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6 Seiten

Das Ritual/ Kapitel 10

Romane/Serien · Erotisches
© rosmarin
10. Kapitel
_____________
Vom Wahnsinn gepackt hetzte ich zum Fahrstuhl.
„Blut!“, schrie ich, „Blut! Überall Blut!“ Ich trommelte mit den Fäusten an die gläserne Tür. „Mörderin! Lilith! Mörderin!“

„Wahnsinn!“, vernahm ich Ricardos Stimme, „ich liebe dich, meine Schöne, mein Schwan, meine Prinzessin, mein feuriger Engel, meine Teufelin, ich liebe dich.“

Der Albtraum war vorbei. Rein in die Realität.
Erleichtert atmete ich auf. Ich war wieder Crysella. Eiskalte Wut packte mich. Entsetzen. Denn ich stand noch immer gefesselt und geknebelt vor Matthias. Seine brutale Lust hatte mir diese entsetzlichen Bilder vorgegaukelt, die ich real erlebt zu haben glaubte. Wie weit würde er noch gehen?
Schluss damit!

„Los du Schwein“, schrie ich hinter dem Knebel, „nimm die Fesseln ab!“
Matthias nahm mir den Knebel aus dem Mund, löste die Stricke. „Wir hatten doch alles abgesprochen“, sagte er kleinlaut, „und das Codewort ausgemacht.“
„Welches Codewort?“
„Abra kadabra.“
„Ach so“, war ich versöhnt, „es hat ja auch funktioniert. Ricardo ist hier!“
„Wo hier?“
„Na hier eben. Wo weiß ich auch nicht. Jedenfalls hat er mit mir gesprochen.“
„Da werde ich mich mal schnell anziehen.“
„Ich auch“, kicherte ich als wäre nicht geschehen.

*

Ich trank wieder Champagner. Ging mit dem Glas in der Hand zum Fenster, öffnete es weit. Der Mond protzte in seiner Pracht.
„Zeig dich Ricardo!“, schrie ich in die Nacht, „sprich mit mir!“
Doch der Vollmond blieb der Vollmond.
Matthias war mir gefolgt, legte einen Arm um meine Schultern, hob sein Glas Champagner.
„Auf uns Crysella“, sagte er, „du bist wundervoll.“
„So?“
„Ja. Wir müssen es tun. Du hast es versprochen. Vielleicht brauchst du etwas Zeit.“
„Vielleicht“, erwiderte ich irritiert.

Hatten wir nichts getan? War nichts geschehen? Ich hatte es doch gefühlt. Gespürt.

Vor meinen Augen blitzte der schreckliche Keller mit seinen vier widerlichen Gestalten. Da fiel mein Blick in den Spiegel.

„Töte ihn!“

Lilith füllte den Spiegel mit ihrer vollkommenen Schönheit.
Das Badezimmer erstrahlte hell im Glanz des Mondes. Ich fühlte wieder das Messer in meiner Hand. Ricardos Buschmesser aus Afrika.
Wie in Trance nahm ich Matthias vorsichtig das Glas aus der Hand, stellte es zu meinem auf das Frisiertischchen, zog Matthias zu dem Fensterkreuz.
Handschellen, Stricke, Knebel lagen noch auf dem Boden.
„Komm Süßer“, sagte ich mit Liliths erotischer Stimme, „ich will dich die gleichen wahnsinnigen Gefühle erleben lassen, wie ich sie durch dich erleben durfte.“

Ich fesselte Matthias an das Fensterkreuz. Stieß hexisch lachend den Knebel in seinen Mund, riss ihm Stück um Stück seine Kleidung vom Leibe. Diese dürftigen Fetzen.
Nun hatte ich die Macht. Doch meine Macht entbehrte jeder Zärtlichkeit. Es war die Macht des Teufels. Höllenfeuer brannte in mir. Ricardos und Liliths Feuer.
Die Absätze meiner High Heels hatten sich in Satanshörner verwandelt. Stießen wütend in Matthias’ bebendes weißes Fleisch.
Das Höllenfeuer der Kerzen, die vom Boden auf Matthias zuschwebten, brannte dunkle Flecken in seinen Leib. Der Sekt, der aus der Flasche floss und wie von Geiserhand gelenkt auf die Wunden tröpfelte, löschte nur für einen Augenblick den Schmerz. Und das Spiel begann von Neuem.

Gierig rieben sich meine Hexenbrüste an Matthias’ Körper. Ich stieß sie ihm ins Gesicht, die erigierten Nippel zwischen den Knebel, presste die weiche Masse auf seinen Bauch, zwischen seine Beine, rieb sie wolllüstig an seinen hoch aufgerichteten Penis.

Wieder und wieder bäumte sich Matthias auf in wilder Ekstase. Schweißbedeckt. Röchelnd. Ohne Chance zu enkommen. Und eine dicke Kerze auf dem Boden fand in seiner Öffnung ihre ungewöhnliche Bestimmung. Hätte er schreien können, wäre es der Brunstschrei des Teufels selbst gewesen.
Nochmals begann ich mein wüstes Spiel, leckte über Matthias' glühenden Körper. Seine zuckende Männlichkeit. Doch meine Zunge, die Zunge der Schlange aus dem Paradies, linderte nicht seine Qual.

