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4 Seiten

Selena - Kapitel 03

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Mit den Pferden im Schlepptau erreichte sie die Stallung. Daneben befand sich eine offene Hufschmiede. Im Ofen glühten Kohlen. Zwei Stäbe ragten heraus. In der Mitte des Raums stand ein Becken mit Wasser. Gleich daneben ein Ambos. Von der Decke hingen unzählige Stäbe, Hacken und Kellen. An einer Wand befanden sich reichlich Hufeisen.
„Ihr wünscht?“
Gegen ihre Erwartung stand ein mit Ruß im Gesicht verdreckter Mann vor ihr. Was nicht das Ungewöhnliche war. Eher die Tatsache, dass es sich bei dem Mann um einen Alb handelte.
Trotz der anstrengenden Arbeit, war sein Körper keineswegs gestählt wie bei Schmieden der Menschen oder Zwerge. Er wirkte eher wie ein Gelehrter. Sein Haaransatz war ebenso verrußt wie seine Hände. An seinem Gürtel hing ein Lappen, der einst Weiß war. Er sah kurz hinter sie. Seine Miene veränderte sich kaum.
„Habt ihr Verwendung für Vier Pferde?“, fragte Selena bemüht unterwürfig zu klingen.
Der Mann schien nicht verwundert über den Umstand zu sein, dass ihm eine fremde Frau Vier Pferde anbot. Andererseits dachte er wohl nicht daran, dass sie deren Vorbesitzer tötete. Tatsächlich war ihr aufgefallen, dass keiner der Leute eine Waffe trug.
Er wischte sich die Hände am Lappen ab, kam auf Selena zu und schaute sich die Pferde an. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie seine Begutachtung. Gleichzeitig behielt die Albin die Umgebung im Auge. Auch wenn sie sich Zuhause fühlte, war sie Fremd in dem Land dessen Sog Selena schon als Kind spürte.
„Hm.“, machte der Mann und beendete seine Begutachtung. Er musterte sie. „Ich gebe euch Fünf Münzen.“
Sie mochte fremd sein, kannte die Währung nicht und wusste über die Handelsgepflogenheiten jenseits der Wächter nicht Bescheid aber verarschen, wie Michael sagen würde, ließ sie sich nicht.
„Sie sind eingeritten, gut genährt und fit.“, erwiderte Selena nicht allzu aufsässig. Das Feilschen lernte man in Eurasien sehr früh. Selbst als verhasste Albin. „Zwölf!“
Der Mann zog die Augenbrauen hoch. In seinen Augen lag Überraschung. Er verzog seinen Mund zum Ansatz eines Lächelns. „Sieben.“, lautete sein Gegenangebot. „Vielleicht wollt ihr die Pferde aber lieber der Garnison anbieten.“, fügte er hinzu.
Sofort schrillten ihre Alarmglocken. Verdammt! In ihren Argumenten lag der Widerspruch. Hätten die Wachen am Tor genauer hingesehen, wäre ihnen der Zustand der Pferde wohl merkwürdig erschienen.
„Sieben für Fünf.“, wiederholte der Mann mit einem wissenden Leuchten in den Augen.
Blieb ihr eine andere Wahl? Verließ sie die Siedlung mit einem Pferd, bestand die Möglichkeit, dass es den Wachen auffiel. Sie würde mit ihnen fertig werden, da hegte sie keine Zweifel, bis jetzt hatte Selena nur eine Handvoll Soldaten entdeckt. Wie es aussah, kam es nicht allzu häufig vor, dass die Biester kämpfen mussten.

***
An einem Imbiss nahe dem Tor kaufte sie sich zwei Fleischspieße, einen Maiskolben und eine Flasche Wasser. Bevor Selena weiter zog, wollte sie was Essen. Dabei beobachtete sie die Wachen am Tor. Die Biester schienen sich mehr für ihr Spiel zu interessieren, statt für ihre Aufsichtspflicht. Doch auch die Soldaten in der Siedlung machten keinen pflichtbewussteren Eindruck. Ein Soldat lehnte schlafend auf seinem Stuhl gegen die Baracke, zwei rauchten irgendein Kraut und dösten vor sich hin. Die letzten beiden Kumpane warfen mit Wurfmessern auf eine Holzscheibe, tranken aus Krügen und rülpsten. Keiner nahm seine Aufgabe ernst, vermutlich, weil sie von den Bewohnern nichts befürchteten.
Was Selena auch nicht weiter überraschte. Keiner machte den Eindruck, sich gegen die Herren zu erheben. Sie schienen ein ruhiges, unbeschwertes Leben zu führen. Abgesehen vom Verbot bezüglich dem Tragen von Waffen.
Als die Albin fertig mit ihrem Essen war, blieb sie noch eine Weile sitzen, um die Szenerie zu beobachten. Dann nahm sie die Wasserflasche, ging in Richtung Tor und passte sich den gesellschaftlichen Gegebenheiten an, indem sie ihren Blick senkte.
Vollkommen unbehelligt von den Torwachen verließ Selena die Siedlung, folgte dem weiteren Straßenverlauf und ließ die gewonnenen Erkenntnisse Revue passieren.

