Die Meldung der Killer erfolgte an Lewis Jackson, der den Angriffsbefehl gab und sich schon sicher war in Bälde seinen Platz an der Spitze der Templer einzunehmen. Dazu brauchte er als letzten Schritt die Mini-Phiolen, die jeder Gründer bei sich trug. Ohne Sie hatte er rein gar nichts gewonnen. Bis auf die Tatsache, dass er die Templer enthauptete.
„VERFLUCHTE SCHEISSE!!“, schrie Jackson. „DIESER MISTKERL!!“ Von Sinnen warf er sein Smartphone mit aller Kraft gegen die Wand seines Büros. Es zersprang in seine Bestandteile. Was den Stabschef des US-Präsidenten keinen Deut interessierte.
Er hatte dem Deutschen durchaus zu getraut hinter den Schleier zu gucken. Doch erst im allerletzten Moment. Was auch geschehen war. Bloß sollte Alexander Döbber zusammen mit den Gründern tot sein. Als Folge eines von ihm begannen Amoklaufs, bei dem er sich schließlich selbst erschoss. Die Puzzleteile hatten so perfekt gepasst.
Alle Perfektion nutzte in diesem Fall nichts. Er stand mit leeren Händen da. Was Jackson unsäglich wütend machte. Sein Plan sah etwas anderes vor.
Die großen Fernsehsender hatten ihr laufendes Programm beziehungsweise die Nachrichtensendungen unterbrochen und berichteten Live von den Vorkommnissen vor der israelischen Botschaft, wo sich die Lage zugespitzt hatte. Inzwischen wussten Sie auch, um wen es sich bei dem Mann handelte. Den für tot gehaltenen Alexander Döbber.
Noch, so die Nachrichtensprecher und Reporter vor Ort, war keine Stellungnahme seitens des Weißen Hauses oder der Botschaft erfolgt. FBI und Secret Service hatten unterdessen die Straße vor der Botschaft vollständig gesperrt.
Bei der laufenden Berichterstattung sah Jackson, wie alle anderen Zuschauer auch, wie im Hintergrund ein Krankenwagen vom Jüdischen Moses Krankenhaus (*) vor der Straßensperre hielt. Die Beamten lieferten sich einen Wortwechsel mit dem Fahrer und dem Mann im Fahrzeug, funkten den Diensthabenden an und ließen den Krankenwagen schließlich passieren.
Sein Telefon piepte aufdringlich.
Er stapfte durch sein Büro. „JA!!“, knurrte er ungehalten.
„Sir. Der Präsident hat eine sofortige Notfallsitzung einberufen.“
„Bin auf dem Weg.“ Und beendete die Verbindung wirsch.
Die Sache war noch nicht ganz verloren. Es wurde bloß nicht mehr ganz so einfach an die Mini-Phiolen zu gelangen, die ihm den Platz an der Spitze der Templer sicherten. Sollte der Deutsche überleben, war Jackson klar, das er schnell hinter die Bedeutung der Phiolen kam. Was zwar nicht unbedingt von Vorteil war, aber auch nicht gänzlich ein Nachteil sein musste.
Er hatte sich einiger Maßen beruhigt, als Jackson sich auf dem Weg zum Oval Office machte.
***
Nicht gänzlich unerwartet kam die Ausschlachtung der jüngsten Ereignisse seitens der Medien. Vor allem wurde über die unerwartete Wiederauferstehung von Alexander Döbber berichtet, was von offizieller Stelle nicht bestätigt wurde. Der stellvertretende FBI-Direktor ließ bei einer Pressekonferenz durchscheinen, dass es höchstwahrscheinlich um ihn handelte. Aufgrund der Entwicklung nahm das FBI wiederum Landon Harris in Gewahrsam.
Windige Reporter stellten sogar einen Zusammenhang zwischen Alexander und einer Schießerei in einem Herrenklub, wenige Blocks entfernt her. Bei der Washingtoner Polizei galt der Deutsche daher als dringend Tatverdächtig. Daher wollte man ihn befragen. Was die israelische Botschaft strikt ablehnte.
Auf einer Pressekonferenz forderte der Sprecher des Weißen Hauses unterschwellig Israel zur Kooperation auf, um die Spannungen nicht weiter zu verschärfen. Sollte dies nicht zeitnah geschehen, so war zwischen den Zeilen zu lesen, würde man im schlimmsten Fall die Botschaftsvertreter des Landes verweißen. Jerusalem wies in einer Stellungsnahme daraufhin, dass dies nichts ändere, denn sollten die Botschaftsangehörigen des Landes verwiesen werden, träfe das auch Alexander Döbber und Co zu. Sie seien Schutzbefohlene des Staates Israels. Entsprechend könne man den Betreffenden auch zeitweise Immunität geben. Wodurch die Behörden keinerlei Handhabe gegen sie hätten, ohne einen ernsten diplomatischen Zwischenfall auszulösen.
