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Die Kinder von Brühl 18/ Teil 4/ Heimat und Sehnsucht/Episode 10/ Die verpatzte Verabredung und das verpasste Abenteuer

Romane/Serien · Erinnerungen
© rosmarin
Episode 10
Die verpatzte Verabredung und das verpasste Abenteuer

Einen Moment sah Norbert Rosi spöttisch an. „Du hast ein Geheimnis?“, fragte er dann.
„Und ob“, erwiderte Rosi.
„Das glaube ich nicht“, sagte Norbert. „Was soll denn das sein? Du bist doch wie ein offenes Buch.“
„Dass du dich da mal nicht täuscht“, sagte Rosi beleidigt.
„Nun zieh mal nicht gleich so ein Gesicht“, lenkte Norbert ein. „Verrätst du mir dein Geheimnis?“
„Nur, wenn du es unbedingt wissen willst.“
„Klar will ich.“
„Also, ich, ich …“ , stotterte Rosi. „Ich fahre nach Berlin.“
„Nach Berlin?“, staunte Norbert. „Was willst du denn in Berlin?“
„Zu den Weltfestspielen.“
„Du bist verrückt“, sagte Norbert. „Zu den Weltfestspielen. Einfach so. Und so ganz allein.“
„Dann komm doch mit“, hatte Rosi einen Einfall.
„Nie und nimmer.“
„Nur einen Tag.“
„Die lassen uns bestimmt nicht rein“, zweifelte Norbert. „Das ist doch alles organisiert. Die kommen doch alle aus den Betrieben und den Jugendorganisationen. Aus aller Welt. Und das Mindeste ist eine FDJ- oder Sportbekleidung“, sagte Norbert. „Vermute ich zumindest.“
„Vermuten, vermuten“, ärgerte sich Rosi. „Aber wissen kannst du es natürlich nicht.“
„Natürlich nicht.“
„Ich habe nicht mal eine Pionierkleidung“, sagte Rosi unbekümmert. „Aber das blaue Halstuch. Und meinen Pionierausweis. Das muss reichen.“
„Du kommst auf Ideen“, lachte Norbert. „Wenn das mal keine Schnapsidee ist.“
„Bist du denn gar nicht neugierig, was so in Berlin los ist? Wenn die ganze Welt zusammenkommt?“, fragte Rosi. „Und für den Frieden demonstriert? Den Frieden auf der ganzen Welt? Und überall wehen die Fahnen. Die ganze Stadt ist ein einziges Fahnenmeer“, träumte Rosi laut vor sich hin. „Und unter dem Fahnenmeer singen und tanzen und spielen und lachen die jungen Menschen aus der ganzen Welt. Und das Lied „Im August blühen die Rosen“, singen alle gemeinsam. In allen Sprachen.“
„Du bist mir schon eine Spinnerin“, holte Norbert Rosi zurück auf die Erde. „Aber schlecht wäre es nicht“, überlegte er.
„Also kommst du mit?“, freute sich Rosi.
„Verlockend ist es schon“, sagte Norbert. „Lieber wäre es mir natürlich in der FDJ - Gruppe. Aber unsere Schule darf keine FDJ- Gruppe delegieren. Weil kein Geld da ist.“
„Wie bei uns. Hat Fräulein Ziehe gesagt.“
„Bestimmt gibt es noch mehr Festivals in den nächsten Jahren“, versuchte Norbert es nochmal mit einem Rückzieher. „Da können wir dann zusammen hin.“
„Du bist ganz schön feige.“ Langsam wurde Rosi ungeduldig. Schöner Beschützer. „Dann fahre ich eben alleine“, sagte sie.

