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4 Seiten

Preis der Lust/Kapitel 24

Romane/Serien · Erotisches
© rosmarin
24. Kapitel
__________
Seit Tagen hatte sich Gigan nicht mehr am Telefon gemeldet. Entweder blieb es stumm am anderen Ende oder es kamen eklige, langgezogene Tuter. Mir blieb nichts übrig, als den Stecker zu ziehen. Das ging allerdings nicht auf Dauer. Zappi musste erreichbar sein. Und ich auch, besonders, nachdem ich mich in der Stadtbibliothek in der Breiten Straße als Bibliothekarin beworben hatte.

„Ich weiß alles von dir“, röchelte eines Tages eine heisere verstellte Stimme, „du entkommst mir nicht. Ich kenne dich. Ich kriege dich.“
Vor Schreck ließ ich den Hörer fallen, legte ihn nach einigen Minuten jedoch wieder auf die Gabel. Sofort klingelte es ununterbrochen. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Wohnung zu verlassen.
Der Sommer war heiß und drückend. Ich kaufte mir einen knallbunten Bikini im Kaufhof und ging ins Prinzenbad, wollte endlich mal wieder schwimmen, in der Sonne liegen, die Seele baumeln lassen. Vielleicht würden Sonne und Wasser meine umnebelten Sinne befreien, meiner Seele Linderung bringen.

Das Bad war völlig überfüllt. Überall lagen, standen, saßen badefreudige, sonnenhungrige Menschen. Es war gar nicht so einfach, ein geeignetes Plätzchen für mich zu finden. Endlich entdeckte ich einen alten Baum auf einer sommerdürren Wiese fast am Ende der Anlage, nahm meine Decke aus dem Rucksack, zog den Bikini an, machte es mir unter dem Baum gemütlich.
Das dichte Laubdach bot kühlenden Schutz, die Abgelegenheit ersehnte Einsamkeit. Das Buch -Was der Sturmwind sät - etwas Ablenkung von meinen trüben Gedanken, die unentwegt um Gigan kreisten und unerträglich zwiespältig waren.
Einesteils wollte ich nicht glauben, dass alles, was er gesagt und getan hatte, Lüge war. Und wenn, aus welchem Grunde sollte er mich angelogen haben. Ich grübelte und grübelte und fand keinen. Andererseits war mir klar, dass er in irgendwelche dubiose Geschäfte verwickelt sein musste, die den Einsatz meiner Person, besser, meines Körpers, als Preis hatten und über die er nicht mit mir reden konnte. Vielleicht hatte ich ihm auch nie die Möglichkeit zur Rechtfertigung gegeben. Wir waren fast nie mehr allein gewesen, und wenn, war es gleich zur Sache gegangen.

„Ich liebe dich. Für immer“, vernahm ich Gigans Worte, „was auch geschieht.“

Irgendwie musste alles, was in letzter Zeit geschehen war, in einem Zusammenhang stehen, wurde mir klar. Gigan, Bodo, Frau Nesselhof, Bernd, der Kollege. All diese Personen schienen mir im Kreis, deren Mittelpunkt ich war, hinter einer schier undurchdringlichen Nebelwand zu stehen. Und dann war da noch der Hauptkommissar Eichner, der mit seinen polizeilichen Ermittlungen dem Geheimnis auf der Spur war.
Aber was war mit den stummen Anrufen? Den Tutern? Der verstellten gruseligen Stimme? Rätsel über Rätsel. Es musste Gigan sein. Wer sonst. Bestimmt rächte er sich für die zerschnittenen Reifen.

Ich stand auf, schwamm einige Runden im kalten Beckenwasser, ließ meine Beine am Beckenrand baumeln, die Sonne meinen Rücken liebkosen und setzte mich wieder auf die Decke unter den schattigen Baum, um zu lesen.
Plötzlich stand Marie zwei neben mir.
„Er hat dich in einer Situation verlassen‘, sagte sie böse, „in der nicht einmal ein Feind seinen Feind verlässt, in einer Situation, in der du ihn am nötigsten gebraucht hättest. Denk an dein verlorenes Kind. Er verdient Strafe. Ich spreche jetzt ein Orakel, das sich erfüllen wird. Höre gut zu, merke es dir und klebe es an seine Arbeitstür.“
„Ja“, hauchte ich erschrocken.

„Bevor ein Jahr um sein wird, wirst du nicht mehr sein.“

Marie zwei verschwand. Ich fasste mich an den Kopf. Welcher Spuk trieb hier sein Spiel mit mir?