Unterdessen wurden die Namen der Opfer der Schießerei veröffentlich, bei der es sich unbestätigten Gerüchten zufolge um einen Amoklauf handelte, für den Alexander als dringend Tatverdächtig galt. Gerüchten zufolge sei er von Sicherheitskräften, die der Herrenklub beschäftigte, angeschossen worden. Die Darstellung wurde weder vom FBI, der Polizei oder dem Weißen Haus bestätigt. Genauso wenig dementierte die Botschaft oder Jerusalem sie.
Bei den Männern handelte es sich um Jim Anston - CEO von Anston Defence System; Marc Harrison - Präsident der Sherman Group; George Thompson - Vizepräsident von Public House Investment; Tim Mason - Topberater von Global Q&A; und Trevor Winfield - CEO von Winfield Construction.
Tycoone der Industrie und Wirtschaft. Ihre Firmen waren weltweit tätig und vernetzt. Hatten Regierungsverträge. Verkauften alles, von Rüstungsgütern bis hin zu Medikamenten und Babynahrung. Besaßen Infrastrukturaufträge. Berieten Regierungen in Sozial- und Umweltfragen. Veröffentlichen Dutzende Studien zu ebenso vielen Themen. Finanzierten Sozialprogramme. Bauten Schulen in der Dritten Welt. Bohrten Brunnen zur Wasserversorgung.
Nichtsdestotrotz handelte es sich bei diesen Männern um die Gründer, die Führung der Templer. Eine Schattenorganisation die vor 147 Jahren daran mitwirkte Pocken als biologische Waffe einzusetzen, um eine Niederlage in einen Sieg zu verwandeln.
Tage später kam es auf der Generalvollversammlung der UNO in New York zu einem Treffen zwischen dem US-Präsidenten und Israels Premierminister hinter verschlossenen Türen. Wenige Stunden danach überschlugen sich medial die Ereignisse …
***
Alexander hatte Glück im Unglück.
Die beiden Schusswunden hinterließen keinen bleibenden Schäden oder waren lebensbedrohlich. Ganz anders sah es da bei dem Blutverlust aus, der durchaus lebensbedrohlich war. Seine Flucht aus dem Herrenklub hatte ihm in vielerlei Hinsicht das Leben gerettet. Auch wenn es sein Zustand stabil war, so hatte der Arzt vom Jüdischen Moses Krankenhaus klar und deutlich gemacht, das er in der nächsten Zeit keine weiteren Ausflüge unternehmen soll. Sein Körper brauchte Ruhe, um den Blutverlust auszugleichen.
Sollten wiedererwarten Komplikation auftreten, konnte man ihn Tag und Nacht anrufen.
Er fühlte sich jedenfalls hundeelend, als Alexander wieder zu sich kam.
Die Schusswunden waren genäht und bandagiert worden. Gabriel schaute nach ihm, kontrollierte den Heilungsprozess und seine Vitalwerte. Anfangs musste der Deutsche wieder auf den Damm kommen. Bis dahin galt absolute Ruhe. Trotz allem was hinter ihnen und noch vor ihnen lag.
Stets bei ihm war Nava, die nicht von seiner Seite wich.
Seine Kehle war rau und kratzig. Ein unnatürlicher Geschmack lag ihm auf der Zunge, der von den Medikamenten herrührte, die man ihm verabreichte. „Es tut mir leid.“, entschuldigte er sich als Gabriel aus dem Zimmer gegangen war.
„Das sollte es auch, mein Freund.“
Er gluckste, verzog bei dem kalten dumpfen Stich das Gesicht und rutschte ein wenig nach oben. „Hab ich wohl verdient.“ Alexander sah sie mit einem schiefen Schmunzeln an.
Nava kniff ihren Verlobten. Keine Reaktion. „Du hättest es nicht alleine machen müssen.“, sagte Sie fürsorglich und gab ihm ein Schluck Wasser zutrinken. „Ach ja, du warst ja gar nicht alleine.“ Er verschluckte sich und hustete. Speichel und Wasser rannen ihm aus dem Mundwinkel. Nava wischte es weg.
„Ist nichts passiert.“
„Ich weiß.“ Sie gab ihm einen Kuss. Nava setzte sich auf den Stuhl neben dem Krankenbett. „Bei der mysteriösen Fracht handelte es sich also um Pocken.“, stellte die Israelin fest.
