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Broadway-Blues. Oder: New Yorker Nächte

Romane/Serien · Erotisches
Jenny streckte mir schon wieder ihren Hintern entgegen. Immer wenn ich hinter der Theke vorbei zur Flaschenablage ging, war mir Jennys Gewölbe einladend im Weg. Es störte mich nicht, im Gegenteil, aber hinter der schmalen Theke war kein Platz für so viel Provokation. Fast zwangsläufig rieb sich deshalb mein neugieriges Vorderteil an Jennys provokanten Rundungen, während sie über den Tresen gebeugt Bourbon ausschenkte und mit den Gästen quasselte.
Hinzu kam Jennys Unschuldslächeln mit einer Mischung aus Mona Lisa, Hure und Heiliger Bernadette. Also blieb ich im Vorbeigehen immer eine oder zwei Sekunden hinter Jenny stehen, drückte zu, deutete, ohne auf die Gäste zu achten, ein paar ordinäre Bewegungen an, die Jenny längst bemerkt und regelmäßig lächelnd erwidert hatte. Das machte meinen neuen Job zwischen Gläserspülen und Flaschenabräumen zum Genuss und meine Fantasie veranstaltete Purzelbäume.
*
"Have you got any experience with barwork?" hatte Jenny gefragt, als ich mich zwei Wochen zuvor um den Job beworben hatte. Selbstbewusst aber verdammt übertrieben antwortete ich: "Die Hälfte meines Lebens habe ich hinter der Bar verbracht!" Was nur insofern nicht gelogen war, dass ich meine Erfahrung größtenteils nicht hinter, sondern vor einem Bar-Tresen gesammelt hatte. Immerhin, ich bekam den Job. Ohne Greencard und illegal nimmt ein armer Schlucker in New York alles, was kommt. Jedenfalls war dieser Job als Barhelfer angenehmer und mit Aussicht auf Trinkgeld besser bezahlt, als vorher die vier Wochen in der fettigen Bratküche bei McDonalds an der Pensylvania-Bus-Station. Wer vier Wochen in New York Hamburger gebraten, Hamburger verkauft, nichts als Hamburger gegessen, in einer Ecke des Busbahnhofs auf Hamburger-Kartons geschlafen und während dieser Zeit nicht ein einziges Mal die Zärtlichkeit und Wärme einer Frau gespürt hatte, weiß, wovon ich rede.
*
Auf einem Schiff hatte ich mich bis New York durchgejobbt. In einer Rotterdamer Hafenspelunke hatte ich beim Kartenspiel zwei Deutsche, den Ersten Offizier und den Kapitän einer drittklassigen Rostdschunke kennengelernt, die für eine Trampreederei unter nigerianischer Flagge fuhr. Der Erste sagte zu mir: "An Bord fehlt der dritte Mann zum Skat. Komm' Jung! Schipper mit uns nach Amerika! Heuer gibt's keine, aber Überfahrt, Kost und Logis sind gratis! Tagsüber kannst du den Moses spielen, ein paar Handreichungen hier und da auf dem Schiff, und abends klönen wir und spielen Skat!"
Von wegen "ein paar Handreichungen"! Während der Überfahrt hing ich tagsüber auf einem Brett, das mit vier Seilen an der Reling befestigt war, klopfte mit einem Hammer Rost von der Bordwand und schmierte anschließend Farbe darüber. Unter mir rauschte das Meer. Wer vierzehn Tage in dieser Situation das Meer genossen hat, verbringt den nächsten Urlaub im Gebirge.
Aber nach dem Abendessen spielten wir bis nach Mitternacht in der Messe Karten und in New York schlich ich ohne Visum und mit fünf Dollar in der Tasche von Bord. Hinein ins unbekannte und geheimnisvolle New York. Wenn Rockefeller es vom Tellerwäscher zum Millionär gebracht hatte, warum sollte ich es nicht wenigstens zum - zum, nun - das wird sich schon irgendwie ergeben…
*
Jennys Bar lag in einer Seitenstraße Off Broadway. Gemischtes Publikum. Tagsüber kamen sich wichtig gebärdende Handelsvertreter mit Handköfferchen und Laufkundschaft aus der Nachbarschaft; abends und nach den Vorstellungen viel Volk aus dem Showbisness. Tänzerinnen, Schauspieler und solche, die es schon seit Jahren werden wollen. Oder sie warten auf eine Rolle und auf die große Chance, und unterdessen finanzieren sie ihren Schauspielunterricht als Kellnerin, Gemüsekistenschlepper, Taxifahrer oder Gelegenheitsnutte. Außerdem ein paar Spanner und Lebenslüstlinge, die sich in dieser Sorte Bar das große Leben, einen Hauch von Erotik und Verruchtheit oder ganz simpel ein Abstauberquicki versprachen.
Der dickbäuchige Autohändler Jack mit seiner rot glänzenden Trinkernase gehörte dazu, und die mittelalterliche Miss Faltgreen, eine mit Perlen und Ringen geschmückte Besitzerin einer Modeboutique aus Greenich-Village, die mich mit dem üppigen Firlefanz und Geglitzer um ihren dürren Hals an einen aufgemotzten amerikanischen Weihnachtsbaum erinnerte. Weiß der Kuckuck, was diese Frusteule so oft in unseren Schuppen trieb.
Jenny hatte für prüde amerikanische Verhältnisse einige Knöpfe zu wenig an der halb offenen Bluse. Aber wir waren in New York und nicht in einem sterilen Mormonendorf im Süden der USA. Jack wusste nach dem fünften Bourbon nie, ob er seine Augen in Jennys prallen Brüsten oder in Miss Faltgreens falschen Diamanten versenken sollte.
