36


53 Seiten

The quiet Men

Romane/Serien · Nachdenkliches · Winter/Weihnachten/Silvester
The quiet Man - Eine Novelle in fünf Akten






>Erster Akt<


Es lag Schnee. Die weißen, glitzernden Flocken lagen aufgetürmt auf beiden Seiten der gut ausgebauten Straße, die der alte Saab entlang fuhr. Nicht sehr schnell, auch wenn sich der junge Erwachsene hinter dem Steuer nicht so recht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten wollte, die verboten schneller als 70 Kilometer in der Stunde zu fahren, meist noch langsamer. Auch wenn die Straßen geräumt waren und sich der Himmel wolkenlos über der hochplateauartige Landschaft spannte, produzierte der Wind einige Schneeverwehungen.
Die Musik die das Autoradio abspielte war schon alt. Die Band hieß damals in den 1970er Jahren Pink Floyd, auch wenn der Fahrer kein Kind dieser Zeit war, hielt er diese für eine der besten Bands die in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts Lieder veröffentlicht hatte. Die verlockende Möglichkeit Tonbänder hören zu können, hatte einen Aspekt dargestellt, als sich Andreas für diesen Wagen entschieden hatte. Damals, als dieser Saab 900 vom Fließband gerollt war wurden Autos noch mit Kassettenspieler ausgestattet, diese waren schon seit Jahren überholt, erst die CD, dann später die digitalen Möglichkeiten, zum Beispiel die USB-Technologie, hatten dazu geführt, dass sich heute kaum noch jemand mit Tonbändern abgab.
Der Geruch von Bier stieg ihm in die Nase, kein Bier das man in normalen deutschen Supermärkten kaufen konnte roch so stark. Nicht einmal nach Alkohol roch es, nein einfach nur nach Hopfen. Es war tschechisches, schwarzes Bier, das sein Beifahrer geöffnet hatte. Hunderte Kilometer waren sie über die Autobahnen gerollt, was bei dem altersschwachen Wagen seine Zeit gedauert hatte, bis hinter die tschechischen Grenzen, wo es billiger war als in Deutschland.
David Gilmour sang gerade „Wish you were here“ als der Saab auf in ein Parkhaus ein bog und immer weiter nach oben fuhr.
Das oberste Parkdeck war nicht überdacht, kein anderes Auto war hier.
Einsamkeit.
Andreas war gerne hier, auch wenn man das von seiner Begleitung nicht wirklich sagen konnte.
Felix war mit Andreas zur Schule gegangen, nachdem sich nach ihrer mittleren Reife ihre Wege getrennt hatten, waren sie in die glückliche Lange gekommen sich in den verschiedenen Kneipen der Stadt wieder kennen zu lernen. Nun saß er neben ihm, als sein bester, oder besser, letzter Freund der ihm nicht auf den Sack ging.
Felix kurbelte das Fenster herunter, elektrische Fensterheben gab es nicht. Der so vertraute Geruch von Kerosin stieg beiden in die Nasen, ab und zu hörten sie wie ein Flugzeug startete.
Andreas hob irgendwann seine Colaflasche und zeigte auf eines mit orangefarbener Lackierung. Nicht das er sich daran hielt, dass er für das Führen eines Kraftfahrzeuges keinen Alkohol im Blut haben durfte, doch er wollte kein Risiko eingehen, wenn er nicht allein im Auto saß. „Weißt du was das ist?“
„Du bist hier der Experte,“ war die knappe Antwort.
„Darum geht es mir nicht,“ erwiderte der junge Mann mit der Schiebermütze und dem Bart, sah dem Flieger wehmütig hinterher. „Da geht der einzige Flug von hier aus, der jeden Tag nach Edinburgh fliegt.“
Schweigen erfüllte wieder das Wageninnere. Schon war das Flugzeug seinen Blicken entschwunden. Fort.

In Schottland tobte der Wahlkampf. In nicht mal einer Woche stand das zweite Referendum an, welches Schottland zu einem eigenständigen Staat machen sollte. Zumindest wenn es nach den Wünschen der SNP, der schottischen Nationalpartei ging. Und die letzten Parlamentswahlen stimmten sie zuversichtlich, hatten sie diese doch mit 57 Sitzen in Holyrood für sich entscheiden können. Auch wenn ihr Konkurrent, die Labour Party, auch auf 49 Sitze kommen konnte.
In James MacDonalds Augen war das Traurige, dass sie eigentlich keine Konkurrenten um die Wählergunst sein mussten, waren sie doch beide die Parteien der arbeitenden Bevölkerung. Nur der Punkt um die Souveränität ihres Staates trennte die beiden.
Er dachte an seine ehemalige Ehefrau, Elisabeth, sie war so strikt gegen eine Unabhängigkeit gewesen, dass sie ihre Leben nicht mehr gemeinsam hatten verbringen konnten. 1979 wurde dann die Ehe geschieden, im selben Jahr als die zweifelhafte Mehrheit der Schotten gegen die Unabhängigkeit stimmte. Zumindest wollte er dies als den wichtigsten Grund für das Scheitern seine Ehe betrachten, denn er wusste selber nicht, was war daran tatsächlich Schuld? Oder wer war verantwortlich gewesen? Die Kluft zwischen ihnen wegen ihrer unterschiedlichen politischen Meinungen die ihren Tagesablauf bestimmten, oder seine abnehmende Zeit für sie wegen seiner Pflichten als Vorsitzender des Ortsvereines?
Was würde dieses Referendum diesem Land am Ende wirklich bringen? Würde es wieder Familien zerstören und Streit an die Tische in den Stuben zaubern?
Und nun stand er hier und kämpfte zum zweiten Mal in seinem Leben für sein Land, wie er es empfand. Ein weiteres Mal würde es nicht geben. Er war jetzt 63 und ein weiteres Mal, nein die Mühlen der Politik konnten sich so langsam drehen, sie ließen sich nicht hetzen. Aber am Ende hing doch alles von der Wirtschaft ab. Ging es den Leuten gut, wählten sie gut.
Er wachte aus seinem Tragtraum auf und ging auf einen Passanten zu, reichte ihm ein Informationsblatt, als ob das nötig gewesen wäre. Fragte, ob sich der Herr denn schon entschieden hätte, wo er sein Kreuzchen machen würde. Gleichgültigkeit schlug ihm entgegen. In seinen Augen noch schlimmer als diejenigen die einfach nur dagegen waren. Einfach den Früchten der Demokratie frönen und sich keinen Deut für sie einsetzen.
Und die meisten von der Sorte waren auch nicht dazu zu bringen sich zu interessieren, geschweige denn sich zu engagieren.
Auf seine Frage, warum er es denn nicht wüsste, zog sein Gegenüber nur die Augenbraue hoch und erwiderte: „Ist doch egal, ob uns Westminster bescheißt oder unser eigenes Parlament in Edinburgh. Verbrecher sind sie doch alle.“
James MacDonald seufzte und wünschte dem Herr noch einen schönen Tag. Traurig sah er ihm nach. Er würde sich wohl nicht mehr an ihn erinnern. Während sich der Wahlkämpfer sich an alle erinnerte, nicht vergessen konnte.
Er suchte sich schon sein nächstes Opfer und wieder begann er mit seinem kurzen Vortrag, wenigstens wurde er nicht wieder abgewiesen.
Es war ein langer Tag gewesen, als MacDonald wieder nach Hause kam. Nein, eigentlich war es kein langer Tag gewesen, aber er hatte mit vielen Menschen gesprochen, sie aus ihren Sorgen gerissen und sie gezwungen wenigstens ein paar Minuten mit den Problemen ihres Staates zu beschäftigen. Er stellte den Fernseher an. In letzter Zeit kamen fast jeden Abend Umfragen in den Abend Nachrichten. Und es zeichnete sich heraus das es ein knappes Ergebnis sein würde, das am nächsten Wochenende durch das Land geistern würde.

„Das Ergebnis wird also denkbar knapp, wie hoch die Wahlberechtigung sein wird kann wohl niemand hervorsagen. 1979 hatte zwar auf den meisten abgegeben Stimmzetteln ein 'Ja' gestanden, aber die Wahlbeteiligung war so niedrig gewesen, dass letztenendes nur ein drittel aller Schotten für die Unabhängigkeit gestimmt hatten.“
Mit einem grimmigen Lächeln schaltete er den Fernseher aus. Er war gewissermaßen der Anführer der Bewegung die eine Unabhängigkeit verhindern wollte. Oder anders ausgedrückt, er war der Premierminister von Großbritannien und Nordirland und er würde es nicht zulassen, dass der Teil seines Staates sich lossagen würde, in dem die Industrie die größten Profite erzielen konnte.
Er stand vor seinem Kreis von Vertrauten, der Innenminister war dabei, jemand vom MI5 dessen Namen ihm nicht bekannt war, der Earl of Dorincourt – ein Vertreter der Privaten Wirtschaft. Nur weil sie Vertraute waren, musste er ihnen ja nicht vertrauen. Und das tat er nicht. Sie waren alles Blutsauger, aber sie hatten ein gemeinsames Ziel. Wenigstens im Moment. Aber der Premier machte sich keine Illusionen wer am Ende ihres Planes verlieren würde, wenn alles schief lief.
Und irgendwas würde schief laufen. Irgendetwas lief immer schief.

Carl O'Groats stand auf den Zehenspitzen an der Kellerwand und befestigte die rote Fahne, welche mit den Buchstaben SRA verziert worden war. Nachdem er die Nägel in die Wand geschlagen hatte und das Tuch fest war trat er zurück und bewunderte sein Werk. Die Kellerwand war nun nicht mehr zu sehen unter all den Flaggen, da war das Andreaskreuz auf blauem Grund, eine rote Fahne mit Hammer und Sichel sowie diese rote Fahne mit den gelben Buchstaben SRA.
Die Gruppe hinter ihm hatte sich um einen Tisch geschart, es waren ungefähr zwanzig junge Männer und Frauen gekommen. Die Tür war verschlossen und Martin hatte in einem Anfall von Paranoia beschlossen die Raum mit Eierkartons zu bekleben um ihn Abhörsicher zu machen. John wollte deren Wirkungsweise nicht so ganz glauben, aber wenn es ihm half, es scherte ihn nicht wirklich. Er machte keinen Hehl aus seinen Überzeugungen und war davon überzeugt das ihn der Staat verfolgte. Aber diese Aktion überstieg alles was er bisher unternommen hatte, die paar Graffities an Wänden von Banken. Er kannte nicht einmal die Person die all dem stand, er stand nur mit einem Bekannten in Kontakt der sich in dunkle Klamotten kleidete und meistens mit einer Kippe im Mund am Hafen herumlungerte.
Die Straßen rund um den Hafen von Leith waren nun wirklich keine Orte, an dem man sich nach Sonnenuntergang aufhalten sollte.
Er lauschte der Stereoanlage, wo die Oi! Band Angelic Upstartsvor sich hin spielte und Thomas Mensforth mit ungewohnt ruhiger Stimme sein Lied sang.
Er schloss nochmal die Augen bevor er sich umdrehte und versuchte sich zu beruhigen. „So Leute, ich denke wir können anfangen.“
Er sah in die Runde und war sich auf einmal seiner Sache nicht mehr sicher. Aber es gab kein Zurück mehr. Er sah nochmal seine „Zelle“ an. „Was wir hier machen ist übrigens illegal. Also wenn hier jemand noch weg will, sollte er es besser jetzt machen. Wir können wir uns keine losen Enden leisten.“
Er hatte sie alle persönlich eingeladen, er wusste nicht was er noch machen sollte um sich bedeckt zu halten. Da war Martin, sein ältester Freund, William, Ellen. Jane. Der einzige bei dem er sich nicht so recht sicher war ob er ihm trauen sollte war Fred. Er war ein guter Kerl, absolut loyal, aber er bekam es leicht mit der Angst. Aber niemand verließ den Keller, er hoffte das er nicht ins Detail gehen musste, er hoffte einfach das die Ankündigung das etwas, das in einem Keller geschah und illegal sein würde nach etwas Ernstem klingen würde.
„Gut. Bald ist das Referendum und schon jetzt bilden sich im ganzen Land ähnliche kleine Gruppen wie wir hier. Wir haben aus dem letzten Versuch gelernt, wir müssen auf krumme Aktionen von Seiten Westminsters rechnen. Es darf nicht wieder so enden. Dann müssen wir uns wehren.“

Steven Agee lehnte an seinem Auto und rauchte seinen Zigarillo. Er lies seinen Blick nicht vor der Polizeiwache Snow Hill. Ein paar seiner Kollegen vom Fernsehen standen vor den Eingangsstufen und warteten darauf, dass jemand heraustrat, den sie vor die Kamera zerren konnten und ihm einige Worte in den Mund legen könnten.
Er verachtete diese Fernsehleute. In seinen Augen waren es Aasgeier, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun hatten als ihre journalistischen Werte zu verraten und auch das kleinste Ereignis auf zu blähen und sei es nur um der Quoten Willen. Nicht das er wirklich besser war, vielleicht ein wenig. Die Zeitungsleute waren im Vorteil wenn es zum Kampf um die Neuigkeiten ging. Er konnte sich einfach auf eine anonyme Quelle beziehen, etwas dem Fernsehen schon viel schwerer viel, denn wer wollte sich schon vor die Kamera stellen um der Presse etwas mitzuteilen, nur um dabei seinen Job zu riskieren? Nein, er hatte seine Informanten. Hier und da eine kleine Gefälligkeit, jemanden in seinem Artikel in besseres Licht rücken, ihm etwas mehr Ruhm zuschreiben und er hatte seine Quelle.
Er würde sich nicht dazu herablassen sich zu der blutlüsternden Meute am Eingang zu stellen.
Er klappe einfach sein Handy auf und rief eine Nummer in seinem Kurzwahlspeicher an. „John? Ja, ich stehe vor der Tür.“ Er schwieg als er dem Polizisten im Inneren des Hauses lauschte. „Super.“ Beinahe hätte er schon aufgelegt, da fiel ihm noch ein: „nimm die Hintertür. Der nächste der vorn herauskommt, wird gefressen.“
Fünf Minuten später lehnte sich der schon etwas betagte Kriminalbeamte neben ihm und der Ford kippte noch ein wenig weiter zur Seite unter seinem Gewicht.
Mit einer billigen Zigarette im Mund sah John zum Eingang herüber. Kein Wort der Begrüßung, keine Notwendigkeit Namen zu benutzen.
Nach einer oder zwei Minuten brach Agee das Schweigen: „Du hast was für mich?“
„Natürlich.“ Er nuckelte an seiner Zigarette. „Die Meute will ja wirklich Blut sehen.“
„Hab ich dir doch gesagt. Weißt du warum sie da stehen?“
Ein Schnauben. „Unsere Jungs haben heute mal bei der Vorstandsetage von BP vorbei schauen dürfen. Es scheint so als wäre da jemand gierig geworden.“
„Steuerhinterziehung?“
„Viel schöner. Der Kerl hat Gelder veruntreut. Wir sprechen hier von Pfundbeträgen in Millionenhöhe. Das Beste an der ganzen Sache ist aber, dass niemand weis wo das Geld hingekommen ist. Es ist verschwunden.“
Agee pfiff durch die Zähne. Er hätte nicht gedacht das BP überhaupt noch so viel Geld besaß, nach der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko war das Unternehmen nicht mehr auf den rechten Ast gekommen. Nicht das es lange dem Bankrott nahe gewesen wäre, dafür war BP für die britische Wirtschaft zu wichtig als das es sich der Staat leisten könnte es pleite gehen zu lassen. „Hat BP nicht in letzter Zeit viel Geld vom Steuerzahler bekommen? Kann es sein, dass er dieses Geld in seine Tasche hat fließen lassen? Und wer ist es überhaupt?“
„Wer es genau ist kann ich dir nicht sagen, ich weiß nur das er mit dem Management der schottischen Ölförderung zu tun hatte. Ich kann mir schon vorstellen das er an die Beträge gekommen ist, schließlich liefen große Teile des Betrages an die Personalabteilung und der kostspieligste Bereich ist nun mal die Ölförderung.“
„Was habt ihr gegen ihn in der Hand?“
Wieder eine Pause, John überlegte wie viel er erzählen konnte. „Eigentlich nicht genug. Wir haben genug um seine Konten zu durchstöbern oder Bankschließfächer, sein Büro und seine Wohnung, wenn er woanders noch Unterlagen hat, kommen wir da nicht heran. Wir sind drauf gekommen als uns das Finanzamt den Tipp gab, dass es eine Lücke in der Steuererklärung gab.“
Agee hatte so seine Zweifel ob die Aktion gut gehen würde, nicht aber am Wahrheitsgehalt seiner Quelle, aber ein Bonze wie der Beschuldigte hatte genug Geld um sich eine Armada von Anwälten zu leisten, die ihn schon irgendwie aus der Misere ziehen würden.
Ein Seufzer bestätigte seine Vermutung. „Ich kann es mir kaum vorstellen, die Kerle sind viel zu gerissen als sie erwischen zu lassen. Und selbst wenn wir was finden und es verwenden können ist er bis dahin über alle Berge.“
„Danke. Ich schulde dir was.“
Mit der Bemerkung, es sei gut, dies zu wissen lies John Agee allein. Er beobachtete noch eine kurze Zeit lang die Journalisten am Haupteingang der Wache, die allmählich unwillig wurden noch länger in diesem kalten Wetter herumzustehen, dann lachte er kurz, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
In London war immer Stau, erst Recht wenn man Nachmittags aus dem Zentrum heraus wollte stand man mehr als das man fuhr. Warum fuhr er überhaupt mit dem Auto? Es war bequem und wenn er sich entsinnte was er schon alles in der U-Bahn erlebt hatte, wollte er nicht auf diesen kleinen Luxus verzichten, auch wenn es einiges kostete. Wenigstens wurde hier im Straßenverkehr nur selten einer vor den Zug, oder besser Bus gestoßen der ihn dann zu ein paar mehr oder weniger großen Klumpen Matsch verwandelte. Er hatte sich schon lange genug mit dieser Art des Journalismus herumgeschlagen. Früher, als er noch jung, idealistisch und frisch von der Universität war, da hatte er solche Geschichten aufgespürt und recherchiert ohne Ende, nur um dann festzustellen das zwar jeder über solche Zwischenfälle seufzte, sich aber niemand dafür interessierte warum jemand sich umgebracht hatte, warum jemand nur aus sogenanntem Spaß vor einen fahrenden Zug gestoßen wurde und warum dies nicht verhindert wurde.
Nein, er wollte jetzt lieber über Themen schreiben die weniger emotional waren, aber nicht minder spektakulär.