Alexander nickte. „Sie wollten die Unionstruppen damit infizieren und gleichzeitig die Konföderierten impfen.“, erzählte er geschwächt. Der Schock über diese Neuigkeit war ihr anzusehen, obwohl Sie es bereits vermutete.
„Wer hat die Männer im Herrenklub umgebracht?“ Eine Frage, die seit bekannt werden der Schießerei ihr flau im Magen lag. Nava glaubte zwar nicht das Alexander Amok gelaufen war, aber durch Sif wusste sie das er die Hintermänner zu Rechenschaft ziehen wollte.
„Lewis Jackson.“
Sie horchte auf. „Der Stabschef des Präsidenten!!“
Er nickte, legte den Kopf ins Kissen, schloss die Augen um sich zu sammeln. „Es ist besser, wenn du die Anderen holst. Sie sollten es auch wissen.“
Kaum waren alle da, erzählte Alexander ihnen alles.
Bei der Fracht handelte es sich um Pocken. Geplant war die Truppen der Union zu infizieren, umso den Kriegsverlauf in allerletzter Minute zu ändern. Der einzige Überlebende des konföderierten Kanonenboots war ein Unioner Spion. Er schrieb einen zweiten Brief an Generalleutnant Ulysses S. Grant. Er starb vermutlich an den Folgen der Pocken und seinen Verletzungen. Die Indianerin, die ihn rettete und pflegte, bat er den Brief zu Grant zu bringen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte er sie angesteckt. Auf dem Weg starb die Indianerin, löste unbeabsichtigt die Pockenepidemie unter ihrem Stamm aus, die auf die übrigen Indianerstämme der Region überging.
Die heutigen Gründer suchten nach einem rätselhaften Massensterben bei Fischen in der Chesapeake Bay nach der Quelle. Sie fanden das Wrack der CSS Ares, bargen die Fracht sowie den zugänglichen Teil der Gold- und Silberladung. Verkauften davon einen Teil am Freien Markt, behielten den Rest als Reserve, die ihnen gestohlen wurde. Was zeitgleich mit ihrem Fund der Ares geschah. Die Versenkung der Darwin sollte dazu dienen, die Gründer aufzustöbern. Damit Lewis Jackson, Mitglied der Templer, seine Putschpläne umsetzen und die Gründer töten konnte. Genau das war geschehen, als Alexander sich mit ihnen im Herrenklub traf. Jeder Gründer trug eine der Mini-Phiolen bei sich, die Jackson von seinen Killern einsammeln ließ, bevor er diesen tötete. Dabei wurde Alexander schwer verletzt, nahm die Mini-Phiolen und flüchtete.
Als er mit seinen Ausführungen des Ganzen endete, herrschte erstmal betretendes Schweigen. Jeder ließ das gehörte sacken.
Dann ergriff Anton das Wort, als ihm Pérez zu nickte. Der Israeli trat vor. Er entfernte die farbige Kappe einer Mini-Phiole. „Sie sind Speicherträger.“ Darunter befand sich ein Mini-USB-Stecker. „Auf jedem befindet sich ein Teil eines Zugriffcodes mit einer 1024-Bit Verschlüsselung. Es war mit nicht möglich ihn zu hacken oder zu entschlüsseln.“
„Mit ihnen erhält Jackson Zugriff auf das Templer-Netzwerk.“, schlussfolgerte Sif. Worüber der Verfasser des Manuskripts, das Jackson in die Finger bekam und daraufhin denjenigen umbringen ließ, schrieb.
Alles deutete dabei auf das Schwert der Templer, die Killer der Templer.
Was Sinn machte, um die vollständige Kontrolle zu erhalten. Ohne Sie stand er praktisch mit leeren Händen da. Dadurch wiederum wussten sie was er brauchte. Gleichzeitig machte das Jackson umso gefährlicher, er würde nichts unversucht lassen um die Mini-Phiolen in seinen Besitz zu bekommen. Wenn nötig ließ er auch die Botschaft stürmen. Was umso wahrscheinlicher wurde, je länger die aktuelle Situation vorherrschte.
„Was wir verhindern müssen.“, stellte Nava unmissverständlich klar.
Keiner erhob Einwände.
„Wir müssen es zerstören, um zu verhindern das es jemals jemand nutzen kann.“ Sif mangelte es ebenso wenig an Entschlossenheit.
Auch diesbezüglich gab es keine verschiedene Meinungen unter ihnen.
„Dazu müssen wir wissen, wo sich das Netzwerk befindet.“, wandte Pérez besonnen ein.
