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11 Seiten

Ein neues Jahr beginnt (Unser italienischer Sommer Teil 21)

Romane/Serien · Romantisches
Nachdem wir uns geliebt hatten, redeten wir miteinander
„Benedetta hat mit mir gesprochen. Ihr Männer habt wohl auch geredet. Ich bin Paola nicht ernstlich böse, sie tut mir nur leid. Benedetta meinte, dass sie sich verzweifelt ein Kind wünscht. Jetzt wo ich schwanger bin und Benedetta ihre Zwillinge hat, ist das wieder hochgekommen. Sie werden wohl ein Baby adoptieren. Benedetta hat ihr klar gemacht, und ich natürlich auch, dass sie die Finger von dir zu lassen hat. Bei Mario hatte sie es auch einmal versucht. Paola hat das unter Tränen versprochen. Dir allerdings wäre ich ernstlich böse Peterl.“
„Wir haben im Weinkeller auch darüber geredet. Für mich gibt es nichts außer dir Liebes. Ich liebe dich.“
„Und ich weiß, wie eitel du bist und dich freust, wenn die Weiber dich anhimmeln.“ Eva musste das letzte Wort behalten.
Wir küssten uns innig und schliefen noch einmal miteinander.

Beim Abschied nach dem Frühstück, zu dem wir bis Mittag alle eingetrudelt waren, lächelte Paola mich zaghaft an und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. Eva nahm Paola in die Arme und drückte sie lange und fest. Wir würden Freunde bleiben.
„Was macht ihr mit dem angebrochenen Tag?“, fragte Benedetta uns später als Paola und Bruno abgefahren waren.

„Entspannen, Beine hoch legen und fasten, warum fragst du?“
„Wir treffen uns heute mit unseren Eltern in Siena. Großer Familientreff. Ich werde auch noch mal mit Paola reden. Dürfen wir die Zwillinge bei euch vorbeibringen?“
„Das ist schön. Tante Maria und ich spielen mit Tommaso und Peter kann mit Tabea flirten. Das kleine Weib liebt ihn.“ Ich musste grinsen.
„Und sei nicht so hart mit Paola. Ich würde mich freuen, wenn sie ein Baby adoptieren könnten.“
„Mein Vater hat sich schon ein wenig darum gekümmert. Ich glaube, es könnte bald so weit sein. Le relazioni sono importanti per noi, Beziehungen sind bei uns wichtig. Wir fahren mit Bruno, dann können wir die Karren hinten unterbringen. Und ihr könnt mit den Kleinen spazieren gehen.“

Unterwegs meinte Eva „Ich freue mich für Paola. Hoffentlich geht nichts mehr schief.“




Zuhause war die Aufregung groß. Leone gebärdete sich wie verrückt und umtanzte einen der Olivenbäume. Ich stieg aus und sah nach, was er dort trieb. Dann hörte ich von oben ein zaghaftes Maunzen. Ich legte den Kopf in den Nacken, dann sah ich ziemlich weit oben Strega in einer Astgabel kauern und Jammerlaute ausstoßen.
„Leone hast du deine Schwester da hinauf gejagt? Und jetzt wisst ihr nicht mehr, was ihr machen sollt.“ Leone kratzte an meiner Jeans und schaute mich an.
„Da brauchen wir wohl die Leiter“, sorgte sich Eva. Die beiden Kätzchen waren uns ans Herz gewachsen.
„Warte ich helfe dir.“ Zusammen schleiften wir die Leiter zum Baum und richteten sie auf. Strega jammerte in einem fort.
„Pass bloß auf Peterl, Lena und ich brauchen dich noch.“
Tante Maria hielt erschrocken die Hand an ihren Mund.
Die Leiter fand Halt an einer Astgabel. Ich stieg hoch, aber es fehlte noch ein ganzes Stück. Ich hockte jetzt in der Astgabel, die Äste hielten mein Gewicht aus. Langsam richtete ich mich auf und streckte meine Hand aus.
„Komm spring, kleiner Tiger.“ Strega zitterte und war unschlüssig, dann fasste sie sich ein Herz und landete auf meinem Kopf. Panisch versuchte sie sich festzuhalten und kratzte mich dabei. Dann glitt sie an meiner Kleidung hinab und hüpfte die Leitersprossen hinunter. Eva nahm sie auf den Arm und beruhigte das zitternde Fellbündel. Ich stieg mit wackeligen Knien wieder auf die oberste Sprosse und kletterte vorsichtig hinunter. Unten wischte ich mir erst einmal den Schweiß von der Stirn. Meine Hand war etwas blutig.
Eva wischte mir das Blut ab und bewunderte meine Schrammen, die ich mir bei der Rettung aus höchster Not zugezogen hatte.
Eva ließ das Kätzchen wieder hinunter und wie ein Blitz verschwand Strega hinter der Garage.
„Mein Held!“, Eva nahm mich in die Arme.