>Zweiter Akt<


Carl O'Groats wünschte sich er wäre nie in den schwarzen Geländewagen gestiegen, der ihn jetzt durch die Pampa transportierte. Draußen war es helllichter Tag, zur Abwechslung schien die Sonne strahlend über den Central Belt, aber so gut wie kein Sonnenstrahl verirrte sich durch die getönten Scheiben in das Wageninnere. Auch wenn die Rückbank luxuriös ausgestattet war, bedrückte dieser Wagen ihn. Neben ihm saß ein ihm unbekannter, nicht viel älterer Mann. Wie Carl sah er aus als würde er sich in seiner Kleidung nicht so recht wohl fühlen, hatte aber offenbar wie er auch beschlossen den Wünschen seines Gastgebers Folge zu leisten und sich in Schale zu werfen. Keine abgewetzte Lederjacke wie sonst trug Carl, über seinem Hemd trug er ein Jackett, das ihm zu groß war. Er war es nicht gewohnt sich so zu kleiden und er wollte sich auch gar nicht dran gewöhnen. Im vorderen Teil des Wagens saßen zwei glatzköpfige Männer in schmucklosen Anzügen. Sie waren groß und es schien, als wollten ihre Oberarme stets ihre Kleidung sprengen. Es waren genau die Leute von denen Mann sich in Acht nehmen musste, die wesentlich subtiler Vorgingen als die Schläger vor Diskotheken.
Eisiges Schweigen erfüllte den Wagen, da blinkte der Fahrer und fuhr links an den Straßenrand. Der Beifahrer stieg aus und öffnete die Hintertür und reichte ihnen zwei schwarze Stoffstreifen. „Augen verbinden.“
Sein Tonfall lies keinen Zweifel aufkommen. Eingeschüchtert nahm Carl seine entgegen und sah ihn misstrauisch an. Nur einen Augenblick. Der Blick seines Gegenübers war kälter als arktisches Packeis. Er schluckte, noch konnte er einfach aussteigen und alles wäre nur ein böser Traum gewesen. Der bohrende Blick half ihm bei seiner Entscheidung, er legte sich das Tuch über die Augen und verknotete es hinter seinem Kopf.
Es dauerte nicht lange, dann schlossen sich wieder die Türen und er spürte wie der Wagen sich in Bewegung setzte. Sie fuhren offenbar noch eine Weile durch den Stadtverkehr dann kamen sie aus der Stadt heraus, ein Feldweg folgte. Dann hielt der Wagen.
„Endstation. Sie können die Augenbinden abnehmen.“
Erleichtert folgte Carl der Aufforderung, bevor er ausstieg sah er sich um. Er befand sich in mitten von Wiesen. Für ihn als Stadtmenschen war es die Wildnis. Als er auf der anderen Seite durch die Scheibe sah, fiel sein Blick auf das Herrenhaus.
Er folgte dem Mann der ihm die Augenbinde aufgezwungen hatte in das Haus, der Fahrer kam hinterher. Zwei Aufpasser. Doch statt in einen prunkvollen, altehrwürdigen Salon wurden sie die Treppe herab geführt und in einem kleinen Raum allein gelassen.
Das war also die berühmte britische Höflichkeit, in einem kalten und feuchten Kellerloch allein gelassen um dort auf einen geheimnisvollen Gastgeber zu warten.
Er wagte einen Seitenblick auf seinen Begleiter, der sich ganz offensichtlich nicht wohl in seiner Haut hier fühlte. Carl öffnete den Mund um etwas aufmunterndes zu sagen, da öffnete sich die Tür hinter ihnen und eines der beiden Muskelpakete wies sie an den Raum zu verlassen.

Es war schon lange her. Er fuhr mit einem weißen Ford eine viel befahrene Straße entlang und er wusste das es nicht die beste Idee gewesen war sie zu nutzen. Er kam am Flugplatz vorbei. Er war wunderschön unter dem leicht bewölktem Himmel, das Feld bedeckt mit Schnee der vom böigen Wind immer wieder aufgewirbelt wurde.
Aber konnte seine Gedanken weder auf die Straße konzentrieren, noch auf den Flugplatz. Er hatte Flugzeuge geliebt seit er denken konnte. Nein, heute kamen sie ihm nicht in den Sinn. Er dachte an sie. Sie war eine schöne junge Frau und er war mit ihr unterwegs gewesen, in einem anderen Land, in einer weit entfernten Stadt. Viele Kilometer Autobahn hatten sie zurück gelegt, es war komisches Wetter gewesen, es war kalt und doch hatte dies keiner von ihnen gemerkt. Sie hatten sich zu der Zeit kaum gekannt. Dann waren sie gemeinsam zufällig in der Stadt gewesen. Die Kneipe in der sie gewesen waren, lag etwas außerhalb der Innenstadt, nur ein oder zwei Busstationen entfernt. Sie hatten sie oft genutzt. Er hatte starkes, dunkles Bier getrunken, sie hatte Cidre bevorzugt. Doch er hatte es kaum geschmeckt, war es bei ihr auch so gewesen? Er hatte nur Augen für ihr Gesicht gehabt, ihren dünnen Mund, ihr Nase, die ordentlichen Haare, die dunklen Augen hatten ihn nicht los gelassen. Und dann hatte er sie bekommen. Zusammen mit ihr hatte er seine besten Zeiten durchleben dürfen. Die Schule hatte er verlängert, die Mittlere Reife gut geschafft, das Abitur war aber kaum so schön anzusehen. Aber er hatte trotzdem einen Beruf gefunden der ihm gefallen hatte. Auch wenn er sich bis zum Schluss nicht sicher war ob es die richtige Wahl gewesen war. Seiner Ansicht nach war es aber die einzige wirklich sinnvolle Möglichkeit gewesen einen Beruf zu finden in dem er konkurrenzfähig war. Viele Talente waren ihm bescheinigt worden, aber keines war herausstechend. Er hatte sich in vielen Bereichen engagiert, war in die Politik gegangen, wie sein Vater. Er hatte ehrenamtlich als Sanitäter gearbeitet. Für Museen hatte er Filme gedreht, seine Kreativität war wollte nicht so recht zu ihm passen, sie war ein wenig konventionell, fast schon konservativ. Jedes Mal freute er sich wenn jemand ihm erzählte was von seinen Werken gehalten wurde. Er schätzte jede Beachtung die ihm die Welt entgegen brachte, ob sie gut war oder schlecht. Und er kannte neben seinen vielen Begeisterungen eine Leidenschaft die hervorstach. Er liebte Schottland. Er hatte sich geschworen alles für dieses Land zu geben, wenn Schottland ihn bräuchte, wäre er da. Der Fisch in Bastogne war reichlich gewesen. Sie hatte ihren Teller nicht ganz aufgegessen. Der Abend war schön gewesen, der Sommer in diesem Jahr war schön gewesen, sie war schön gewesen. Der Wind auf der Terrasse wurde irgendwann kalt. Die Fahrt durch Belgien nach Hause führte über Landstraßen. Er war kein guter Autofahrer, liebte aber das fahren.
Andreas schüttelte den Kopf und leerte sein Glas Whisky, die Gedanken an Anika konnte er einfach nicht aus seinen Kopf vertreiben.
Er stellte das Glas auf die Kommode, zog sich aus und schleppte sich ins Bett. Es war seltsam leer. Auch wenn er mittlerweile wieder daran gewöhnt sein sollte allein zu schlafen, eine Woche war es nun her.
Unter der Bettdecke wälzte er sich hin und her. Immer wieder versuchte er es sich bequemer einzurichten, legte sich auf die rechte Seite, auf die Linke. Das liegen auf dem Bauch hinderte ihm ruhig zu atmen, wenn er auf dem Rücken lag fühlte er sich als würde er in einem Sarg liegen.
Ungefähr eine Stunde später stand er wieder auf. Mit völlig verquollenen Augen, in die seine Haare hingen, lies er sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und stöpselte seine Kopfhörer ein. Nachdem er sich seine Playlist am Computer erstellt hatte, schaltete er jedes Licht am PC aus und legte sich wieder ins Bett. Die Beatles spielten „In my Life“.
Irgendwann spürte wie der Alkohol seine Wirkung tat und langsam driftete er in den Schlaf herüber.

Der Premierminister saß auf heißen Kohlen. Er hätte vielleicht doch selber gehen sollen, aber im selben Augenblick wusste er, dass es auf diese Weise besser war. Wenn er selber gegangen wäre hätte man ihn gesehen und ihn erkannt. Das konnte er auf keinen Fall riskieren. Sein Vorhaben war schon so brisant genug, nicht auszumalen wenn es noch vorher wegen eines Besuches in einem Pub im Londoner East End scheitern würde. Selbst wenn niemand wüsste warum er dort war, man hätte sich doch gefragt was er allein in einer solchen Absteige gesucht hätte.
Selbstgefällig grinste er in sich hinein. Er saß hier schön warm und trocken in seinem Apartment in der City of London, sündhaft teuer, aber praktisch. Kaum einer wusste wer sich hinter der Adresse verbarg, er musste nicht über die Straße hereinkommen, die Tiefgarage hatte keine Kameras. Aber seinem Kontaktmann im Geheimdienst hatte der Pub, für dieses konspirative Treffen, besser gefallen. Daher hatte er Jeremy May hin geschickt. Um die Kontrolle zu behalten, hatte er ihn mit Mikrofon und Ohrlautsprecher verkabelt.
Er hörte in Dolby Suround wie der Mann den Pub betrat, es war laut in dem namenlosen Etablissement und er konnte kaum hören wie May murmelte das er ihn gefunden hatte und sich an seinen Tisch begeben würde.
„Du weißt was du zu tun hast,“ wies der Premier ihn an. Keine Antwort. Dann: „Ich glaube nicht das es hier ein besonders guter Ort ist für unser Treffen.“
Husten. „Sollen wir uns vielleicht in einer einsamen, völlig stillen Seitenstraße treffen? Oder vielleicht noch besser mitten auf der Themse auf einem Boot? Da wo jeder zuhören kann? Hier ist es voll, keiner kann uns hören. Also fangen sie an.“
„Sie wissen worum es geht. Mein...“ Pause. „Auftraggeber, hat ihnen gesagt was passieren soll.“
„Ach ja. Also meine Organisation verfügt über bestimmte Mittel und Wege, das zu arrangieren, aber es wird nicht einfach.“
„Ich verstehe.“
„Nein, das bezweifle ich. Was von uns verlangt wird ist in hohem Maße illegal. Haben sie eine Ahnung was passiert wenn das herauskommt? Unser Verein hat über 2000 Mitarbeiter. Und Geheimnisse verlassen immer das Thames House. Ich kann nicht garantieren das es unter uns bleibt.“
„Es müssen nicht alle wissen, es braucht ja nur eine Hand voll Leute, die werden sie ja wohl kontrollieren können.“
„Es braucht mehr als das. Wir brauchen an jeder Urne mindestens einen von uns, sie müssen eingeschleust werden...“
Der Premier fuhr zusammen. „Er soll aufhören so offen zu sprechen!“ Er bellte dies geradezu in sein Funkgerät.
„Wollen sie unsere Absicht direkt an die Presse weiter geben? Bleiben sie um Himmels Willen vorsichtig!“
„Von mir aus,“ ein Seufzer klang durch das Mikrofon. „Es ist nicht so einfach. Wenn wir nur absolut vertrauenswürdige Mitarbeiter benutzen können, werden unsere Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Entweder suchen wir uns Unterstützung in der heimischen Bevölkerung, oder wir spannen große Teile der Firma mit ein. Das Risiko liegt bei ihnen.“
Er konnte es nicht fassen. War ihm nicht versichert worden es wäre machbar? Sollte nun die Zukunft seines Landes in den Händen von ein paar Dorftrotteln oder in denen einer inkompetenten und korrupten Behörde liegen?
„Er ist weg, Sir.“
„Das ist mir doch egal,“ war alles was dem Premier daraufhin einfiel. Sein Einfallsreichtum hatte gerade gewissermaßen den Nullpunkt erreicht.

Carl fröstelte. Nicht das es wirklich kalt war in diesem doch netterem Kellerraum, es war zwar dunkel, aber wenigstens lief eine Heizung. Sein Gastgeber hatte sich nicht vorgestellt, er saß im Schatten und es war nur seine Hand zu sehen die auf dem Tisch lag, an dem er sich gesetzt hatte. Nein, die Temperaturen waren nicht niedrig, aber die Gefühlskälte die ihm entgegen schlug war atemberaubend.
„Sie beiden haben sich sicher gefragt, wer der Koordinator ist, der in ganz Schottland, junge Erwachsene gesucht hat, die bereit sind für das Land in dem sie leben wollen etwas zu tun, und auch nicht kuschen wenn es gefährlich wird,“ sein Gastgeber hatte ein ruhige, beinahe großväterliche Stimme die Carl verunsicherte. Jemand der Personen wie die beiden Chauffeure bezahlte und Untergrundorganisationen aus hob, konnte nicht eine solche Stimme besitzen.
„Nun, ich bin es nicht. Oder zu einem Teil. Ich kann ihnen beiden versichern das ich eine tiefe Abneigung gegen die Union hege, und daher viel Geld in die SRA investiere. Ich bin eigentlich nur das Geld. Und sie wissen ja wie das ist, ohne Geld läuft in unserer Wirtschaft nichts.“
Carl schnaubte verächtlich.
Ein leises, verächtliches Lachen drang aus dem Schatten. „Ich weiß, Mr. O'Groats, sie können dem Kapitalismus nicht viel abgewinnen, aber darum geht es hier nicht, zu einem passenderem Zeitpunkt werden wir uns vielleicht darüber unterhalten. Die SRA wird gebraucht werden, da bin ich mir sicher.“
Carl misstraute dem Mann. „Woher wollen sie das wissen?“
„Carl, man muss sich unseren,“ er sprach dieses Wort mit einer Verachtung aus, als würde er von einer besonders hässlichen Schlange sprechen „Premierminister,“ noch mehr Verachtung triefte aus diesem Wort „nur ansehen, um zu wissen, das er nicht sehr viel anders ist als 1979 Mr Callaghan. Er ist schlimmer. Während Callagham nur um seine politische Macht besorgt war und nicht noch eine politische Niederlage hinnehmen konnte ist heute seine Macht nicht mal auf einer Wahl gegründet.“
Carl unterbrach ihn, er wusste das die Tory Regierung besonders in Schottland und Wales umstritten war: „Sie meinen wohl, dass er nur David Cameron beerbt hat? Das weiß ich doch alles, es ist kein Wunder das eine Regierung unbeliebt ist, die sozial Ausgaben mehr als alles andere zusammenstreicht.“
„Callagham war im Gegensatz zu unserem heutigem Premier kein Überzeugungstäter, er wollte nur retten was zu retten war. Er wusste, dass Labour nie die Allgemeinen Wahlen zwei Monate später ohne Schottland auf keinen Fall gewinnen konnte. Aber die nächsten Wahlen sind erst in drei Jahren. Callister hat Zeit sich zu etablieren. Er will keine politische Niederlage und er will kein unabhängiges Schottland. Er ist ein aalglatter Typ.“
Carl zog die Augenbrauen hoch und sah sein Gegenüber an, der ihm einen gelangweilten Blick zurück gab. Es war zwar ganz nett diese flammende Rede zu hören, aber sie war nichts neues. Das der Premier ein Engländer war, der sich am liebsten zu einem Edward Longshanks heraufspielen würde, war allseits bekannt.
„Ich habe Kontakte bis in die höchsten Kreise der Westminster-Regierung,“ fuhr der Schattenmann fort. „Daher weiß ich auch das der Premier wieder eine ähnliche Aktion plant. Wenn er das durchführen wird, ist unsere Chance gekommen, nicht ein zweites Mal werden wir aus finsteren Kämmerchen in London unserer Souveränität beraubt. Dafür braucht Schottland euch. Ihr müsst in diesem Fall dafür sorgen das Schottland wieder frei wird.“

Das Apartment konnte ja noch so luxuriös sein, aber den Stress dem der Premierminister in den nächsten Tag ausgesetzt werden würde konnte es nicht abbauen.
Nachdem May auch den Pub verlassen hatte, wies er ihn an Feierabend zu machen. Er dachte darüber nach wie erpressbar ihn die Aktion, ihn zu schicken, gemacht hatte.
Die einzige Antwort die ihm einfiel: Zu sehr. Bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses des Referendums würden sie alle dicht halten, aber danach würden manche auf die Idee kommen ihn zu erpressen. Zwar kannte kaum einer den ganzen Plan den er sich ausgeheckt hatte, aber es gab Leute wie May die trotz aller Vorsicht zu viel wissen würden. Er sah keine andere Möglichkeit ihn zu liquidieren. Aber noch brauchte er ihn.
Er zermarterte sich den Kopf auf welche Weise er dafür sorgen konnte das nicht der ganze MI5 eingesetzt werden müsste um seine Absichten zu verwirklichen. Würde es nicht reichen einfach diejenigen zu ersetzen, die am Ende die Ergebnisse aus den einzelnen Wahllokalen zusammenzählen würden? Dann müsste nur ein kleinerer Personenkreis ausgetauscht werden. Aber bei sensiblen Personen wie Bürgermeistern würde es auffallen wenn sie alle auf ein Mal eine Vertretung bräuchten.
Die schottische Regierung zu infiltrieren, die alle Stimmen sammelte ganz am Ende, wäre wohl dann erst recht unmöglich.
Der Mann vom MI5 hatte Recht, man musste nur dafür sorgen, dass unter den Wahlhelfern ein paar von seinen Leuten wären die falsche Ergebnisse durch gaben. Diese ein wenig koordinieren, damit es keine offensichtlichen Unregelmäßigkeiten, oder Regelmäßigkeiten, geben würde und niemand würde misstrauisch werden. Nur war dies teuer und riskant.