Womit er einen entscheidenden Punkt ansprach.
***
Alexander döste mehr als das er schlief. Erholsam war etwas anderes. Irgendetwas beschäftigte seinen Geist, ließ ihn nicht los. Unruhe breitete sich in ihm aus, erfasste sein Unterbewusstsein. Wirklich träumen tat dabei nicht. Zusammenhanglose Bilderbruchstücke. Kindheitserinnerungen. So schnell Sie kamen, genauso schnell waren Sie wieder weg, ließen sich nicht festhalten. Eine wahllose Auswahl.
Mittendrin tauchte ein Bruchstück aus dem Herrenhaus auf. Er stand im Gesellschaftsraum. Die Gründer und der Killer lagen tot am Boden. Alexander hörte nur die Stimme, sah keine Gesichter oder dergleichen. „Sie …müssen …ihn …auf …halten … Liberty …Gall…“
„Liberty …Gall…“
„Liberty …Gall…“
„Liberty …Gall…“
„Liberty …Gall…“
Es war jedes Mal eine andere Stimme.
Ein Echo. Alle gemeinsam in einem obskuren Chor.
Er schreckte auf.
Traum und Realität verschmolzen miteinander. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Alexander im Gesellschaftsraum zu sein. Das Krankenzimmer schälte sich heraus, nahm dessen Platz ein.
„Liberty …Gall…“ Ein entferntes Flüstern aus den tiefen seines Geistes.
Erschöpft legte sich Alexander wieder hin, atmete tief ein und aus. „Liberty …Gall…“, nuschelte er abwesend.
„Alles in Ordnung?“
Er öffnete die Augen.
Die Krankenschwester stand im Zimmer, sah ihn an, bereit jederzeit den Alarmknopf zu drücken, sollte es erforderlich sein. Außer ihr war niemand im Zimmer. Vor der Tür standen Pérez Männer. Trotz der Sicherheit in der Botschaft, ging man auf nun mal sicher. Vorsicht war besser als Nachsicht.
„Es ist alles okay.“, versicherte Alexander ihr mit schwacher Stimme. Er nahm das Glas Wasser vom Tischchen neben seinem Bett, trank kleine Schlucke, stellte es ab und setzte sich auf. „Können Sie einem von Pérez Männern sagen, das ich ein Notebook brauche.“ Sie sah ihn zwar nichtssagend an, aber die Frage stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich will mich mit etwas beschäftigen.“ Dabei blickte er auf das Bett. „Bitte.“
„Ich werde es ihnen ausrichten.“, sagte Sie nach einem Moment.
„Danke.“
Wenig später brachte ihm einer von Pérez Männern ein sicheres Notebook. Die Zugriffsdaten auf das WLAN-Netz der Botschaft waren bereits enthalten. Mit denen loggte sich Alexander ins Internet, surfte belanglos herum, checkte seine eMails, ging auf die Webseiten hiesiger Nachrichtensendungen, brachte sich anhand der Nachrichten auf den aktuellsten Stand.
Der Admiral war weiterhin in Haft.
Das FBI hatte inzwischen die beschlagnahmten Schiffe von der Darwin-Unglücksstelle durchsucht. Die Besatzungen ihrer Schwesterschiffe waren, wie ihr Chef in Haft. Was zu einem Protest der britischen Regierung führte.
Jede Bergungsaktion der letzten 10 Jahre wurde medial zerpflügt.
Der kambodschanische Botschafter war immer noch auf der Flucht. Einen seiner Söhne hatten die kanadischen Behörden am Flughafen von Vancouver festgenommen. Er war über Singapur eingereist und wollte nach Venezuela. Ein Land ohne Auslieferungsvertrag. Der perfekt Zufluchtsort. Daher wurde spekuliert das Vater und Bruder ebenfalls dorthin unterwegs waren.
Noch immer hing die Vermutung in der Luft er sei im Herrenklub Amok gelaufen. Eine Befragung von Seiten der Ermittler lehnte die Botschaft sowie Israel ab. Die diplomatischen Beziehungen drohten ernsthaften Schaden zu nehmen. Keine Seite war bereit einen Millimeter nachzugeben. Zu dem meldeten sich auf beiden Seiten die Oppositionen zu Wort. Auch ein möglicher Bruch der diplomatischen Beziehungen schien möglich.
Um es nicht soweit kommen zulassen, bot sich Deutschland als Vermittler zwischen den Streithähnen an. Die deutsche Kanzlerin hatte angeboten BKA-Beamte einzusetzen, die die Befragung für das FBI durchführten. Das Weiße Haus sah darin einen Anfang, um die Situation nicht weiter eskalieren zulassen. Jerusalem äußerte sich bisher nicht.