Eva hatte Tabea und Tommaso in ihre Karren gesetzt und wir schoben die Beiden den Hügel hinunter zum Spaziergang durchs Dorf. Die Zwillinge nahmen die ungewohnten Eindrücke voller Neugier in sich auf. Unten wurden sie von Francesca bestaunt. „Sie müssten doch auch bald Geburtstag haben, dann dauert es nicht mehr lange bis sie laufen können. Mario war früh dran, kurz vor seinem ersten Geburtstag stand er auf seinen noch etwas wackeligen Beinen“, meinte Francesca.
Wir setzten Tabea und Tommaso wieder in ihre Karren und schoben sie ins Dorf.
Matteo war ganz hingerissen und machte ihnen Grimassen vor. Tommaso schaute ihn etwas skeptisch an, doch Tabea gluckste vor sich hin. Ihr schien das zu gefallen. Dann kam Marta aus ihrem Laden und spielte auch ein wenig mit den Zwillingen.
„Peter du machst das schon gut, bald ist es ja eure Kleine, die du durchs Dorf führst.“
„Wann ist es bei euch so weit?“, wandte sie sich dann an Eva.
„Um den 15. März herum, wenn alles gut verläuft. Dottor Faletti ist zufrieden.“
Es war wieder angenehm draußen, 12°C und Sonnenschein, dazu windstill.
„Da wird wohl nicht mit deinem Glühwein Matteo?“, ich stieß ihn an.
„Warte nur Peter, der Januar und der Februar können noch ein paar kalte Tage bringen. Aber ich rechne nicht mehr damit, dass es so kalt wird, dass ich Glühwein ausschenken muss.“

Zuhause badeten wir die Kleinen, die nahmen das sehr enthusiastisch auf und planschten voller Freude. Wir waren auch schnell nass dabei. Dann mummelten wir die Kleinen in große Badehandtücher ein und setzten uns mit ihnen vor dem Kamin aufs Sofa. Zwischendurch hatten wir abwechselnd geduscht und uns in bequeme Hausanzüge gehüllt.
Benedetta hatte ihnen ihren Brei vorbereitet, dazu bekamen sie ein Fläschchen.
Sie nuckelten um die Wette, der Hunger schien groß.. Anschließend spielten wir noch ein wenig mit ihnen. Das heißt ich war das Spielzeug und die Zwillinge krabbelten auf mir herum. Tabea schien sich an das Spiel mit meinem Shirt zu erinnern. Sie schob den Kopf unter mein Hemd und gluckste vor Freude. Tommaso war eher skeptisch und schaute seinem Schwesterchen zu. Dann wandte er sich wieder Evas Bauch zu, der schien ihn zu faszinieren.
„In so einem Bauch warst du auch einmal drin mein Kleiner.“ Doch bald wurden sie müde.
Tante Maria beobachtete uns mit einem Schmunzeln.
Bevor sie einschliefen kommandierte mich Eva noch zum Windelwechseln ab.
„Das werden wir bald auch gemeinsam machen Peterl. Du kannst schon mal üben.“
Zum Glück waren die Windeln nur nass. Ich hatte ja bei der Schwangerschaftsgymnastik schon Windeln wechseln geübt und kannte mich ganz gut aus. Nur mit dem Unterschied, dass das Baby jetzt lebendig war und keine Puppe.
Tabea vertraute mir und kommentierte meine Bemühungen dabei. „Ich versteh dich leider nicht meine Kleine, aber danke für die Komplimente.“
Jetzt durften die Herrschaften in ihren Körbchen ihr Nickerchen machen. Und wir zwei Großen machten es uns auf dem Sofa gemütlich. Tante Maria war schon hinaufgegangen und las bestimmt noch einen Krimi. Das tat sie immer vor dem Schlafengehen.
Als wir wach wurden, war es finster, das Kaminfeuer war heruntergebrannt.
„Zeit zum Schlafengehen Peterl.“ Wir nahmen die Körbchen mit hinauf ins Schlafzimmer und stellten sie neben unser Bett. Beide schliefen selig mit Däumchen im Mund. Wir zogen uns aus und kuschelten uns aneinander. Dabei legte ich meine Hand auf Evas Bauch und fühlte mich auch unserer Lena nah.