***
Es war nur eine Frage der Zeit, bis einem das fehlen, der Reiterschaft auffiel. Die Dämmerung setzte ein, als ein Gefreiter den Kommandanten der Wachmannschaft der Siedlung Toinio darüber informierte, dass die fünf Reiter bisher von ihrer Patrouille nicht zurückgekehrt waren.
Der Hauptmann war für seine Männer nicht gerade ein leuchtendes Beispiel. In der Region von Toinio passierte rein gar nichts, was eine aufrechterhaltene Alarmbereitschaft rechtfertigte. Außerdem waren sie vier Tage von Ono, der Provinzhauptstadt, entfernt. Wo die Schutzgarnison der Provinz stationiert war, der seine Einheit angehörte. Niemand kam freiwillig nach Toinio, außer den Bleichgesichtern.
Als die Reiterschaft am Abend nicht zurückgekehrt war, beschloss der Hauptmann einen Suchtrupp auszusenden. Am Nachthimmel funkelten die Sterne, als der Suchtrupp mit einer beunruhigenden Nachricht zurückkehrte. Sie hatten die Reiterschaft gefunden bzw. das, was von ihnen übrig geblieben war. Die deformierten Waffen, die sie mitgebracht hatten, sowie die Schilderung der verkohlten Überreste reichten ihm als Beweis. Jemand hatte seine Männer getötet. Der Umstand verblüffte ihn regelgerecht. Die Region um Toinio galt bis zu jenem Tag als ungefährdet.

***
Er war kein Gelehrter aber als Soldat lernte man schnell die Unterschiede zwischen tödlichen und oberflächlichen Wunden. Trotz des verkohlten Zustands der Leichen konnte er die Art der Wunden ausmachen. Sie waren von tödlicher und gekonnter Präzision.
Die Erkenntnis ließ ihn frösteln. Wer auch immer seine Männer tötete, verstand sich in der Kampfkunst. Wie war das möglich? Den Bleichgesichtern war das Tragen von Waffen schon seit hunderten Dekaden verboten. Sicherlich konnten sie heimlich üben. Dann wären die Wunden keinesfalls mit einer solchen Präzision ausgeführt worden. Irgendetwas stimmte hier nicht! Die einzige Möglichkeit, die ihm dazu einfiel, war kaum vorstellbar.
Zurück in Toinio dachte er eine Weile über das weitere Vorgehen nach. Falls sich seine These bewahrheitete, brauchte es mehr als eine Wachmannschaft. Ob man in Ono der gleichen Ansicht war, bezweifelte der Hauptmann. Daher beschloss er die Sache nicht zu melden. Vermutlich war es ein einmaliger Vorfall. Warum also auf sich aufmerksam machen?

***
Unter den Bewohnern von Toinio verbreitete sich die Neuigkeit über die tote Reiterschaft wie ein Lauffeuer. Bereits am Vormittag waren die wildesten Gerüchte im Umlauf. Wirklich interessieren tat es niemanden. Den Leuten war es schlichtweg egal. Manche äußerten Ängste, dass es Strafmaßnahmen geben würde, oder dass demnächst eine Abordnung aus Ono eintraf.
Anders als sonst hatte der Hauptmann die Maßnahmen am Tor verschärft. Jeder wurde durchsucht. Inwieweit es half, den Vorfall aufzuklären, wusste niemand so recht.
Die Wachen ließen den älteren Herrn, der Toinio verlassen wollte, nach der Durchsuchung seiner Habseligkeiten, gehen. Auf seinen Stock gestützt durchquerte er das Tor.
Als die Siedlung hinter ihm verschwand, bog er von der Straße ab, schien ziellos durch die Weiten der Provinz zu wandern. Wenn er beobachtet wurde, würden sich die Leute keinen deut drum scheren. Genau darin lag seine Absicht.
Ein mehr als zufriedenes Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
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Ende, Kapitel 3
© by Alexander Döbber
 
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So sorgt Selena, wegen der getöteten Soldaten, schon mal für Unruhe. Man ist vollkommen erschüttert, dass es jemand gewagt hat, sich gegen die Unterdrücker aufzulehnen.

Petra (22.09.2010)

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