„Jetzt!“

Die Schlange aus dem Paradies verschwand.
Lilith im Spiegel löste sich auf.
Die Sethmusik erfüllte grausig das Zimmer.

*

Ich tanzte zu der ungewöhnlich geheimnisvollen Musik. Mein Körper schien sich ohne mein Zutun zu bewegen, verschmolz mit dem Rhythmus dieser lieblichen Töne. Immer machtvoller erklang die Musik, mysteriöser, magischer. Meine Hände glitten über meinen Körper. Berührten meine vollen Brüste. Kreisten um die rosigen Warzen. Streichelten meinen Bauch. Verharrten zwischen den Schenkeln. Streiften mein kurzes rotes Hemd herunter, griffen in mein langes braunes Haar. Berührten sanft mein Ohr. Anmutig neigte ich meinen Kopf und tanzte einen imaginären Schleiertanz. Immer schneller drehte ich mich im Kreis. Schneller. Wilder. Sehnsüchtiger. Bald hatte ich alles um mich herum vergessen. Ergab mich willig der Musik. Zärtlich und leidenschaftlich. Mein Körper wand sich schlangengleich im Rhythmus der verzaubernden en Musik. Mir schien, als würde ich zu den im Nebel der Zeit verborgenen Inseln des Glücks tanzen und ein süßes Ziehen erfasste all meine Sinne.

*

Plötzlich erstarrte ich in der Bewegung. Ich sah zu Matthias. Mit gurgelnden Lauten versuchte er, sich bemerkbar zu machen.
Wie konnte er es wagen?
Wie eine Wahnsinnige stürzte ich mich auf ihn, tat den ersten Schnitt in sein weiches Fleisch, besessen von einem erotischen Blutrauschgefühl, das besser war, als der beste Sex.
Dieses Gefühl, das alle anderen Gefühle und den Verstand ausschaltete, nach mehr dürstete und dessen wahnwitzige Unersättlichkeit niemals gestillt werden konnte, nahm immer mehr Besitz von mir.

Asche zu Asche
Vom Leben zum Tode
Dir gehört der erbarmungswürdige Leib
Mir aber gehört die Seele.

Meiner Sinne nicht mehr mächtig, säbelte ich Matthias den Penis ab, wie vordem im Traum.

„Verschwinde endlich aus meinem Leben!“, schrie ich wie eine Verrückte, „verschwinde aus meiner Seele. Lass mich leben! Ricardo!“

Matthias war nicht mehr Matthias. Matthias war Ricardo. Der Saukerl Ricardo. Dieser verdammte Flachwichser. Ich musste ihn töten. Nur so konnte ich zur Ruhe kommen. Weg mit diesem Verräter! Mir war, als müsste ich die Seele aus diesem Leib schneiden, die Seele, die ich suchte und niemals finden würde. Liliths Geist war in mich gefahren. Und Seths Geist beherrschte mich mehr denn je. Flammengleich loderten seine roten Haare an der Wand.

„Töte ihn! Räche dich!“

Plötzlich torkelte der Mond ins Badezimmer, verdeckte den Spiegel mit seinem Glanz. Unheimliches Gelächter erfüllte den kleinen Raum.
Matthias hing blutüberströmt am Fensterkreuz. Wie der gekreuzigte Jesus in den Kirchen.

Was hatte ich getan?!

Entsetzt befreite ich Matthias von den Fesseln. Zog den Knebel aus seinem Mund, brach fassungslos über seinem leblosen blutüberströmten Körper zusammen. Blut an Händen. Füßen. Blut am ganzen Körper. Geschüttelt von Schluchzen und Kälteschauern. Das Bad war in ein Meer von Blut getaucht.

Der Mond war weiter gezogen. Ricardo verschwunden. Lilith nicht mehr im Spiegel. Wie Wehgeheul erklang die Sethmusik in meinem Kopf.

Oder war es der nicht enden wollende melancholisch betörende Gesang ferner Sirenen?

Endlich rappelte ich mich auf, flüchtete aus der Wohnung, läutete Sturm an der Nachbarstür, rannte durch die leeren Gänge zum Fahrstuhl, dann wieder zurück ins Bad.
Voll Abscheu blickte mir Lilith aus dem Spiegel entgegen. Die Augen groß, irr, tief in den Höhlen. Die roten Locken verfilzt, verschwitzt über ihrem totenblassen Gesicht.

„Du hast es getan!“, frohlockte sie glücklich.

„Ich sehe Übel. Verhängnis. Verderben. Fluch. Mondlicht. Blut.“

Die Weissagung der Hexe Vanessa.

„Nein. Nein!“

Von Grauen gepackt schreckte ich auf. Setzte mich erschöpft auf die Bettkante, wischte mir mit dem Handrücken erleichtert den Schweiß vom Gesicht.
Der Albtraum im Albtraum war ein Albtraum.

Da klingelte das Handy.