Tante Maria hatte uns überrascht und schon das Frühstück zubereitet.
Ohne meinen Kaffee fing bei mir der Tag nicht an.
„Wann kommen eigentlich Benedetta und Mario die Kleinen abholen?“
Tabea und Tommaso lauschten aufmerksam unserer Unterhaltung und schauten uns mit großen schwarzen Augen an.“
„Ich würde gerne wissen, was ihr zwei euch gerade denkt.“
Eva und Tante Maria fütterten sie mit dem Fläschchen.
„Wenn sie bei den Eltern noch Mittagessen, kann es später werden. Wir machen dann eben heute Nachmittag einen Spaziergang und fahren morgen nach Siena.“
„Auf Siena freue ich mich schon. Ihr habt ja schon viel davon geschwärmt. Kannst du denn so viel laufen Eva?“
„Noch geht’s, notfalls müsst ihr mich tragen. Wir haben viel Gelegenheit zum Pause machen.“
Beide bekamen ihre warmen Mützchen auf und wir spazierten ins Dorf. Francesca begrüßte uns. Wenn wir vorbeikamen war sie eigentlich immer im Garten beschäftigt, sie hatte ein grünes Händchen.
Marta und Marisa, sowie Matteos Bedienung Gina schauten sich die Beiden neugierig an. Denen gefiel ihr Publikum, beide glucksten und plapperten munter drauflos. „Dio mio, wie niedlich ihr seid.“
„Na Gina, wie ist es mit dir?“ Matteo stieß sie an. Die zuckte nur mit den Schultern und lächelte.
Wir hatten für einen Auflauf gesorgt, denn zwei junge Mädchen, die von der Bushaltestelle kamen blieben auch einen Moment stehen, bevor sie weiter eilten.


Mittags gab es Polenta mit einer von Eva kreierten Soße, einer feinen Komposition aus Tomaten, Basilikum und Knoblauch, alles aus eigener Ernte. Tabea und Tommaso bekamen ihren Brei, dann durften die Kinder ihren Mittagsschlaf halten.
Gegen drei kamen auch Benedetta, Paola, Mario und Bruno. Sie tranken einen frisch gebrühten Kaffee mit uns. nahmen die zwei Schlafenden und fuhren wieder davon.
Mario drückte uns noch eine Flasche Brandy in die Hand „Der hat euch doch letztes Jahr so gut geschmeckt, den soll ich euch von meinem Vater geben.“

Der Brandy schimmerte bernsteingelb in der Flasche. Als ich das Etikett sah, erinnerte ich mich. Ein Entenpärchen spazierte über das Etikett. Fattoria Uccelliera las ich, ein zehn Jahre in Eichenfässern gereifter Tropfen. Der hatte uns damals bei Signore Filippo im Büro gut geschmeckt.