Zum wiederholten Mal beugte sich Carl über eine der Kisten die er von seinem Besuch beim Schattenmann mitgebracht hatte und anschließend sicher in seinem Keller verstaut hatte.
Sie waren voll mit sorgsam gelagerten Pistolen, Gewehren und Maschinenpistolen, alle zusammengewürfelt, wie eine Sammlung die Jahre lang vergrößert worden war und nun auf einmal in Aktion treten sollte.
Er hatte es zuerst gar nicht glauben können. Da stand ein Mensch vor ihm, in seinen Augen ein Bourgeois und redete davon das sie eine Revolution nötig sein würde, wenn Schottland nicht länger ein Teil von England sein sollte. Endlich bekam das Proletariat die Gelegelligkeit, jemanden in seinem Artikel in besseres Licht rren die falsche Ergebnisse durch gaben. Diese ein wenig koordinieren, damit es keine offensichtlichen Unregelmnheit sich zu erheben und den Managern und Mogulen südlich der Grenze seine Muskeln zu zeigen!
Nur, das Problem war, das der Schattenmann keine Revolution des Pöbels wollte. Nach seiner Meinung, nach seinem Befehl, sollte nur das Parlament die Gelegenheit erhalten sich von England los zusagen, die Aufgabe der SRA wäre dann der Schutz der Abgeordneten und ihrer Versammlung. Wenn Carl dies nun unterstützten würde, wäre er nur der Handlanger einer weiteren bürgerlichen Revolution. Er war vor die Frage gestellt worden was ihm wichtigen war, der Kampf gegen die Bourgesoise oder die Freiheit des unterdrückten Schottlands? Er war der Frage ausgewichen und hatte die Waffen angenommen. Er konnte immer noch entscheiden ob, und wie er sie einsetzen würde. Gegen das Parlament richten konnte er sie immer noch, eine sozialistische Regierung an die Macht zu putschen wäre Mithilfe einiger Freunde vielleicht auch möglich?
Er warf den Deckel auf die Kiste, verschloss sie mit einem Vorhängeschloss und ging auf die Straße. Zeit seine Zelle zu suchen. Zeit zu üben.

Er konnte sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren, es wollte ihm nichts gelingen. Er brauchte Urlaub. Andreas arbeitete hart, er machte Überstunden und seine Ferientage hob er sich immer ewig lange auf. Aber er war in letzter Zeit einfach zu, zu abgelenkt um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren zu können.
Er hasste es mit seinem Chef zu sprechen, er sprach nicht gern darüber das er Urlaub nehmen wollte, er war auch selten krank, weil er sich zu fein war sich krank zu melden.
Er überwand sich, klopfte und trat in das Büro ein. Dankbar setzte er sich in den ihm dargebotenen Stuhl am Schreibtisch nachdem er schon den ganzen Tag gestanden hatte, während er noch telefonierte und irgendwen wegen einer Lieferung zur Schnecke machte.
„Was kann ich für dich tun, Andreas?“ fragte er, nachdem er den Hörer auf die Gabel geschmissen hatte und lange ausgeatmet hatte.
„Ich wollte sie um Urlaub bitten, ich habe in letzter Zeit zu viel gearbeitet und brauche etwas Erholung,“ Andreas fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, auch wenn er wusste das er ein Recht auf seinen bezahlten Urlaub hatte, es war Dezember und er hatte schon vielleicht zwei Urlaubstage gehabt. „So schnell wie möglich, wenn das machbar ist.“
Er seufzte. „Sie haben ja Recht. Aber das geht, bis Weihnachten ist es nicht mehr weit und die Aufträge sind nicht so dicht gesät, als das wir nicht für den Rest des Jahres auf sie verzichten könnten. Sie würden doch dann ihre Urlaubstage auf einmal auf brauchen?“
Andreas nickte. „Dann kann ich also ab nächsten Montag Urlaub nehmen?“
„Ja. Wo soll es denn hingehen? Wieder nach Schottland?“
„Genau.“ Andreas erhob sich und verabschiedete sich.

James MacDonald liebte die Pubs, vor allem das „King's College“, einem urigen, von jungen Leuten selten Besuchtem Lokal fern der Touristenströme.
Er saß an der Bar und lies die Debatte im Parlament in seinem Inneren noch einmal Revue passieren, während er ein kräftiges Ale trank.
Die Haushaltsdebatten waren im schottischen Parlament die einzigen Gelegenheiten wo jeder Abgeordnete dabei war. Auch wenn ihm es nicht gefiel das sonst kaum jemand kam wenn es um unwichtigere Themen ging und er sprach, hatte er sich dem angepasst. Sein Terminplan war einfach zu voll um zu jedem Termin im Plenarsaal zu erscheinen. Es war selten das die Abgeordneten mal weniger als zwölf Stunden am Tag zu arbeiten hatten. Das Gehalt war nicht schlecht, aber in der privaten Wirtschaft würde jeder der auch nur annähernd so hart arbeiten würde das doppelte bezahlt bekommen.
James schmunzelte über seinem Bier.
Seine Partei hatte wieder richtig in die Vollen gelangt. Ihm hatte es nicht so recht gefallen, dass sein Fraktionsvorsitzender Wahlkampf gemacht hatte.
„Wir können nicht mit ansehen, wie die einen Personen immer mehr verdienen und die anderen immer weniger. Vor allem an unserem Öl bereichern sich viele Leute, aber es nützt nur einem geringen Prozentsatz unserer Bevölkerung. Wir müssen die Kontrolle über die Ölförderung in staatliche Hand bringen um die Gehälter der Manager zu kontrollieren. Seitdem BP im Golf von Mexiko eine beispiellose Umweltkatastrophe ausgelöst hat, musste Westminster ihnen massiv unter die Arme greifen, das heißt nicht der Staat hat für die Versäumnisse gebüßt die sich British Petrol geleistet hat, sondern wir alle. Der Steuerzahler hält in den letzten Jahr immer wieder den Kopf hin wenn es darum geht wichtigen Konzernen das Überleben zu sichern. Das ist ja nicht falsch, wer weiß wie es unserer Wirtschaft nun ginge wenn wir keine Finanzhilfen an die Banken und die Ölfirmen gezahlt hätten. Aber es kann doch nicht sein das wir deren Verluste finanzieren, und sie dies nutzen um aus dem Öl einen reinen Gewinn zu erwirtschaften. Wenn wir deren Verluste bezahlen sollen, dann wollen wir alle an den Gewinnen beteiligt werden, die ja aus unserem Grund und Boden stammen. Was wir daher fordern, meine Damen und Herren, ist nicht mehr und nicht weniger als die Verstaatlichung der Ölförderung um die Kontrolle über die Gewinne der Ölfirmen zu bekommen.“
In dieser Weise ging der Sermon noch eine ganze Zeit weiter, Beifall kam von Labour, die konservative Partei wies diesen Vorschlag zurück und wies darauf hin das eine solche Entscheidung gar nicht hier debattiert werden sollte, sondern da diese Entscheidung bei Westminster läge. Wo sie ja, glücklicherweise, die Regierung stellten und daher eine solche Schnapsidee wohl nicht in naher Zukunft umgesetzt wurde.
Wieder lachte MacDonald in sich hinein und schüttelte den Kopf über die Parteien. Er bestellte sich noch ein Bier.

In der Redaktion herrschte das alltägliche Durcheinander, keiner wusste so recht was zu tun war. Durch das allgemeine Stimmengewusel und die hastigen Schritte der Redakteure, wenn sie mal niemanden zusammenfalteten, klang das immer zu hörende und bald monotone klappern der Computertastaturen. Nicht zu vergessen die Empörungsschreie wenn eine der Maschinen abgestürzte und der Text nicht gespeichert gewesen war. Aber es war noch kein so gigantisches Gewühl wie unter der Woche, Samstags waren fast nur die männlichen, unverheirateten Schreiberlinge da.
Steven Agee hatte es sich in seiner Ecke bequem gemacht und war dabei den Artikel über den Veruntreungsskandal zu schreiben. Viele Informationen waren es nicht gewesen, die er erhalten hatte, aber er wusste, dass John ihm nicht mehr sagen würde.
Er versuchte über Nachrichtenagenturen etwas neues herauszufinden, aber nicht einmal Reuters war informierter als er. Daher versuchte er sich etwas aus den Fingern zu ziehen, das er, wenn schon nicht mit Fakten, wenigstens argumentativ belegen konnte.


>Dritter Akt<


Andreas saß in seinem Auto, das er am Straßenrand in einem kleinen Dorf abgestellt hatte, nicht weit von seiner Wohnung entfernt lag.
Es war früh am Morgen, die Sonne war noch nicht über den Horizont gestiegen, aber ein hellblauer Streifen am Himmel kündigte schon ein schönen Wintertag an. Nur ein paar kleine Schäfchenwolken bedeckten den Himmel, den er durch die Fensterscheibe sehen konnte, als er sich in seinem Sitz zurück lehnte und Eric Clapton zuhörte. Er liebte die frühen Stunden des Tages. Auch wenn er weit wollte, bis nach Schottland, war er noch nicht weit gekommen, gerade einmal drei Kilometer, es hatte ihn einfach zu diesem Haus gezogen.
Er wusste warum er hier war, aber er wusste nicht wie er sich verhalten sollte.
Er wollte sie noch einmal sehen und er wusste das sie früher oder später aus dem Haus käme, sie musste arbeiten. Anika ging ihm immer noch nicht aus dem Kopf, aber der Schmerz hatte nachgelassen, er hatte sich mit dem Ende abgefunden. Er wollte sich nur von ihr verabschieden wie es zivilisierte Menschen taten, bevor sie weg fuhren. Auch wenn sie nicht im Frieden auseinander gegangen waren.
Die Tür auf der Beifahrerseite öffnete sich. Andreas sah nicht hin, merkte aber trotzdem wie sich jemand auf dem Sitz niederließ.
„Wie lange stehst du schon hier?“ fragte Anika nachdem sie beide eine Zeit lang geschwiegen hatten. Das hatten sie viel getan.
„Weiß ich nicht,“ und selbst wenn er es wüsste wäre es irrelevant gewesen: „Ich fahre jetzt nach Schottland.“
„Gut zu wissen. Du hattest aber doch nicht vor mich mitzunehmen?“ Sie sah ihn an, doch er wollte nicht seinen Blick von diesem wunderbaren Himmel nehmen.
Kein Zögern: „Nein. Ich wollte mich nur von dir verabschieden.“ Dann drehte doch seinen Kopf und blickte in ihre tiefen, braunen Augen. „Genau genommen weiß ich nicht mal ob ich das wollte. Vielleicht wollte ich dir auch nur sagen das ich kein Problem mehr damit habe, wie du dich entschieden hast.“
Wieder dieses Schweigen, das so oft das Auto gefüllt hatte. Dann lächelte sie. „Das freut mich. Du bist kein schlechter Kerl, nur für mich warst du irgendwann zu...“ Sie wusste nicht so recht wie es ausdrücken sollte. „Du bist einfach so knurrig und still geworden. Das konnte ich nicht auf Dauer aushalten.“ Es klang wie eine Entschuldigung.
„Ich hab noch ein paar Sachen von dir bei mir Zuhause. Ich bringe sie dir vorbei wenn ich wiederkomme.“ Damit war die Unterhaltung für ihn abgeschlossen.
„Danke.“ Sie klopfte ihm noch einmal auf die Schulter. „Viel Spaß, dir.“ Mit diesen Worten verließ sie das Auto. Kaum das sie Tür geschlossen war, startete Andreas den Motor und fuhr los. Er sah nicht zurück, sonst wäre ihm aufgefallen das Anika am Straßenrand noch stehen geblieben wäre und ihm hinterher gesehen hatte.
Er fuhr auf die Autobahn und gab Gas, solange er noch konnte. Das einzig schöne an deutschen Autobahnen war das fehlende allgemeine Tempolimit.

Wahltag. James MacDonald hatte nicht viel geschlafen, er war viel zu nervös wegen dem Referendum. Er hoffte inständig das endlich sein Wunsch in Erfüllung ging, einen unabhängiger schottischen Staat wollte er noch erleben. Und heute war dafür die Gelegenheit. Noch einmal Wahlkampf, noch einen Tag lang Zettel verteilen, Leute überzeugen, zu den Wahllokalen schleifen. Und er war sich sicher das heute endlich der Tag sein würde, an dessen Abend er erfüllt schlafen gehen konnte. Sie hatten so hart gearbeitet, so lange in den Straßen gestanden, geredet, geflucht und gefleht das es einfach nicht sein konnte, nicht sein durfte, das sie wieder verlieren konnten.
Sogar das Wetter spielte noch mit, auch wenn MacDonald genau wusste, dass man sich in Schottland sich auf nicht sehr viel mehr als die nächsten fünfzehn Minuten verlassen konnte was das Wetter betraf. Es donnerte, wie zur Bestätigung des Wettermoderator von BBC Radio Scotland der sich über die trockenen Gewitter ausließ die den Central Belt heimsuchen würden. Nachdem er erfahren hatte, dass auf der Nordsee Stürme zu erwarten waren, widmete er sich inständig seiner Kleidung. Nicht das er sich jeden Sonntag gut kleiden würde, aber er wollte dem, für ihn, besonderen Anlass Rechnung tragen.
Als er seine Wohnung verließ, hörte er noch die ersten Töne von Eddie Vedders „Society“.
Er war enttäuscht. Aber er wusste wie lächerlich es war so zu fühlen, was hatte er denn erwartet, Schlangen vor den Wahllokalen? Nicht hier. Vielleicht in einem Entwicklungsland in Schwarzafrika, aber doch nicht in einem Industrieland, wo die wenigsten Menschen noch ein demokratisches Grundverständnis zeigen wollten.
Er war zwar nicht der erste an der Urne, aber der einzige der gerade in dem kleinem Raum war, der sonst eine Grundschulklasse beherbergte. MacDonald machte sein Kreuz und verließ den Raum, der ihm trostloser erschien als er es sich erträumt hatte.
Er wanderte durch die Straßen. Der Wind wirbelte immer wieder Papier auf. Alte Plastikbeutel stellten sich ihm in den Weg. Nur selten traf er auf andere Passanten. Er wusste wo die Wahlurnen waren und hielt sich von ihnen fern. Er fürchtete sich davor subjektive Eindrücke zu sammeln.
Es lag eine unwirkliche Atmosphäre in der Stadt. Es schien, als wenn kaum Menschen auf den Straßen wären. Trotzdem kam er immer wieder an Schatten vorbei, er sah die Menschen nicht. Er sah nur die Schatten, beleuchtet von Blitzen. Er blickte zum Himmel auf, dunkle Wolken hingen tief herab. Aber der Regen blieb aus. Eine einzelne Taube flog über seinen Kopf hinweg. Sie landete keine vier Meter weiter auf dem Kiesweg des Parks. Der Vogel pickte auf den Resten eines Brötchens herum. Irgendjemand, vielleicht eine alte Dame, musste nicht lange zuvor hier Tauben gefüttert haben. Aber ihre Artgenossen hatten sich verzogen. Unschlüssig was er machen sollte, setzte sich MacDonald auf eine Bank. Er beobachtete die Taube, die seelenruhig ihrem Mittagessen nachging. Das grau und weiß gefiederte Geschöpf lies sich nicht aus der Ruhe bringen. Es schien als würden nur die Körner für die Taube existieren. Beneidete er die Taube? Sie hatte ohne Geld, ohne Arbeit etwas zu Essen. Es wurde ihr buchstäblich nach geworfen. Keinen Beruf. Keine Verpflichtungen. James war für den Moment, in dem er gerade lebte, völlig fasziniert von diesem unglaublichen Geschöpf. Es war so unvorstellbar einfach, war ihm doch überlegen? Dieser Vogel war völlig frei, niemand schrieb ihm vor wo er zu sein hatte. James lies den Blick schweifen. Die Bäume waren kahl. Er wollte, dass die Bäume wieder Blätter trugen. Er wollte wieder sehen, wie die Distel lila aufblühte. Sie hatte sich unter die Parkbank, ihm gegenüber, verkrochen.