Das Spiel zwischen Jenny und mir setzte sich bis gegen vier morgens fort. Wir waren alle nicht mehr nüchtern. Die Bude war gerammelt voll und die Trinkgelder gaben Anlass zu Übermut. Eine Meute von Frauen und Männern feierte eine gelunge Theaterpremiere. Aus der Jukebox dröhnte Muddy Waters “I just want to make love to you”. Schweißige Körper schoben sich durch Rauchschwaden und Rotlicht; der Kameramann von Chinatown oder Fellini hätten ohne Requisiten arbeiten können; die Originale waren authentischer. Das aufgeregte Rudel hatte den Smalltalk abgehakt und war längst zur Sache gekommen. Eine fette, blondierte Mae-West-Imitation mit ausgeprägt drallen Brüsten war schwankend auf einen Tisch gestiegen und hatte ihren Büstenhalter in die Runde geworfen, wie eine Braut ihr Brautbouquet. Theatralisch lasziv zog sie den Rock über den Hintern und stand in einem Stückchen gehäkeltem Stoff da, das mehr an einen Schnürsenkel erinnerte und die Rundungen in zwei blass-rosa Kürbisse teilte. Die Meute grölte: "More! More! We want it all!" Einer zupfte am Schnürsenkel und zog ihn auf. Sie hüpfte kichernd vom Tisch und wurde von der Meute aufgefangen.
Ein bärtiger Othello vergrub seine Zunge im Mund des schmächtigen Bühnenbildners. Ein schmaler Hans Wurst mit traurigen Augen wie Woody Allen hatte sich die schwarzgeränderte Hornbrille geputzt. Dann schob er seine Hand in den Rocksaum einer Rothaarigen mit Erbsentitten und schmalen Fältchen um die tragischen Mundwinkel. Ihr lauernder Blick glitt durch den Raum, als sei sie auf der Jagd nach versteckter Beute; ihre Hand streichelte wie beiläufig den Stoff, der sich über Woodys Wölbung spannte. Woody hielt ein Glas und prostete mit den Augen zwinkernd einem Typen zu, den er in einer Ecke entdeckt hatte und der im roten Nebeldickicht den knabenhaften Hintern einer zierlichen Afrikanerin befummelte.
"I just want to be loved by you!" schrie Jenny mir ins Ohr. Sie hatte Muddy Waters Song neu interpretiert.
"Right now? Jetzt gleich?" fragte ich heuchlerisch, drückte sie aber sofort gegen den Tresen.
"Right now and here! Jetzt sofort und hier auf der Stelle!" schrie Jenny gegen den Lärm und die Jukebox an.
"Hast du denn kein Bett zu Hause?" Mein Mund war an ihrem Ohr.
"Wie langweilig!" Jenny warf mit einer Kopfbewegung die roten Hennahaare über die Schulter. "Wie fantasielos!" Sie stellte die Flasche ins Regal und bückte sich geschickt über den Tresen, beugte sich nach vorne, wischte gleichzeitig nonchalant mit einem Lappen über den Tresen und streckte mir die Pracht ihrer Rubenswölbung entgegen. Dabei lachte sie Jack ins Gesicht, der mit dieser Aufforderung nichts anzufangen wusste, sondern mit Stilaugen auf meine Bewegungen hinter Jenny stierte.
Aus der Jukebox ertönte „Broadway Blues“. Ich bewegte mein Vorderteil im Rhythmus mit der langgezogenen Bluesmelodie. Jenny zwirbelte in Gegenrichtung, sehr langsam, träumerisch lasziv, fast unmerklich kreisend, nur zwischendurch, wenn der Drummer kurz einsetzte, zuckte sie und kam mir entgegen.
"Möchtest du noch‘n Bourbon?" fragte sie zwischendurch Jack. Dem Autofritzen schienen die Kontaktlinsen aus den flinken Schweinsäuglein zu fallen. Schweißperlen standen auf seiner geröteten Stirn. "Yes!" hechelte er nur und dann noch einmal keuchend "Yes!", was immer das bedeuten sollte. Jenny füllte großzügig den Bourbon nach und lachte in die Runde. Nur Miss Faltgreen hatte sich ein kleines bisschen hinter der Holzsäule versteckt. Sie puderte sich verlegen die schmale calvinistische Nase, blinzelte aber zu uns herüber und beobachtete unser Spiel bis zum Ende.
Jack hatte sich als erster gefasst und schwadronierte: "Mensch, Jenny! Prima Job! Und ‘ne großartige Vorstellung! Wirklich einmalig! Ich werde demnächst meine Freunde mitbringen! Ein verdammt guter Laden, diese verdammte Bar!“ Dann bestellte er für uns alle eine Runde. Als wir die Gläser hoben, kicherte Miss Faltgreen: "Du lieber Himmel! Das Leben ist so … so wundervoll, so … interessant, und – so voller Überraschungen!" Dann kippte der dürre Geizhals den Drink herunter und ihre Augen leuchteten, als sie mit einer einladenden Handbewegung glucksend herüber piepste: „Jenny, die nächste Runde geht auf mich!“
 
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Kommentare  

Toll die Atmosphäre in dieser Bar am Broadway beschrieben. Jenny ist eine erotische Frau die das gemischte Publikum gut zu versorgen und zu unterhalten weiß. Dein Prota hat dort einen Job gefunden und erhofft sich Chancen bei der süßen Jenny. Werde gleich weiterlesen, denn ich bin neugierig ob er tatsächlich bei ihr Erfolg haben wird.

Dieter Halle (07.12.2012)

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