*

Noch ganz benommen erzählte ich Helli das eben Erlebte.
„Ich dachte, es sei ein Traum“, sagte ich verwirrt, „aber so sicher bin ich mir da auch nicht. Denn immer in den Vollmondnächten erlebe ich die unglaublichsten Dinge.“
„Du hattest ja schon immer ein Rad ab“, erwiderte Helli genervt, „aber das geht zu weit.“
„Es ist wahr“, beteuerte ich, „Lilith war dabei.“
„Jetzt ist ja wohl alles zu spät“, entrüstete sich Helli, „wer ist denn Lilith nun schon wieder?“
„Meine Doktorarbeit. Du weißt doch.“
„Ach ja. Aber was hat die mit dem Quatsch zu tun?“
„Sie ist im Spiegel.“
„Nein! Echt?“, spottete Helli.
„Sie verfolgt mich. Und bestimmt schickt sie mir auch diese irren Träume.“

Ich war wütend und traurig. Traurig über mich, weil ich ja offensichtlich tatsächlich nicht mehr in der Lage war, Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Genau, wie die Hexe Vanessa es gesagt hatte. Und wütend über Helli, die mir nicht glaubte. Ich bereute, ihr überhaupt mein nächtliches Vollmonderlebnis erzählt zu haben. Es war doch zwecklos. Seit ich ihr von Seth, meinem Nachtgemahl, berichtet hatte, hielt sie mich für die größte Spinnerin aller Zeiten.

„Das spielt sich alles nur in deiner kranken Fantasie ab“, sagte Helli und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Behalt in Zukunft deine Schauermärchen für dich. Ich bin nämlich schwanger.“

Schwanger? Helli? Das durfte nicht sein. Nicht jetzt. Wo Lilith, dieses Nachtgespenst, aufgetaucht war und mich verrückt machte. Lilith würde das Kind töten, sofern es nicht durch das bewusste Amulett geschützt wäre. Das hatte sie geschworen, nachdem jeden Tag Hunderte ihrer Kinder sterben mussten, weil sie nicht zu Adam zurückkehren wollte. Ich hatte nach den Namen der drei Engel, die ihr diese Botschaft überbracht hatten, gegooglet. Es sind Sanvai, Samsanvai und Semangloph. Helli brauchte unbedingt ein Amulett mit den Buchstaben Snvi, Snsvi, Smnglof. Nur so würde ihr Kind vor dem Tode bewahrt werden können.

Aber wie sollte ich ihr das erklären? Sie würde mich auslachen, für total verrückt halten, mir nicht glauben.

„Nur, weil es dir in deiner Drogenkarriere auch so ergangen ist, glaubst du mir nicht“, sagte ich trotzig.
„Ich habe ein wunderbares Doppelleben geführt“, lachte Helli, „von dem du nicht die leiseste Vorstellung hast. Und dann, in der Klapper, haben die aus mir so einen blöden Mittelzombie gemacht. Stinke langweilig. Pass nur auf, dass es dir nicht auch so ergeht.“
„Ich pass schon auf“, murrte ich, „ich bin doch nicht verrückt.“
„Man kann nie wissen.“
„Du gehst ja heute noch zu deinem Psychiater und würdest ihn, wie du mir immer wieder versicherst, als einzigen Mann auf der Welt sogar heiraten.“
„Würde ich auch.“
„Klaro. Und ich bin in deinen Augen die größte Fantastin aller Zeiten. Nur weil ich ohne Tabletten und Alkohol diese Fantasien, die ja keine sind, habe.
„Ich bin schwanger. Hörst du? Schwanger.“
„Sagtest du schon.“
„Und?“
„Toll. Das freut mich aber. Etwa von Andreas? Deinem Sklaven.“
„Du bist nur neidisch“, meckerte Helli, „schöne Freundin.“
„Neidisch?“
„Ja. Neidisch. Weil ich schwanger bin und du nicht.“
„Aber … .“
„Nichts aber“, sagte Helli gekränkt, lass dir doch von deinen Gespenstern ein Kind machen.“ Helli lachte boshaft. „Von dem wilden Schattenmann Seth zum Beispiel.“
„Helli!“
„Ist schon gut. Ruf mich an, wenn du dich eingeholt hast.“

*

Schöner Müll.

Ich wollte Lilith sehen, mein Gesicht an ihres schmiegen, ihren Kuss empfangen, den Todeskuss, und lief schnell ins Bad.
„Niemand glaubt dir.“ Liliths schönes Gesicht lächelte ruhig aus dem Glas des Spiegels. „Wir sind für alle Zeiten miteinander verbunden“, sagte sie, „und soll ich dir ein Geheimnis verraten?“ Lilith spitzte ihre süßen Lippen nochmals zum Kuss. „Ich bin du“, sagte sie ohne meine Antwort abzuwarten, „und du bist ich.“

„Ich bin du.“
„Ich bin du.“

***


Fortsetzung folgt
 
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Kommentare  

Oh, sie ist völlig bessen von Lilith. Kan nicht mehr Traum von Wahrheit unterscheiden. Echt schaurig.

Else08 (19.02.2013)

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