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Vom Vogel, der ein Mensch sein wollte - Teil 6

Romane/Serien · Nachdenkliches
Tim kam wieder zurück
„Ach, der Vogel ist ja immer noch da und noch nicht wieder weg geflogen.“
„Heißen Sie Tim?“, fragte Mark.
Tim hielt inne. „Woher weißt du das?“
„Von Alf.“
„Woher weißt du, wie der Hund heißt?“
„Von ihm, er hat es mir erzählt. Eigentlich heißt er Rex, aber Sie haben ihn Alf genannt, was ihm auch besser gefällt.“
„Der Hund hat dir das erzählt, was für ein Schwachsinn. Was ist hier eigentlich los?“
„Es ist wirklich so“, fing Mark an. „Ich war wirklich ein Vogel, bis heute Morgen. Ich habe mich schon immer für das Leben der Menschen interessiert, um das ich sie beneidet habe. Ich wollte auch ein Mensch sein und all das tun können, was sie tun. Heute Morgen kam ich dann an einer Eiche vorbei, die dann plötzlich zu mir sprach. Sie erklärte mir, dass sie Wünsche erfüllen kann und ich habe mir gewünscht, ein Mensch zu sein. Einige Sekunden später war ich dann einer.“
Während er erzählte, saß Tim nur da mit dem Gesicht nach unten und schüttelte immer wieder den Kopf.
„Und obwohl ich jetzt ein Mensch bin, kann ich trotzdem noch wie vorher die Tiere verstehen. Deshalb konnte ich auch verstehen, was Alf zu mir gesagt hat“, erklärte Mark weiter. Mark nahm erst einmal einen Schluck aus seiner Flasche. Alf legte seinen Kopf auf sein Knie und sah zu ihm hoch und brummte.
„Er sagt, dass es wahr ist“, „übersetzte“ Mark. „Er hat gleich gemerkt, dass ich kein normaler Mensch sei und da habe ich ihm die Geschichte erzählt. Er kennt diese Eiche auch. Er hat sich dort gewünscht, nachdem er ausgesetzt wurde, dass ihn jemand aufnimmt und dann haben Sie ihn gefunden.“
Tim nahm einen weiteren Schluck aus der Flasche und sah lange zu Boden. „Tja“, fing er dann an. „Das ist echt die verrückteste Geschichte, aber irgendwie bleibt mir gerade wohl nichts anderes übrig als das alles zu glauben. Ich kann mir nicht erklären, woher du sonst alles wissen sollst. Vielleicht bin ich auch schon so besoffen, dass ich mir alles einbilde.“
„Ich bin Mark“, stellte sich Mark vor.
„Ich bin Tim, aber das weißt du ja schon. Aber weißt du, was ich an der ganzen Geschichte am wenigsten verstehen kann? Dass du ein Mensch sein wolltest. Dass ist das größte Verbrechen eines Tieres.“
„Aber warum denn?“
„Ich hasse Menschen. Dafür liebe ich die Tiere.“
„Wieso hasst du denn die Menschen, was ist denn mit ihnen?“
„Na ja, weißt du, ich habe sie nicht schon immer gehasst. Aber sie haben mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin und dafür hasse ich sie.“
„Und was?“
„Ein Penner, wie du siehst. Na ja, als Neuling unter den Menschen, wirst du damit wahrscheinlich nichts anfangen können. Ich bin obdachlos, das heißt, ich habe keine Wohnung und lebe auf der Straße. Du siehst, so toll ist das Leben der Menschen nicht.“
„Oh, das ist nicht schön. Warum musst du auf der Straße leben?“
„Gut, ich erzähle dir am besten die Geschichte. Ich war natürlich nicht immer obdachlos. Ich bin in mittelständigen Verhältnissen bei meinen Eltern aufgewachsen, das heißt, meine Eltern waren nicht reich, aber auch nicht arm, wir hatten alles, was wir brauchten. Ich hatte auch viele Freunde. Nach der Schule habe ich eine kaufmännische Lehre gemacht und danach BWL studiert. Sagt dir das etwas?“
„Nein.“
„BWL heißt Betriebswirtschaftslehre. Aber das sagt dir vielleicht auch nichts.“
„Nein.“
„Gut, du hast wahrscheinlich mitgekriegt, dass wir Menschen Geld brauchen, um zu leben?“
Mark nickte.
