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45 Seiten

PK Chat Story (1-13)

Romane/Serien · Spannendes
Kapitel 1 - Überraschung

Samstag, 23. Oktober 1999
Ich bin ziemlich zeitig aufgestanden. Es ist gerade 10 Uhr und das ist wirklich zeitig für meine Begriffe, zumindest an einem Samstag. Meine Eltern sind da. Auch das ist ungewöhnlich oder nicht alltäglich. Sie arbeiten im Ausland. Mich stört es nicht weiter. Ich komme mit Christiane, dem Dienstmädchen, sehr gut aus. Für die Jahreszeit ist es ziemlich warm. Mein Frühstück steht als einzigstes noch unangetastet auf dem großen ovalen Tisch im Salon. Ich hatte mir fest vorgenommen heute mit meinen Eltern zu frühstücken. Am Nachmittag stand ein Besuch meiner Tante in München auf dem Plan. Meine Eltern haben die Angewohnheit alles zu durchplanen, schon wochenlang im voraus.

Ich schaltete die Anlage auf „Zimmerlautstärke“ und nahm ein Glas Orangensaft und ein Toast und setzte mich in den großen grünen Sessel am Rande des Salons. So nahm ich mein Frühstück am liebsten ein. Im Schneidersitz auf dem Sessel, den Teller und das Glas neben mir auf dem kleinen runden Rauchertisch neben den Sessel. Meine Mutter meckert zwar jedes Mal den selben Text, wenn sie das sieht, aber bestimmte „Rituale“ lasse ich mir nicht abgewöhnen. Mein Blick fällt zufällig auf die

BILD –Zeitung, die mein Vater gewöhnlich nach dem Frühstück bei einer Pfeife mit Vanillegeschmack liest. Mir wäre fast der Toast aus den Händen gefallen. Ich musste die Überschrift zweimal lesen. Aber mit großen schwarzen Lettern stand dort wirklich:

VOGTLÄNDER HACKER SCHOCKEN INDUSTRIE – PASSWORT FÜR’S INTERNET IN MINUTEN GEKNACKT.

Ich überflog den Text, las ihn dann noch mal langsam. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wochenlang habe ich probiert und mir den Kopf zerbrochen. Viag Interkom war geknackt. Jemand war mir zuvor gekommen. Zur Erklärung muss ich hinzufügen, das meine große Leidenschaft, neben anderen altersgerechten Beschäftigungen , das Programmieren ist. Das ganze läuft auf das Hacken von Zugängen, Sicherheitscodes und so weiter hinaus.

Nicht das ich Schaden anrichten möchte. Es ist wie ein Sport oder eine Sucht sogar. Ich fühlte mich sichtlich in meiner Ehre gekränkt. Wer wagte es meine wochenlange Arbeit mit einen Schlag zu zerstören? Wieder lass ich den Text durch. Mir kam es vor als stammte der Artikel nicht aus der Bildzeitung sondern aus einem Brief an mich: ...in Minuten geknackt. Bah, ich mühe mich wochenlang ab und dann kommt so ein dahergelaufener Möchtegernhacker und schnappt mir meine Ideen weg. Ich warf die Zeitung in die Ecke, ließ mein Frühstück stehen und rannte die große Treppe hinauf in mein Zimmer. Christiane war gerade dabei mein Bett zu machen. Sie kam nicht mal dazu mir guten Morgen zu sagen. Im gleichen Moment wie ich die Tür aufriss schrie ich sie an: „Raus“. Sie stand da, mit offenen Mund , überrascht und wusste anscheinend nicht ob ich Spaß machte oder das ganze ernst meinte. Das machte mich noch wütender. Ich schob sie zur Tür und schrie noch mal : „Raus“. Ich schlug die Tür hinter ihr zu und schloss ab. Ich schaltete meinen Computer an, ohne zu wissen was ich machen will. Mein Vater klopfte zaghaft an die Tür und fragte was los sei. „Nicht’s ist los, lasst mich in Ruhe und fahrt zu Tante Evi allein, lasst mich einfach ! „ gab ich zur Antwort. Draußen hörte ich meine Mutter wie sie zu meinem Vater sprach: „Das ist das Alter, das gibt sich.“ Das Gespräch wurde leiser bis ich die Worte nicht mehr verstehen konnte. Sie liefen die Treppe runter.
Jetzt erst sah ich das der Computer nicht hochgefahren ist. Stattdessen prangte wie um mich zu ärgern eine Schutzverletzung auf dem Monitor.

