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Die Urkunde

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Wenn es dunkel wird im Hotel Schäfli, werden die Kerzen angezündet. Still und stumm sitzen die Gäste um die Tische. Auch Robert Schmidhauser kommt immer wieder ins Hotel Schäfli und geniesst die Ruhe. Im Hotel brennen abends viele Kerzen, bei den Gästen kommt das gut an. Sie wissen, dass sie sich hier nicht verlieben dürfen. Gelingt ihnen das, bekommen sie vom Hotel Schäfli eine Urkunde, in der steht: "Wir gratulieren ihnen, Sie haben sich nicht verliebt. Jetzt sind Sie für das Leben gerüstet." Auch Robert Schmidhauser besteht im Jahre 1978 im Hotel Schäfli diesen Test und darf eine Urkunde in Empfang nehmen.

Kaum hat er sich von den Strapazen des 2-tägigen Aufenthalts im Hotel Schäfli erholt, geht er zwei Häuser weiter und landet im Restaurant Sonne. Dort begiesst er seinen Erfolg. Irene, die Serviertochter, setzt sich zu ihm hin und fragt ihn, was es zu feiern gäbe: "Ich habe mich nicht verliebt", sagt er stolz und strahlt übers ganze Gesicht. Sie schweigt und hört ihm zu, wie er immer wieder sagt: "Ich habe mich nicht verliebt." Nach einiger Zeit meint die fesche Irene, dass das sicher ein wunderbares Gefühl sei. "Ich möchte das Gefühl mit Ihnen teilen. Sagen Sie, was ich machen muss!" "Zuerst müssen wir warten, bis die Sonne untergegangen ist. Dann holen wir eine Kerze und stellen sie auf den Tisch." Als die Sonne untergegangen ist, sitzen sich die beiden bei Kerzenlicht gegenüber und schauen sich an. "Jetzt dürfen Sie sich nicht verlieben", sagt er und schweigt. "Wie lange müssen wir so dasitzen und schweigen?" "Bis die Sonne wieder aufgeht", entgegnet er. Als die ersten Sonnenstrahlen durchs Restaurant dringen, sagt sie: "Ist das ein schönes Gefühl, ich habe mich auch nicht verliebt.“ Kurze Zeit später steht er, ohne ein Wort zu sagen, auf, hinterlegt ein wenig Geld an der Theke und kehrt nie mehr ins Restaurant Sonne und zur feschen Irene zurück.
 
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Kommentare  

Nun hatte der Herr wenigstens die Gelegenheit gefunden, sich genehmigungsfrei verlieben zu dürfen!
Tolle Geschichte, mit gewohnt spitzer Zunge geschrieben!
LG. Michael


Michael Brushwood (05.12.2012)

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