„Und damit wir Geld verdienen, müssen wir arbeiten. Und um arbeiten zu können, müssen wir einen Beruf lernen, es gibt viele verschiedene Berufe bei den Menschen“, erklärte Tim.
„Ja, zum Beispiel Polizisten oder Piloten“, unterbrach Mark.
„Genau. Und Kaufleute sind Leute, die Sachen kaufen und verkaufen, ganz grob gesagt. Das habe ich zuerst gelernt. Und ein Betriebswirt ist eine Stufe höher, er kann zum Beispiel eine Firma leiten und verwalten. Das habe ich auch gelernt. Aber ich habe trotzdem keine richtige Arbeit gefunden, nur leichte Hilfstätigkeiten und das immer nur für kurze Dauer. Danach war ich immer wieder arbeitslos. Jedes Mal wurde es schwieriger wieder eine Arbeit zu finden und ich wurde auch immer älter. Ich musste mich dann immer rechtfertigen, warum ich es nie geschafft habe, als Betriebswirt Arbeit zu finden und immer nur für kurze Zeit gearbeitet habe. Irgendwann fand ich dann auch keine Hilfstätigkeiten mehr, weil ich zu oft arbeitslos war. Man bekommt zwar, auch wenn man arbeitslos ist, Geld, aber ich wollte trotzdem arbeiten und etwas aus meinem Leben machen. Ich habe immer weiter versucht, Arbeit zu finden, egal wo, aber es klappte nicht. Oft wurde ich, wenn ich in Vorstellungsgesprächen war, sogar beleidigt. Irgendwann hatte ich keine Kraft mehr und gab auf. Meine Freunde haben sich von mir zurückgezogen, später hatten sogar meine Eltern kein Verständnis mehr. Ich fing an, Alkohol zu trinken, weil ich alles nicht mehr ertragen konnte. Ich wurde immer aggressiver und bin immer öfter ausgerastet. Ich schlug irgendwann in meiner Wohnung alles kaputt, weil ich mich nicht anders beruhigen konnte und schrie herum. Die Nachbarn beschwerten sich immer öfter wegen Lärmbelästigung und schließlich flog ich aus meiner Wohnung und seitdem lebe ich auf der Straße.“
„Das tut mir alles wirklich leid. Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?“
„Nein, nein, für Hilfe ist es nun zu spät. Ich habe mich inzwischen an das Leben gewöhnt. Ich mache zwischendurch Musik mit meiner Gitarre und schreibe Lieder und Gedichte. Hin und wieder stelle ich mich irgendwohin und spiele Gitarre und singe meine Lieder dazu. Die Leute, die vorbeikommen, schmeißen mir dann manchmal etwas Geld hin, damit ich aufhöre. Meistens kriege ich dann genug Geld zusammen, wovon ich mich und den Hund ein paar Tage ernähren kann.“
„Wenn du Geld brauchst, ich habe sehr viel davon, ich kann dir Geld geben.“
„Nein, nein. Regel Nr. 1, die du dir merken sollst: Verschenke niemals etwas. Es dankt dir niemand. Auch wenn die Leute „Danke“ sagen, sie meinen es nicht so.“
Mark sagte nichts, er musste alles erst einmal auf sich wirken lassen.
„Sag mal, du hast mir doch vorhin gesagt, dass du meine Hilfe irgendwo für brauchst“, rief Tim in Erinnerung.
