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Das Randgruppentreffen der Randgruppen am Rande der Randgruppen

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Dr. Ell
Verstohlen schlich Erwin um den Häuserblock. Hier irgendwo musste es sein. Er hatte ganz schön Bammel, denn gleich würde er höchstwahrscheinlich mit ihm völlig unbekannten Personen über seine subtile Angewohnheit sprechen, aber er schleppte dieses, ja, doch auch Seelenproblem, schon viel zu lange mit sich herum, und nie hatte es jemanden gegeben, dem er sich hätte mitteilen können. Bis er auf diese Randgruppe gestoßen war, von der er sich jetzt Hilfe erhoffte.

Wie das so ist im Leben, hatte das Schicksal mit einem kleinen Unfall nachgeholfen. Vor kurzem war er mit einem Mann in einem Bürogebäude fur einige Stunden im Fahrstuhl stecken geblieben, und nach einiger Zeit waren sie vertieft ins Gespräch gekommen. Oder, besser gesagt, der Mann, Fritz-Egon hiess der, plapperte wie ein Wasserfall und ein Entkommen war nicht möglich.

Fritz-Egon erzählte zum Beispiel, das er ein ganz spezielles Problem mit diesem einen neuen Nahrungsmittel hatte, das seit etwa 2 Jahren auf dem Markt ist und das wirklich ein jeder so lecker findet, doch bei ihm hätte sich stattdessen Kotzreiz eingestellt, und das wäre ja nicht normal, wenn es wirklich alle lecker finden, sogar sein Vater, und der sei auch schon über 80 und nicht mehr sonderlich experimentierfreudig.

Er wollte halt diesen unbegründeten Ekel überwinden und auch einfach essen und geniessen können, was alle anderen aßen und genossen. Und da er wohl als einziger mit Ekel reagierte, sei er halt bei den Randgruppen der großen Selbsthilfegruppen gelandet, und diese hätten ihm doch sehr geholfen, und inzwischen sei der grüne Powerriegel auch tatsächlich einer seiner Lieblingssnacks.

Erwin hatte interessiert getan, aber für ihn war das nur uninteressantes blabla über irgend ein Essen, hakte aber beim Thema Randgruppen “für einen Freund” mal genauer nach, und als die Feuerwehr kam, um die beiden zu befreien, hatte Erwin schon lange die Telefonnummer für die Anmeldung zur Selbsthilfegruppe in der Tasche.

Natürlich hatte er nicht sofort angerufen, es hatte ihn noch Wochen der Überwindung gekostet, doch dann hatte er sich ein Herz gefasst und die Nummer gewählt. Mit der freundlichen Dame am anderen Ende der Leitung hatte er einen Termin ausgemacht, und dieser sollte nun stattfinden.

Und da war auch schon das Haus. Ein großer grauer nichtssagender Block im Großstadtgewimmel. Auf dem Klingelschild stand wie angekündigt “SH-Gruppe 4.Stock” und nach einem letzten kurzen Zögern drückte er den Klingelknopf und nach einem weiteren kurzen Moment summte der Türöffner.

Den Fahrstuhl vermied er und nahm die Treppe. Oben angekommen fand er sich in einem langen Flur wieder, links und rechts Türen. Nach einer Reihe von Müllers, Meiers und Schulzes kam dann die Tür, deren Klingel mit “SH-Gruppe” beschriftet war. Er klingelte, ein Summer gab den Weg frei, und er trat ein.

“Hallo”, wurde er sogleich freundlich begrüßt,” Du musst Erwin sein, richtig? Ich bin Mareike, die Tippse.” Sie lächelte.

“Ja, öh .. ja, Erwin, richtig. Ich bin der Erwin,” sagte Erwin.

“Okay Erwin,” ergriff Mareike das Wort, “damit wir Dich möglichst in die richtige Gruppe stecken können, musst Du mir einmal grob sagen, worum es bei Dir geht. Ich schließe Drogen-, Sex-, Spiel-, Alkohol- und sonstige eher geläufige Süchte bei Dir aus, ja?”



Irgendwann musste es ja mal heraus. “Ich esse gerne Leichen”, sagte Erwin.

Mareike, die eben noch ihren Kopf auf den Schreibtisch gesenkt hatte, hob diesen nun wieder und sah ihn mit großen Augen an. “Oookayyy,” sagte Sie langsam und betont und schaute dabei mit weit aufgerissenen Augen auf irgend ein Stück Papier. Dann sagte Sie einige Sekunden gar nichts und meinte dann: “Wir versuchen es mal mit der Gothic-Selbshilfegruppe. Geh mal hier raus, links, 5. Tür links bei Chen klingeln.”

