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Nichts zu tun

Poetisches · Amüsantes/Satirisches
Ich sitz gelangweilt auf der Banke.
Die Sonne lacht, das wärmt so schön.
Und mich bewegt nur ein Gedanke:
Es kann mir gar nicht besser gehen.
Es tut so gut, sich auszuruhn
und nichts zu tun.

Und während ich behäbig sitze,
passiert in München grad ein Mord.
In Köln setzt jemand eine Spritze.
Ein Schrei am Kap: „Mann über Bord!“
Ein Pole stirbt – trotz Stoßgebets.
Er hatte Aids.

Im Weißen Haus hält man 'ne Rede,
der Terrorismus sei besiegt.
Ein Arbeitsloser nimmt nun jede
Beschäftigung an, die er kriegt.
Ein Brand brach in 'ner Werkstatt aus.
Jetzt brennt das Haus.

Ein Flugzeug startet mit Gedröhne.
Ein Raucher fühlt sich impotent.
In China steigen Stundenlöhne
von zwanzig nun auf dreißig Cent.
Ein Mann schreibt mit im Stadt-Café
(vom BND).

Die Börse konstatiert Gewinne.
Im Kongo stirbt ein Kind an Ruhr.
Ein Blitz trifft eine Regenrinne.
Ein Esel bleibt trotz Schlägen stur.
Ein Unternehmer fleht zu Gott.
Er ist bankrott.

Die Menschheit stürzt sich ins Verderben.
Durch Krieg erringt man Höchstprofit.
Man schießt zu oft und täglich sterben
kollaterale Opfer mit.
Vielleicht geht bald die Erde drauf.
Wer hält das auf?

Ich sitz gelangweilt auf der Banke.
Die Sonne lacht, das wärmt so schön.
Und mich bewegt nur ein Gedanke:
Es kann mir gar nicht besser gehen.
Es tut so gut, sich auszuruhn
und nichts zu tun.

(www.wolfgang-reuter.com, 14. 09. 2006, aktualisiert: 05. 03. 2013)
 
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Kommentare  

Hallo Michael,

Du arbeitest aber erheblich an meinem Selbstvertrauen. Dafür großen Dank!

Und was Tucholsky oder Kästner oder Weinert, Busch oder Heine betrifft: Manchmal versuche ich tatsächlich, mich in deren Rolle zu versetzen. Was hätten sie wohl an unserer Zeit für kritikpflichtig, persiflierbar, verscheißerungswürdig, total zum Kotzen ... oder so gefunden? Aber weil sie allesamt leider schon tot sind, versuche ich halt, ihre Rolle so recht und schlecht zu übernehmen.

Einer muss es ja machen!


Wolfgang Reuter (06.03.2013)

Lieber Wolfgang, ich will nicht so vermessen sein, dich mit Tucholsky zu vergleichen, aber viele deiner zwischen Schmunzeln und subtiler Nachdenklichkeit angesiedelten Geschichten erinnern mich doch an unser Kurtchen.

Wenn ich mir überlege, wie viele schnöde Möchtegern-Comediens unsere Fernsehlandschaften verunstalten und mit Billigware das Publikum unterhalten, und gleichzeitig sehe, dass Künstler wie du ein nahezu unbekanntes Schatten-Dasein fristen, dann werd' ich traurig...


Michael Kuss (06.03.2013)

Wunderbar, allein die Art wie du reimst und dann der Schmunzeleffekt. Sehr gelungen.

Gerald W. (06.03.2013)

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