Sie mussten herausfinden, wo sich das Templer-Netzwerk befand. Andernfalls fände man sich früher oder später auf der Anklagebank wieder. Noch war nichts zerstört oder irreparabel beschädigt. Lange blieb das dabei nicht. Er konnte Sie retten. Den Admiral, dessen Firma, seinen Bruder, Nava und sich selbst.
Alexander ging auf eine Suchmaschine, machte eine Eingabe, las sich die Trefferliste durch.
Auf seinem Gesicht erschien ein schwaches Schmunzeln, das sich zu einen Grinsen wandelte.
***
Die Villa aus der Kolonialzeit gehörte zu den ältesten Gebäuden in Boston und an der Ostküste. In ihr, so sagte man, trafen sich die Gründerväter der Vereinigten Staaten um die Unabhängigkeitserklärung auszuarbeiten. Die Unterzeichnung bildete den Anfang der Loslösung Großbritanniens und markierte gleichzeitig den Beginn des Unabhängigkeitskriegs.
Bis Heute war die Villa viermal zerstört und aufgebaut worden. Faktisch stand das Gebäude auf den Grundfesten jener Villa, die einen Meilenstein in der Amerikanischen Geschichte darstellte. Seither trotzte sie allen Widrigkeiten und gesellschaftlichen Veränderungen, die über die Jahrhunderte die Welt, die USA, die Ostküste und Boston prägten.
Inzwischen stand das historische bedeutsame Gebäude unter Denkmalschutz, wurde gehegt und gepflegt. In der Gegenwart beherbergte die Villa eine Kunstgalerie; Die National Gallery.
Finanziert wurde diese von einer privaten Stiftung, die unter anderem Stipendien, Wissenschaftspreise und dergleichen sponserte. Auch soziale Projekte wurden von hier unterstützt. Events aller Art ausgerichtet. Alljährliche Spendengalas ins Leben gerufen, die auf unterschiedlichste Themen hinwiesen und entsprechende Projekte förderten.
Auf der Website der Stiftung konnte man sich über das Tätigkeitsprofil der Organisation einen Überblick verschaffen. Wie Paten, Spender, Partnerorganisationen, Mitarbeiter, abgeschlossene, laufende und zukünftige Projekte, Sponsoren und vieles mehr. Ihren Sitz hatte die Stiftung in einem der gläsernen Bürotürme in der Innenstadt von Boston. Es gab zahlreiche landesweite Vertretungen, die regionale und lokale Programme besaßen. Die jeweiligen Organisationen waren zwar miteinander verknüpft, aber eigenständig.
Ein Konstrukt das Alexander an die Struktur des antiken römischen Reichs, die Mafia oder eine anderweitige kriminelle Organisation erinnerte. Kaum zu entwirren. Es sei denn, man verfügte über ein Heer Mitarbeiter und enorm viel Zeit. Ansonsten verlor man sich darin. Was durchaus beabsichtigt war. Zumindest am Beispiel der Mafia und den anderweitigen kriminellen Organisationen.
Dennoch förderte das Graben interessantes hervor. Sofern man einen langen Atem hatte.
Die National Gallery besaß zwar eine Verlinkung mit der privaten Stiftung, fand sich aber nicht in deren Programmprofil. Was seltsam war, da Sie ja finanzielle Hilfen erhielt und somit zu den unterstützten Projekten gehörte. Darunter fand man die National Gallery jedoch nicht.
Als No-Profit Organisation war man von Gesetzeswegen verpflichtet die Jahresberichte öffentlich zugänglich zu machen. Auf der Webseite konnte man diese daher einsehen. Sie mussten über jeden Cent Buch führen der eingenommen und ausgegeben wurde. Setzte man also seine Grabung fort, erfuhr man das die finanzielle Unterstützung der National Gallery von einem lokalen Spenderprogramm stammte. Daraus wurden die laufenden Betriebskosten, Mitarbeiter und dergleichen bezahlt. Wer wiederum dahinter stand, war anfangs nicht ersichtlich.
Er versuchte es von einer anderen Seite.