„Wir gehen hoch zum Waldrand und laufen ein Stück durch den Wald. Dann biegen wir später Richtung Dorf ab. Du sagst Bescheid, wie weit du gehen magst Eva. Wir können dann unten bei Matteo eine längere Pause machen. Oder wir machen Kurz Station auf Donatellas und Darios Hof.“
„Das schaffe ich locker, ich ziehe mir nur bequeme Schuhe an.“ Schließlich standen wir alle drei in Jeans und Anorak da und liefen los. Ich fand einen schön geformten Stock und nahm ihn mit.
„Die Luft ist hier so angenehm. Viel angenehmer als in Wien und ich wohne nun schon im Grünen.“
„Bald beginnt der Frühling, wenn du diese Düfte in die Nase bekommst, dann willst du vielleicht gar nicht mehr weg Tante Maria.“
„Nein, nein, keine Angst ihr Lieben. Ich liebe mein Wien über alles. Aber ich werde euch sicher regelmäßig besuchen. Ist ja ein Katzensprung von Schwechat nach Florenz, hast du gesagt Eva.“
„Ich weiß, dass ihr hier glücklich werdet. Wenn Lena erst auf der Welt ist, seid ihr hier verwurzelt. Und wenn dann noch ein Brüderchen oder Schwesterchen hinzu kommt, ach. Ich könnte heulen vor Glück.“
Tante Maria ließ sich von uns in den Arm nehmen. Auch unsere Augen wurden feucht.
Es war so mild, dass wir die Jacken offen tragen konnten.
Aber am Himmel ballten sich die Wolken, vielleicht war es besser umzukehren. Der Wind frischte auf und wehte Staubfahnen vor sich her Der Boden war ausgetrocknet. In der Ferne hörten wir ein leichtes donnern. Wir kehrten um und legten einen Schritt zu. Als wir aus dem Wald herauskamen, empfing uns eine Böe. Der Wind wurde stärker. Erste dicke Tropfen fielen und ein Blitz zuckte über den Himmel, der Donner folgte in kurzem Abstand, das Gewitter war schon recht nah. Der Himmel verfinsterte sich. Jetzt eilten wir über die Wiese, umrundeten die kleine Mauer und als wir den Hof erreichten prasselte der Regen auf uns herunter. Leone und Strega saßen auf der Treppe und zitterten. „Hinein mit euch.“ Ich schloss die Tür auf. Die Katzen sausten hinein. In der Diele zogen wir unsere nassen Jacken aus. Auch die Jeansbeine waren bis zum Oberschenkel durchweicht.
„Kommt, wir ziehen uns um und duschen, anschließend brühe ich einen Kaffee auf.“
Eva deutete zum großen Dielenfenster. Der Wind peitschte den Regen gegen die Scheiben, es war ziemlich finster draußen. Jetzt donnerte und blitzte es in schneller Folge.
„Wenn das Wetter vorbei ist, schaue ich draußen, ob es Schaden gegeben hat.“
Leone und Strega saßen vor ihren Näpfen und schauten uns an.
„Ihr wartet, bis eure Menschen sich umgezogen haben, è chiaro?“
Eva stand ratlos vorm Kleiderschrank „Mir passt nichts mehr. Ich bin so fett geworden.“
Ich nahm Eva in meine Arme und tröstete sie. Schließlich nahm sie einen Hausanzug und schlüpfte hinein.
„Wir gehen ja heute nirgends mehr hin. Ich ziehe auch was bequemes an“, meinte ich.
Tante Maria war schon unten und gab den Katzen gerade Futter in ihre Schälchen und frisches Wasser dazu.
„Ich muss mich doch auch ein wenig einschmeicheln bei den Beiden. Kaffee habe ich schon aufgesetzt.“
„Mögt ihr noch Panettone?“ Was für eine Frage, Tante Maria und ich schauten nur erstaunt.
Strega schien auch Interesse am Panettone zu haben, denn sie sprang aufs Sofa und schaute auf den Tisch, dann streckte sie langsam ihre Pfote aus und versuchte den Kuchenteller zu erreichen. Leone schaute ihr, statt uns abzulenken, gebannt zu.
„Ihr Lauser“, schimpfte Eva und packte Strega am Kragen. „So ihr Hübschen, sucht euch ein paar leckere Mäuse. Der Regen hat aufgehört. Peter schnapp dir Leone. Die Herrschaften wollen gerade gehen.“
„Seid doch nicht so hart“, bat Tante Maria.
„Einverstanden, wenn du sie mit aufs Zimmer nimmst. Und wenn du nachts aufwachst, weil du keine Luft mehr bekommst, liegen Strega und Leone auf deinem Bauch. Das haben die Lauser bei uns auch schon gebracht.“
„Tut mir leid ihr Hübschen, macht es euch draußen gemütlich.“ Ich öffnete die Tür und wir setzten die Katzen ab. Mit hoch gerichtetem Schwanz stolzierten sie davon, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen. Wir mussten lachen.
Es war zwar kühl aber trocken. Der Regen hatte aufgehört. Nur der Wind war wieder etwas aufgefrischt.
Die Sterne funkelten hier viel intensiver, als in der Großstadt. Morgen musste ich als erstes die Reben inspizieren, aber ich rechnete nicht damit, dass es Schaden gegeben hätte. Außerdem wäre sonst schon längst Gianfranco an der Tür gestanden. Hagel könnten wir allerdings nicht brauchen, er kann ein Weinfeld kahl machen.
Wir schauten uns noch einen Krimi im Fernseher an. Eva und Tante Maria mochten bei mancher Szene gar nicht hinschauen.
„Hoffentlich kann ich nachher schlafen und schrecke nicht bei jedem Geräusch hoch“, äußerte Tante Maria besorgt.
„Ich kuschele mich an mein Peterle und zieh mir die Decke über den Kopf.“
Das Ende war dramatisch, einmal zuckte auch ich zusammen. Meine Beiden hatten die Hände vor Augen, Eva hatte sogar ihren Kopf halb unter meine Achsel geschoben.
„Es ist vorbei, ihr könnt wieder schauen.“
„Jetzt aber ab ins Bett, morgen fahren wir nach Siena. Wir können doch an der Fabrik vorbeifahren. Ich bin schon neugierig, was dein Papa da gekauft hat.“
Draußen funkelten die Sterne, aber wir hatten keinen Blick mehr dafür. Nach der Katzenwäsche ab ins Bett, kurz aneinandergekuschelt um die richtige Schlafposition zu finden und schon schliefen wir.