Auf alle Fälle würde Rosi allein fahren. Sie musste unbedingt nach Berlin. Zu den Verrückten. Zu denen sie nach Elses Meinung ja gehörte. Ein bisschen Geld hatte sie ja. Von ihren Nibbereinnahmen. Und den Verkäufen der Margariten. Außerdem würde sie bei dem Trubel, der in Berlin sein würde, bestimmt keiner beachten. Sie wäre dann sozusagen ein Zaungast. Aber zu zweit, mit Norbert, wäre es natürlich besser. Als so ganz allein. In so einer übervollen Riesenstadt. In der sie sich null auskennt.
Hastig schob Rosi ihre langsam aufkeimenden Bedenken zur Seite. Nur nicht lange nachdenken, war ihre Devise. Einfach tun. Was man sich vorgenommen hat. Argumente dagegen gibt es bei jedem Vorhaben.
„Norbert?“, versuchte es Rosi noch einmal. „Nur einen Tag. Zur Eröffnung.“
„Und warum ausgerechnet zur Eröffnung?“, fragte Norbert. „Wir könnten doch auch später fahren. Die Weltfestspiele dauern doch zwei Wochen.“
„Das schon“, erwiderte Rosi. „Aber die Eröffnung ist an einem Sonntag. Und da ist es nicht so schlimm, wenn ich nicht da bin. Da kann der Richard meiner Mutter helfen.“
*
So war es dann auch. Nach einigem Hin und Her war Norbert einverstanden. Sie wollten sich in Berlin auf dem Alexanderplatz auf dem Bahnsteig treffen.
Nachdem Jutta und Karlchen, wie versprochen, in Ziegelroda angekommen waren, radelte Rosi zurück nach Buttstädt.
„Ein Glück, dass du wieder hier bist“, sagte Else, „Mir wächst die Arbeit schier über den Kopf.“
„Ich kümmere mich um Berti, Gitti und Walti“, sagte Rosi. „Und du kannst in Ruhe die anderen Arbeiten erledigen.“
Also kümmerte sich Rosi eine Woche lang um die Kleinen. Meistens gingen sie ins Schwimmbad oder in die Wiesen, um Futter für die Ziegen zu holen. Und Freia war immer mit dabei.
Am Sonnabend wurde Freia nervös. Sie wich Rosi nicht mehr von der Seite. Es war, als spürte sie, dass Rosi etwas vorhatte, was sie nicht vorhaben sollte.
Dann war es endlich soweit. Das große Abenteuer konnte beginnen.
Sonnabend
Abend, als alle schliefen, schlich sich Rosi aus der Kammer. Sie schaute schnell noch zu Jutta und Bertraud, die eng umschlungen im Bett lagen, und eilte die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer packte sie ihren alten Ranzen vom Trödel. Viel war es nicht. Nur eine weiße Bluse zu ihrem blauen Rock. Falls die Bluse, die sie an hatte, schmutzig werden würde. Und auf keinen Fall durfte der Pionierausweis fehlen. Einen Personalausweis hatte sie ja noch nicht. Den gab es erst mit vierzehn Jahren. Und sie war nicht einmal dreizehn.
Rosi kritzelte hastig Rosi eine Nachricht für Else auf einen Zettel und legte ihn auf den Esstisch in der Stube.

Liebe Mama!
Mach dir keine Sorgen. Ich bin bei den Verrückten. Komme aber heute Abend wieder nach Hause.
Deine Dich liebende Tochter
Rosi