Ich legte mich auf das Bett. So nach und nach wurde ich ruhiger und mir kam eine Idee. Ich musste den Typen kennen lernen , der das geschafft hat Viag Interkom in Minuten zu knacken. Ich wusste nicht warum, aber ich musste ihn kennen lernen ! Zuerst müsste ich mal mehr über ihn herausfinden.

So was kostet meistens. Mein Taschengeld ist zwar mehr als großzügig , aber für diesen Monat ist nichts mehr übrig geblieben. Ich musste wohl oder übel mit zu meiner Tante fahren, die mir meistens was gibt. Meine Laune verbesserte sich etwas.


Kapitel 2 - Fieber

Zwei Tage später

Obwohl ich den ganzen Tag herumtelefoniert habe, habe ich nichts brauchbares herausgefunden. In der BILD - Zeitung war noch der Hinweis auf die Sendung Neues - Die Computershow in der ein Beitrag über Mike , soviel wusste ich schon mal, gezeigt werden sollte. Die Sendung kommt um 21.30 Uhr. Es war 19 Uhr. Ich hatte also noch jede Menge Zeit. Zuerst ging ich in die Garage um nochmals den Schaden zu begutachten den ich heute am frühen Nachmittag angerichtet hatte. Das ganze sah wirklich nicht gut aus. Zum Glück waren meine Eltern bereits am Morgen abgereist und ich konnte mir jetzt 3 Wochen lang überlegen was ich ihnen erzählen könnte. Das ganze fing damit an, das ich nach der Schule zu meiner Freundin wollte. Ich kam auf die Idee mit meinem Rad zu ihr zu fahren.
Allerdings kam ich ohne weiteres nicht an mein Fahrrad heran.
Mein Vater hatte sein Auto so geistreich dicht an der Garagenwand abgeparkt, das ich ohne Kratzer an dem Auto mein Rad nicht herausbekommen hätte.
Ohne überhaupt lange zu überlegen, öffnete ich die Tür vom Auto. Der Schlüssel steckte nicht, aber ich wusste wo ihn mein Vater aufbewahrte.
Im Auto sitzend stellte ich erst mal den Sitz ein , so gut es ging. Da ich den Sender für das Garagentor nicht finden konnte stieg ich noch mal aus und öffnete das Tor. Ich überlegte noch, als ich wieder eingestiegen bin ob ich vielleicht eine Runde im Grundstück mit dem Auto herum fahren werde. Mit meinen Überlegungen kam ich nicht weit, in dem Moment als ich den Zündschlüssel herum drehte gab es einen gewaltigen Ruck und einen dumpfen Knall. Na Prima ! So hatte ich mir meine erste Fahrt nicht vorgestellt. An statt vorwärts aus der Garage zu fahren bin ich rückwärts gegen die Wand und meinen Fahrrad gefahren. Dieses sah im Gegensatz zur Stoßstange, Kotflügel und Rücklicht des Auto's erstaunlich gut aus. Trotzdem war eine acht im Vorderrad, also verwarf ich den Plan zu meiner Freundin zu fahren. Statt dessen rief ich sie an, um sie nach einer gescheiten Lösung für das verbeulte Auto zu fragen. Wie es so ist, in solchen Fällen kommen einem nie gute Einfälle.