Carl hatte sie zuerst gar nicht gesehen. Jane hatte sich hinter einen Haufen Bücher und Blätter verschanzt. Er schlängelte sich zwischen den Tischen durch. Die neumodische Kaffeebar war dicht besetzt. Er verstand nicht wie Jane in der Lage gewesen war den großen Tisch zu verteidigen, auf dem sie ihre Bücher ausgebreitet hatte. Sie hatte den Kopf in eine Hand gestützt. Ein Kugelschreiber, den sie in der anderen Hand hielt, klopfte immer wieder gegen ihre Zähne.
Carl legte eine Hand auf ihre Schulter und begrüßte sie. Sie wandte den Kopf zu ihm und nickte. Daraufhin setzte er sich ihr gegenüber. Er musste erst einige Bücher auf Seite schieben um sie sehen zu können. Sie war über einen Block gebeugt. Oben war er mit Dingen vollgeschrieben die er nicht verstand. Universität. Carl hatte nie verstanden warum er sich auf einer Hochschule fortbilden sollte. Unter diesem Text fingen ein paar Notenzeilen an mit einzelnen Buchstaben und wirren Satzfetzen. Er hatte keinen Durchblick. Obwohl, er hatte einmal versucht die Sackpfeife zu spielen, war aber kläglich gescheitert. Kaffee trinkend saßen sie sich gegenüber. Viele Worte wechselten sie nicht. Welche denn auch? Das einzige Thema das sie verband, Politik, hatten sie schon oft genug diskutiert. Smalltalk war auch nicht sehr viel versprechend. Das Thema des Referendums war schnell abgearbeitet. Sie hatten ausgemacht das es erfolgreich sein würde. Zwei Argumente von ihr, eines von ihm. Aber sie saßen sich gegenüber. Sie war in ihre Arbeit vertieft. Sie schlürfte ihren Kaffee. Er saß da, mit dem einen Bein über dem anderen Knie. Währenddessen las er im „Scotsman“. Immer wieder schnaubte er. Wenn er schnaubte, dann schüttelte sie verstädnislos den Kopf und schrieb weiter.
Carl verabschiedete sich von Jane. Sie fragte ihn ob er am Abend in ihrer Stammlokal sein würde, wenn die Wahlergebnisse bekannt gegeben werden würden. Er bejahte.
Die fiel hinter ihm ins Schloss und er wandte sich um. Immer der Nase nach wanderte er durch die Straßen.
Die Stadt machte über viele Straßenzüge einen beinahe ausgestorbenen Eindruck. Er wunderte sich über dieses ungewöhnliche Wetter. Das Gewitter, das sich schon seit dem Morgen über die Dächer gelegt hatte, war kaum weiter gezogen. Es hatte sich nur in so weit etwas am Himmel getan, dass die Wolken tiefer hingen und von der tief stehenden Sonne milchig gelb leuchteten. Diese Farbe hatte sich auf die ganze, sonst einfach graue Altstadt übertragen. Carl rieb sich die kalte Nase. Der Wind pfiff durch die Gassen, durch die er streifte. Davon tränten ihm die Augen. Ihm fehlte der Regen, um das Wetter abzurunden. Doch Himmel öffnete schon den ganzen Tag nicht die Schleusen. Dieses Ambiente, diese Umgebung weckte in ihm ein gewissen Unbehagen. Dieses melancholische Gefühl konnte er nicht beschreiben, nicht erklären. Er konnte auch nicht sagen woher es kam. Er fingerte seinen Digital Audio Player aus der Hosentasche. Suchte ein Album, das seiner Stimmung gerecht wurde.
Er bog ab. Er spürte wie sich der Untergrund senkte. Er stieg den Hügel herab, auf dem die Altstadt gebaut war und kam in die Neustadt. Die Gebäude im neobarocken Stil säumten seinen Weg. Ihm fiel gar nicht direkt auf wohin er sich bewegte, bis er vor dem Holyrood Palace stand.
Johnny Cash spielte „The man comes around“.

James MacDonald begab sich wiedereinmal in das King's College. Im sonst so spärlich besuchten Lokal, das von Stammkunden lebte, war es überraschend voll.
Er hatte sich entschieden nicht zur „Wahlparty“ zu gehen. Für seinen Geschmack war es dort zu laut, zu voll. Hier war es so dunkel wie immer, auch wenn die BBC mit ihrer Wahlübertragung begann.
Ein dunkles Clockwork vor sich, saß er an der Bar und sah dem Wirt dabei zu wie er sich freute. „Gut zu tun?“, fragte er, als er sich mit seinem Lappen seinem Platz näherte.
„Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute auf den Beinen sein wollen, wenn gewählt wird. Eigentlich hatte ich mich auf einen ruhigen Abend eingestellt.“
„Draußen ist kein Mensch unterwegs, alle sitzen vor einem Fernseher,“ schmunzelte James, als ihm klar wurde wie lange der Wirt nicht mehr nach draußen gekommen sein mochte.
Er wandte sich von ihm ab, mit einem entschuldigenden Blick und zapfte wieder gelbe Flüssigkeit in ein Pint.
James derweil lies den Wahlkampf noch einmal vor seinen Augen Revue passieren. Verglichen mit 1979 war es nicht viel anders gelaufen. Es gab zwar weniger Menschen die gebannt zu hörten wenn in den Straßen und Sälen feurige Reden gehalten wurden, aber das lag sich daran das die Menschen weitaus informierter waren als bei den letzten Malen, zu oft hatte man die SNP gehört, zu oft war dieses Thema in den Kneipen und Restaurants der Städte diskutiert worden. Aber man hatte das Gefühl das weniger Menschen den Wahlkämpfern aufgeschlossener waren, die eigentlich gegen ein unabhängiges Schottland waren. Er hatte viel diskutiert und konnte auch so manch einen davon überzeugen, dass die Zukunft für das kleine Volk im Norden nicht in Westminster liegen konnte.
Und die Umfragen bestätigten seinen Eindruck, weit mehr als die Hälfte der Befragten war auf seiner Seite. Es war nur fraglich wie viele wirklich wählen gingen – denn der alte Grundsatz von 1979 galt immer noch: Es mussten mehr als 40% aller Wahlberechtigten zustimmen.
Im Nachhinein betrachtet war es gar nicht so schlimm gewesen wie er es sich manchmal auf der Straße gedacht hatte, nicht im Großen und Ganzen. MacDonald hoffte nur, das er es sich nicht schon wieder schöner redete, als es war.

Dennis Callister saß auf glühenden Kohlen. Zumindest fühlte sich der flauschige Bürostuhl so an. Er stand in Kontakt mit allen möglichen Leuten, zwielichtigen Menschen von denen er nicht wusste in wie weit er ihnen trauen konnte. Der wichtigste Tag seiner politischen Karriere ging zu Neige und das dicke Ende lies auf sich warten. Die Hochrechnungen im Fernsehen versprachen nichts gutes. Er hoffte, ja betete geradezu, das seine Arbeit umsonst gewesen sein könnte, aber genau das schien nicht eintreten zu wollen.
Die Wahllokale würden um Punkt Sechs Uhr Abends schließen, dann würden die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben werden. Dann würde er sich entscheiden müssen.
Die Uhren liefen weiter, ganz langsam. Die Sekunden gingen dahin, fielen in ein Meer aus Zeit.
Dann schlug es zur vollen Stunde. Mit einem Mal wurde es ganz still in diesem Raum, keinen Mucks gaben die drei Männer am Tisch von sich bis sich der BBC Moderator zu Wort meldete. Die erste Hochrechnung wurde gesendet. Der Premierminister brach in Schweiß aus. Er hatte mit allem möglichen gerechnet, aber wusste das dieses Ergebnis das schlimmste war, das er sich vorstellen konnte.
Ein Telephon wurde im zugeschoben. Der Stuhl brannte sich in sein Gesäß und er stand auf. Am Fenster stehend sah er auf die Themse herab. Der schnurlose Telephonhörer in seiner Hand zitterte und er versuchte zu wählen. Im zweiten Anlauf schaffte er es.

Es war doch immer wieder eine lange Reise nach Schottland, auch wenn er nicht die ganze Zeit fuhr. Mehr als elf Stunden verbrachte er jedes mal auf der Fähre, die ihn von Rotterdam nach Hull brachte. Jedoch waren es anschließend noch lange 250 Meilen Straße – viele davon waren nicht Autobahn nur besser ausgebaute Landstraßen, jedoch entschädigte ihn die Landschaft jedes Mal aufs Neue.
Seinen Saab hatte er in der Nähe einem kleinem Pub in Leith geparkt. Er kannte den Wirt der Old Dock Bar, Jack Smith, gut. Er hatte sich mit ihm abgesprochen und konnte ein Zimmer über dem Schankraum ein paar Tage lang für einen Apfel und ein Ei mieten.
Leith war einst einer der wichtigsten Häfen von Großbritannien gewesen, aber nach der Aufgabe des Empires war der NIedergang in den 1960er Jahren gefolgt, lange Zeit als herunter gekommenes Viertel bekannt, hatte sich die Situation jetzt wieder gebessert, so dass es sich in dem Viertel wieder ordentlich leben konnte. Nun war es wieder ein ansehnliche Labour und SNP Hochburg, wo das Leben in allem Bereichen pulsierte. Es wohnten hier zwar kaum die Reichsten, aber die Junkies gaben sich nicht mehr die Spritzen in die Hand – und es gab Arbeit. Zwar war der Hafen nur noch für Erdölförderung von größerer Bedeutung, aber mittelständische Betriebe schufen Arbeitsplätze und durch die sich wieder ansiedelnde Industrie entwickelte sich das einstige heruntergekommene Viertel wieder in ein durchaus wohnliches Viertel.
Andreas war gern hier. Er war schnell wider aus der Stadt draußen, wenn er die Firth of Forth mit einer Fähre überquerte, die alten Arbeiterhäuser aus dem ausgehenden 19ten Jahrhundert gefielen ihm und immer wieder gab es hier politische Aktivitäten. Die Old Dock Bar war ein Pub in dem es regelmäßig zwischen den Labour und den SNP Anhängern hitzige Wortgefechte gab.
Und er mochte, wie unter dem Namensschild des Pubs ein Link auf eine Website hinwies, die sich für eine Republik in Großbritannien stark machte.
Im Pub war es merkwürdig still. Die konzentrierte Atmosphäre rührte von dem Fernseher her, auf den alle gespannt achteten. Andreas sah auf die Uhr, die im verriet, dass er noch früh genug für die erste Hochrechnung angekommen war. Als er auf einen der Barhocker rutschte hob der Wirt begrüßend die Hand um nicht den Moderator der BBC Scotland unterbrechen zu müssen und wandte sich dem Zapfhahn zu, ohne den Kopf eine Sekunde länger als nötig vom Fernseher zu drehen, und zapfte ein IPA.
Kurz nach 18 Uhr wechselte dann der Fernseher das Bild und das Gesicht des Moderators wich sich aufbauenden Diagrammen. Andreas wusste worum es ging, er war froh das er es noch so früh zu einem Fernseher geschaffte hatte.
Das Diagramm mit der Überschrift „Ja“ wuchs, aber nicht so lange wie von vielen Anwesenden erwartet, nur wenige Prozentpunkte trennten die Balken. Aber die Wahlbeteiligung schien höher gewesen zu sein als letztes Mal, wo nur knapp 60% sich zu den Urnen begeben hatten – und dies war von entscheidender Wichtigkeit, denn die Spielregeln hatten sich seit 1979 nicht geändert. Sie besagten in jenem Jahr, das insgesamt 40% der Wahlberechtigten der einfachen Frage: 'Wollen sie, dass die Bestimmungen des Schottland - Gesetzes von 1978 umgesetzt werden?' zustimmten. Dank der geringen Wahlbeteiligung war es nicht dazu gekommen, obwohl 51% der abgegebenen Stimmen sich dafür aussprachen. Doch es schien so als würde es klappen, dieses Mal, viele Jahre später. Viele Jahre seit 1707.

„Das wird noch ein langer Abend,“ konstatierte einer der Gäste, den James nur vom Sehen kannte und den Namen nicht wusste.
„Hoffentlich verzählt sich keiner,“ erwiderte er und nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Sonst wird am Ende das Ergebnis noch verfälscht.“
Ein dicker Seufzer. „Ich hoffe wirklich, dass wir es dieses Mal schaffen.“
„Da hilft nur noch warten. Wenigstens geht das auszählen dieses Mal schnell.“ Noch ein Schluck Bier. „Bei nur zwei Möglichkeiten.“ James merkte aber schon wie seine Hoffnung schwand und zog sein Mobiltelephon hervor. Er rechnete gern mit Taschenrechnern, war nie gut im Kopfrechnen gewesen. „Wie hoch war die Wahlbeteiligung gewesen?“, fragte er seinen unbekannten Trinkpartner.
„Ungefähr 70%,“ war die Antwort. Die stechend blauen Augen schielten auf das Display.
„Das wird ja schon wieder eng!“, echauffierte sich James MacDonald.
„Labour wird sich ins Fäustchen lachen,“ prophezeite der Unbekannte.
„Noch ist es nicht vorbei,“ tröstete James. „Noch hat keiner das Referendum gewonnen.“

Carl O'Groats war außer sich. In der Sitzecke in der Nähe der Toiletten, in der er zusammen mit Jane, Martin, William und Ellen Platz genommen hatte, wurde es ihm zu eng. Er sprang auf und kündigte an, er wolle sich um die nächsten Getränke kümmern, bevor in Richtung Tresen davon stapfte.
„Hey, Jack!“, die Begrüßung war etwas zu überschwänglich für die Gegebenheit. Mit etwas leiserer Stimme bestellte er fünf Pints Ale.
„Und was meinst du, wird jetzt aus unserer Unabhängigkeit?“ fragte der Angesprochene, während er die Gläser füllte.
„Die kommt, da bin ich mir sicher!“, erwiderte Carl im Brustton der Überzeugung.
„Na, deine Zuversicht möchte ich auch haben,“ erwiderte Jack mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck.
Als Carl zu einem Tisch mit den Gläsern in der Hand zurück gegangen war und sich wieder auf die Bank gequetscht hatte starrten ihn die anderen am Tisch an. Und seinerseits starrte er tief in sein Pint.
„Und? Was machen wir?“, wollte William von ihm hören.
Carl spürte die bohrenden Blicke in seinem Haarschopf. Er machte den Mund auf und wieder zu. Dann: „Viel machen können wir noch gar nicht,“ antwortete er nach langem Zögern. „Erstmal. Erstmal müssen wir ein Ergebnis abwarten, das keine Hochrechnung mehr ist. Oder zumindest eines das ein bisschen genauer ist.“

In London saß Steven Agee vor seinem Fernseher und sah in den Nachrichten die Diagramme, die nur Minuten vorher auf BBC Scotland gesendet worden waren. Er interessierte sich nur noch nebenher für Politik. Seine Aufgabengebiet in der Redaktion war es schon lange nicht mehr, sonst wäre auch schon da oben im Norden und nicht in seiner Londoner Wohnung, in einem Stadtviertel, das meistens brannte.
Anschließend sendeten die Nachrichten den Bericht an dem er auch heute dran gewesen war, über den Verdrahtungskasten. Der Beamte, der vor geschickt worden war um die hungrige Medienmeute zu beruhigen, war zu bemitleiden.
Selbstzufrieden grinste er in sich hinein, er wusste alles, was er sagte und dank seiner Quelle, auf welche die Fernsehfuzzies keinen Zugriff hatten, noch ein wenig mehr. Er las des öfteren, dass sich die Polizei darüber beschwerte, dass immer wieder Informationen nach außen drangen, aber ihm gefiel genau dies.

Die Gäste der Old Dock Bar in Edinburgh wurden jäh aufgeschreckt als vor den verdunkelten Fenstern laute Gesänge, Parolen und viele Füße zu hören wurde.
Die schottische Nationalhymne „Flower of Scotland“ wurde durch die Tür hineingetragen, als jemand die Tür öffnete, neugierig auf den Zug der vor dem Fenster entlang ging. John O'Groats stand auf und verließ das Lokal. Viele andere folgten ihm.
Auf der Straße schlossen sie sich verschiedenen Gruppen an, beide klar erkennbar, entweder an den Schildern, die Westminster aufforderten nicht wieder auf den alten Trick mit der zu niedrigen Wahlbeteiligung zurückzugreifen oder auf der anderen Seite für ein einiges Großbritannien warben. Eine dritte Gruppe stand am Rand, auf dem Bürgersteig mit einem Glas Bier zumeist in der einen, eine Zigarette in der anderen Hand. Diese amüsierten sich bei der Erinnerung, welche Reaktionen der Film Braveheart 1995 in den schottischen Kinos hervorgerufen hatte.
Kaum jemand, so schien es, wollte in den Häusern bleiben – für die Wähler war das ein sehr emotionales Thema. Viele, so schien es, konnten auch nach über 300 Jahren nicht einsehen, das ihre Nation kein eigenständiger Staat mehr sein konnte, seitdem es zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch Fehlinvestitionen in Panama wirtschaftlich ruiniert worden war. Die Parlamente Schottlands und Englands hatten daher 1707 dafür Sorge getragen, das die Staaten nicht mehr nur durch eine Personalunion vereint waren.
In der Old Dock Bar sah Andreas Jack an als er auf ihn zu kam.
„Das willst du doch nicht etwa verpassen?“, wurde Andreas vom Wirt gefragt.
„Nein, eigentlich nicht. Ich weiß nur nicht so recht zu welcher Gruppe ich mich gesellen sollte. Ich gehöre doch gar nicht dazu.“
„Mach doch eine eigene auf,“ schmunzelte Jack als er die Münzen von Andreas entgegen nahm, die er ihm für sein nächstes Pint schuldete. „Nein, im Ernst. Ich erlaube auch Ausländern eine Meinung zu dem Thema, wenn sie so informiert sind wie du.“
„Na, dann geh ich auch mal raus,“ Andreas prostete Jack noch einmal zu und verlies mit einem Pint IPA das Lokal.
Blaulicht und Sirenen durchschnitten die Nacht, als die Polizei auf ihren Wagen anrückte um die immer größer werdenden Demonstrationsgruppen zu trennen, was dazu führte, dass die Sprechchöre immer lauter wurden .
Hastig gemalte Schilder und Transparente wurden getragen und die ersten Flaggen wurden ausgepackt. Hier wehten die roten Flaggen der Labouranhängern, dort wurden die gelben Symbole der SNP in die Höhe gereckt. Hier wurde der Union Jack getragen, dort die blaue Flagge mit dem weißen Andreaskreuz.