So, das wäre geschafft.
Kurz vor Mitternacht verließen Rosi und Freia dann endlich das Haus Brühl 18. Der Zug nach Großheringen und dann nach Berlin fuhr morgens sechs Uhr zwanzig. Die Zeit bis dahin könnten sie ja in der Bahnhofshalle verbringen. Die Bahnhofshalle war nie abgeschlossen. Die letzten Züge kamen aus beiden Richtungen um Mitternacht an. Also aus Sömmerda oder Großheringen. Die ersten Züge fuhren dann sechs Uhr morgens.
Entschlossen lief Rosi mit Freia durch die leeren, dunklen Straßen der schlafenden Stadt.
In der Bahnhofshalle war keine Menschenseele.
„Komm Freia“, sagte Rosi zu Freia, „wir schlafen hier, bis die ersten Leute kommen. Dann musst du aber unbedingt zurück in Brühl 18.“
Traurig ließ Freia ihre Ohren hängen. Und die Schwanzspitze nach unten. Dann winselte sie leise.
„Ja, ja, ich weiß.“ Rosi streichelte zärtlich über Freias weiches Fell. „Ich würde dich ja gern mitnehmen", schmuste sie. " Aber es geht leider nicht. Also sei schön brav.“
Rosi setzte sich auf den Steinboden und kuschelte sich an Freia, die sich brav neben sie gelegt hatte.
Am nächsten Morgen wurden Rosi und Freia von den lauten Geräuschen der Menschen, die die Bahnhofshalle und die Bahnsteige mit Leben füllten, geweckt.
„Es ist Zeit“, mahnte Rosi Freia. „Ab mit dir. Mein Zug kommt.“
Gehorsam trottet Freia davon.
*
Ohne besondere Zwischenfälle kam Rosi gegen Mittag in Berlin an. Das Umsteigen hatte gut geklappt. Die Züge waren nicht überfüllt. Kein Schaffner wollte Fahrkarten verkaufen. Oder kontrollieren. Und, was das Erstaunlichste war, es gab keine Delegationen von jungen Menschen in FDJ- oder Sportkleidungen. Wie Norbert vermutet hatte. Alles schien ganz normal. Es schien, als würden heute nicht die Weltfestspiele eröffnet.

Doch kaum stand Rosi auf dem Bahnsteig in Berlin Alexanderplatz, versank sie in einer anderen Welt.
Die Bahnsteige waren voller junger Menschen. Aus aller Welt. Sie tanzten, lachten und sangen und fielen sich in die Arme. Menschen aller Hautfarben hatten sich die gleichen Tücher um den Hals gebunden. Die Weltfriedenstücher.
Überall hingen Spruchbänder mit der Aufschrift:
Für Frieden und Freundschaft – gegen Atomwaffen.
Aus allen Lautsprechern erschallte das Weltfestspiellied:
Lasst heiße Tage im Sommer sein.
Oder die Internationale. Oder Beides gleichzeitig.
Auf einem der vielen Bahnsteige war ein riesiges Podest aufgebaut. Darauf standen zwei Redner in FDJ- Kleidung. Ein junger Mann und eine junge Frau. Die sich in ihrer langen Rede abwechselten.
„Die Jugend der Deutschen Demokratischen Republik", schrie der junge Mann euphorisch über die Köpfe der jungen Menschen, "begrüßt die Jugend aus der ganzen Welt zu den 'Dritten Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Berlin'.
Heute, am 5. August 1951, in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, in Ostberlin, werden im Walter-Ulbricht Stadion die 'Dritten Weltfestspiele der Jugend und Studenten' eröffnet.
26.000 junge Menschen aus 104 Ländern sind angereist.
Zwei Millionen Teilnehmer aus der ganzen DDR, die Mitglieder des Jugendverbandes der Freien Deutschen Jugend, werden mit euch gemeinsam feiern. Mit euch singen, tanzen, lachen, Sport treiben und vor allem: Für den Frieden und die Freundschaft kämpfen."
"Für Frieden und Freundschaft", jubelten ihm die Jugendlichen zu.
"Ganz besonders begrüßen wir die 35.000 FDJ-Mitglieder aus Westdeutschland", sprach der junge Mann weiter. "Wir danken ihnen für ihren Mut. Sie sind gekommen, obwohl die Freie Deutsche Jugend kurz vor den Weltfestspielen als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten worden ist. Es sollen schon so sechstausend West- FDJler an der Grenze gefasst und an ihre Wohnsitze zurück geführt worden sein", empörte sich der junge Redner.
"Für Frieden und Freiheit!", schallte es über den Bahnhof.

