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4 Seiten

Selena - Epilog (Ende)

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Ihm blieb keine andere Wahl. Er war auf der Flucht, hatte alles zurückgelassen. Sie verfolgten ihn, hetzten ihn wie Vieh. Einen anderen Weg gab es nicht. So lief er über das Eis. Darunter befand sich das Meer, das die Länder voneinander trennte. Die Gehzeiten ließen das Meer an der Oberfläche gefrieren. Wodurch eine weiße Wüste entstand. Von dort, so lautete eine Legende, gab es kein zurück. Nichtsdestotrotz lief er genau dorthin. Er konnte sonst nirgends hin.
Die Jäger der Kaiserin waren hinter ihm her, fanden hin, egal wo er sich versteckte. Vor Kurzem gelang es ihm die Jäger zu täuschen. Wie groß sein Vorsprung noch war, konnte er schwer einschätzen. Wenige Stunden? Einen halben Tag? Ein voller Tag? Sie waren ihm auf den Fersen.
Die Kälte zerrte an seinen Kräften. Wie lange war er jetzt schon unterwegs? Er hatte nie länger als eine Stunde geschlafen, geschweige denn pausiert. Er musste in Bewegung bleiben, andernfalls holten sie auf und ihn ein.
Als wäre es gestern gewesen, erinnerte er sich an den Tag, an dem alles begann. Die Geschehnisse waren frisch, trotz der langen Zeit, schmerzten sie, wie in dem Augenblick wo alles seinen Lauf genommen hatte. Er konnte ihre Gesichter sehen, roch das Shampoo ihrer Haare, spürte ihre Wärme. Der Schmerz war tief und längst nicht verheilt. Wenn er überhaupt heilen würde.
Angetrieben von ihren Gesichtern lief er weiter, ignorierte das Knacken des Eises unter seinen Füßen. Die Hoffnung lag hinter der weißen Wüste. Was blieb ihm sonst?
Die Flucht zerrte ihn aus, machte ihn müde. Er konnte sich nirgends verstecken, egal wie entlegen und unbesiedelt die Landstriche auch waren, die Jäger fanden ihn. Vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber eines Tages. Daran hegte er keinen Zweifel. Wohin sollte er also fliehen?
Seine Beine schmerzten. Die Lungen begannen zu brennen. Sein Blick wurde undeutlich. Ihm wich langsam jegliches Gefühl aus den Gliedern. Eine schwere Müdigkeit überkam ihn, drohte ihn zu übermannen. Alleine seine Willenskraft ließ ihn weiterlaufen. Er musste es einfach schaffen.
Schwindel. Übelkeit. Er schwankte, verlor für einen Moment die Orientierung. Panik quoll hervor. Wo war er? Was ist passiert? Panisch suchte er nach Antworten.
Ein Schrei schreckte ihn auf. Nichts. Niemand zusehen. Fantasierte er jetzt? Der Mangel an Schlaf, Ruhe und Essen konnte einen verrückt werden lassen. Wieder der Schrei. Er suchte die Ebene ab, schaute in den Himmel, drehte sich. Da sah er ihn.
Einen Adler. Das Tier schrie ihn an, zumindest hatte er den Eindruck. Es flog eine Runde, kam tiefer, schrie wieder.
Erst jetzt bemerkte der Mann die Punkte am Horizont. Sie kamen schnell näher, zu schnell für seinen Geschmack. Der Adler schrie ein letztes Mal warnend, schlug mit den Flügeln und erhob sich in die Lüfte und verschwand am Himmel.
Er war am Ende seiner Kräfte. Es nutzte nichts. Die Punkte schwollen zu Gestalten heran. Also lief er weiter. Die Jäger der Kaiserin hatten ihn gefunden. Mal wieder. Seine Reserven waren schon nach wenigen Schritten aufgebraucht. Sein Geist war müde, wollte nur noch Ruhe. Der Körper, träge vor Erschöpfung.
Ein Blick über seine Schulter versetzte ihm einen Heidenschreck. Er sah die Gesichter der Jäger. Was soll ich tun? Ein Ende des Eises war nicht in Sicht. Wenn sie ihn schnappten, war alles verloren. Ihre Gesichter tauchten auf, lächelten ihn liebevoll an. Ein Knacken unter ihm bekam seine Aufmerksamkeit. Das Eis! Es brach! Wie dick war es? Wieder schaute er zurück. Bald hatten ihn die Jäger eingeholt.
Der Mann zog sein Schwert aus der Scheide, blieb stehen, ging in die Knie und hämmerte auf das Eis ein. Immer wieder schlug er drauf ein. Legte alles rein. Die Jäger kamen unaufhaltsam näher. Wie ein Berserker schlug er aufs Eis ein. Sein Arm schmerzte. Er ignorierte ihn und kloppte weiter. All seine Hoffnung legte er in die Schläge hinein.
Das Eis knackte unter den Hieben. Er ließ nicht locker. Unter einem der Schläge bildete sich unter der Oberfläche ein Riss. Es gab ihm neue Kraft. Ein feiner Spalt bildete sich. Der Mann trieb sein Schwert in den Spalt. Rein und Raus. Wie ein Schmied der mit einem Blasebalg ein Feuer entfachte, stocherte er in dem Spalt herum.
Die Jäger waren auf Hundert Schritt heran gekommen. Er hämmerte die Klinge ins Eis. Ein lautes Knacken ertönte. Der Riss durchbrach die Oberfläche. Wasser schoss heraus. Jetzt blieben die Jäger stehen. Der Mann lächelte. Das Eis brach unter ihren Füßen. Risse bildeten sich, gingen in alle Richtungen, vereinten sich, kreuzten einander. Überall ergoss sich Wasser aus den Rissen. Das Eis geriet in Bewegung, verschob sich.
Unter seinen Füßen zitterte es. Ohne zu warten rannte er los. Die Jäger taten es ihm nach. Da brach ein Stück vor ihnen, wurde von einer Eisplatte hoch geschoben. Sie verloren den Halt, fielen zu Boden und rutschten in den nassen Tod. Ihre Schreie verklangen kurze Zeit später.
Es kümmerte ihn nicht. Unter ihm zerriss das Eis. Nicht stehen bleiben. Immer weiter. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Es überlagerte das Brechen vom Eis. Wie von Sinnen lief der Mann weiter. Da geriet er ins Stolpern. Kraftlos sackte er in sich zusammen, fiel ausgelaugt in den Schnee. Bewegungslos lag der Mann da, wartete darauf, dass ihn das Eiswasser packte und in die Tiefen zog. Nichts dergleichen geschah. Bevor ihn der Tod holte wurde ihm Schwarz vor Augen. Die Bewusstlosigkeit zog ihn zu sich.
Das Letzte was er sah, war eine Gestalt die sich zu ihm herunterbeugte. Der Gedanke der ihm kam, ging in der Dunkelheit der Bewusstlosigkeit verloren. Es war kein Jäger der Kaiserin.