Ich ging also wie gesagt noch mal gegen 19 Uhr in die Garage. Das Auto stand immer noch so da. Mein Wunsch das das alles nur ein Traum war, erfüllte sich leider nicht. Zum Glück hat es Christiane noch nicht bemerkt, dachte ich. Die hätte sicherlich meine Eltern angerufen. Ich kehrte die Splitter vom Rücklicht zusammen. Ich überlegte hin und her wie ich es meinem Vater beibringen würde. Während ich überlegte strich ich mit der Hand über die große Delle die sich fast bis zur Mitte des Hecks erstreckte.
Da mir in diesem Moment sowie so nichts einfiel, ging ich nach oben in mein Zimmer und versuchte den Gedanken zu verdrängen.
Die Zeit bis 21.30 Uhr überbrückte ich mit in meinen Augen sinnlosen Spielchen am PC. Christiane nervte noch zwei mal mit den Hinweis auf die Schule und das ich ins Bett gehen sollte. Schule - dachte ich, welche Schule ? Mein "Zur - Schule - gehen" bestand daraus, das ich morgens in die Bibliothek im Haupttrakt ging. Dort empfing mich mein Privatlehrer zum Privatunterricht. Mein Lerneifer hielt sich also wegen der gegebenen Situation in Grenzen. Ich wollte mit allen Mitteln auf eine normale Schule, was aber mitten im Schuljahr sich als schwierig herausstellte. Zumindest für das nächste Schuljahr wurde mir jedoch dies von meinen Eltern und auch einigen renommierten Privatschulen in Aussicht gestellt.
Ich machte es mir in meinem Bett bequem. Die Sendung begann.
Wahnsinn ! Gleich am Anfang der Sendung wurde der Beitrag gesendet.
"Boah" sagte ich zu mir selbst. Der Typ, also Mike, sah ja nicht mal schlecht aus. Irgendwie machte mich die Sendung wütend. Mike erklärte mit einer Mischung aus Gelassenheit und Arroganz die Sicherheitsmängel, als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun. Der Text schien trotzdem
nicht eingeübt oder vorgegeben zu sein. Auf manche Fragen wich Mike gekonnt aus. Ich ertappte mich mehrmals wie ich Mike richtig anstarrte. Das war es was mich so wütend machte.
Der Typ kommt mir zuvor und präsentiert sein Wissen stolz in der Zeitung und im TV und nun finde ich ihn auch noch süß !
Viel neues konnte ich der Sendung nicht entnehmen, nur ich wusste jetzt seine E-Mail -Adresse. Das Schreiben was er an 3 Sat geschickt hatte wurde eingeblendet, mit seiner E-Mail-Adresse. Absicht? Egal ich hatte sie. Obwohl ich noch gar nicht wusste was ich mit ihr sollte. Ich wusste nicht mal so genau warum ich diesen Mike kennen lernen wollte. Zumindest bis dahin. Nach der Sendung gingen mir die Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Dauernd