"Wir danken den unzähligen freiwilligen Helfern", schrie die junge Frau. : "Den Helfern, die unsere Innenstadt, so gut es ging, von den Kriegstrümmern, die noch überall präsent sind, geräumt haben. Die Massenquartiere in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, die nicht zerstört worden sind, oder teilweise noch bewohnbar sind, geschaffen haben. Die die Theater renoviert haben. Oder die Straßen ausgebessert haben. Wir danken für die unzähligen Privatquartiere. Wir danken den Hausgemeinschaften, die für Schlafplätze sorgen. Sie alle wollen den jungen Menschen aller Hautfarben in unserer vom Krieg so schwer gezeichneten Metropole einen völkerverbindenden Empfang bereiten. Wir wollen den Völkern der ganzen Welt, sechs Jahre nach der Zerschlagung des verbrecherischem Naziregimes durch den heldenhaften Kampf und Sieg der Roten Armee, die Hand reichen. Es sind die Weltfestspiele im Osten Berlins, die die internationale Solidarität zu einem völkerverbindenden Bündnis werden lassen!"
Wieder ertönte frenetischer Beifall.
"Singen wir nun gemeinsam die ‚Internationale‘, forderte der junge Mann die Massen auf. Und sofort ertönte in allen Sprachen die "Internationale".

Wacht auf, Verdammte dieser Erde,
die stets man noch zum Hungern zwingt.
Das Recht wie Glut im Kraterherde
nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger.
Heer der Sklaven, wache auf.
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger
Alles zu werden, strömt zuhauf.

Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.

Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen,
können wir nur selber tun.
Leeres Wort: des Armen Rechte,
Leeres Wort: des Reichen Pflicht.
Unmündig nennt man uns und Knechte,
duldet die Schmach nun länger nicht.

Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.

In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute,
wir sind die stärkste der Partein.
Die Müßiggänger schiebt beiseite.
Diese Welt muss unser sein.
Unser Blut sei nicht mehr der Raben,
nicht der mächt’gen Geier Fraß.
Erst wenn wir sie vertrieben haben,
dann scheint die Sonn‘ ohn‘ Unterlass.

Völker, hört die Signale!
Auf zum letzten Gefecht!
Die Internationale
erkämpft das Menschenrecht.
*
Nachdem die letzten Töne verklungen waren, beendete die junge Frau in ihrer FDJ-Kleidung und der Weltfestspielmütze auf ihren blonden Haaren die lange Rede.
"Am 19. August 1951 werden die Weltfestspiele mit einer großen Abschlusskundgebung der Jugend der Welt unter den internationalen Fahnen für eine Million junger Menschen enden", schrie sie in die jubelnde Menge. "Abgesandte der Jugend der Welt werden feierlich schwören, alle Kräfte im Kampf einzusetzen, um einen neuen Krieg zu verhindern und gegen das Wettrüsten zu kämpfen! Für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Jugend einzutreten! In diesem Sinne: Für Frieden und Freundschaft! Gegen Atomwaffen!“
"Für Frieden und Freundschaft! Gegen Atomwaffen!“, schallte es von allen Seiten begeistert zurück.

*
Überwältigt von den neuen Eindrücken, blieb Rosi wie angewurzelt auf dem Bahnsteig stehen. Sie war ein Winzling zwischen de Tausenden Menschen. Menschen, die sich umarmten. Menschen, die lachten, sich küssten und gemeinsam sangen. Fremde Menschen. Im Kampf um den Frieden vereint.
Doch von all diesen jubelnden Menschen schien keiner Rosi wahrzunehmen. Ein Glück, dass sie ihre weiße Bluse und den blauen kurzen Rock angezogen und das blaue Pionierhalstuch umgebunden hatte. So war sie dennoch ein Teil der unübersehbaren Masse. Und das war gut so. Sie wollte ja der Zaungast sein. Der Zaungast inmitten der Masse. Weil sie ja keinen Teilnehmerausweis hatte und somit wahrscheinlich sowieso nicht an den Veranstaltungen teilnehmen durfte.
Also wartete der Zaungast ungeduldig auf Norbert. Der auch keinen Teilnehmerausweis hatte.
Doch weit und breit war kein Norbert in Sicht. Hatte er den Zug verpasst? Oder war er hier? Hier auf dem Bahnsteig. Und sie konnten sich nicht finden? Zwischen all den Fahnen und Spruchbändern und Menschen.