Carl O'Groats hatte sich mit seinen Freunden zum Block der SNP verzogen und behielt sein Handy in der Hand. Er fürchtete bei dem Lärm nicht mehr das Klingeln zu hören und wollte nicht das der Vibrationsalarm in all der Aufregung an ihm vorbei ging.
Er konnte gar nicht erwarten es klingeln zu hören. Vorerst konnte er aber nur seine Zeit darauf verwenden immer wieder auf die Uhr zu sehen und sich einzureden das dadurch die nächste Hochrechnung schneller erscheinen würde.
Als die Uhr endlich auf Acht Uhr Abend vorrückte wurde es wieder still. Ein jeder lauschte auf Neuigkeiten aus den Pubs der Stadt. Diese Spannung, die sich vorher in all dem Krach verloren hatte, kitzelte Carl nun in aller Stille in der Nase. Sein Nieser zerschnitt die Stille.
Jack Smith kam keine Minute nach Acht aus seiner Kneipe und rief das Ergebnis der Hochrechnung auf den Platz heraus. Dann zog er den Kopf ein, Schloss die Fenster und trieb die letzten Besucher seiner Kneipe auf die Straße.
Es hörten nicht viele was er genau sagte. Aber diejenigen die es genau verstanden gaben es weiter und es dauerte nicht lange, da waren die paar hundert Menschen auf dem Straßenzug, der entlang des Water of Leith verlief, informiert.
Es schien so als wenn Westminster wiedereinmal gewonnen hätte. Um Acht Uhr Abends prognostizierten die Hochrechnungen der British Broadcasting Corporation, das es keinen schottischen Staat in näher Zukunft geben würde.
Die Menschen auf der anderen Seite der Polizeiabsperrungen jubelten als sie ihren Erfolg entgegen nahmen.
Die Gruppe Carls war geknickt. Es waren viele Altersschichten vertreten, einige hatten schon die Niederlage 1979 verkraften müssen. Das erneut zu erleben war für sie umso trauriger, viele drehten sich um und versuchten die Menschentrauben zu verlassen. Für viele andere war es das erste Mal, das sie den Versuch nach der Dezentralisierung am Ende des 20. Jahrhunderts gescheitert ansehen mussten. Viele hofften noch auf ausstehende Wahlkreise, aber bei nur zwei möglichen Antowrten auf den Stimmzetteln würde es kaum noch große Änderungen so am Abend mehr geben, wurde ihnen von den Älteren erzählt.
In Carls Hand summte das Handy und die Töne von Scotland the Brave erklangen, auch wenn diese niemand hören konnte. Er beugte sich tief über das Handy um die angekommene SMS lesen zu können. Sein Telephon war nicht mehr das jüngste.
Als er gelesen hatte, hob er den Stein auf.

Andreas fühlte sich hilflos.
Er lag auf dem Fahrersitz seines Saabs, dessen Rückenlehne er nach ganz hinten gestellt hatte um in seinem Schlafsack darin zu schlafen.
Er war kein sehr quirliger Mensch und doch hatte er ein paar aufregende Nächte erlebt, aber nie war er die halbe Nacht unterwegs gewesen und hatte versucht sich ein Bild zu machen, wie einige Demonstranten es geschafft hatten die Polizei aus, so schien es ihm, aus halb Edinburgh zu vertreiben.
Nicht nur fragte er sich, warum es stetig mehr geworden waren, sondern auch wie sie sich bedrohlich aussehende und nicht minder einschüchternd klingende Waffen beschaffen konnten. Angesichts dieser Ausrüstung war es wohl für niemanden verwunderlich, dass die Polizdte diskutiert worden. Aber man hatte das Gefei, die in Schottland, wie auch in England und Wales nicht über Geräte wie Wasserwerfer verfügte und sich mit Schlagstöcken und Gas zur Wehr setzen musste, nicht mehr in der Lage war, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.
Zuerst war Andreas entsetzt gewesen, wie gegen die Ordnungshüter vorgegangen wurde, auch wenn er nicht gesehen hatte, das auch nur einer verletzt oder gar gestorben wäre, doch dann erreichten ihn Gerüchte, dass der Ausgang des Referendums manipuliert worden wäre. Nicht, dass er die Gewalt befürwortete, aber nun, da er die Tür aufstieß und versuchte sich aus seinem Schlafsack zu winden, überlegte er doch, ob die Reaktionen nicht doch nachvollziehbar wären.
Als sich befreit hatte, merkte er, wie kalt es war und Nebel zog von der nahen Firth of Forth herauf. Andreas verstaute den Schlafsack im Kofferraum und schloss den Wagen ab und machte sich auf die Suche nach etwas essbaren und vor allem, etwas warmen zu trinken. Da die Old Dock Bar noch geschlossen war und auch auf sein Klopfen niemand antwortete, wollte ihm nichts besseres einfallen, als in Richtung Stadt zu laufen, bis er etwas fand.
Ihm fiel zu erst gar nicht auf, das es ein Montag Morgen war, normalerweise brummte in Leith das Leben und die Straßen, die fast alle zum Hafen führten waren voller Autos, aber heute liefen die Fußgänger auf der Straße. Andreas, der kein hohes Tempo laufen wollte, wurde immer wieder von anderen Personen überholt, die entweder allein oder nur in kleinen Gruppen gingen, und bald darauf im Nebel verschwanden.
Es war gespenstisch, die Ampeln waren nicht an, die Ladenschilder nicht beleuchtet und kein Laden war offen.
Nachdem Andreas dann auf die Constitution Street einbog, erfuhr er, warum nichts darauf hindeutete, dass Montag war.

James MacDonald war krank.
Er hatte die Nacht über kaum geschlafen - obwohl er mit einem gehörigen Alkoholpegel das King's College verlassen hatte und es ihm dementsprechend nicht ganz leicht gefallen war bis in die Northumberland Street zu finden. Doch seine Erfahrung hinsichtlich des Umganges mit der betäubenden Wirkung des Alkohols hatte letztenendes verhindert, dass er irgendwo im Rinnstein endete.
MacDonald hielt sich gar nicht mehr groß damit auf sich seiner Kleidung zu entledigen nachdem er die Schuhe in der Diele abgestreift hatte, warf er sich aufs Bett und versuchte nicht daran zu denken das Morgen ein Arbeitstag auf ihn wartete.
Viel süßer Schlummer war ihm allerdings nicht gestattet, denn nach schon nach wenigen Minuten – so schien es ihm – klingelte sein Mobiltelephon. MacDonald wollte es zuerst ignorieren, aber das scharfe Schrillen bohrte sich immer tiefen in seinen Schädel, bis es sich anfühlte, als würde darin ein hungriges Stachelschwein auf und ab laufen.
Er streckte die Hand aus und wollte Licht machen, um den Quälgeist zu finden und um den Anrufer anzuschnauzen. Als er sogar den Lichtschalter gefunden hatte, nutzte ihm das Licht seiner Nachttischlampe nichts, denn seine Augen waren so verklebt, dass er nichts erkennen konnte.
Als er es endlich gefunden hatte, war er leider noch nicht aufgegeben worden. Er meldete sich mit schwerer Stimme.
„James? Hier ist Alex. Wo steckst du?“
„Im Bett, wo sonst um...“ er versuchte seinem Wecker die Uhrzeit abzuringen. „Was rufst du mich denn jetzt an?“
„Du musst dich ja schwer volllaufen lassen, wenn du das nicht hörst! Mach den Fernseher an, das glaubst du nicht.“
„Ich werde es versuchen, Alex“, meinte MacDonald noch, bevor er das Telephon in die Ecke pfefferte.
Nachdem er im Fernsehen fast eine Stunde lang die Sondersendungen der BBC verfolgt hatte, versuchte er wieder etwas zu schlafen, aber es war kaum Morgen, da war er wieder wach und nach einer weiteren Stunde im Bad, die er teils über dem Wasserklosett und teils unter der Dusche verbrachte, machte er sich auf dem Weg ins Parlament.

Carl O'Groats kochte vor Wut.
Er versuchte immer wieder, an den verschiedensten Stellen mit dem Mobiltelephon Empfang zu bekommen, aber da der Strom abgeschaltet war, war es hoffnungslos.
Aber abgesehen davon, das er sich von seinem geheimnisvollen Gönner alleingelassen fühlte, weil er nicht mit ihm in Kontakt treten konnte, dachte er, er wäre in seinem Element.
Auch wenn dies nur hieß, dass er im Kilt am Tisch in seinem Keller stand, vor einer Karte Edinburghs und hoffte, das bald seine Leute zu ihm kämen und ihn darüber aufklärten, was vor sich ging.
Als er sich gerade ein Glas Whisky einschenken wollte um seine Nerven zu beruhigen, die ein wenig überfordert waren, dass sein Verstand sich als großer Befehlshaber aufspielen wollte, hörte er Schritte die Treppe herunterpoltern und Martin schloss die Tür hinter sich.
„Ich hab mich mit dem Fahrrad umgesehen, im Osten ist nur was in Restalrig was passiert, aber dass in Portobello auch nur einer auf die Straße geht, war auch nicht zu erwarten? Ansonsten hab ich in Trinity und Granton keine Polizei gesehen. Es heißt, bis Cramond hätten wir die Polizei vertrieben.“
Carl trank sein Glas aus und strahlte über die guten Nachrichten: „Du weist aber nicht, was in anderen Städten passiert ist?“
Kopfschütteln war die Antwort: „Der Strom ist überall weg, ich habe nirgendwo mit dem Handy Empfang und niemand den ich gefragt habe, wusste was sonst noch passiert ist. Kann auch sein, das wir die einzigen sind, die den Bullen gezeigt haben, was eine Harke ist.“

In Schottland wechselte das Wetter schnell. Die gespenstische Nebelbilder des Morgens waren einem heftigen Wind gewichen, der nun Dichte Wolken landeinwärts über den Himmel wirbeln lies.
Andreas hatte Zuflucht in einem Hauseingang in der Constitution Street gefunden und sah einigen, vornehmlich jungen, Menschen dabei zu, wie sie auf der Barrikade standen, die sich vor der einen Seite der Straße bis zur anderen erstreckte. Er wusste nicht so recht was er davon halten sollte. Auf der einen Seite, freute es ihn, dass Menschen sich in einer solchen Art und Weise noch für Politik begeistern ließen und er wusste auch um das symbolische Gewicht einer Barrikade, die die große Politik durchaus beeinflussen konnte. Auf der anderen Seite konnte er aber auch nicht umhin sich Gedanken zu machen, was bedeutete es für die Menschen, die eigentlich nur ihrer Arbeit nachgehen wollten und die Politik denen überlassen wollte, denen sie ihre Vertrauen ausgesprochen hatten? Er dachte auch daran, wie oft ein Unrechtsregime auf Barrikaden gefolgt war.
Aber eines Freute ihn. Anders als in England vor einiger Zeit, als die Polizei nicht mehr die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten konnte, brach hier kein undurchschaubares Chaos aus. Vielleicht war dies ja Schottland?
Auf der Barrikade standen nicht allzuviele Leute, ein paar waren gerade an ihm vorbei gekommen und hatten auf ihre Jacken Schilder mit den Buchstaben SRA genäht, und trugen Waffen über die Schulter, andere die schon länger darauf standen hatten nur ein paar große Steine herbeigetragen, die jetzt überall verstreut lagen.
Nachdem sich Andreas sich dieses Schauspiel angesehen hatte, fiel ihm eine Szene auf, die sich wenige Meter die Straße herunter abspielte.
Zwei Personen, die die Abzeichen der SRA trugen, was auch immer das sein sollte, traten von einer Hausfassade zurück und hoben einen Stapel Papier auf, der an der Hauswand lag.
Kaum waren die bewaffneten Gestalten verschwunden, sammelte sich eine Menschentraube um den Anschlag.
Andreas überquerte neugierig die Straße und versuchte den Text zu entziffern, aber ein Kopf war ihm im Weg und er drängte sich etwas zur Seite:
„Schotten! Die Regierung in Westminster hat euch euer Recht auf einen eigenen Staat wiederholt und widerrechtlich genommen! Nehmt euch was euch gehört! Nach dem dreisten Betrug des Premierministers von England, Wales und Nordirland, muss Schottland ein Staat des Volkes werden! Sein Rat tagt heute Abend!“
Andreas war etwas überrascht, er hätte nicht gedacht, dass es dieser SRA, was auch immer sie sein mochte, wirklich ernst war und sie nicht nur auf bloße Randale aus waren, sondern sich tiefere Gedanken gemacht hatten, was sie mit ihrer Aktion vor hatten.


>Vierter Akt<


Steven Agee war noch nicht einmal aufgestanden, da war er hellwach.
Er erinnerte sich noch an seine Teenagerjahre, er hätte sich so viele Wecker stellen können, wie er wollte, aber pünktlich aufstehen war für ihn aus irgendwelchen Gründen unmöglich gewesen. Mit dem Alter aber war dieses Problem kleiner und kleiner geworden. Jetzt reichte ihm sein Radiowecker auf dem Nachttisch der ihn um sieben Uhr Morgens meistens seicht aus seinem Schlummer holte. Die kleinen Rädchen im Kopf setzten sich trotz allem nur langsam in Bewegung.
Heute aber war es als würden diese Räder schon zum Zeitpunkt des Aufwachens auf Hochtouren arbeiten, als ob jemand beim Anfahren mit dem Auto die Kupplung zu schnell losgelassen hätte.
Der Nachrichtensprecher der BBC klang atemlos, als ob er es nicht gewohnt wäre Meldungen von Krawallen und Aufständen zu verlesen, aber nachdem Agee nur ein paar Sekunden zu gehört hatte, verstand er den Mann.
„Nachdem die ersten Hochrechnungen die gestrige Volksabstimmung betreffend, veröffentlicht wurden kam es in vielen Städten Schottlands, darunter Edinburgh, Glasgow und Dundee zu Demonstrationen. Jedoch musste die Polizei um kurz nach acht Uhr Abends an vielen Stellen Kundgebungen auflösen, nachdem es deutlich wurde, wie das Ergebnis lauten würde."
Agee saß nun aufrecht in seinem Bett und versuchte sich sein Hemd zu angeln, das er am Abend zu vor achtlos zu Boden geworfen hatte. Er wollte keine Zeit verlieren, sondern so schnell wie möglich in die Redaktion fahren.
„Jedoch fiel es im Laufe des Abends den Ordnungskräften immer schwerer gewalttätige Demonstranten zu ergreifen, als sich in mehreren Städten, vor allem in Edinburgh, Glasgow, Dundee und auf den äußeren Hebriden die Unruhestifter zusammenschlossen."
Nun fertig angezogen verließ Agee, ohne Frühstück, seine Wohnung und verfluchte denjenigen, der seinen Ford zugeparkt hatte. London.

Am Montag Morgen schrieb der 'Scotsman':
„Der zweite Radical War? – Städte in der Hand von Aufständischen – Polizei in Edinburgh, Glasgow, Dundee und Stornoway machtlos!
Am gestrigen Abend kam es in mehreren Landesteilen zu Demonstrationen für und gegen die Annahme der Unabhängigkeit des schottischen Staates.
Nach der Veröffentlichung des vorläufigen amtlichen Endergebnis lösten sich viele Menschenmengen auf, jedoch wollten die Befürworter des Schottland Gesetzes das denkbar knappe Ergebnis nicht anerkennen und blieben auf der Straße.
Obwohl diese Proteste zunächst friedlich verliefen, brachen in einigen Teilen Edinburghs, Glasgows, Dundees und in Stornoway gewalttätige Tumulte aus.
Einer nächtlichen Stellungnahme von Seiten der Polizei von Lothian und Borders ist es anzunehmen, dass diese Unruhen von einer zentralen Stelle aus koordiniert wurden, da sie alle beinahe zeitgleich begannen. Ebenso rät die Polizei davon ab sich in den Einzugsbereich dieser Unruhe zu begeben, da viele der militanten Demonstranten bewaffnet wären.
Die Polizei fordert die Regierung des Vereinigten Königreichs in ihrer Stellungnahme dazu auf, den Einsatz von Wasserwerfern zu gestatten.
Um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten wird die Polizei versuchen deeskalierend vorzugehen, so ein Sprecher.
Laut Augenzeugen, waren die Ordnungshüter völlig damit überfordert, gegen die aggressiven Demonstranten mit Gas und Schlagstöcken vorzugehen. Dies vor Augen, hatten die Beamten keine andere Wahl als ganze Stadtteile zu verlassen.
Am Morgen werden sowohl das schottische, wie auch das britische Parlament zusammenkommen. Der Premierminister hat eine Pressekonferenz für den kommenden Mittag angekündigt.“
James MacDonald schnaubte, zerknüllte die Zeitung und warf sie quer durch sein Büro.
Er zog eine seiner Schreibtischschubladen auf und nahm ein dreckiges Wasserglas heraus und schob Stifte in der selben so lange hin und her, bis er seine Packung Aspirin fand. Drei Tabletten landeten im Glas und der Abgeordnete kippte Wasser darauf, wartete einen Moment und stürzte das Gebräu herunter.
Noch fühlte sich sein Kopf schwerer an als sein nicht zu unterschätzender Bauch, aber er schleppte sich in die Herrentoilette. Er war nicht allein, aber nach einem kalten Blick den er aussandte, verzog sich der Mitarbeiter eines LibDem Abgeordneten schnell.
MacDonald warf sich die blau-rot gestreifte Krawatte über die Schulter und sah in den Spiegel.

