Genau wie Ratsfrau Saria und Doctor Gomez.
Sie nahm die Stäbe wortlos entgegen, schaute Sie kurz an und steckte sie weg. „Es war mir eine Ehre unter Ihnen gedient zu haben.“
„Das kann ich nur zurückgegeben, Lieutenant.“ Er wandte sich zum Gehen.
„ACHTUNG!!“
Alle Frauen und Männer standen stramm, richteten sich zu ihrem Kommandanten aus und salutierten.
Lucio verharrte, sah in die Gesichter. „Es war mir eine Ehre mit Ihnen gedient zu haben.“ Dann erwiderte er den Salut, trat in die Liftkabine und verschwand mit dem Gedanken keinen der Leute je wieder zusehen.

***
10 Minuten später flog die letzte Fähre aus dem Hangar. Das Panzerschott schloss sich. Der Pilot flog auf das Flaggschiff von Raumlord Venjoun zu, wo die Frauen und Männer der Orion aufgenommen wurden.
Aus dem Sichtfenster sahen Sie wie die Orion beidrehte, einen letzten Salut abfeuerte, Kurs setzte und wenig später über den Ereignishorizont des Eintrittsstrudels im Wurmloch verschwand.
Sie wussten, sie würden den Schlachtkreuzer und jene die zurückblieben nie wiedersehen.
Kaum war die Fähre gelandet und gesichert, drehte das Großkampfschiff im Verband des Sternenbundes bei, entfernte sich vom Wurmloch.
Für den Fall das die Orion erfolgreich war, durften Sie sich nicht in der Nähe des Wurmlochs aufhalten.

***
„Mehrere Kontakte. Direkt voraus.“
Lucio sah auf den Sensorschirm seines Kommandostuhls. Unweigerlich hielt er den Atem an. Was Sie zu sehen bekamen, sprengte ihre Vorstellungskraft. Außer LI Kendra verharrten die Augen der Anderen auf dem Sensorschirm.
Aus den anfänglichen Dutzend Sensorkontakten wurden Hunderte, die im Sekundentakt Rot umrandet wurden. In einem Nebenfenster vom Hauptplot scrollten unzählige Sensordaten herunter. Ihnen kam eine Invasionsstreitmacht entgegen. Kreuzer. Zerstörer. Schlachtschiffe. Schlachtkreuzer. Träger. Versorgungstransporter. Schwärme von Jägern und Bombern.
Sie überquerten die Nexusgrenze, den Mittelpunkt, des Silaa Wurmlochs.
„Bin soweit, Captain.“, rief Kendra aus.
„Starten Sie sie.“, entgegnete Lucio mechanisch. Er konnte seinen Blick einfach nicht vom Sensorplot abwenden. „Volle Kraft voraus.“
Die umprogrammierte Sonde, eine Ferdinand 2-C3, wurde aus einem Abschussrohr gefeuert, die Booster zündeten und die KI folgte dem einprogrammierten Kurs. Sie flog eine Schleife in die entgegengesetzte Richtung, beschleunigte auf Höchstgeschwindigkeit der Öffnung ins Silaa System entgegen.
Der Unioner Schlachtkreuzer raste an den ersten Schiffen der Gmah Streitmacht vorbei. Weder Sie noch die eröffneten das Feuer. Für den Bruchteil einer Sekunde war Lucio nah dran den Befehl zu geben. Was hatten Sie schon zu verlieren!!
„Tachyonimpuls wird initialisiert.“, meldete Kendra.
Sie hatten mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich. Das würde knapp werden.
Einer Handvoll Schiffe der Gmah musste die Absicht inzwischen klar sein, die die Fremden verfolgten. Statt weiter Kurs zu halten, verringerten Sie ihre Geschwindigkeit, scherrten aus und kollidierten dabei mit den nachfolgenden Schiffen.
„Schuss in 3… 2… 1… Feuer.“
Jetzt gab es kein zurück mehr. Hatte es nie gegeben.