Ich bekam Durst, kramte mein Portemonnaie aus der äußeren Seitentasche meines Rucksacks, stellte mich am Getränkestand an das Ende einer langen Schlange, kaufte ein Wasser, trank es sofort und ging wieder zu meinem Baum. Als ich das Portemonnaie in die Tasche legen wollte, stellte ich fest, dass mein Schlüsselbund nicht mehr in der Seitentasche war.
Hektisch durchsuchte ich den Rucksack. Kein Schlüsselbund. Jemand musste ihn gestohlen haben. Verunsichert sah ich mich um, fühlte mich beobachtet, gierige Männerblicke glitten über meinen Körper, schadenfrohe Frauenaugen lächelten falsch. Drei junge Männer beobachteten mich durch ein Fernrohr, steckten die Köpfe zusammen, tuschelten, lachten, sahen immer wieder hin zu mir.

Alles um mich herum wurde unwirklich, verlor seine Konturen. Die Menschen. Die zertretene dürre Wiese. Die kleinen Wasserlachen, in denen sich die Spatzen tummelten. Die brütende Mittagssonne, deren Licht sich in allen Regenbogenfarben in den Wasserpfützen spiegelte. Der alte Baum streckte gespenstisch seine Armäste aus, als wolle er mich in das Innere seines dicken Stammes ziehen. In den Schwimmbecken gurgelte plötzlich trübes Wasser, ein Sumpf, in den ich sogleich versinken würde, ertrinken in unergründlichen Tiefen. Und der Himmel, eben noch sonnenüberstrahlt, bewölkte sich. Alles wurde dunkel. Schwarz.

Dieses ganze Szenario dauerte nur wenige Sekunden, mir schien es wie ein ganzes Leben. Erfasst von Panik sprang ich auf, lief zur Kasse.
„Hat hier jemand einen Schlüsselbund abgegeben?“
„Ja“, sagte die Frau hinter dem Fensterloch freundlich, „es wurden mehrere abgegeben. Hier. Schauen Sie mal.“
Die Frau legte die Schlüssel auf die Ablage vor dem Fensterloch.
„Meiner ist nicht dabei“, sagte ich.
„Fragen Sie öfter mal nach.“ Die Kassiererin schloss das Fenster.
Doch so oft ich nachfragte, so oft schlich ich enttäuscht zu meinem Platz.
Der Spuk war verschwunden, das Herzrasen blieb.

*

Es war kurz vor achtzehn Uhr. Zappi wartete ungeduldig am Ausgang.
„Vielleicht hast du ihn verloren!“, sagte er wütend. „Der schöne goldene Kegel, der daran hängt. Den ich dir geschenkt habe.“
„Nein! Habe ich nicht!“, sagte ich, nun auch wütend. „Er wurde nicht abgegeben. Hätte ich ihn verloren, wäre er abgegeben worden. Mit einem fremden Schlüsselbund kann doch niemand etwas anfangen. Es sei denn, man hätte die Adresse. Mein Ausweis ist aber noch da. Und der lag über dem Schlüsselbund. Außerdem habe ich die Schlüssel noch gesehen, nachdem ich das Portemonnaie herausgenommen hatte.“
„Na gut. Ich schau mal im Auto nach“, beruhigte sich Zappi.

Dort konnte er auch nicht sein. Ich fragte noch einmal an der Kasse nach. Ohne Erfolg. So trat ich einen Schritt zurück, um zum Ausgang zu gehen, verspürte einen scharfen Luftzug, trat instinktiv einen weiteren Schritt zurück. Und in diesem Augenblick sauste eine mit Wasser gefüllte Ein-Liter-Flasche an meinem Kopf vorbei, zerschellte vor meinen nackten Füßen in abertausende kleine Scherben.

Sofort war ich von einer aufgeregten Menschenmenge umringt. Sekundenlanges verstörtes Schweigen. Selbst die Stimmen der Vögel schienen verstummt.
„Wer war das! Wer war das?“, platzte eine Stimme in das schweigende Entsetzen. „Wo ist der Täter?!“

Natürlich meldete sich kein Täter. Ich stand wie zur Salzsäule erstarrt. Vor meinen Füßen glänzten und glitzerten in einer Wasserlache die unzähligen Scherben des Attentats.
Wer konnte so feige sein?
So hinterhältig?
Wer wollte mich umbringen?
„Er war es. Er.“ Marie zwei stand neben mir.
„Nein! Nein! Nein!“ Wie eine Irre riss ich mich von der Stelle, wühlte mich durch die wieder schweigende Menge, die mir bereitwillig Platz machte.

Der Schlüsselbund wurde auch später nicht abgegeben. Zappi baute ein neues Schloss in die Wohnungstür.

Am nächsten Tag traf ich mich mit Gila, meiner besten Freundin.

***



Fortsetzung folgt
 
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Kommentare  

Also irgendwie mag ich nicht so recht glauben, dass Gigan Marie etwas zuleide tun will. Er hätte gar keinen Grund dazu. Da hat doch bestimmt seine Freundin die Hände im Spiel. Na mal sehen. Sehr spannend und wieder ganz toll geschrieben.

Else08 (28.01.2013)

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