Ein Blick aus dem Fenster zeigte einen wolkenverhangenen Himmel. Der Wetterbericht hatte Regenschauer angekündigt, dazu war es mit sechs Grad nicht gerade warm. Mit Jeans, Pullovern, Regenjacken und festen Schuhen waren wir aber gut ausgerüstet. Im Kofferraum lagen noch drei Schirme zur Sicherheit bereit.
Zuerst wollten wir uns mal Evas neue Wirkungsstätte anschauen, jedenfalls von außen.
Wir fuhren durch die in jeder Jahreszeit landschaftlich schöne Montagnola über Ancaiano, San Giusto, Volte Basse, unterquerten die Westumfahrung Sienas und erreichten am Rande eines Wohngebietes im Westen Sienas die Fabrik, einen modernen roten, zweigeschossigen Komplex mit Laboren, Produktion und Verwaltung. Die gläserne Front war mit roten Sonnenschutzlamellen versehen.
Bei Tamoil tankte ich auf, dann parkte ich den Wagen gegenüber auf einem kleinen Parkplatz und wir liefen die Gebäudefront ab. Über dem Eingang hingen große Lüftungsanlagen an der Fassade.
Der Komplex machte einen modernen Eindruck. Hier war also Evas zukünftiger Arbeitsplatz. Laut Tacho gerade mal 25 km, ohne die Gefahr sich im Strassengewirr zu verfahren.
„Da ist es bis zur Apotheke aber weiter und vor allem umständlicher. Peterl wir können morgens länger schlafen.“ Eva kicherte.
Wir fuhren weiter, nachdem ich mich auf dem Stadtplan orientiert hatte und parkten unter Bäumen am Stadion.
Es war etwas wärmer geworden, so um die zehn Grad und ich öffnete meine Jacke. Wir liefen direkt auf den monumentalen, schmucklosen Bau von San Domenico zu. Zuerst genossen wir den wunderbaren Ausblick über die unter uns liegende Altstadt von Siena. Dann betraten wir die Kirche. Das relativ schmucklose Innere beeindruckte trotzdem durch die Größe. Dazu trug auch die massive Holzdecke des Mittelschiffes bei. Von den Wänden hingen die Fahnen der Contraden, der einzelnen Stadtbezirke. Die Seitenkapellen waren großzügiger ausgestattet, besonders aufwendig natürlich die Kapelle der heiligen Katherina, der Schutzheiligen Sienas. Hier wird ihr Haupt als Reliquie aufbewahrt.