Die Villa gehörte einst dem städtischen Immobilienfonds, der in Schwierigkeiten geriet und sich von verwalteten Immobilien trennen musste. Zwar stand die Villa nicht auf der Verkaufsliste, wurde aber dennoch klammheimlich veräußert. An eine gesichtslose Investmentgesellschaft, die scheinbar aus dem Nichts entstand und ebenso wieder verschwand. Bei seinen weiteren Recherchen fand er heraus, das die Investmentgesellschaft am Tag des Verkaufs um 9 Uhr gegründet wurde. 13 Uhr reichte Sie beim Immobilienfonds bzw. dem Treuhänder ein Angebot ein. 15 Uhr war der Blitzverkauf abgeschlossen. 17 Uhr wurde die Villa an die eben gegründete National Gallery überschrieben. 18 Uhr 59 wurde die Investmentgesellschaft aufgelöst. Genau 1 Minute vor Geschäftsschluss. Um die gleiche Zeit fand die finanzielle Unterstützung der neuen National Gallery von einem lokalen Spenderprogramm statt.
Seine Vermutung war, das die Gründer hinter all dem steckten.
Inzwischen war die National Gallery eine angesehene Kunstgalerie, die lokalen und regionalen Künstlern eine Plattform gab. Sie stellten deren Kunst aus. Außerdem gab es in der Galerie eine ständige Kunstausstellung, die sich mit der historischen Bedeutung der Villa befasste.
Im Netz fand Alexander einen Gebäudeplan, der vom letzten Wiederaufbau stammte sowie einen historischen Stadtplan von Boston aus der Kolonialzeit. Zu jener Zeit, vor allem aber nach der Unabhängigkeitserklärung, wurden neuralgische Punkte der Stadt mit Tunneln verbunden. Sie sollten die Versorgung während einer Belagerung sicherstellen.
In dieser Richtung kam er nicht weiter.
Allem Anschein nach war die National Gallery eine private Einrichtung, die von einer Stiftung finanziell unterstützt wurde. Wieso diese Verschachtelung? Um zu verhindern, das man herausfand, wer dahinter stand. Obwohl die Stiftung die alljährlichen Kosten der Kunstgalerie deckte, war diese nicht verpflichtet ihren jeweiligen Jahresbericht zu veröffentlichen, da es sich nicht um eine No-Profit-Organisation handelte.
Mit ein wenig Trickserei erlangte Alexander Zugriff auf einen älteren Jahresbericht, der öffentlich zugänglich war. Darin fand er einen interessanten Ausgabeposten: die Stromrechnung. Für eine Kunstgalerie war Sie schlichtweg zu hoch. Zumindest seinem empfinden nach.
Eine solch hohe Stromrechnung ließ sich zwar mit einer elektronischen Kunstinstallation erklären, jedoch müsste diese dann 24 Stunden laufen. Was wiederum ziemlich unwahrscheinlich war. Und als jemand vom Fach, stimmte Nava seiner Einschätzung zu.
Alles zusammengenommen schien jemand zu versuchen die wahre Nutzung, der National Gallery zu verschleiern. Aufgrund dessen, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatten und bereits wussten, konnte man zu dem Schluss kommen, das die Gründer dahintersteckten. Wieso sonst nannte der sterbende Gründer ihm die National Gallery? Nur aus einem Grund. Um Lewis Jackson aufzuhalten. Wozu Sie Zugriff auf das Templer-Netzwerk benötigten.
Der Gründer wusste das.
Darum nannte er ihm mit seinem letzten Atemzug, jenen Ort, wo Sie es fanden.
Innerhalb der National Gallery in Boston.
***
Jetzt wussten Sie zwar, wo Sie suchen mussten.
Ein grundlegendes Problem blieb bestehen.
Die Botschaft befand sich in einem Belagerungszustand. Woran Alexander und Co nicht gänzlich unschuldig waren. Außerdem ließ Jackson die Botschaft mit Sicherheit von seinen eigenen Leuten überwachen.
Sie konnten also nicht so ohne Weiteres nach Boston reisen.
Ihr Aufbruch würde bemerkt werden, sobald sie einen Schritt vor die Tür setzten. Dem Umstand der diplomatischen Hoheitsimmunität zum Trotz. Davon würde sich Jackson sicherlich kaum abhalten lassen, je länger sich die Angelegenheit hinzog.
Andererseits galt es nicht als unmöglich einen Belagerungsring zu durchbrechen.
Was die Geschichte in vielerlei Ereignissen zeigte.
Auch ein schwächerer Gegner konnte einen stärkeren besiegen.
Unter den entsprechenden Voraussetzungen.
Mit Blaulicht und Sirenengeheul bog ein Krankenwagen vom Moses Krankenhaus in die abgesperrte Botschaftsstraße. Wenige Minuten zuvor war aus der Botschaft ein Notruf abgesetzt worden. Die Beamten ließen den Krankenwagen nach Rücksprache mit der Einsatzzentrale durch die Absperrung.