Langsam wurde Rosi unruhig. Sie musste da stehen bleiben, wo sie gerade stand. Nirgends war ein Durchkommen. Wo sollte sie auch suchen? Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Und zwar da, wo der Zug angekommen war.
„Im August, im August blühen die Rosen“, sang Rosi leise vor sich hin, während ihr Blick an der großen, runden Bahnhofsuhr hängen blieb. Ach du liebe Zeit. Es war schon nach dreizehn Uhr. Sie stand schon über eine Stunde hier auf dem Bahnsteig. Und noch immer war kein Norbert zu sehen. Der nächste Zug nach Großheringen sollte vierzehn Uhr zwanzig fahren. Und zwar vom gegenüberliegenden Bahnsteig. Diesen Zug würde sie nehmen. Wenn Norbert nicht auftauchte. Am liebsten hätte sie natürlich den letzten genommen. Dann wäre sie auch noch vor Mitternacht in Buttstädt angekommen. Aber sie hatte keine Lust, noch stundenlang auf dem Bahnsteig herumzustehen.

Rosi war echt sauer auf Norbert. Schöner Beschützer. Der er sein wollte. Er hätte sie ja sehen müssen. Er ist doch viel größer als sie. So würde sie nun nichts mitbekommen. Von Berlin. Und den Weltfestspielen. Außer der langen Rede. Hier, auf dem Bahnsteig. Auf dem sie seit Stunden einsam und verlassen stand. Trotz der Menschen aus aller Welt. Um sie herum.
Vor lauter Selbstmitleid und der allmählich dahinschwindenden Hoffnung, doch noch etwas von Berlin sehen zu können, kamen Rosi die Tränen. Wütend wischte sie sie mit einem Zipfel ihres blauen Pionierhalstuchs ab. "Dann eben nicht liebe Tante", kam ihr einer von Elses vielen Sprüchen in den Sinn. "Nehmen wir halt den Onkel." Oder "Noch ist nicht aller Tage Abend."
In diesem Fall war der Onkel der Zug. Der Zug. Zurück nach Buttstädt.
Und der - nicht aller Tage Abend war die Hoffnung, es irgendwann irgendwie doch noch nach Berlin zu schaffen.
Und nicht nur auf dem Bahnsteig herumzustehen.
Kommt Zeit. Kommt Rat.

Energisch wühlte sich Rosi Stück um Stück durch die Menschenmassen zu dem gegenüberliegenden Bahnsteig. Auf dem nicht so viele Menschen dichtgedrängt nebeneinander standen. Nach etwa fünf Minuten dampfte der Zug heran. Erleichtert stieg Rosi in den Zug nach Großheringen. Im Abteil setzte sie sich auf einen freien Platz am Fenster. Es waren fast alle Plätze frei. So hatte sie genug Muße, um ungestört ihren Gedanken nachhängen zu können. Es war schon traurig, dass Norbert nicht da war. Oder, dass sie sich nicht getroffen hatten.
Enttäuscht schaute Rosi aus dem Fenster. Plötzlich sah sie Norbert auf den Bahnstein rennen. Er musste sie noch gesehen haben. Mit großen Schritten versuchte er, den Zug zu erreichen und aufzuspringen. Doch vergeblich. Der Schaffner hob die Kelle. "Zurück bleiben bitte!", tönte es aus dem Lautsprecher. Der Zug fuhr an.
Inzwischen hatte Rosi das Fenster herunter gezogen und beugte sich weit hinaus.
"Hallo! Hallo!", schrie sie. "Norbert! Ich sehe dich."
"Ich schreibe dir", schrie Norbert zurück. "So ein Pech. Ich schreibe dir."
Langsam ächzte sich die Lock vorwärts. Rauchte und stank. Doch Rosi war glücklich. Sie zog das Fenster wieder hoch und lehnte sich zufrieden in ihre Ecke. Norbert hatte sie bestimmt genauso gesucht, wie sie ihn. Doch in diesem Allerweltsgetümmel hatten sie sich nicht gefunden. Doch jetzt. Im letzten Augenblick.

***
Fortzsetzung folgt
 
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