Steven Agee hatte kaum seinen Platz in der Redaktion erreicht, da lehnte sich sein gewichtiger Chefredakteur über die Trennwand, die seine Nische mit dem Gang trennte, und teilte ihm mit, dass am frühen Morgen ein Anruf für ihn eingegangen war.
Agee wühlte auf seinem Tisch herum und zog einen Zettel mit einer Handynummer, unter der stand 'Agee soll John anrufen, wichtig'. Er zeigte diesen seinem Chef. „Der hier?“
Zustimmendes Nicken, dann war Steven Agee wieder so allein, wie man in einem Großraumbüro sein konnte.
Er kannte die Handynummer, sie war in seinem Kurzwahlspeicher.
„John? Du hattest mich angerufen. Möchtest du mir endlich die dürftigen Informationen ausbessern?“
Die Stimme auf der anderen Seite war fast zu leise, als dass Agee ihn verstehen konnte: „Nicht direkt, wenn du eine Story haben willst, müssen wir uns treffen.“
„Gibst du mir einen Tipp?“
„Nein, ich bin in einer Stunde auf der Blackfriars Brigde.“ Damit legte er auf. Agee sah den Hörer überrascht auf. Normalerweise musste er immer nachbohren, wenn er etwas wissen wollte.
Genau eine Stunde später besah sich Agee den zäh fließenden Verkehr auf der Brücke, die der Polizeiwache Snow Hill am nächsten war.
John war ein paar Minuten zu spät, als er sich ans Geländer lehnte und die Themse betrachtete, die sich unter ihm in Richtung Meer wälzte.
„Du meinst du hättest eine Story für mich?“, fragte Agee, nach einem Zug an seinem Zigarillo.
„Ja,“ die Antwort war leise und wurde fast vom kaum fließenden Verkehr überdeckt. „Was hast du noch über die Veruntreuungssache herausgefunden, von der ich dir erzählt habe?“
„Kannst du nicht lauter reden? Nicht mehr als ich geschrieben hab, Reuters wusste noch weniger als ich.“
John zog eine zusammengeknautschte Akte aus seiner enormen Jackentasche heraus. „Hier, das ist nicht die ganze Akte die ich drüber hab.“
„Versteht sich,“ meinte Agee nur lakonisch und nahm sie an sich: „Was willst du dafür als Gegenleistung?“
„Das du meinen Namen daraus lässt,“ seine Stimme war kaum lauter geworden, aber sie durchschnitt nun die schneedurchsetzte Luft.
„Ist etwas besonderes, das ich wissen müsste, bevor ich was schreibe?“
„Wenn du gelesen hast, was ich dir kopiert habe, dann wirst du wissen warum ich weder meinem Arbeitgeber traue, noch dem Inlandsgeheimdienst.“
„Das geht wohl bis nach ganz oben?“
„Höher geht’s nicht.“ Mit den Worten machte sich John aus dem Staub, und Agee machte sich in die entgegengesetzte Richtung auf, nachdem er die Akte in seine Tasche geschoben hatte.

In Number 10, Downing Street versuchte der Premierminister des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, Löcher in den Teppich seines Büros zu laufen.
William Paterson saß auf dem Sofa und sah seinem Kabinettskollegen dabei zu. „Nun hör doch damit auf, wild durch das Zimmer zu laufen und die Teppiche abzunutzen,“ forderte der Minister des Inneren Callister auf, welcher sich daraufhin an das Fenster stellte und in den Garten hinaussah.
Es schneite nun, allerdings bildete sich keine liebliche Schneedecke auf der Terrasse des Amtssitzes, die fallenden Flocken mischten sich nur mit dem Regen vom Vortag und bildeten einen gräulichen Matsch, der in jede einzelne Ritze im Boden vorzudringen schien.
Während er sich das Naturschauspiel betrachtete hörte er den wenigen Menschenrechtsaktivisten zu, die sich nach dem erscheinen der Morgenausgaben der Zeitungen eingefunden hatten, um ihm mitzuteilen, dass sie die Politik seiner Polizei missbilligten, ganzen Stadtteilen Strom und Wasser abzudrehen.
Und du findest es also richtig, dass wir nur dasitzen und abwarten, bis diese,“ ihm fehlten zum wiederholten Male die Worte an dieser Stelle, da ihm mittlerweile die Schimpfwörter ausgingen: „Von alleine aus ihren Löchern gekrochen kommen?“
„Es war nicht meine Idee. Der Polizeichef meint aber, dass sie eh nichts unternehmen könnten, solange sie keine Wasserwerfer und Gummigeschosse einsetzen dürfen. Und ich stimme ihm zu, denk nur mal dran, diese Leute sind bewaffnet.“
„Wenn ich jetzt dem Parlament vorschlage, der Polizei sowas zu erlauben, jagen sie mich aus dem Haus. Wie kommen die denn auf die Idee einfach einen Aufstand zu bringen?
Was machten wir denn falsch, das seit dem wir die Wahlen gewonnen haben, ständig Leute auf die Barrikaden gehen? Und jetzt nicht nur im übertragenen Sinn?“
„Siehst du – also können wir gar nichts machen, außer abzuwarten, jedenfalls wenn du nicht die Idee hast die Armee zu schicken.“
Callister ging nicht auf den Kalauer ein: „Ich habe nicht vor Schottland in ein zweites Nordirland zu verwandeln.“
„Siehst du – also können wir nur abwarten.“ Eine Pause, die von den immer noch andauernden Protestrufen vor der Tür untermalt wurde. „Was hast du vor denen gleich zu sagen, wenn wir vor die Tür treten.“ Damit meinte Paterson nicht nur die Aktivisten, aber auch die Kameras, von denen beide fest ausgingen.
„Ich werde einfach darauf hinweisen, dass im Parlament auch Kameras installiert sind. Sollen sie sich ihre Informationen daher holen. Ansonsten, heute Mittag haben sie noch genug Zeit mich mit ihren verdammten Fragen zu löchern.“ Callister sah auf seine Armbanduhr und stand auf. „Wo wir gerade beim Thema sind, wir müssen los.“
Paterson ging zum Schreibtisch und hob den Telephonhörer von der Gabel, um dem Chauffeur Bescheid zu geben, vorzufahren.

Agee saß in seinem geparkten Wagen unweit von seinem Verlagsgebäude, gegenüber des Waterloo Bahnhofes. Er war nach seiner Unterhaltung mit John noch einmal mit der U-Bahn nach Hause gefahren um seinen Ford aus der Parklücke zu befreien. Außerdem wollte er nicht die Unterlagen in der Redaktion durchgehen, wo ihm alle Nase lang sein fetter Chef über die Schulter sehen wollte. Er schrieb seine Artikel dort, alles andere versuchte er stets, wenn es ihm wichtig erschien, wo anders zu machen.
Er lauscht noch für einen Moment Roger Daltrey durch die Lautsprecher seines Autos „Baba O'Riley“ sang und widmete sich dann der Lektüre von Johns Akte.
Sie war voller Kontoauszüge, Steuererklärungen und handschriftlicher Notizen von John. Daneben fand er noch die Zuordnungen von einzelnen Kontonummern und sehr viel mehr Bankleitzahlen.
Von Steuererklärungen hatte Agee keine Ahnung, er lies seine immer von dem billigsten Steuerberater schreiben, den es in London gab. Auf der Liste standen Namen wie dem des Vorstandsvorsitzenden von BP, der offenbar Zugang zu einzelnen Firmenkonten hatte.
Ein Auszug stammte direkt von der Bank of England und bescheinigte den Ausgang von mehreren Millionen Pfund. James erinnerte sich über das Datum, die Regierung hatte sich entschieden das Unternehmen British Petrol zu stützen, da es drohte Bankrott zu gehen. Ein solcher Verlust von Arbeitsplätzen wäre für die britische Öl Wirtschaft fatal gewesen, damit aber noch nicht genug, BP war einer der größten Arbeitgeber in Großbritannien außerhalb der Finanzbranche. Sogar die Labour Partei hatte seinerzeit zugestimmt das Geld zu zahlen, auch wenn sie zuerst dafür gewesen waren, BP Aktien abzukaufen und damit das Unternehmen teilweise zu verstaatlichen.
Mit diesen Informationen machten die wagen Andeutungen John vor wenigen Tagen schon sehr viel mehr Sinn. Jemand hatte hatte sich an Steuergeldern privat bereichert – nun wusste Steven Agee auch wer. Und die Bankleitzahlen machten ihn stutzig.

Die Halle war gut gefüllt, nicht ganz so gut wie Carl sich es erwünscht hatte, aber er konnte eigentlich zufrieden sein.
Sitzmöglichkeiten gab es nicht, also stand er in der ersten Reihe und hörte Jane zu, die von einem alten, etwas wackligen Tisch aus die Anwesenden begrüßte: „Ich möchte sie willkommen heißen, zu einer Beratung, die in dieser Form auch in anderen Stadtteilen nicht nur Edinburghs sondern auch in allen anderen Orten abgehalten wird, die seit gestern Abend in den befreiten Gebieten liegen. Viele von ihnen werden sich gewundert haben, wofür die Buchstaben SRA stehen. Wir sind die Scottish Republican Army. Verwechseln Sie uns nicht mit de IRA, während das eine Terrororganisation ist, sind wir nicht mehr und nicht weniger als eine Organisation, der das Wohl Schottlands, und Wohl der Bürger unseres schönen, kleinen Landes am Herzen liegt.
Wir werden von einer Persönlichkeit maßgeblich unterstützt, die viele von ihnen kennen dürfen, der Earl of Dorincourt. Er hat erst Gestern ein Schreiben an BBC Scotland gerichtet, in dem er offenlegt, dass das sogenannte Referendum von Gestern vom Premierminister gefälscht wurde. Er hat an den Earl viel Geld bezahlt, damit dieser seine Beziehungen im ganzen Land spielen lässt um Wahlhelfer zu bestechen, den Betrag den er dafür nicht brauchte, sollte er behalten. Darüber hinaus wurde BP, dessen, wie wir ja wissen, Vorstandschef er ist, über Jahre Steuerprivilegien in Schottland versprochen.
Also fordern wir, dass die Wahlen wiederholt werden und zwar unter der Aufsicht der Vereinten Nationen! Wir fordern, dass der Premierminister Dennis Callister zurücktritt und ich möchte sie dazu ersuchen, die Behörden dazu aufzurufen, dass niemand strafrechtlich verfolgt wird, wenn das alles hier vorbei ist, wir handeln für das Wohl aller und wenn sie heute Abend entscheiden, dass die Barrikaden aufgegeben werden sollen und wir uns nicht mehr gegen die Willkür Callisters wehren sollen, dann werden wir der Mehrheit Folge leisten! Möchte jemand etwas zu meinen Ausführungen sagen?“
Carl meldete sich noch bevor Jane ausgesprochen hatte. Um den Schein zu wahren, würden die Redner der Reihe nach dran genommen werden, also kannte er jedes Wort, das Jane in den Mund nehmen würde.
Nachdem ihm das Wort erteilt wurde, kletterte er behände auf den Tisch, der doch nicht so fest stand wie er gedacht hatte. Nach einigem ausbalancieren erhob er die Stimme, stellte sich vor und fing an zu sprechen und begann an Feuer zu fangen: „Meine sehr verehrten Mitbürger, wir sind uns ja offenbar darin einig, dass wir von der Regierung in Westminster betrogen worden sind, aber was ist mit der Regierung in Holyrood? Ist sie nicht den Vorgaben aus Westminster blind gefolgt? Sie fordern einen unabhängigen, schottischen Staat und erwarten, dass das Vereinigte Königreich die Loslösung eines Landesteil nicht nur einfach hinnimmt, sondern auch noch dafür eintritt? Wann hat es denn so etwas je gegeben? Ich sage euch: Noch nie! Nie hat, ob britisch oder nicht, ein Staat einem Teil seines Territorium es erlaubt sich als Unabhängig zu erklären, nie hat ein Staat auch nur zugesehen wenn sich so etwas vollzogen hat, gar nicht erst davon zu sprechen, diesem Teil seine Unabhängigkeit zu zusprechen – wenn es vorher keinen massiven politischen Druck gegeben hat.
Ich für meinen Teil finde es nicht verwunderlich, dass die Regierung in Westminster alles dafür getan hat, eine Unabhängigkeit für unser Land zu verhindern. Es ist ganz klar, sie hat es getan und sie wird es auch immer tun! Es bleibt also doch nur eine Wahl, wir müssen uns selber lossagen von dieser Union – aber unsere gewählten Vertreter sind dazu ja offenbar nicht in der Lage! Es hat sich aber immer gezeigt, ob in den letzten Umfragen, Prognosen oder auch in den Parlamentswahlen, die Mehrheit unseres Volkes will die Unabhängigkeit. Die große Mehrheit unseres Volkes hat deshalb Vertretern der SNP das Vertrauen ausgesprochen, Vertrauen, dass sie missbrauchten, indem sie erst nachfragten, ob sie vielleicht einmal in der fernen Zukunft ihre eigenen Wählen fragen dürfen, ob sie denn Unabhängig sein wollen oder nicht. Was soll denn diese Duckmäuserei? Wenn die Amerikaner, 1776 erst im Parlament gefragt hätten, ob sie eine Revolution durchführen dürften, dieser Gedanke ist ja geradezu lachhaft!
Wenn also nicht unser Parlament für unseren Willen eintreten will, dann müssen wir es eben selber tun, darum plädiere ich dafür, weiter zu kämpfen, für unser Land. Nicht nur sollten wir auch die Barrikaden gehen, sondern wir sollten auch über diese hinweg steigen und die Briten aus Schottland jagen! Dafür brauchen wir aber keine Wahlen, und schon gar nicht brauchen wir die Vereinten Nationen die uns über die Schultern gucken und Hand in Hand mit ihrem Gründungsmitglied daran arbeiten uns wieder um unser Recht zu bringen. Alles was wir brauchen, alles was wir machen müssen ist, uns auch den Refrain unserer Hymne zu besinnen! Darum lasst uns aus den aufständischen Regionen mehr machen, nicht nur in ihrer Anzahl, aber auch in ihrer Bedeutung, lasst sie uns in Brandherde einer Revolution verwandeln, die Schottland in einen neues, freies und faires Land verwandelt, ohne Adelstitel, aber mit einer Grenze über die wir Frau Windsor nach Hause schicken können, wenn sie meint unser Parlament eröffnen zu müssen!
Als Carl geendet hatte merkte er, dass seine Rede gut angekommen war. Vielleicht lag es nicht so sehr am Inhalt, sondern viel mehr an seinem Auftreten, daran, dass er seine Hörer bei ihrem Nationalstolz gepackt hatte.
Als er von der revolutionären Rednertribüne herunterstieg, flüsterte er Jane ins Ohr: „Ist schon nicht leicht, sich so bürgerlich zu geben.“
Es wurde mit einem Lacher und dann einem Räuspern quittiert.