Erwin tat wie ihm geheißen, war aber nach kurzer Zeit wieder bei Mareike, denn die Gothic-Selbsthilfegruppe, die hinter einer Tür mit dem Allerweltsnamen Chen versteckt war und in der nur weiß angemalte Leute mit schwarzen Klamotten saßen, die das Problem hatten, lieber tot sein zu wollen aber dabei bloß nicht das Leben zu verlieren, war nichts für ihn.

Er besuchte dann testweise noch einige andere Randgruppen, so zum Beispiel die der reuigen Schlachter, wo einige völlig gebeutelt willkürlich in Tränen ausbrachen und andere von wildesten Alpträumen oder wahlweise den Verlust wichtiger Sinne wie zum Beispiel Liebe und Mitgefühl berichteten, aber alle diesen Job aus einem recht niederen Beweggrund immer weiter ausführten, und zwar Geld, oder die der gedungenen Mörder, die darüber sinnierten, was sie doch täten wenn sie nur könnten wie sie wollten. Er landete sogar, wenngleich auch versehentlich, beim Vorbereitungstreffen des 15-km-Benefizlaufes der übergewichtigen Sportverächter zugunsten einbeiniger Blinder, aber nichts wollte so wirklich passen, und so landete er schließlich in der allerletzten Selbsthilfe-Randgruppe, wo die Leute saßen, die wirklich nirgends sonst untergekommen waren.



“Hey ... komm doch rein und setz Dich zu uns. Ich bin Marlene und die leitende Sozialpädagogin. Und Du bist ... ?”

“Erwin” sagte Erwin.

“Erwin, schön das Du bei uns bist,” sagte Marlene. “Ja, dann lasst uns doch noch mal mit einer lockeren Runde beginnen, und Erwin begrüßen. Stellt Euch bitte einmal vor und was so Eure Sorgen und Nöte sind, warum ihr hier seid.”

Und so lernte Erwin Claudia kennen, die nur Sex mit Schäferhunden hatte, genauer gesagt, nur mit einem Schäferhund, Ihrem Adonis, aber das Problem war, das Adonis schon gut 20 Jahre lang tot und von ihr selbst ausgestopft worden war, was man an dem Riesen-Dildo sehen konnte, den sie ihrem Adonis postmortem verpasst hatte, und auch ihr Pferd, mit dem sie früher ebenfalls korpuliert hatte, wie sie sagte, war inzwischen ein uralter Klepper und bekam nicht mal mit Putschmitteln noch einen hoch, und was anderes kam an Lovern einfach nicht in Frage, denn es war ja Liebe im Spiel, und das machte sie ganz schön fertig und suchte hier nach einer Lösung.

Dann saß da noch Klaus, der immer wieder im Krankenhaus landete, weil er es einfach nicht lassen konnte, mit einem Gabelstapler herumzufahren und anderen Leuten Schaden zuzufügen, wenngleich auch immer gar nicht beabsichtigt. So hatte in seiner letzten Firma, bei der er nur einen Tag auf Probe angestellt war, ein Arbeitskollege wegen ihm beide Hände verloren, ein weiterer war mit dem Stapler aufgespießt worden und ein Dritter war gar halbiert worden, was er jedoch wie durch ein Wunder überlebte. Kein Wunder, das Klaus danach sehr lange selbst im Krankenhaus lag, denn die anderen Kollegen hatten sich bei ihm noch recht aussagekräftig auf ihre Art bedankt. Und da ihm das immer wieder passierte, war er hier auf Hilfesuche. Nicht mehr Stapler zu fahren war jedoch keine Option, denn Klaus hatte den Staplerschein bestanden, und darauf war er mächtig stolz.

Rainer stand unheimlich auf Selbstverstümmelung und wäre somit eigentlich ein Kandidat für die Selbstverstümmelungs-Hilfegruppe gewesen, das Problem war nur, das er gänzlich unverstümmelt war, da er Leute, die sich verstümmelten, hasste. Vielleicht war das ein Grund für ihn, sich während der damit verbundenen Hass-Zwangs-Onanie einen speziellen Kaktus, der “Herbert die Drecksau” hieß, rektal einzuführen, was er regelmässigst direkt nach der Onanie aufs Übelste bereute, da es auch ihm andauernd Krankenhausaufenthalte bescherte.