musste ich an Ihn denken. Ich versuchte krampfhaft an andere Dinge zu denken. An das kaputte Auto und an andere Sachen. Aber es gelang mir nicht. Nicht nur das er es geschafft hatte Viag zu knacken - vor mir, sondern er war der erste Junge seit langem der mir richtig gefiel. Trotzdem war ich wie gesagt in dem Moment sehr wütend. Ich glaube ich hätte ihn am liebsten paar geknallt, wenn er vor mir gestanden hätte. In der folgenden Nacht schlief ich sehr unruhig. Ich wachte paar mal auf. Wenn ich schlief, träumte ich wirres Zeug. Mein Hals tat mir weh und ich bekam Fieber.
Mein Kopf war am Morgen ganz heiß. Christiane rief Doktor Seidel an, der auch kurz darauf erschien. Christiane war sehr besorgt um mich und lief die ganze Zeit im Zimmer auf und ab. Doktor Seidel untersuchte mich sehr gründlich und meinte abschließend das es eine ziemlich heftige Virusinfektion sei: "Ich schaue heute Nachmittag noch mal nach Dir, ich will hoffen, das dann das Fieber gesunken ist."
"Und wenn nicht ?" fragte Christiane. "Nun, das werde ich heute Nachmittag entscheiden, aber ich denke das sie nicht ins Krankenhaus muss." antwortete er. Ich erschrak. Nein, das wollte ich auf keinen Fall. Mir ging es wirklich nicht gut, aber Krankenhaus - das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Ich bleib also ganz brav, wie es Doktor Seidel angeordnet hatte, im Bett liegen. Die Andeutung mit dem Krankenhaus hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ich dachte wieder an Mike. Mir kam es vor als wäre ich für paar Sekunden eingeschlafen. Ich blickte auf große runde Uhr, die aussah wie eine Bahnhofsuhr. Es war kurz nach 16 Uhr. Ich hatte mehrere Stunden geschlafen ! Gerade wollte ich nach Christiane rufen, da kam sie auch schon zusammen mit Doktor Seidel rein.
Die Stunde der Wahrheit - dachte ich. Er holte ein Fieberthermometer heraus und klemmte es mir unter den Arm. Mein Halt schmerzte immer noch und mein Kopf tat schrecklich weh. Ich versuchte so gut es ging, mir die Schmerzen nicht anmerken zu lassen.
Hoffentlich ist das Fieber herunter ! Doktor Seidel und Christiane schaute mich die ganze Zeit an. "So da wollen wir mal schauen." sagte Doktor Seidel nach drei Minuten Stille und nahm das Thermometer. Er hielt es senkrecht mit Daumen und Zeigefinger nach unten in höchstens 10 Zentimeter Abstand von seinen Augen. Dann drehte er sich mit dem gesamten Körper um ca. 30 Grad nach links, weil anscheinend das Licht das durch das Fenster fiel, ihn blendetet.
Er zog die Augenbraun hoch und blickte mich forschend an. Ich hielt den Atem an.