Sofort richteten die Medienvertreter ihre Fernsehkameras und Fotoapparate darauf. Eiligst wurden die neuen Geschehnisse kommentiert. Entweder Live oder per Aufzeichnung.
Der Krankenwagen fuhr in die Botschaftseinfahrt, verschwand auf der nicht einzusehenden Rückseite.
Spekulationen bezüglich des Krankenwageneinsatzes machten die Runde. Hiesige Nachrichtensender schickten gleich Leute zum Moses Krankenhaus. Reporter versuchten die aufflammenden Gerüchte über zahllose Anrufe zu bestätigen. Vom Pressesprecher der Botschaft erfuhren sich der Gesundheitszustand von Alexander Döbber rapide verschlechtert hatte. Aus diesem Grund sei man zum Entschluss gekommen den Notruf zu wählen. Von Kollegen am Moses Krankenhaus erfuhren die Reporter und Nachrichtensprecher das Vorbereitungen für eine Not-OP getroffen wurden.
Kurze Zeit später verließ der Krankenwagen in Begleitung zweier Botschaftslimousinen das Gelände, wurde an der Absperrung von FBI und Secret Service Agenten gestoppt. Sie näherten sich dem Krankenwagen, die Hände an den Pistolen, öffneten die Hecktür und sahen, wie ein Sanitäter eine Herzdruckmassage durchführte, während der markante und bekannte lang gezogene Piepton tönte. Der Notarzt blaffte die Beamten an, der Patient müsse unverzüglich ins Krankenhaus. Er lehnte die Forderung das einer der Beamten mitfuhr schroff ab. Entweder man ließe Sie jetzt passieren oder Sie hätten den Tod des Patienten auf dem Gewissen.
Der Einsatzleiter gab per Funk den Befehl den Krankenwagen und die Begleitfahrzeuge durchzulassen. Da es sich um Botschaftslimousinen handelte, standen sie unter Immunitätsschutz.
Als der Krankenwagen die Absperrung hinter sich hatte, folgte dem dreier Gespann ein Traube von Fahrzeugen der Polizei, FBI und Secret Service, die ständig im Funkkontakt mit der Einsatzzentrale standen.
Der Krankenwagen fuhr auf direktem Weg zum Krankenhaus, nahm die Zufahrt der Notaufnahme, der hauseigene Sicherheitsdienst bereits eine Absperrung wegen der wachsenden Medienmeute eingerichtet hatte.
Aus den Begleitfahrzeugen sprangen, als die Kolonne stoppte, Männer und Frauen vom Sicherheitsdienst der Botschaft, bildeten eine Wand um die Trage, welche das Notfallteam übernahm. Polizeibeamte, FBI und Secret Service Agenten komplettierten das vorherrschende Chaos.
Der Patient wurde direkt in den Operationssaal gebracht, wo die Not-OP stattfand. Unterdessen stritten die Beamten der Sicherheitsorgane um die Zuständigkeit untereinander und mit den Israelis. Das Krankenhaus beendete den Tumult, in dem es Gebrauch vom Hausrecht machte. Es verwies Polizei, FBI und Secret Service, da sie keinen richterlichen Beschluss besaßen. Woraufhin sich die jeweiligen Beamten sofort daran machten, diesen zu besorgen. Sie sahen ihre Chance, den als flüchtig eingestuften Alexander Döbber dingfest zu machen.
Drei Stunden später marschierte ein Tross Agenten von FBI und Secret Service erneut ins Krankenhaus. Diesmal mit einem richterlichen Beschluss, der ihnen weitreichende Befugnisse in der Angelegenheit einräumte. Als es darum ging den Status der Not-OP zu erfragen, schaute der Verwaltungsassistent den zuständigen Agenten fragend an. Eine Not-OP, so der Mann, habe nicht stattgefunden. Was eine Diskussion lostrat. Schließlich sei vor etwa 3 Stunden ein Notfallpatient mit dem Krankenwagen eingeliefert worden, der zur israelischen Botschaft gerufen wurde.
Dem überforderten Verwaltungsassistenten zur Folge ging aus den Einsatzprotokollen der hiesigen Krankenwagen hervor, das ein solcher Notfalleinsatz nicht stattgefunden hatte. Bei der erwähnten Einlieferung handelte sich um eine Notfallübung, die das Krankenhaus kurzfristig angesetzt hatte.
Erst Stunden später fiel einem FBI-Agenten das Fehlen der israelischen Sicherheitskräfte der Botschaft auf, die in 2 Limousinen dem Krankenwagen gefolgt waren. Sie waren spurlos verschwunden.