Und dann war da noch Agnes, die tote Tiere sammelte, um ihnen ein neues Zuhause zu geben, so daß sie immer mehr bei sich in der Wohnung stapelte, was aufgrund der Gerüche immer wieder zu Problemen mit der Nachbarschaft und Polizei führte.



“Und ich bin halt der Erwin, Erwin Fuchs, Hallo, und ich esse gerne Leichen.”

“Nein!” platzte es der verdutzten Agnes heraus. “”Doch!” konterte Erwin im Affekt und Claudia, Klaus und Rainer konnten es nicht fassen und riefen wie im Chor: “Oooooh!”

“Nun gut,” ergriff Marlene wieder das Wort, “ dann erzähl uns doch mal, wie lange Du das schon machst und wie Du dazu gekommen bist, Erwin.”

“Okay ... also ... das war so, “ begann Erwin,” als ich noch klein war, da hab ich irgendwo mal gehört, im Unterricht oder so, das Menschen früher kannibalisch waren und sich gegenseitig aßen und noch bis zum Milleniumwechsel sogar in den zivilisierten Ländern Gehirn gegessen wurde. Jetzt macht man das nicht mehr wegen der Zivilisation und weil das ja nicht gut sein soll wegen Erkrankungen und so, aber ich dachte mir, das ist doch dann gegen unsere eigene Natur, wenn wir anstatt Fleisch immer nur Obst und Gemüse und sowas essen, nur wegen irgendwelcher angeblichen Erkrankungen. Ich mein, heute noch sagt ein altes Sprichwort: Fleisch ist mein Gemüse!

Ok, Mitmenschen essen ist aktuell streng verboten, selbst wenn sich einer freiwillig opfert ist es noch Mord und man wird eingesperrt, also hab ich das gelassen, aber wie jeder weiss, bestehen Tiere auch aus Fleisch. Meine Eltern haben aber nie totes Tier auf dem Tisch gehabt, ich hab da jedenfalls nie ein Huhn, Schwein oder Kaninchen gesehn.

Wir hatten immer nur so blöde Chicken Wings, Bärchenwurst, oder überhaupt Wurst, Wiener, Krakauer, Mini-Winis und so, und ab und an gab es mal ne Bulette, also so Hamburger nä, oder ein Schmetterlingsmedaillon und sowas halt, und da wollte ich irgendwann, ich war wohl so 15 oder 16, endlich unbedingt Fleisch probieren und wollte ein Huhn kaufen, aber das hat man mir nicht gegeben, wegen irgend einer Vogelgrippe oder so. Dann wollte ich ein Schaf kaufen, aber das hab ich auch nicht bekommen wegen irgend einer Seuche. Das gleiche bei Kühen und Schweinen und Gänsen und so. Man hat mir einfach nix verkauft oder wollte Unsummen.

Und überhaupt ist es ja inzwischen auch verboten, etwas anderes zu halten als Hund Katze Maus und Fisch, es sei denn, man macht es für die Wirtschaft oder ist reich. Aber das wisst Ihr ja selber.”

Alle nickten stumm. Erwin fuhr fort:


“Irgendwann, da muss ich so 17 gewesen sein, habe ich eine Gans gestohlen. Das war heftig, denn die hat sich gewehrt, rumgeschnattert und viel Lärm gemacht. Also hab ich erstmal schnell ihren Kopf mit einem Stein, der da so rumlag zertrümmert und dann mit meinem Taschenmesser abgeschnitten.”

“Oh Gott, das ist ja grausam,” hörte man Agnes sagen und Rainer nahm den Klaus in den Arm, der offenbar just ein Deja Vu der Bilder seiner letzten Arbeitskollegen im Kopf abspielen ließ.

“Na jedenfalls hab ich dann erstmal den roten Saft probiert, der da rauskam, aber er schmeckte nich, wie als wenn man an einer ekligen Eisentange lutscht. Wobei, ein Hund aus der Nachbarschaft kam gleich angelaufen und hat alles weggeleckt. So ein blödes Tier haha, wo es doch gar nicht schmeckte, aber es hat alles aufgeleckt und ich musste da nicht saubermachen.”


“Wie ging es weiter?” hakte Marlene nach, und Claudia wollte wissen, ob er mit dem roten Saft das Blut meinte, erhielt aber keine Antwort.

“Ich Depp hab dann in die Gans gebissen, aber das schmeckte nicht, wegen der Federn, also hab ich erstmal alle Federn rausgerissen.”