Draußen war es merklich wärmer geworden, ich zog meine Jacke aus, Eva und Tante Maria entledigten sich nur ihrer Pullover.
„Wartet auf mich, ich bring die Sachen nur zum Auto.“ Der Parkplatz war keine 200m entfernt.
Zur Belohnung bekam ich auch ein Eis. Wir schlenderten die steile Via Camporegio herunter und bogen an der Bushaltestelle auf die Via di Fontebranda ein, die direkt zur Piazza del Campo führte.
Tante Maria war überwältigt, als wir mitten auf dem grandiosen Platz standen. Eva und ich waren ja schon öfter hier gewesen, aber wir waren immer wieder beeindruckt.
„Kannst du noch laufen Liebes?“ „Wie ein Wiesel“, verriet mein Schatz und gab mir ein dickes Busserl. „Ich habe bequeme Schuhe an“, meinte Tante Maria.
Wir liefen einmal um den Platz herum. Auf der höheren Seite der Piazza steht der Fonte Gaia, den Jacopo della Quercia von 1409-19 geschaffen hat. Jacopo della Quercia war von der Stadt Siena beauftragt worden, in diesem Brunnen die angebliche römische Abstammung der Stadt als Gründung der Söhne des Remus und ihre darauf beruhenden Tugenden zu dokumentieren. Die Brunnenfiguren sind durch Kopien ersetzt worden. Die Originale kann man heute im Museum von Santa Maria della Scala betrachten.
Der Rathausturm wurde so hoch erbaut, weil er an der niedrigsten Stelle des Platzes liegt und trotzdem die Stadt überragen sollte. Das tut er mit seinen knapp 90m auch eindrucksvoll.
Als wir uns sattgesehen hatten liefen wir die Via dei Pellegrina zum Dom hoch.
Was für einen Unterschied bot die Domfassade zur schlichten San Domenico Kirche.
Die Cattedrale di Santa Maria Assunta ist verschwenderisch dekoriert. Der Kontrast der in schwarz und weiß gefertigten Marmorverkleidung ist beeindruckend. Dazu kommen die vielen Figuren, Säulen und die Einlegearbeiten aus Marmor. Der große Mittelgiebel und die zwei kleineren Seitengiebel sind mit biblischen Szenen dekoriert.
Heute war der Andrang recht groß, trotzdem warfen wir zumindest einen Blick hinein. Leider konnte man die wunderbaren Mosaiken des Fußbodens dadurch schlecht sehen. Wir schauten bewundernd die achteckige Kanzel von Niccolò Pisano, der sie von 1266 bis 1268 errichtet hatte, an. Sie ruht auf Säulen, die von Löwen gestützt werden. Zahlreiche Statuen zieren die Kapellen und Altäre.
Wir nutzten die Gelegenheit und setzten uns zum ausruhen in eine Kirchenbank.

