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Tetrisboy

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Aufgeregt hackten meine Finger in die Tasten, als ich meinem Kumpel Michi schrieb, wie der Abend mit meiner Flamme verlief. Es war ein schöner Abend, allein schon deswegen, weil ich IHN sehen konnte. Aber ein wenig enttäuscht war ich ja schon, weil nichts an dem Abend lief. Obwohl, ganz richtig ist das nicht. Es lief eine ganze Menge... Das Radio, der TV und eben auch der PC. Aber das meine ich natürlich nicht.

Ich schrieb also meinem Kumpel unter anderem folgende Zeilen:

"Und dann lehnte er sich bequem in die Couch zurück und ich dachte, dass es jetzt endlich rund geht. Nix da. Er meinte nur:"Jetzt zeige ich dir mal, wie gut ICH Tetris spielen kann." und nahm flink sein Notebook in die Hand und spielte drauf los. Und das war es. Tetris hatte er nun wirklich gut drauf, aber andere Steckspiele scheint er nicht zu kennen."

Immer noch leicht erbost sendete ich die message ab um einige Minuten später einen Anruf von Michi zu bekommen. Ich hörte nur ein schallendes Gelächter und als er sich einkriegte, da meinte er japsend, dass sein Bauch schon weh täte, da ich angeblich so lustige Mails schreiben würde und er dann direkt einen Comic vor den Augen gehabt hätte. Lustig fand ich das in dem Moment wirklich nicht, aber wir unterhielten uns ganz gut, so dass es mir nach dem Gespräch besser ging. Michi ist nämlich ein toller Kerl mit dem Herzen am richtigen Fleck. Er gab meiner Flamme den Namen "Tetrisboy", so dass ich wenigstens auch wieder lachen konnte.

Michi zog mich die folgenden Tage also immer wieder mit Tetrisboy auf und tippte sich an die Stirn, als ich ihm erzählte, dass die nächste Verabredung vor der Tür stehen würde.
Er meinte nur noch, dass der Kerl eine Macke habe und wollte schon seinen Joystick vom Dachboden holen, damit man gegeneinander Tetris - was auch sonst - spielen könnte. Ich lehnte ab.

Das Date war fabelhaft. Ich wurde bekocht, wir schauten eine DVD und dann... wurde wieder Tetris gespielt. Ich dachte echt, es hackt gleich und war dann doch relativ froh, dass ich den Bus nach Hause nehmen konnte. So hatte ich mir das einfach nicht vorgestellt.

Ich konnte die Nacht kaum schlafen und als ich endlich einnickte, da träumte ich von ihm. Wir gingen Hand in Hand durch New York und bestaunten die Skyscraper. Doch plötzlich bebte die Erde und riesige Klötze kamen vom Himmel und schmetterten auf den Boden. Die Klötze hatten verschiedene Formen und passten mal mehr, mal weniger in die Infrastruktur von Big Appel. Wir waren im TETRISLAND!!! Ein schmaler großer Klotz trennte uns. Ausgerechnet so ein großes Exemplar. Beim Tetrisspielen freut man sich über soetwas, nicht aber wenn diese langen Dinger vom Himmel geschossen kommen und zwar mit solch' einer Wucht, dass selbst der Welttetrismeister ins Schlottern gekommen wäre. Ich befürchtete noch Schlimmeres. Es kamen immer mehr Tetrissteine vom Himmel und würde ich nicht langsam mal springen, dann würde ich erstens meinen Tetrisboy aus den Augen verlieren und zweitens entweder plattgemacht oder verschwinden. So ist das nämlich bei Tetris, wenn man eine Reihe bekommt... Schweißgebadet wachte ich auf und war wirklich froh, dass alles nur ein Traum war.

Einige Tage später, da hatte Tetrisboy Geburstag und ich war auch dort auf seiner Feier. Es wurde ausnahmsweise kein Tetris gespielt und als ich ihn mit Tetris aufzog, da meinte er nur, dass er kein Tetris mehr spiele. Sein Arbeitskollege meinte dann aber, dass das nicht stimme, da er jede Pause Tetris spielen würde. Meine Hoffnungen rasten genau so schnell wieder auf Null, so wie sie auch auf Hundert gebraust waren. Der Abend war aber dennoch sehr lustig. Wir tranken ein wenig Alkohol und der Arbeitskollege kotzte das Bad voll. Tetrisboy war schon eingeschlafen und meinem Kumpel war langweilig. Also ging es wieder nach Hause - allein.