„Ach ja. Also, ich brauche jemand, der mich ein wenig in das Leben eines Menschen einweist, mir einige Dinge erklärte, die ich wissen muss usw..“
„Na, wenn es nichts weiter ist, das krieg ich wohl noch hin.“
„Also, ich gehe heute Abend mit einer Frau essen und brauche da ein paar Tipps, was man da anzieht und wie viel Geld überhaupt Essen kostet und so weiter.“
„Was, du hast eine Verabredung? Wie hast du das denn hingekriegt, ohne dass aufgefallen ist, was mit dir los ist?“
„Ich weiß nicht, ich habe sie einfach angesprochen, wir haben uns unterhalten, sie fand das, was ich erzählt habe, witzig, dann hat sie mir angeboten, mich auf ein Eis einzuladen, wenn ich sie zum Essen einlade.“
„Da haben wir es doch schon. Da hoffe ich für dich, dass sie nicht nur einen Dummen gesucht hat, der sie zum Essen einlädt. Weißt du denn schon, in welches Restaurant ihr geht?“
Martin nannte das Restaurant.
„Ah, kenne ich, da war ich früher auch oft. Ein chinesisches Lokal, sehr lecker und gar nicht teuer. Das spricht schon mal für diese Frau, dass sie kein teures Restaurant ausgesucht hat. Normalerweise solltest du da mit maximal 30 EUR auskommen. Aber je nachdem, wie viel ihr esst, wenn ihr zum Hauptgericht noch Vorspeise, Nachspeise und mehrere Getränke nehmt, nimm besser 50 EUR mit. Nimm am besten 100 EUR mit, wer weiß, ob sie danach nicht noch irgendwo hin will.“
„100 EUR? Ich wollte vorsichtshalber ein paar 1000 EUR mitnehmen.“
„Ein paar 1000 EUR für einen Abend“, wiederholte Tim und lachte. „Mehrere Tausend Euro bekommt ein Spitzenverdiener pro Monat. Ein Durchschnittsverdiener hat im Monat 1500 bis 2000 EUR netto zur Verfügung.“
„Oh, ich merke, über Geld muss ich noch viel lernen“, sah Mark ein.
„Ja, das glaube ich auch. Gut, dass du mich kennen gelernt hast.“
„Was verdient eigentlich ein Pilot im Monat?“, fragte Mark.
„Ein Pilot? Je nachdem bei welcher Fluggesellschaft du fliegst brutto bis über 10.000 Euro pro Monat. Aber die kriegst du nicht, denn davon werden Steuern und soziale Abgaben abgezogen, übrig bleiben dann aber über 5000 EUR. Und das ist sehr viel. Wie viel netto übrig bleiben hängt dann wieder davon ab, ob du verheiratet bist oder nicht. Hast du dieser Frau erzählt, dass du Pilot bist?“
„Nicht ganz. Ich habe gesagt, als sie mich gefragt hat, was ich mache, dass ich bis vor kurzem geflogen bin. Bin ich ja auch als Vogel. Und sie dachte dann, dass ich Pilot bin, aber jetzt eine Auszeit genommen habe.“
„Dann hoffe ich mal, dass sie dich nicht über den Beruf ausfragen wird. Ich kenne mich mit dem Beruf leider auch nicht aus und kann dir da keine Tipps geben.“
„Das macht nichts. Verstehst du eigentlich was von Computern?“
„Reparieren kann ich sie nicht, aber damit umgehen kann ich, das gehört zum beruflichen und auch privaten Alltag.“
„Ich habe einen in meinem Haus. Kannst du mir vielleicht zeigen, wie er funktioniert und wie dieses Internet funktioniert?“
„Also das ist eine meiner leichtesten Übungen. Wo wohnst du denn eigentlich?“
„Da vorne, das ist mein Haus.“
„Das Haus stand gestern noch leer. Wie bist du denn an dieses Haus gekommen?“
„Ich weiß es nicht. Der Baum hat gesagt, dass das nun mein Haus sei. Und als ich dort rein ging, war alles da. Auch ein Tresor voller Geld.“
„Das ist echt unglaublich.“
 
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