Einerseits konnte Andreas nicht anders als sich an den Kopf zu fassen, als er hörte wie die Rede Carl O'Groats aufgenommen wurde, andererseits konnte er nicht umher sich für die Worte und die Hingabe zu erwärmen. Fast wäre auch er darauf eingegangen.
Andreas war eigentlich nicht gekommen um zu reden, aber wer hätte gedacht, dass in der Scottish Republican Army solch glänzende Rhetoriker waren? Er konnte einfach nicht, auch wenn er eigentlich nur ein außenstehender Zuschauer in diesem Land war, seine Meinung verschweigen, die Meinung von der er überzeugt war.
Carl hatte seine Rede beendet, und wieder trat die Moderatorin auf den Tisch und fragte nach weiteren Stellungnahmen. Niemand meldete sich. Schon wollte sie wieder ansetzen um etwas zu sagen, da entschied sich Andreas dazu etwas zu sagen, bevor niemand es tat.
Er drängte sich nach vorne, kletterte auf den Tisch, stellte sich mit seinem Vornamen vor und dachte kurz nach, bis er mit einer ruhigen Stimme anfing seine Ansichten darzulegen:
„Ich kann nicht anders als zuzugeben, dass Sie ein begabter Redner sind. Aber ich finde ihre Kernaussage schlichtweg falsch und ich hoffe, dass sie mir genauso genau zuhören, wie ich ihnen zuhörte.
Wenn sie sagen, wir bräuchten keine Wahlen, dann verstehe ich nicht, warum sie einer Gruppe angehören, die das Wort Republican im Namen trägt. Der Kern einer Republik sind Wahlen und zwar Wahlen, die eine Versammlung zusammenstellen, die verhindern soll, dass sich das Volk anfängt die Köpfe einzuschlagen und Barrikaden zu errichten.
Politik ist immer ein Kompromiss und Sie haben sich sehr danach angehört, als würden Sie in martialischen Art keinen Kompromiss zulassen und sich stattdessen lieber die Köpfe einschlagen. Ich gebe ja zu, dass in einer Frage, wie der über das Schottland – Gesetz ein Kompromiss schwer zu finden ist, oder wohl eher unmöglich. Aber, ich möchte wie Ovid sagen, wehre den Anfängen! Wenn wir jetzt Anfangen unser frei, gleich und direkt gewähltes Parlament zu übergehen, dann schwächen wir nicht nur jetzt seine Stellung als gesetzgebende Gewalt im Land, sondern auch später. Wir werden uns dann fragen warum wir es nicht wieder machen lassen was es will und wir dann machen was wir wollen. Denn es wird wieder eine Gelegenheit geben, wenn Entscheidungen getroffen werden, die nicht jedem gefallen, dann werden wir es wieder übergehen und in Anarchie stürzen.
Ich möchte euch alle bitten, euch gut zu überlegen, wollt ihr denn wirklich, dass wir es immer wieder so machen wie heute Abend, einer Ausnahmesituation? Sollen wir immer wieder nur den lauten Menschen zuhören, oder sollen wir auch leisen Menschen zuhören? Also sagt doch nein! Sagt nein, wir wollen unser Parlament entscheiden lassen, wie es weiter geht. Das Parlament, das von allen gewählt wurde, nicht nur von denen die heute Abend hier sind. Aber, vielleicht hat mein Vorredner auch Recht. Vielleicht brauchen die Abgeordneten einen Anstoß sich zu überlegen was ihre Aufgabe ist. Lasst uns also unser Parlament dazu aufrufen eine neue Abstimmung anzusetzen und zwar ob die Regierung in Westminster damit einverstanden ist oder nicht, denn Sie haben Recht, wenn ein Land immer fragen würde, ob es eine Revolution durchführen darf oder nicht, kämen wir nicht weiter. Lasst uns auch darüber Abstimmen, ob wir nicht Dennis Callister dazu aufrufen wollen sein Amt niederzulegen, das er so schnöde missbraucht hat. Und solange er das nicht getan hat, lasst uns solange Druck machen, den er nicht ignorieren kann. Lasst uns ihn auch dazu auffordern, uns nicht wie Tiere ohne Strom und Wasser zu halten, wenn wir friedlich für unser Recht kämpfen. Lasst uns friedlich sein. Sie wollen kämpfen? Ich will auch kämpfen – aber wir werden mehr Erfolg haben, wir werden uns selber achten können und auch die ganze demokratische Welt wird uns achten, wenn wir nicht Anfangen die demokratische Tradition zu brechen, die Schottland schon so lange hat.“

James MacDonald saß vor seinem Computer im Büro und sah sich über das Internet die BBC Scotland Nachrichten des Abends an.
Der Whisky brannte ihm in der Kehle, als er sein Glas leerte. Der Korken der Flasche des 12 Jahre alten Single Malt machte ein schmatzendes Geräusch, als er ihn herauszog und ein weiteres Glas füllte.
Er lauschte ausdruckslos dem Sprecher, als dieser ihm verkündete, dass in London Menschenrechtsaktivisten anfingen auf die Straße zu gehen und die politischen Machthaber dort aufforderten die Strom und Wasserversorgung der 'besetzten' Gebiete wieder aufzunehmen, wie sie jetzt genannt wurde. Er schnaubte, als die Bezeichnung SRA fiel. Diese Bande hielt doch tatsächlich Volksversammlungen ab, gab sich aber trotzdem den leicht abgewandelten Namen einer irischen Terrororganisation.
Er schaltete den Ton ab, rutschte tiefer in seinen Schreibtischstuhl und drehte sich zum Fenster. Zum ersten Mal am Abend, leerte er sein Glas nicht in einem Zug, sondern drehte es in der Hand. Etwas geistesabwesend sah zum Fenster heraus, das nach Norden öffnete. Er dachte kurz, er könne bis nach Leith herab sehen, dann fiel ihm wieder ein, dass ein Berg und die halbe Stadt im Weg waren.
Was hatte sie alle falsch gemacht, dass offenbar vor allem junge Leute keinen anderen Weg mehr sahen, sich Gehör zu verschaffen, als durch einen bewaffneten Aufstand? Wenn es die Alten, die seiner Generation gewesen wäre, könnte er es noch verstehen. Sie hatten alles miterlebt, was über die Jahre die Parteien für einen Mist fabriziert hatten, all die Versprechungen, die sie am Ende doch nicht halten konnten, aber es war so schwer für sie zu verstehen, dass diese Kompromisse notwendig waren um den Staat am laufen zu halten, Mehrheiten zu bilden, Koalitionen am Leben zu halten.
Vielleicht hatten sie es aber auch nicht geschafft, das politische Tagesgeschehen interessant genug zu gestalten, dass sich junge Leute damit beschäftigen wollten. Oder war es ihnen vielleicht gar nicht zu langweilig, sondern zu komplex? Er selber verstand doch gar nicht alles, was in den verschiedenen Ausschüssen beschlossen wurde und wollte er sich doch nicht als ungebildet bezeichnen, hatte er doch die Universität besucht. Und da sollte noch der Zeitungsverkäufer, bei dem er jeden Morgen seine Zeitungen erstand noch verstehen, was sein regelmäßiger Kunde jeden Tag trieb?
MacDonald merkte wie er langsam wieder in Selbstmitleid versank, und richtete sich im Stuhl auf, wollte sein Glas leeren, da fiel ihm auf, dass es bereits nichts mehr enthielt.
Er drehte sich wieder zum Bildschirm und schaltete den Ton wieder an, denn BBC hatte offenbar etwas Neues erfahren, zumindest lief am oberen Bildschirmrand die eine Banderole mit der Aufschrift „Eilmeldung“ ab: „Die Vorgehensweise der Polizei scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein. In einer E-Mail die offenbar bisher der BBC Scotland noch exklusiv vorliegt ist eine Resolution enthalten, die nach den darin enthaltenen Angaben durch eine Versammlung der Bürger in Leith erstellt wurde. Auch aus anderen Landesteilen kommen diese Nachrichten, die orfen, der Earl of Dorincourt. Er hat erst Gestern ein Schreiben an BBC Scotland gerichtet, in dem er offenlegt, dass das sogenannte Referendum von Gestern vom Premierminister gefuchten keine Wahlen, dann verstehe ich nicht, warum sie einer Gruppe angehffenbar die Barrikaden überwunden haben und von Haushalten abgeschickt wurden, die über Strom und Internet verfügen. Der original Text aus Leith, hierher erhielten wir die erste Nachricht, aber auch aus anderen Teilen sind nur unwesentlich unterschiedlich: Wir, die Bürger Leiths, die rfen, der Earl of Dorincourt. Er hat erst Gestern ein Schreiben an BBC Scotland gerichtet, in dem er offenlegt, dass das sogenannte Referendum von Gestern vom Premierminister gefzusammengetreten sind um zu beraten, fordern: 1. Wiederholung der Abstimmung über das Schottland – Gesetz aus diesem Jahr unter Aufsicht der Vereinten Nationen. 2. Rücktritt des Premierministers des Vereinigten Königreiches. 3. Keine Strafverfolgung von Personen, die in den revolutionären Gebieten Schottlands Waffen trugen, da sie nach unserer Auffassung für das Wohl der Gemeinschaft handeln. 4. Sofortige Wiederherstellung der Strom und Wasserversorgung in allen revolutionären Gebieten Schottlands. Ob diese Punkte wirklich durch eine Abstimmung unter Bürgern entstanden, wird sich wohl erst zeigen, wenn sich Augenzeugen zu Wort melden können.“
James MacDonald war sprachlos als er das hörte, da klingelte auch schon wieder sein Telephon. „James, hier ist Alex. Bist du im Büro?“
„Ja, hast du gerade BBC Scotland gesehen?“
„Natürlich. Ich mach mich auf den Weg, treffen wir uns in deinem Büro,“ dann war die Leitung tot.

„Hab ich dich also endlich gefunden!“ Carl war wieder einmal außer sich.
Andreas, der sich müde auf einer Bank niedergelassen hatte, sah auf und sah ihn auf sich zu marschieren und mit der Pistole in seiner Rechten herumfuchteln.
„Warum hast du mich denn gesucht?“, fragte er, während er aufstand.
„Als ob du dir das nicht denken könntest! Du hast gerade eben Monate, Jahre der Planung ruiniert!“, er war keinen halben Meter von der Nase seines Gegenübers stehen geblieben.
„Warum denn das? Wir haben uns zusammengefunden um zu beraten, was jetzt zu tun ist, und ich habe meine Meinung gesagt, die ist eben besser angekommen als deine, damit wirst du wohl leben müssen.“
„Ich glaub nicht, du weist doch, mein Vorbild,“ er besprühte Andreas beim Aussprechen des letzten Wortes mit mächtig viel Spucke, „ist kein braver Mensch gewesen und genauso wie er, ich werde für meine Überzeugung kämpfen und wenn ich damit fertig bin, werden die Leute schon sehen, das ich Recht hatte.“
„Ich merke ja schon, wie stolz du darauf sein musst, das Lenin davon überzeugt war, dass eine kommunistische Revolution in Westeuropa am ehesten in Schottland statt fände, aber das ist schon lange her.“ Immer wieder musste Andreas auf die Waffe schielen, die locker in Carls Hand lag und machte einen Schritt zurück, während er versuchte Carl direkt in die Augen zu sehen. „Und heute Abend haben die Leute entschieden, dass sie erstmal versuchen wollen mit ihrem Parlament zusammenzuarbeiten.“
„Ja, das hast du fein bemerkt,“ antwortete Carl uns setzte mit einem noch größeren Schritt nach: „Aber dann ist es schon zu spät. Wir müssen schneller handeln, als die Parlamentarier in Holyrood und Westminster, ansonsten verlieren wir nicht nur was wir schon erreicht haben, nein, wir werden auch nie eine faire Abstimmung bekommen.“
Andreas wollte noch einen Schritt zurück machen, aber er stieß mit den Kniekehlen gegen die Bank. „Das weist du doch gar nicht, warte doch erstmal ab, bevor du noch Menschenleben aufs Spiel setzt.“ Er sagte dies in einem beruhigendem Tonfall und hob die Hände um eine ebenso gemeinte Geste auszuführen.
„Nimm deine Hände weg!“, rief Carl, sprang zurück und hob drohend die Waffe.
„Was ist denn bloß in dich gefahren?“, fragte Andreas ruhig, aber mit einem Zittern in der Stimme: „Du hast die Waffe, denkst du im Ernst, ich würde dir was tun?“ Noch während Andreas dies sagte, versuchte er Carls rechten Arm zu packen und die Mündung von sich weg zu drehen, da krachte es unheilvoll und Andreas spürte einen Schlag in der Brust, dann noch einen. Ein Ziehen in der Lunge, als die Lungenbläschen anfingen aneinander zu kleben, schoss ihm durch den Kopf, als er rücklings auf die Bank fiel und von der Sitzfläche auf den Boden rutschte.
„Du meinst ich würde Menschenleben gefährden?“, fragte mit zittriger Stimme Carl, der über ihm stand, aber Andreas verstand ihn kaum, ihn rauschte nur noch das Blut in den Ohren. „Das machst du schon selber, versuch doch nicht jemanden aufzuhalten, der nur das Beste für sein Volk will.“ Dann beugte sich Carl herunter, als er sah, das Andreas ihn mit seinem Zeigefinger zu sich heranwinkte.
Er sprach sehr leise, aber mit keiner gebrochenen Stimme: „Auch wenn ich hier wohl einen auf Andrew Hardie machen muss, und als Märtyrer für Frieden und Gerechtigkeit sterben soll, wünsche ich dir doch, dass du nicht das selbe Schicksal wie John Baird erleidest.“
„Ich werde mir alle Mühe geben,“ antwortete Carl O'Groats und richtete ein letztes Mal seine Waffe auf sein Opfer und krümmte wieder seinen auf einmal schwachen Zeigefinger um abzudrücken.
Als Andreas noch sah, wie Carl sich nicht abwandte, aber gleichwohl seine Waffe sinken lies, fiel sein Kopf zur Seite und er sah eine tapfere, sich durch den Winter kämpfende Distel, die unter der Bank hervorlugte, bevor ihn die Schwärze der Ewigkeit umhüllte.


>Fünfter Akt<


Carl machte sich auf den Weg, jemanden zu finden, der ihm helfen könnte die Leiche fortzuschaffen. Er hatte die Leiche unter der Bank versteckt. Ohne die Straßenbeleuchtung war es dunkel genug, dass niemand den im Schatten liegenden und von dunkler Kleidung umhüllten Körper sehen konnte.
Als Carl die Old Dock Bar erreichte, war die Tür unverschlossen, allerdings war nur Kate im Schankraum. Sie war über einem Bier an einem Tisch eingeschlafen.
Er versuchte sie aufzuwecken, dann schüttelte er sie etwas heftiger.
„Was?“ Sie rieb sich müde die Stirn: „Was ist denn los?“
„Sammel deine Dreadlocks zusammen, du musst mir helfen. Weißt du wo Martin ist?“
„Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er auf der Barrikade bei der Constitution Street. Was ist denn?“
„Das erzähl ich dir auf dem Weg dahin.“ Carl fischte Kates Jacke aus einer Ecke des Schankraumes und sah ihr zu wie sie eine Flasche Wasser in der Bar suchte. Als sie die gefunden hatte, kippte sie sich etwas daraus ins Gesicht um wacher zu werden.
Kaum eine halbe Stunde später, dank eines Tempos das irgendwo zwischen gehen und rennen lag, erreichten sie wieder die Bank.
„Also, Carl, jetzt erzähl schon was passiert ist, dass du uns um diese Uhrzeit quer durch Leith schleppst,“ knurrte Martin zum wiederholten Mal, nur das Carl nun antwortete.
„Erinnerst du dich noch an den Kerl, der uns gestern Abend alles kaputt gemacht hat?“ Die anderen Beiden nickten. „Der hat ins Gras gebissen.“
„Du hast den doch nicht umgebracht?“, fragte Kate entsetzt.
„Eigentlich wollte ich das doch gar nicht, aber ist doch auch nicht so wichtig, so haben wir eine Sorge weniger. Wenn es hell ist schlagen wir wieder Texte an, die verkünden das sich die Regierung nicht kompromissbereit zeigt und dann können wir weiter machen wie geplant. Erstmal müssen wir die Leiche wegschaffen.“
„Sag mal hast du sie noch alle?“ Kate war stehen geblieben, und die beiden Männer drehten sich zu ihr um.
„Was genau meinst du?“ Ganz überrascht war Carl nicht, das Kate sich jetzt gegen ihn wand.
„Nicht nur das du einen Menschen umbringst – aber jetzt willst du auch noch den Beschluss von einer Volksversammlung übergehen?“
„Kate, das können wir gleich in Ruhe besprechen, versprochen. Aber können wir nicht eins nach dem anderen machen?“
„Ich helfe dir noch hierbei, aber dann werden wir reden müssen,“ Kates Blick war giftig, nur das Carl ihn nicht in der Dunkelheit sehen konnte.
„Danke. Geh du voraus zum Hafenbecken und warne uns wenn wer kommt.“
Kate marschierte wortlos an ihm vorbei. Sie kamen gut voran und erreichten das Hafenbecken. Trotzdem musste Carl erfahren, dass sich auch zu zweit ein lebloser Körper nicht gerade einfach tragen lies.
„Also Martin. Auf drei? Eins, zwei...“
„Wartet!“, rief Kate lauter als nötig.
„Was ist denn?“, zischte Carl: „Und sei verdammt noch mal leise!“
„Legt ihn hin,“ bat Kate und fing an die Taschen zu durchstöbern.
„Was machst du da?“, fragte Martin entsetzt: „Du willst doch wohl nicht einen Toten bestehlen?“
„Ach was. Aber ich will wissen ob er irgendetwas hinterlassen hat, das wir vielleicht seiner Familie schicken könnten. Oder etwas, was das Wasser überlebt, damit sie wenigstens wissen, wer er ist, wenn sie ihn finden.“ Sie förderte ein Portemonnaie zu Tage, Autoschlüssel und ein zusammen gefaltetes Blatt Papier, das ein Loch hatte, dessen Ränder blutig waren. „Das ist ein Brief,“ sagte sie, nachdem sie das Blatt entfaltet hatte.
„Was hat er denn noch geschrieben?“, wollte nun auch Carl wissen.
„Er ist nicht zu fertig. Hört zu: 'Mein lieber Felix, ich weis gar nicht wie ich hier rein geraten bin. Du hast bestimmt in den Nachrichten gehört was hier oben in Schottland passiert. Eigentlich wollte ich auch gar nicht etwas damit zu tun haben, ich bin ja kein Schotte, es sind ihre Entscheidungen. Aber du kennst mich ja, ich konnte noch nie meine große Klappe halten, wenn es darum geht, meine Meinung zu sagen. Und genau das habe ich heute Abend getan, womit ich mir wahrscheinlich einige skrupellose Feinde gemacht habe. Und deshalb schreibe ich dir diesen altmodischen Brief schreibe. Ich habe das dumpfe Gefühl, das sie mich am liebsten töten würden und ich möchte nicht wegrennen. Wenn ich schon sterben soll, dann wenigstens in dem Land, das ich mein Zuhause nennen möchte. Jedenfalls, wenn du nichts von mir hörst, dann wäre ich dir sehr verbunden wenn du vielleicht meinen Eltern Bescheid geben würdest. Ich möchte ihnen nicht schreiben – ich kann mir gar nicht ausdenken, was für Sorgen sie sich machen würden.'“ Kate schwieg. „Hast du daran mal gedacht, Carl? Das er Familie hatte?“