Kapitel 3 - Kontakt


Sein Blick ließ nichts gutes verheißen. Doch überraschenderweise sagte er: "Na da hast du ja noch mal Glück gehabt, das Fieber geht langsam runter. Es wird in der nacht nochmals ansteigen, aber in ein paar Tagen wirst du wieder munter herumspringen" Munter herumspringen ? - dachte ich. Für was hält der mich? Das klingt ja gerade so, als wäre ich das kleine verwöhnte Mädchen einer reichen Familie die im Garten schaukelt und Blumen pflückt. Dabei war ich eher das Gegenteil. Nach dem Doktor Seidel mich noch mal untersucht hatte und er mindestens drei mal Christiane versichert hatte, das es mir gut ging, drehte ich mich auf die Seite und versuchte zu schlafen. Ich war müde, obwohl ich den ganzen Tag geschlafen hatte. Meine Gedanken waren bei der Sendung und den Zeitungsartikeln. Nach und nach wich die Müdigkeit und ich wäre am liebsten aufgestanden und hätte diesen Mike eine Mail geschrieben. Mir fiel ein, das ich gar nicht wusste, was ich ihm hätte schreiben können. Und wenn, ob er überhaupt geantwortet hätte? Seine Telefonnummer müsste auch herauszufinden sein. Aber was hätte ich ihm am Telefon sagen sollen?
Sicherlich hätte er sowieso aufgelegt.
Langsam wurde mir aber immer mehr klar was ich wollte. Am liebsten wäre mir zu dem Zeitpunkt eine Freundschaft gewesen. Von ihm hätte ich eine Menge lernen können. Aber langsam wurde mir klar, das ich mich verliebt habe, in jemand den ich nicht einmal kannte, ja der nicht mal wusste das ich existiere. Ich überlegte hin und her, wie ich am besten Kontakt zu ihm aufnehmen könnte. Sicherlich hat er eine Freundin, ist vielleicht verheiratet.
Ich versuchte diesen Gedanken schnell wieder zu verdrängen.
Ich musste mir schnell was einfallen lassen. Christiane kam herein und brachte mir eine Tasse Kamillentee. "Versuche zu schlafen" sprach sie ruhig und einfühlsam mit ihren französischem Akzent. "Mir reichen die letzten Stunden" entgegnete ich. "Sag mal Christiane..." fing ich an "warst du schon mal so richtig verliebt?" Sie fing an zu lächeln: "Ja mehrmals, warum fragst du." Ich hatte plötzlich keine Lust mehr auf ein Gespräch: "Du hast recht, ich sollte schlafen" Sie schaute mich etwas verwundert an und ging zur Tür: "Wenn was ist, dann rufst du mich, ja" Ich drehte mich um: "Ok". Sie war kaum 10 Sekunden aus dem Zimmer, als ich aufstand und den Tee in den Abfluss der Dusche in meinem Badraum kippte. Ich sah in den Spiegel. Ich sah wirklich nicht gut aus. Ich war blass. Ich schaltete meinen Computer ein und begann nach der Telefonnummer von Mike zu suchen. Ich musste sie nicht lange suchen. Es gab nur einen Eintrag.
Mit zittrigen Händen wählte ich die Nummer. Doch nach dem ersten Klingeln legte ich wieder auf. Das bringt nichts, dachte ich mir. Bei meinem jetzigen Zustand würde ich sicherlich alles vermasseln. Ich brauchte zunächst einmal einen Plan. Ich muss irgendwie zu ihm Kontakt aufnehmen. Telefon ist blöd. Über was soll ich mich mit ihm unterhalten? So werde ich ihn nie für mich gewinnen können. Ich hatte keine Lust mir weiter den Kopf zu zerbrechen. Ich hatte sowieso Kopfschmerzen. Obwohl ich gar nicht mehr müde war legte ich mich ins Bett und schlief irgendwann ein.
Ich wachte auf . Die Kopfschmerzen waren fast weg. Christiane kam herein und fragte: "Wie geht es dir heute? "
"Sag mal, beobachtest du mich die ganze Nacht?, Wie schaffst du es, immer genau 10 Sekunden nachdem ich aufwache ins Zimmer zu
kommen ? " sagte ich. Das hat mich echt verwundert, mir fiel das in dem Moment zu ersten Mal bewusst auf. Sie lachte und sagte: "Ich habe schon mehrmals nach dir geschaut. Ich muss doch wissen wie es meiner kleinen Prinzessin geht. Aber du hast geschlafen wie ein Murmeltier." Sie wusste genau, das ich es nicht mag wenn sie mich Prinzessin nennt. Und klein bin ich schon lange nicht mehr. Gewöhnlicherweise sagte ich darauf immer etwas, um sie zu ärgern. Nicht um sie wirklich zu ärgern, aber wir führen manchmal lange Diskussionen um mehr oder weniger sinnvolle Themen und hauen uns so manche Dinge an den Kopf. Wir haben beide Spaß daran.