Zu Hause dann stieg mir der Alkohol auch zu Kopf und ich war erstmal frustriert und beschloss eine Runde Tetris zu spielen und mich dann hinzulegen. Ich nickte weg und hatte einen angenehmen Traum. Tetrisboy und ich lagen auf der Wiese und wir küssten uns. Über uns Wolkenformationen, die Tetris spielten. Das war der romantischste Traum, den ich je hatte. Seufz.

Am nächsten Morgen war ich etwas traurig, schmiss die Kaffeemaschine an und zockte erstmal eine Runde Tetris. Irgendwie machte es ja auch Spaß.
Ich beschloss die Flamme einfach zu fragen, auf welcher Internetseite man am Besten Tetris spielen könne und vielleicht könnte man ja via PC gegeneinander spielen und eventuell beim Abzocken Eindruck schinden. So war mein Plan. Genau so. Gesagt getan, ich meldete mich auf der von ihm genannten Tetrisseite an und wir verbrachten fortan viel Zeit mit dem Tetrisspiel und trafen und dafür nicht mehr.

Und irgendwie habe ich Spaß an Tetris bekommen und mache nichts anderes mehr. Ich bin quasi Tetrisinfiziert. Mein letzter Kumpel, den ich noch habe, ist schon ganz genervt, weil ich immer Tetris spielen möchte. Und dabei singe ich dann auch noch. Aber es macht einfach zu großen Spaß. Ich habe keinen Sex mehr, keine Lust mehr rauszugehen und esse kaum noch. Freunde habe ich auch bald keine mehr. Tetris ist zu meinem Lebensinhalt geworden und ohne Tetris wäre mein Leben arm.

Ja, ich spiele gerne Tetris, nach Möglichkeit jeden Tag. Gegen den PC, gegen Freunde (natürlich nur Tetrisfreunde, andere habe ich ja nicht mehr), gegen fremde Tetrismitspieler und ganz besonders gern gegen ihn.

Ich bin eben jetzt auch ein waschechtes Tetrisgirl.

Und wenn wir alle nicht gestorben sind, dann spielen wir auch noch heute Tetris. Andere Steckspiele sind doch öde.
 
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Kommentare  

Tetris: Einmal angefangen - nie mehr gestoppt. Ich
hab es zwar, nachdem ich vor ca 20 Jahren damit
angefangen habe, irgendwann wieder davon
loszukommen. Aber vor einiger Zeit habe ich damit
wieder angefangen und könnte es wieder den
ganzen Tag lang spielen.


Homo Faber (18.06.2011)

Ein guter Text. Witzig und durchaus ernst zu nehmen.

Petra (16.06.2011)

Hallo Sabine,
in einer lustigen Satire sollte es sogar ein wenig überzogen sein, damit man auch bei einem ernsten Thema so richtig schmunzeln kann. Deine Story finde ich völlig o.k.
LG. Michael


Michael Brushwood (15.06.2011)

Man kann das Rad nicht neu erfinden. schaut mal, was ich eben beim googeln gefunden habe:

http://www.youtube.com/watch?v=42a9TcoPQB8

Lustig ist es aber


Sabine Müller (15.06.2011)

Hallo, vielen lieben Dank für die Kommis und es freut mich, dass euch die story gefällt. Aber davon abgesehen ist Internet, Spielsucht etc. wirklich gefährlich und führt dazu, dass die Menschen sich isolieren. Das ist traurig. Und genau das wollte ich auch mit der Geschichte darstellen. Natürlich ist alles ein wenig überzogen und ich nehme die Protagonistin aufs Korn.
LG Sabine


Sabine Müller (15.06.2011)

Da steckt wirklich eine ganze Menge Wahrheit in deiner sehr gelungenen Schmunzelstory.
Diese Spielsucht ist wirklich ein ernstes Problem, da sie krankhafte Züge annehmen kann. Ein sehr gefährliches Phänomen in unserer Gesellschaft.
LG. Michael


Michael Brushwood (15.06.2011)

Genial!
Steckt viel Wahrheit in deiner vordergründig witzigen Story.
Genau das ist die Realität(sentfremdung) bei vielen Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen.
Hast mich sehr beeindruckt mit deinem Text!


Geminus (15.06.2011)

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