“Wie schrecklich,” quäkte Agnes dazwischen, aber Rainer flüsterte ihr zu, das das Tier das bestimmt nicht mehr gemerkt habe, da ja schon der Kopf weg war und es somit ziemlich tot sein musste, und da beruhigte sie sich wieder und Erwin fuhr fort:

“Und dann hab ich mit meinen Reißzähnen kräftig reingebissen, aber die waren vom jahrelangen Brot und Obst essen schon so stumpf, das ich da nix rausreissen konnte. Selbst drauf rumkauen ging kaum, das war so knirschig zwischen den Zähnen, und geschmeckt hat es auch überhaupt nich, eigentlich nur nach diesem Eisen-Zeugs, wisst ihr.”

Alle hörten gespannt zu. Marlene sagte “Weiter” und Erwin fuhr fort:


“Okay ... ich hab dann mit meinem Taschenmesser die Füße abgeschnitten. War mir sicher, die kann man nicht essen. Hab sie trotzdem probiert, aber sie schmeckten scheußlich. Wobei, der Hund vom Nachbarn, der heisst übrigens Lukas, hat die lecker gefunden. Stellt Euch vor, ich werf die in den Knick und der sofort hinterher und schwupps happ happ happ waren die auch schon weg. Voll krass. Na jedenfalls, ich hab dann ein Stück rausschneiden wollen, und da hab ich dann gesehen, das in der Gans noch was drin war, und da hab ich mich an früher an den Unterricht erinnert, das ja noch so Eingeweide drin sind. Also hab ich ihren Bauch aufgeschlitzt, und da fiel das Zeugs auch schon raus.

Ich musste dann erstmal Lukas abhalten, auch das zu fressen, aber ich hab das alles probiert und es schmeckte zum kotzen. Roch auch so. Aber der blöde Hund hat dann alles gefressen hahaha, und das, wo der doch immer allerfeinstes Chappi, oder Caesar oder wie das heisst bekommt. Da ist viel Petersilie und Gemüse drin. Das mögen doch Hunde, sonst wärs ja nicht drin. Rohasche und so.”



“Bitte konzentriere Dich. Versuche, nicht abzuschweifen. Wir alle wissen, was Hunde fressen. Wie ging es weiter? Bisher hört es sich nicht so an, als hättest du Genuss verspürt.”

“Entschuldige, Marlene ... es war dann so, das alles ziemlich schmutzig war, also vor allem ich, aber auch die Gans. Also bin ich nach Hause und habe mir eine schöne heisse Badewanne eingelassen. Ich bade gern heiss, wisst ihr? Na, jedenfalls, da hab ich beim Gans waschen gemerkt, das die restlichen Federreste ein bischen leichter rausgingen. Und da hab ich die Gans gekocht und dann war der Körper weich und zart und alle Federreste waren abgefallen und ich konnte sie endlich essen. Schmeckte zwar immer noch sehr seltsam, aber im Laufe der Zeit hab ich dann rausgefunden, was ich tun muss, um die Leichen schmackhafter zu machen.”


“Im Laufe der Zeit?” hakte Marlene nach.

“Es war dann so, das mein Gänsediebstahl entdeckt wurde, denn der doofe Hund hatte die Federn von der Gans ja nicht gefressen, und da liess sich dann irgendwie eine Spur zu mir verfolgen. Fuchs, Du hast doch die Gans gestohlen oder etwas nicht? hatte man mich zur Rede gestellt, aber ich hab` dann einfach gesagt, das ich sie gefangen und gerupft habe, weil ich wissen wollte, was sie drunter an hat, und da sei sie nackt und vor Schreck weggelaufen. Haben die damals geglaubt, aber ich hab dann erstmal jahrelang nix mehr gemacht und weiterhin diese blöden Würste, Schnitzel, Steaks und Rippchen gefressen, die es ja überall im Supermarkt gibt. Aber na gut, das Zeug war von der Konsistenz vielleicht ein bischen so wie Fleisch, schmeckte aber doch ganz anders, eher nach Gewürzen und so. Also hatte ich danach viele Jahre nichts mehr mit Fleisch am Hut - bis zu dem Tag, als ich ein wildes Kaninchen überfuhr.”

“Ein wildes Kaninchen? Ach hör schon auf! Hat doch jeder im Unterricht gelernt, das alle eurasischen Kaninchen und Hasen bei der großen Kaninchenseuche 2084 ausgerottet wurden, und da warst Du wie alt? Elf? Zwölf?” erboste sich Claudia.

“Fast 15”, sagte Erwin, ich bin schon ein alter Sack, hab mich nur gut gehalten, aber das war auch nicht hier, sondern in Südamerika, da gibt`s vereinzelt noch ein paar, weisst, Argentinien da unten, irgendwo in den Bergen, da war ich damals beruflich unterwegs ...”