***
Der violette Tachyonimpuls traf in dem Moment auf den Ereignishorizont, als sich der Austrittstrudel öffnete und im Normalraum, wie eine sich öffnende Blume erschien. Eine fatale Kettenreaktion war die Folge.
Die austretende Mantelmaterie, die bei jeder Wurmlochöffnung dieses verließ, prallte gegen die massive Tachyonenteilchenwand und wurde ins Wurmloch zurückgeschleudert. Beim Aufprall der Tachyonen- und den Ionenteilchen wurde eine solche Energie freigesetzt die selbst eine Supernova wie ein Funken erscheinen ließ. Die gewaltige Explosionskraft löste eine Detonationswelle aus, die alles pulverisierte, was sich ihr in den Weg stellte. Der Wurmlochschlund wurde regelgerecht zerrissen, schrumpfte in sich zusammen und platzte letztlich wie eine überreife Frucht auseinander.
Die Druckwelle rollte im Wurmlochkanal entlang. Alleine schon die Vorwelle riss die Vorhut der Gmah Streitmacht in Stücke. Sie konnten gar nicht so schnell beidrehen. Jedes Schiff wurde ungeachtet seiner Größe sprichwörtlich zermalmt, zusammengestaucht und auseinandergerissen.
Ein heftiger Ruck ging durch die Orion, als die Vorwelle den Schlachtkreuzer erreichte. Deckenträger zerriss es, krachten durch die Verkleidung. Die Supraleiter platzten. Das Energiegitter verging in einem Funkenregen. Der Rumpf wurde zusammengestaucht. Panzerplatten bersteten.
Wie durch ein Wunder hielt das Schiff Kurs. Ihr Überleben war der Tatsache geschuldet, dass Sie vor der Druckwelle flogen und nicht darauf zu. So ritten Sie praktisch auf ihr. Auch wenn es mit einem Ritt nicht zu vergleichen war. Eher wie eine außer Kontrolle geratende Wildwasserabfahrt, die die Schiffskonstruktion auf den Prüfstand stellte. Beim geringsten Pfusch in der Integritätsstruktur hätte es das Schiff zerfledert.
So aber blieb es in einem Stück, als es aus dem Wurmloch geschleudert wurde.
Die Schiffe der Gmah Streitmacht hatten weniger Glück. Sie sollten ihr Ziel nie erreichen.
______________________________________________________

-Epilog-

Die Orion trudelte im Normalraum aus, driftete antriebslos umher, bis es gelang den Hilfsreaktor ans geschundene Energiegitter zu bekommen und den Antrieb hochzufahren. 4 Tage benötigten die Überlebenden für die notdürftigen Reparaturen. Das der Schlachtkreuzer, 2 Tage später, beim Sprung in den Hyperraum nicht auseinanderbrach grenzte an ein Wunder.
Mit dem letzten Funken Leben des Hyperraumgenerators sprang die Orion nach 10 Tagen Flug in ein ihr unbekanntes System. Fortan war an ein Hyperraumsprung nicht mehr zu denken.
Von der einstigen Jungfräulichkeit war nichts mehr übrig geblieben.
Lucio saß in seinem ramponierten Kommandostuhl. Über den Hauptplot verlief ein Riss. Das Taktik Display flackerte. Die Nebenschirme waren dunkel, Tod. Er war alleine auf der Kommandobrücke, auf der eine Bombe eingeschlagen hatte.
Alle die sich freiwillig für das Himmelsfahrtkommando gemeldet hatten lagen in den umfunktionierten Sonden. Darüber lagen die Flaggen der Vereinten Flotte. Die letzten Zwei Mitglieder waren vor wenigen Stunden gestorben.
Auch Lucio würde sterben.
Er hatte den Frauen und Männer die letzte Ehre erwiesen, die Sie mehr als verdienten. Die Sonden waren zu ihren Särgen geworden. Man hatte Sie ausgeweidet, den an Bord befanden sich keine Särge. Sie standen aufgebahrt im Hangar. Das verformte Panzerschott ließ sich nicht mehr öffnen.
Ihm blieben noch 3 Ampullen mit dem Cocktail aus Aufputsch- und Schmerzmittel, das verhinderte das sein Kreislauf und seine Körperfunktionen zusammenbrachen.
Ein helles Licht schien über den holografischen Hauptschirm auf der Kommandobrücke. Es nahm stetig zu, wie Scheinwerferlicht.
Er saß einfach dar, bewunderte das Licht, die Farben, dachte an Hazàrd, Jekaterina, seine Eltern, seine Kindheit, die Schulzeit, die Oberstufe, die Flottenschule, die Flottenakademie, die Vereidigung, seine Zeit als Frischling, seine erste Freundin, der erste Kuss, Sex. Lucio sah sein Leben aus einer Perspektive, die man lebend nie wahrnahm.
Im Lichtschein waren schwache, dunkle Konturen zu erkennen. Der Schweif, dem das einst prächtige Schiff folgte, gehörte einem Kometen. Einem besonderen Kometen.
Bei dem Gedanken musste Lucio einfach grinsen. Was sein Gesicht zu einer skurrilen Fratze werden ließ. Seine linke Gesichtshälfte war Taub, lag unter einem Verband verborgen, der an manchen Stellen gelb, orange, rötlich verfärbt war.
Die Steuerkonsole piepte aufdringlich. Auf dem Plot erschien eine zerhackte Zahlenreihe. Ein sanftes Beben ging durch den Schlachtkreuzer, als es in den Schweif flog.
Das Strahlen des Lichts ließ einen erblinden.
Lucio kniff die Augen zusammen, spritzte sich die letzte Ampulle, machte eine Eingabe, lehnte sich zurück und wartete auf den Augenblick an dem alles vorbei war. Merken tat er es nicht. Sein letzter Gedanke, bevor Lucio wegdämmerte, galt Jekaterina. Er sah ihr Bild vor sich, als wenn Sie leibhaftig vor ihm stehen würde.
Dann nickte er ein und wachte nicht mehr auf.
______________________________________________________

-Ende-
© by Alexander Döbber
 
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