Steven Agee war müde. Kaum vier Stunden nachdem er zu Bett gegangen war, stand er wieder auf.
Gestern Abend war er nicht sofort nach Hause gefahren, nachdem er den Artikel fertig geschrieben hatte, der Heute erscheinen sollte.
Er war in sein Auto gestiegen und hatte sich vom Verkehr in der Hauptstadt treiben lassen, der nie zu versiegen schien. Irgendwann war er im Regierungsviertel gelandet. Er parkte seinen Ford in der Straße, die nach dem abgebrannten Sitz der britischen Regenten, Whitehall, benannt war.
Während er in der Stille seines Wagen saß, die nur vom ununterbrochenen Rauschen der Autos, die an ihm vorbeifuhren, untermalt wurde. Seine Gedanken schweiften ab, aber er war unfähig zu sagen, wohin.
Was denkt ein Mensch in einem Land, das vielleicht die älteste Demokratische Tradition der Welt hatte, wenn er erfährt, das sein Regierungschef Wahlen fälschen lies?
Als er dann am nächsten Morgen aufwachte, wusste er gar nicht mehr wie er nach Hause gekommen war, er hatte nicht lange geschlafen, aber nachdem er aufgewachte, konnte er nicht mehr im Bett liegen.
Agee wankte mit verschlafenen Augen ins Bad und duschte. In der Küche stand er vor seinem Kühlschrank und merkte, dass er trotz seines Hungers nicht essen wollte.
Wenig später stand er im Dunkeln vor seiner Tür und zündete sich einen Zigarillo an, steckte die Hände in die Taschen und wanderte durch die Straßen.
Als es in den Straßen langsam heller wurde, öffneten die ersten Geschäft. Er erstand ein Exemplar der Zeitung, für die er schrieb. Er hatte, wie es wohl nicht anders zu erwarten gewesen war, auf die Titelseite geschafft.
„Premierminister in Wahlbetrug verstrickt – Anschuldigungen Seitens des Earl of Dorincourt erhärten sich.
Nach den gestrigen Anschuldigungen von Sir Malcomb Salmond, Earl of Dorincourt, Dennis Callister, Premierminister des Vereinigten Königreiches sei an ihn herangetreten um über seine Person Wahlhelfer zu bestechen, welche die Abstimmung über das Schottland – Gesetz auszählen sollten.
Beweise, aus einer absolut zuverlässigen Quelle innerhalb der Polizei, legen nahe, dass die Gelder, die von der Regierung an BP gezahlt wurden, vom Vorstandschef Malcomb Salmond von Firmenkonten auf private Konten abgezweigt wurden. Von dort aus wurden mehrere größere Summen in Bar abgehoben und zwar in allen Regionen, in denen es später zu Krawallen kam.
Bevor gestern Abend vier Punkte über BBC Scotland veröffentlicht wurden, meldete sich der Earl of Dorincourt bei BBC Scotland zu Wort und gestand, dass er Bestechungsgelder vom Premierminister angenommen hatte und ihm Gegenzug Steuererleichterungen für seine Unternehmen in der Öl Branche gestattet wurden. Nach seiner Aussage wurde allerdings das Geld, das er erhielt nicht ausgegeben, sondern sollte dem Steuerzahler wieder zugeführt werden, was nachweislich nicht der Wahrheit entspricht.
Weder der Premierminister, noch der Earl of Dorincourt wollten sich zu einer weiteren Stellungnahme hinsichtlich der oben aufgeführten Anschuldigungen zu bewegen lassen.“

James MacDonald hatte seinen Sitz im Parlament eingenommen, nicht auf seiner gewohnten, rechten Seite seiner Fraktion, sondern auf der Linken.
Zum wiederholten Male trat das Plenum zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, zum wiederholten Male war jeder Sitz besetzt – nicht nur unten, sondern auch oben auf der Besucherempore.
Es war immer ein großes Stühlerücken und James wartete es geduldig ab, dann eröffnete der Parlamentspräsident die Sitzung und verlas die Tagesordnung, die eigentlich nur aus einem Punkt bestand: Die Diskussion darüber, wie mit den vier Punkten umgegangen werden sollte, die am Montagabend aus beinahe allen Teilen und Städten des Landes eingeflogen waren.
„Und jetzt möchte ich unseren Kollegen James MacDonald auffordern seine Rede zu seinem Antrag, den sie auf Punkt 2 auf der Tagesordnung finden können, zu halten."
James erhob sich, nahm seine wenigen Papierschnipsel aus dem Hefter, umrundete die Minister in der ersten Reihe und fummelte am Mikrophon herum, bis es ihn nicht mehr störte.
Der Präsident erteilte ihm das Wort und es wurde leiser im Saal, nur in den letzten paar Sitzreihen wurde noch getuschelt, aber sobald sich bedankt hatte und eine Pause machte und mit bösem Blick diese Reihen ansah, hatte er ihre Aufmerksamkeit, vor allem weil sein Schreiben, das die Rede enthalten sollte, kaum mehr als einige Stichpunkte enthielt, denn er war wieder die halbe Nacht aufgeblieben, dieses Mal nicht im Pub, sondern Zuhause,wo er die Rede immer wieder aufgesagt und geändert hatte bis er zufrieden war, denn er hatte das Gefühl, dass er dieses Mal nicht einfach nur Reden sollte, sondern die Abgeordneten erreichen wollte.
„Ich möchte heute vor dieses Haus treten, nicht als Abgeordneter der schottischen Nationalpartei, sondern als der Vertreter der Menschen im Edinburgher Norden und in Leith, die mir ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Und ich möchte nun von ihnen verlangen, dass Sie alle ihre Parteistreitigkeiten vergessen, sondern daran denken, warum sie hier sind. Ich möchte Sie bitten, sich im Hinblick auf die Ereignisse vor nicht einmal einer Woche ein paar Kilometer nördlich von hier, aber auch in so vielen anderen Teilen des Landes, auf ihre Verantwortung dem schottischen Volk gegenüber besinnen, also jenem Volk, das am Wochenende und am Montag so eindrucksvoll bewiesen hat, wie es zusammenhalten kann, auch wenn die staatliche Kontrolle versagt. Jenem Volk also, das auf so eindrucksvolle Weise bewiesen hat, wie wichtig ihm die Frage nach seiner nationalen Selbstbestimmung ist.
Es ist doch nunmehr egal, ob die Abstimmung am vergangenen Sonntag manipuliert war, oder nicht. Die Menschen, die wir repräsentieren zeigten, das, wenn auch nur der Verdacht besteht, sie könnten betrogen worden sein, sie nicht bereit sind, dies hinzunehmen.
Sie haben damit gezeigt, das sie gewillt sind, die Ketten, die uns – denn mit Verlaub meine Damen und Herren, wir sind auch Schotten, von einem Parlament, in dem wir nicht fair repräsentiert sind, auferlegt wurden zu zerbrechen – weil sie nicht wussten, ob sie diesem Vertrauen konnten. Sie wollten für ihr Recht kämpfen, und wir dürfen ihnen ihr Recht, unser Recht, nicht streitig machen, nur weil Menschen, die sie nicht verstehen können, uns nicht erlauben wollen unseren Staat in der Art und Weise zu gestalten, wie wir es für richtig halten.
Wenn der einfache Mann auf der Straße für sein Recht gewillt ist zu kämpfen und auf die Barrikaden zu gehen, dann müssen wir auch gewillt sein für sein Recht zu kämpfen – sonst verlieren wir unsere Legitimation in diesem Land die Politik zu gestalten.
Daher lassen sie uns unsere Ketten zerbrechen, die unserem Geist die Flügen knicken, und jeden Bürger in unserem Land fragen sich zu entscheiden, nein, ihn zwingen sich zu entscheiden. Lassen sie uns Westminster ignorieren und den revolutionären Geist kosten, der durch unser Land ging, und das Volk fragen, das wir allein zur Gänze vertreten, ob es will, dass eine Verfassungsgebende Nationalversammlung für Schottland einberufen werden soll. Ich möchte sie hiermit um nichts anderes zu bitten, als unser Parlament, dass nur wenige Jahre existiert hat aufzulösen. Aber ist es denn wirklich unser Parlament? Von wem haben wir es denn bekommen? Zwar haben wir dafür gestimmt, aber wer hat uns denn gefragt? Nein, wir waren es nicht – es war eine Regierung, die uns jetzt unser Recht verweigert uns selber zu bestimmen." James sah nun die regungslosen Gesichter, aber nachdem sie merkten, dass er seine Rede beendet hatte und dann verstanden hatten, was er von ihnen verlangte, da kam Regung in seine Kollegen. Als dann auch die Abgeordneten der Labour Partei ihm applaudierten, da wusste er, dass sein Anliegen angekommen war.

Der Wagen des Premierministers hielt Heute nicht am Palast von Westminster, vor dem Eingang ins Parlament. Heute stieg Dennis Callister auf der anderen Seite des Parliament Square, vor dem Eingang ins Supreme Court of the United Kingdom.
Er konnte es gar nicht glauben, wie schnell die Mühlen der Justiz mahlen konnte, wenn sie denn wollten. Kaum war der Artikel von diesem Steven Agee erschienen, kaum hatte sich der Earl an das Fernsehen gewandt, da hatte die Staatsanwaltschaft schon Klage gegen ihn erhoben. Seine letzte Amtshandlung vor seinem unausweichlichen Rücktritt war gewesen, seinen verdammten Justizminister zu entlassen. Aus purer Boshaftigkeit.
Und jetzt ging er so schnell er konnte, ohne an Würde zu verlieren, an den geifernden Journalisten vorbei, die sich um die Treppenstufen geschart hatten und versuchte nicht die Fragen zu beachten:
„Mr. Callister, was sagen sie zu den Vorwürfen, sie wären am Tod des MI5 Agenten Jeremy May beteiligt?“
„Mr. Callister, werden sie eine Stellungnahme vor dem Gericht abgeben?“
„Mr. Callister...“, „Mr. Callister...“ immer weiter dröhnten die Fragen der Journalisten in seinen Ohren. Erst als er die gläsernen Eingangstüren durchschritten hatte, war er ihnen entkommen. Ja, er würde eine Stellungnahme vor den verehrten Lords abgeben.
Er hatte mit voller Absicht alle im Obersten Gericht des Vereinigten Königreiches warten lassen. So viel Hohn musste sein.
Er lies sich auf seinem Stuhl nieder und lächelte erhaben in die Runde. Als die Richter den Raum betraten, verzogen sich die Kameras, nur einige Journalisten die die Kunst des Stenographierens beherrschten blieben.
Callister erhob sich von seinem Stuhl und blickte einnehmend in die Runde, kaum durfte er zu Wort kommen. Die Frage des Richters ignorierend, setzte er zu einer kleinen Rede an: „Die Vorwürfe, die hier gegen mich vorgebracht wurden sind reichlich und ich bin mit sicher, dass sie alle Aufgeklärt werden können, denn ich stehe hier vor dem Gericht in der festen Zuversicht zum britischen Rechtsstaat.
Mir wird zur Last gelegt, ich hätte die Volksabstimmung in Schottland über das jüngste Schottland – Gesetz manipulieren wollen. Ich muss zugeben, ich habe mit dem Gedanken gespielt. Das ist unmoralisch und ich bin deswegen von meinem Amt als Regierungschef dieses Lands zurückgetreten.“ Er verschwieg, dass ihn sein Kabinett, das Parlament und die Königin allesamt dazu aufgefordert hatten. Zwei von dreien konnten ihm egal sein, aber das Parlament, das war etwas anderes. „Aber unmoralisches Verhalten ist kein Verbrechen. Denn ich habe weder den MI5 angewiesen, die Abstimmung zu manipulieren, noch habe ich Staatsgelder bezahlt, damit Sir Malcomb es veruntreuen kann und schon gar nicht, damit er damit eine Abstimmung behindern soll. Es kann mir wohl kaum zur Last gelegt werden, dass ich – in Übereinstimmung des Unterhauses – dafür Sorge tragen wollte, dass einer der größten Arbeitgeber unseres Landes nicht bankrott geht!
Und ich habe am Eingang gehört, dass ich in den tragischen Tod von Jeremy May verwickelt gewesen sei. Ich habe mir nichts der gleichen vorzuwerfen und wüsste auch gar nicht warum ich diesem Mensch den Tod hätte wünschen sollen.“

Steven Agee war des Stenographierens mächtig. Er hatte sich die Rede des ehemaligen Premierministers angehört und drehte sich nun auf seinem Schreibtischstuhl hin und her, während er überlegte, wie er am besten die folgende Missbilligung der Richter ausdrücken konnte.
Es hatte sehr glatt, schon fast einstudiert geklungen. Auch wenn sein Statement nicht sehr glaubwürdig geklungen hatte, vor allem nicht, wenn man sich besah, dass er anschließend kein Wort mehr von sich gegeben hatte, war es doch nicht zu ignorieren, dass zwei andere Personen zu Protokoll gegeben hatten, dass Callister am fraglichen Abend, am Telephon die Order ausgegeben hatte, nicht die Wahlen zu manipulieren.
Agee tat sich schwer daran, die Fakten zu Ordnen. Wie sollte er darstellen, dass der MI5 Agent Jeremy May ermordet aufgefunden war, und sein Informant John weder der Polizei, noch dem MI5 über den Weg trauen wollte?
Er entschloss sich mehrere Artikel zu schreiben, damit sich jeder Leser allein einen Zusammenhang ausdenken konnte, ein wenig anspruchsvoll durfte Journalisten schon sein, erst Recht bei einem Vorfall, der er es wert war, dass der Leser Druckerschwärze an den Fingern haben durfte und nicht alles in einem Internetblog lesen konnte.
Es würde sich sowieso erst im Laufe der Zeit zeigen, schon gar nicht bevor der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreiches zu einem Ergebnis gekommen war, wie die Geschehnisse der letzten Zeit zusammengehörten.

Über einen Hafen kam schon immer vieles in die Stadt, zu der dieser gehört. Meist waren es Waren, Öl, Holz, Stahl und Kohle, manchmal erreichten fremde Krankheiten ein Land über einen Hafen. Und manchmal trug das Hafenbecken von Edinburgh auch den Tod in sich.
Das Boot der Küstenwache fuhr durch den Hafen, in dem seit wenigen Minuten der Betrieb ruhte und setzte dann ein kleines Schlauchboot aus, und fuhr dann damit fort, Kreise zu fahren, während der Beamte das kleine Boot auf einen aufgequollenen Körper zuhielt, der mit dem Gesicht nach unten im Wasser lag.
Ein anderer Uniformierter langte ins Wasser und zog mit seinem Kollegen den Körper ins Boot und entdeckte die Löcher im Oberkörper des jungen, bärtigen Mannes.
Carl, der am Ufer unter vielen anderen Schaulustigen, die von dem vielen Blaulicht der Polizei und des Krankenwagens angezogen worden waren, konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber wusste nun was der Mann ihm sagen wollte, das er ihm empfohlen hatte, sich ein anderes Schicksal zu suchen als John Baird.
Martin stand an seiner Seite und klopfte ihm auf die Schulter: „Das ging ja mal gehörig schief. Was machen wir jetzt?“
„Du willst doch wohl nicht etwas aufgeben?“, fragte Carl im selben Flüsterton.
„Was heißt aufgeben? Du hast doch gemerkt, dass unsere Meinung nicht mehrheitsfähig ist.“
„Na und? Galileo Galilei war auch mit seiner Meinung vor der Inquisition nicht mehrheitsfähig. Wir werden im Untergrund weiter kämpfen, früher oder später werden sie alle sehen, dass wir Recht haben.“
„Das ist nicht dein Ernst?“
Carl sah ihn unmissverständlich an.
„Na, dann. Viel Spaß dabei.“ Martin drehte sich um und schob sich durch die Menschentraube.
Möglichst unauffällig stahl sich dann auch Carl vom Pier weg und ging eilig in Richtung Stadt, als das Boot langsam wieder an Land zurückfuhr. Der Notarzt blieb noch, aber der Krankenwagen fuhr an ihm vorbei als er den Hafenbereich verließ. Es bestand kein Bedarf mehr für ihn, der Mann im Wasser würde ihn nicht brauchen.
Carl schwitzte, und versuchte sich seine leichte Panik nicht anmerken zu lassen. Er nahm seine Mütze ab und spürte nun den eiskalten Regen auf seinem Gesicht, während ihm das Lied von Thomas Mensforth wieder einfiel: „In unity there`s each other and your friend becomes your brother / and in the tyrant`s heart will be a lesson learned“
(In Einigkeit gibt es einander und dein Freund wird dein Bruder / und seinem Herzen wird der Tyrann seine Lektion gelernt haben)


Ich danke meinen, ohne Zweifel tapferen Lesern, dass sie sich durch diesen Text geschlagen haben, und möchte sie bitten, über die ohne Zweifel zahllosen Rechtschreibfehler hinweg zu sehen. Sie sind wohl den späten Stunden, in welchen dieser Text entstanden ist, geschuldet.ffnete der Parlamentspr
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Hat sich gelohnt zu lesen, denn deine Novelle ist spannend bis zur letzten Minute. Hochdramatisch schilderst du den Kampf einer Untergrundorganisation und wie die Wahlen des schottischen Volkes, für einen eigenständigen Staat, durch die Machenschaften der Mächtigen um die Gunst der Wähler, scheitern. Am meisten ergriffen hatte mich jene Szene wo der fanatische Carl den toleranten Andreas einfach erschießt.

doska (03.01.2012)

Hallo David, wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Geschichte leserfreundlicher ist, wenn sie in kleine Kapitel unterteilt ist. An eine derart langen Text traut sich meist kaum ein Leser heran.
Liebe Grüße und ein gutes neues Jahr.


Tlonk (31.12.2011)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
The quiet Men - Inhaltsangabe  
Flow  
Cape Hoorn  
Hamoukar  
Oh du holder Pfannkuchen  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De