Auch am späten Abend hatte sich das Ganze nicht aufgeklärt.
Von Alexander Döbber und Co fehlte jede Spur.
Die Limousinen waren nicht zur Botschaft zurückkehrt. Keiner hatte das Gebäude verlassen oder betreten.
Sie standen vor einem Rätsel.
***
Genau wie die Polizei, das FBI und der Secret Service war die im Hintergrund agierende Gruppe um Lewis Jackson war ein Einsatzteam dem dreier Konvoi von der Botschaft zum Krankenhaus gefolgt. Sie folgten dem elektronischen Signal, das die Peilgeräte anzeigten, als der Krankenwagen die Botschaft verließ.
Das Peilsignal wiederum stammte von einem Peilsender, den Sie Alexander unter die Haut spritzten, als er sich bewusstlos in ihrer Obhut befand. So spürten sie ihn auch bei dem Treffen mit den Gründern auf, stürmten den Herrenklub, töteten ausnahmslos jeden und die Gründer.
Auch er sollte unter den Opfern sein, um ihn dann zum Sündenbock zu machen. Doch dieser Teil des Plans ging schief. Neben seinem Überleben und der anschließenden Flucht befand sich der deutsche Schatzjäger dadurch auch noch im Besitz der Mini-Phiolen.
Anhand des Peilsignals wussten die Kräfte vom Schwert der Templer jederzeit, wo sich Alexander Döbber aufhielt.
In der Botschaft.
Jedenfalls solange, bis er im Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht wurde.
Der ganze Trubel deswegen erschwerte die Signalverifizierung.
Das vor Ort befindliche Einsatzteam wurde über die Ereignisse auf dem Laufenden gehalten. Sie sollten sich aus Sicherheitsgründen im Hintergrund halten und warten. Noch war die Lage zu unübersichtlich. Die chaotischen Zustände hingegen waren geradezu ideal. Nichtsdestotrotz hielten sich die Elitekiller zurück.
Bis Sie den Befehl erhielten, den Standort des Peilsignals festzustellen.
2 Mann des Einsatzteams wurden als Aufklärer in das Krankenhaus geschickt. Wo sich die Lage längst die beruhigt hatte. Aus diesem Grund tarnten sich die einstigen Elitesoldaten als Streifenpolizisten, betraten das Krankenhaus. Ein umfunktioniertes Smartphone benutzten Sie als Peilsender, schlenderten durch die Flure. Ihre Anwesenheit wurde durch den ganzen Trubel gar nicht weiter zur Kenntnis genommen.
Stockwerk für Stockwerk.
Immer darauf bedacht keinen Verdacht zu erregen. Sie ließen sich auch nichts anmerken. Andere Polizisten wurden nickend gegrüßt. FBI und Secret Service Agenten ignoriert. An den Wasserspendern und Snackautomaten pausierten die Männer kurz, kontrollierten das Peilgerät und fuhren in den nächsten Stock.
Niemand machte sich die Mühe Sie zu überprüfen. Noch. Allzu lange konnten sie sich mit der Suche nicht mehr aufhalten. Andernfalls wurden die eigentlichen Gesetzeshüter möglicherweise misstrauisch.
Sie erreichten 5ten Stock. Laut der Infotafel befand sich hier die Intensivstation. Das Peilsignal wurde klarer als Sie die Flure entlang schlenderten. Demzufolge befand sich der Sender auf diesem Stockwerk. Wenn sich das Signal abschwächte, änderten Sie die Richtung.
Bei erreichen des Meldebereichs der Station konnten die falschen Polizisten in einem der Flure 2 Männer in Anzügen und Headsetempfänger im Ohr ausmachen, die vor einem der Patientenzimmer standen. Eine Feinjustierung des Peilgeräts ergab, dass das Signal aus eben jener Richtung kam. Die Männer vor dem Zimmer gehörten nicht zum hauseigenen Sicherheitsdienst. Es waren Profis. Ausgebildete Wachhunde. Israelis.
Damit deutete alles daraufhin das hinter der bewachten Tür der gesuchte Alexander Döbber lag.
Da es sich bei den Männern nicht um Amateure handelte, beschlossen Sie zu gehen, bevor ihre Anwesenheit Argwohn auslöste. Einen ablenkenden Zwischenfall konnte sich das Schwert der Templer nicht leisten.
Ihr Teamchef erstattete nach ihrer Rückkehr zur Truppe Bericht.
Sie hatten den Deutschen gefunden.
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Ende, Kapitel 11
* vom Autor frei erfunden
© by Alexander Döbber