***
Unter ihren schnellen Schritten knirschte der Schnee. Der Winter hatte Rawa heimgesucht. Noch immer waren die Auswirkungen des Sieges über die Krone zu spüren. Einer ihrer Begleiter öffnete die Tür. Sie ging hindurch, stieg die Stufen hinauf. Selena betrat die Kammer des zum Vorposten umfunktionierten Gehöfts. Die Wachposten nahmen Haltung an. Eilig schritt sie an ihnen vorbei.
In der Kammer stand ein Feldbett, das an den offenen Kamin gestellt worden war. Auf einem wackeligen Tischchen stand eine Schüssel mit heißem Wasser. Dampfschwaden stiegen auf. Lappen lagen drin.
Im Feldbett lag ein Mann. Ein Mensch um genau zu sein.
Sie kam näher, schaute in sein Gesicht. Es war jener Mann aus ihrer Vision. Soldaten der Wachmannschaft hatten ihn gefunden und ihn unverzüglich ins Gehöft gebracht. Ein Heiler, ein Elb, behandelte den Fremden. Der Befehlshaber entsendete einen Boten.
Als Selena die Nachricht erhielt, brach sie sofort auf.
Er war es. Daran bestand kein Zweifel. „Ist er transportfähig?“, wollte sie vom Heiler wissen.
„Wenn er die Nacht überlebt und das Fieber abgeklungen ist, Ja.“
Sie nickte, schaute den schlafenden Mann an. Dann verließ die Albin die Kammer, trat hinaus in die kalte Nacht und ging ein paar Schritte, blieb stehen, schaute über die flache Landschaft hinweg bis zum Horizont.
„Die Späher haben keine weiteren Spuren gefunden.“ Hauptmann K`reuk stand neben ihr. „Treibeis hat sich gebildet. Seine Verfolger haben wahrscheinlich nicht überlebt
„Möglich.“, entgegnete sie leise. Ohne darauf einzugehen schwieg K`reuk. „Späher sollen die Uferlinie absuchen.“
„Wie ihr wünscht.“
„Ich will nur sicher gehen.“, verteidigte sie den Befehl ohne Nachdruck. „Schickt einen Boten zu General Berak und Nava.“ Selena blickte zum Horizont.
„Welche Nachricht sollen die Boten ihnen überbringen?“
Am anderem Ufer wartete Leena auf die kommende Eiszeit. Das Meer würde frieren, das war der Lauf der Gezeiten. Dagegen waren Sie machtlos.
„Sie kommen.“
Die Rache der Orin stand bevor.
______________________________________________________

-Ende-
© by Alexander Döbber

geplante Fortsetzung "Die Rache der Orin"
 
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Kommentare  

Hallo Petra.

Ein großen dickes Lob an dich.
Freut mich dass die "Selena" gefallen hat.

"Die Rache der Orin" ist in der Mache.

Hab bloß eine kleine Blockade.

Würde mich freuen wieder von dir zuhören.

MfG


Alexander Bone1979 (30.12.2010)

Ein schönes Ende, obwohl man ja ahnt, dass das Abenteuer weiter gehen wird. Hast du toll geschrieben und es hat mir sehr gut gefallen.

Petra (29.12.2010)

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