Dann bummelten wir noch ein wenig herum und liefen dann wieder zum Auto. Die Universität, wo wir Benedetta treffen wollten, lag am anderen Ende der Stadt.
Über die Auffahrt Siena Aqua Calda erreichten wir die Autostrada. Zwei Abfahrten weiter in Siena Sud verließen wir sie wieder. An der Via Pier Andrea Matteoli befand sich das Dipartimento Di Scienze Storiche, das Institut für Geschichtswissenschaften, wo Benedetta lehrte.
Nach kurzer Zeit kam sie inmitten eines Pulks von Studenten heraus.
„Da seid ihr ja. Kommt wir gehen ein paar Schritte. Ihr habt doch bestimmt auch Hunger. Ich habe zwei Stunden Zeit. Die Taverna di San Giuseppe ist nicht weit. Die kochen weitaus besser als die Köche in unserer Caffetteria.“
Das Lokal befand sich in einem ganz unscheinbarem Bau, aber innen kam man sich vor wie in einem Kloster, niedrige Gewölbedecken sorgten für ein anregendes Ambiente. Und das Essen war phänomenal. Wir waren begeistert. Benedetta bestellte für uns Lammrücken mit einer Ziegenkäse-Kräuterkruste.
Dazu passte ein Chianti Classico, ein Contessa di Radda mit einer verschwenderischen Aromenvielfalt. Leider durfte ich nur ein Glas trinken, da es für Eva zu umständlich wurde hinter dem Lenkrad.

Lammrücken mit Ziegenkäse-Kräuterkruste
Zutaten
800 g Lammrücken, Salz, frisch gemahlener Pfeffer, 2 Zweige Thymian, 1 Zweig Rosmarin, einige Zehen Knoblauch, Öl zum Braten
Für die Kruste: je 1 EL gehacktes Basilikum und Petersilie, 2 EL Olivenöl, 1 EL Dijonsenf, 1 EL süßer Senf, 1 EL scharfer Senf, 1–2 EL Weißbrotbrösel, ca. 2 EL weiche Butter, 50 g frisch geriebener Ziegenhartkäse



Zubereitung
Den Lammrücken salzen, pfeffern, im heißen Olivenöl mit Thymian, Rosmarin, Knoblauch beidseitig anbraten. Dann das Fleisch auf das Backofengitter legen, bei 160 Grad ca. 6 Min. braten. Herausnehmen und ca. 10 Min. an einem warmen Ort ruhen lassen. Für die Kruste Basilikum und Petersilie mit Olivenöl verrühren. Mit Senfsorten, Weißbrotbröseln, Butter und Käse verrühren, alles auf das Fleisch streichen. Den Lammrücken mit der Kruste im Backofen bei maximaler Oberhitze gratinieren.



„Da komme ich gleich mal zu meinem Anliegen. Nächste Woche ist doch Gesellschafterversammlung der Brennerei. Ihr müsstet die Einladung bekommen haben.“ Ich nickte. „Nun haben wir ein kleines Problem. Wir wollten Tommaso und Tabea zu Paola bringen. Doch die Beiden sind ein paar Tage in Rom bei Paolas Schwester. Ihr kennt sie ja. Tante Maria, dürfen wir dir die Zwei für ein paar Stunden vorbeibringen?“ Tate Maria nickte gleich „Aber ja, gerne.“
„Weißt du Benedetta, ich bleibe auch zuhause. Peterl kann allein gehen. Er braucht doch nur eine Vollmacht von mir. Ich werde langsam faul und bequem. Bringt uns die Süßen vorbei und nehmt Peterl gleich mit, oder?“
„Das ist natürlich noch einfacher, fremdeln tun die Zwei ja nicht.“
Der Kellner bracht vier Caffé doppio. Ah, das tat gut.
„Ich habe noch einmal mit Paola von Frau zu Frau gesprochen. Es tut ihr leid. Sie hofft jetzt ganz verzweifelt, dass es mit der Adoption klappt. Nächste Woche, wenn sie von Rom zurück sind, sehen sie sich ein Baby an, einen neugeborenen kleinen Jungen. Die Mutter, erst zwanzig, hat ihn zur Adoption freigegeben. Sie hat schon zwei Kinder und ist total überfordert. Mein Vater hat schon alles in die Wege geleitet.“
„Das wäre schön, wenn es klappt, dann sind es bald vier Zwerge, die miteinander spielen können. Zwei Jungs und zwei Mädchen.“
Benedetta und Tante Maria lachten.