“Oho, jemand mit Beruf!” unterbrach Marlene. “Zu was wurdest du denn berufen?”

“Naja, das war seinerzeit ... da hatte man mich zum Kaffeestrauchblütenbestäuber berufen, aber inzwischen bin ich ohne Berufung, so wie ihr, nehme ich an?”

Alle nickten, doch dann fragte Marlene: “Und wie ging es jetzt weiter?” und Erwin antwortete:

“Okay also, ich hatte eben diese Kaninchen überfahren, aber nur halb, und so lag es da rum und zappelte, aber die Eingeweide guckten schon raus, und rein zufällig hatte ich einen Spaten dabei, den hab ich dann schnell aus dem Kofferraum geholt und damit den Kopf abgetrennt.”



“Du bist zu extrem, Alter!” warf Klaus ein, doch Erwin war schon am weitererzählen:

“Dann hab ich`s eingepackt und mitgenommen und in meiner Bude genauer inspiziert. Ich versuchte das Fell zu rupfen, aber es ging nicht. Ich versuchte, es abzukochen, aber das klappte auch nicht wirklich gut. Aber dann bin ich drauf gekommen, das Kaninchen auszuziehen, und da hab ich dann einfach die Füße abgehackt und mit meinem Messer so geschnitten, das ich das Fell wie einen Mantel ausziehen konnte.

Ja, und dann hab ich rumexperimentiert. Hab alles mögliche gefangen, totgeschlagen, aufgeschlitzt, gerupft, gehäutet, zerhackt, gekocht, gebraten, gegrillt, mit und ohne Gewürzen, Obst und Gemüse und so weiter.

Tja, und inzwischen habe ich mich so sehr dran gewöhnt, `ne Leiche in der Pfanne zu braten oder über`m Grill zu wenden oder einfach schön zu kochen, aber ich glaub, ich war von vorn herein auf dem Holzweg. Ich glaube, wir sind gar keine Fleischfresser. Ich habs beobachtet, Fleischfresser sind alle in der Lage, das Fleisch zu zerreissen und sogar Knochen zu zerkauen, ich aber nicht, und glaubt mir, ich habe mich redlich bemüht! Un sie essen sogar Dinge, die schon verwesen. Agnes, eine Frage: Würdest du Deine Lieblinge essen?”

“Nein, natürlich nicht!”, entrüstete sich Agnes, “Ich würde überhaupt keine Tiere essen - hab` ich auch noch nie - die sind doch alle so nieeedlich!” Dann überlegte sie jedoch kurz und meinte dann: “Aber ein Fleischfresser würde die vielleicht essen. Also, wenn sie schon tot sind, mein ich. Hm ... das geht aber nicht, wenn ich die mitnehm` ... dann verhungert ja der Fleischfresser?” Agnes sank in sich zusammen, offenbar war sie soeben auf einen noch nie bedachten Aspekt gestoßen. Und zwischendurch machte sie kurz ein Gesicht, als hätte sie angewidert etliche Leichen von Kleintieren in unterschiedlichen Verwesungsstadien vor den Augen.



"Ja, Leute, und darum bin ich hier und hoffe, ihr könnt mir helfen, meinen Leichenverzehr einzudämmen und wieder normal zu werden.”

“Wir werden uns nach besten Kräften bemühen”, sagte Marlene, ”Deine Geschichte ist wirklich außerordentlich. Tiere töten und so weiter, das könnte ich nie ... oh, ich seh grad, wir haben gleich Pause. Wollen wir uns im Restaurant im Erdgeschoss etwas zu Essen holen? Es gibt dort heute Buletten im Speckmantel mit Reis, wahlweise Hacksteak mit Backkartoffel, oder nehmen wir wie letztes Mal Kartoffelsalat mit Leberkäse und Würstchen? Oder Falschen Hasen? Schmeckt alles ganz gut.”

“Ist mir eigentlich egal,” sagte Claudia,”Hauptsache, nix mit totem Tier.”

Alle pflichteten ihr bei, sogar Agnes, und dann gingen sie und bestellten letztendlich für jeden eine fette Portion von diese neuen Soylent Green Powerriegeln, die wirklich allen ganz vorzüglich schmeckten, und Erwin hielt es ja nicht aus und musste diese äußerst wichtige Frage stellen, die ihn bewegte, aber nicht mal der Koch wusste, wie viele Schmetterlinge wohl für ein Schmetterlingsmedaillon benötigt wurden und ob sie lange leiden mussten.
 
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