"Ist denn das Frühstück für die Prinzessin fertig " fragte ich und sah sie dabei besonders unschuldig blickend an. "Na dir geht es ja wirklich schon besser, morgen kannst du wieder lernen." meinte sie.
"Oh, dazu fühlt sich die Prinzessin nicht in der Lage, außerdem muss die Prinzessin ihre persönlichen Interessen wahrnehmen." weiter kam ich nicht.
Sie fiel mir ins Wort: " Wenn Prinzessin ihre geistigen Tiefflüge beendet hat, das Frühstück steht bereit." Sie ging aus dem Zimmer.
Ich ging erst mal in mein Badezimmer und drehte die Dusche auf.
"Verdammt" schrie ich, "das ist ja eiskalt !" Christiane kam ins Zimmer hereingestürzt als wäre sie vor einem Monster auf der Flucht: "Was ist los?"
"Das Wasser ist eiskalt." Sie reichte mir ein großes Handtuch. "Man musst du hierein kommen, wenn ich unter der Dusche stehe ?" giftete ich sie an.
"Ich werde dir schon nichts weggucken. Dusche unten, unten ist das Wasser warm" entgegnete sie. "Ich will aber sofort hier und jetzt warmes Wasser !" sagte ich trotzig. Aber sie war schon wieder aus meinem Zimmer verschwunden. "Verdammt, verdammt noch mal, das kann doch alles nicht sein." Nach dem Frühstück hatte ich Zeit. Christiane ging einkaufen. Mir hatte sie verboten vor den Computer zu gehen, ich müsse mich schließlich noch schonen. Also ging ich vor den Computer und suchte nach Hackerclubs. Mir kam damals die blödsinnige Idee so einem Club beizutreten um eventuell damit Mike zu imponieren. Nach fast zwei Stunden hatte ich geglaubt gefunden zu haben, wonach ich suchte.

WHILE LOOP hieß die Vereinigung. Die Webseite sah nicht sonderlich legal aus. Aber was mich neugierig machte waren folgende Sätze: Wir sind auch in deiner Nähe. Wenn Du würdig bist und nachfolgendes Kennwort knacken kannst erhältst Du weitere Informationen.
Was am Anfang so einfach aussah, erwies sich als echte Herausforderung.
Zumal machte Christiane einen Aufstand als sie mich vor dem Computer sah. Ich unterbrach meine Arbeit, als sie drohte Doktor Seidel anzurufen.
Nach dem Mittagessen - es gab Spagetti mit Tomatensoße - konnte ich mich wieder der Webseite widmen. Ich hatte Christiane überzeugen können , das es mir besser geht und sie auch mal an die Sommerferien denken soll, in denen ich sicherlich nicht meinen Eltern gegenüber erwähnen werde, das ihr Freund hier paar Nächte übernachten wird.
"Woher weißt du das , du Schnüfflerin?" frage sie böse: "Das ist ja Erpressung !, Ach meinetwegen mache was du willst, irgendwann bekommst du eckige Augen vom Computer und sage nicht ich wäre dran schuld."
Ich fand es immer lustig, wie sie mit ihrem französischem Akzent schimpfte. Ich konnte dabei nie ernst bleiben.
Ich brauchte noch fast drei weitere Stunden, bis ich endlich die schwierige Aufgabe gelöst hatte. Ich war schon drauf und dran es aufzugeben. Schließlich war ich dann doch froh, das ich das nicht getan habe.
Viel Aufregendes bot die Seite nicht. Außer einer weiteren Aufgabe und einer Liste mit Orten war nichts zu finden. Nürnberg stand mit auf der Liste. Doch weitere Informationen über Treffpunkte oder Anschriften konnte man nur erfahren, indem man die zweite Aufgabe löste. Diese war nach einem völlig anderen Schema aufgebaut. Ich schaffte sie in 30 Minuten und kam endlich zur Aufnahmeseite für neue Mitglieder.
Ich füllte den langen Antrag aus. Weder nach richtigem Namen, oder Adresse wurde gefragt, dafür mussten aber verschiedene andere Fragen beantwortet werden. Bei einer Frage nach der politischen Haltung überlegte ich ziemlich lang. Als Nickname wählte ich A5 aus.
Ich klickte auf 'Absenden'. Es erschien eine Meldung das ich bald eine E-Mail erhalten werde.