Ich zahlte, dann verließen wir das Lokal und begleiteten Benedetta wieder zum Institut.
„Ich habe heute nur ein paar Verwaltungsangelegenheiten zu klären. Mit den Vorlesungen geht’s im Herbst wieder los. Dann kann ich Tabea und Tommaso auch mitnehmen. Wir haben vor drei Jahren ein Asilo, einen kleinen Kindergarten in unserem Institut organisiert und bezahlen gemeinsam eine Kindergärtnerin.“
Wir umarmten uns und dann schlenderten wir wieder zum Auto. Es war deutlich kühler geworden und wir hatten unsere Jacken wieder geschlossen.
Als wir im Auto saßen fielen tatsächlich vereinzelt Schneeflocken vom Himmel und als wir in die Montagnola kamen, schneite es richtig. Um Ancaiano herum blieb der Schnee sogar auf der Straße liegen. Ich fuhr vorsichtig, aber unsere Reifen waren gut. Unsere Straße den Hügel hinauf war auch kein Problem. Der Hof war weiß. Die Katzen saßen auf der Treppe vor der Haustür und schienen uns sehnlich erwartet zu haben. Kaum hatte ich die Tür geöffnet stoben sie auch schon an uns vorbei.
Ich heizte schnell den Kamin an, während Tante Maria und Eva sich umzogen. Fasziniert beobachtete ich die dicken Flocken, unser erster Schnee hier in der Toscana.
Noch während ich oben duschte, steckte Eva den Kopf zur Tür herein und meinte, der Schnee wäre schon wieder in Regen übergegangen. Der Wetterbericht meinte auch, es sollte wieder milder werden. Wir brauchten uns keine Gedanken über Nachtfröste machen.
 
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Man ist schon richtig drin in deiner italienischen Familie und glaubt die Personen zu kennen. Auch mir fällt der große Zusammenhalt der Verwandten und Freunde auf. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Paola nicht ausgestoßen, sondern mit ihr geredet wird. Und man hilft ihr sogar, denn im Grunde sehnt sie sich nach einem Kind. Und nun haben sie doch Schnee gehabt, aber der hatte sich ja gleich verwandelt. Wunderschön romantisch gechrieben.

doska (14.03.2012)

So wird das also auf italienisch geklärt: Man spricht einfach miteinander darüber. Das finde ich sehr vernünftig. Wenn das alle Völker machen würden, wirklich ehrlich miteinander sprechen, gäbe es wohl kaum noch Kriege. Das Problem Peter und Paola ist somit aus dem Weg geschafft - zumindest vorläufig. Tante Maria scheint wirklich eine gute Seele zu sein. Man merkt, dass es in dieser großen Familie üblich ist, einander zu helfen und wenn es nur ein kurzes Aufpassen auf die Kinder der Familie ist. Schnee und vor allem Frost wären wohl schädlich für Peters Weinpflanzen gewesen, aber er hatte nochmal Glück. Das war wieder ein schönes gemütliches Kapitel mit einem leckeren Rezept.

Jochen (13.03.2012)

Eva Schwangerschaft verläuft gut, Tante Maria steht ihr zur Seite.
Die Katzen und Benedettas Zwillinge sorgen für weitere Abwechslung auf dem Hofe, auch Paola scheint zur Ruhe zu kommen. Dazu der erste Schnee.....


Wolfgang scrittore (13.03.2012)

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