Kapitel 4 - In der Höhle des Löwen

Wochenende

In meinem Postfach fand ich tatsächlich eine Mail von dem besagten Club vor. Ich wurde zu einem Treffen schon am selben Tag um 17 Uhr eingeladen. Ich suchte zunächst einmal im Stadtplan die Strasse heraus. Na toll, dachte ich. Das ist ja nicht gerade in meiner Nähe. Ich überlegte wie ich am besten dorthin kam. Die Überprüfung meiner Sparbüchse ergab, das ich mir ein Taxi leisten konnte. Cristiane rief mich zum Mittagessen.
Wenn wir allein waren, speisten wir meistens nicht im Salon, sondern in der Küche. Hier fand ich es gemütlicher. Oft saßen wir nach dem Essen noch lange am Tisch und unterhielten uns. Sie erzählte oft von ihrer Heimat. Sie stammte aus dem Süden Frankreichs. Ich hörte ihr gern zu wenn sie mit ihrem französischen Akzent wehmütig über ihre Familie sprach und jedes Mal sagte: "Ös isst schon ain Jammer, isch sehe sie so selten." Sie war als Au pair vor 5 Jahren nach Deutschland gekommen. Meine Eltern waren von Ihr so begeistert gewesen das Sie sie danach als Haushälterin eingestellt hatten. Christiane fühlte sich hier wohl, soweit ich das einschätzen konnte.
Auch wenn sie immer darüber jammerte, ihre Familie nur so selten zu sehen. "Schau mich an, wie oft ich meine Eltern sehe." versuchte ich sie zu trösten. "Ja, Du bischt auch zu bedaurn." sagte sie. "Achwo, ich fühle mich pudelwohl." Nach dem Essen ging ich auf mein Zimmer und bereitete mich auf das Treffen vor, indem ich meinen Kleiderschrank durchwühlte. Ich betrachtete mich im Spiegel. Ich sah nicht im geringsten wie ein Hacker aus. Viel zu brav ! Ich suchte mir ein Tuch raus. Nein das passte nicht.
Das Basecape passte besser zu diesem Image. Ich band meine Haare zusammen. Mit dem Basecape auf dem Kopf war kein einziges haar mehr zu sehen. Dazu zog ich ein weites Sweatshirt an und eine enge Jeans. So sah ich erstmal ziemlich verändert aus. Ich war mit dem Ergebnis zu Frieden. Nur wohin mit dem Handy? Ich rannte die Treppe herunter zu Christiane : "Sag mal du hast doch so eine Gürteltasche." "Wie hast Du dich den hergerichtet?" fragte sie mich erstaunt. "Frage jetzt nicht, hast du sie nun?" Sie ging in ihr Zimmer und brachte mir nach kurzer Zeit die Tasche. So sah ich fast perfekt aus. Ich packte mein Handy in die Tasche.
Dazu 150 Mark und eine leere Diskette, sowie ein Streamband. Ich bestellte mir auf 16 Uhr ein Taxi. Ich wollte mir vorher dort die Gegend noch etwas anschauen. Christiane meckerte rum, als ich ging. "Wo gehst Du jetzt schon wieder hin ?" Die Fahrt dauerte wieder Erwarten gar nicht so lang. Ich bezahlte 37 DM und war 16.21 Uhr da. Ich lief die Strasse ein paar mal auf und ab. In der Hausnummer 21 sollte das besagte Treffen stattfinden. Die Häuser sahen ziemlich verkommen aus und viele Wohnungen standen leer wie man unschwer an den fehlenden Gardienen erkennen konnte. Das Haus mit der Nummer 21 hatte eine Besonderheit gegenüber den anderen Hauseingängen: Neben der großen alten Tür, gab es eine Treppe die entlang des Hauses 8 Stufen tief zu einer zugenagelten, höchstens 1,50 Meter hohen, Tür führte. Die Treppe sah so aus, als wäre die letzten 50 Jahre keiner mehr auf ihr gelaufen. Zwischen den Ritzen wuchsen Löwenzahn und Brennnesseln. Die unteren Fenster des Hauses waren sowie rechts, wie auch links vom Eingang zugeklebt. Auf der rechten Seite mit schwarzer Folie. Auf der linken Seite waren die Fenster mit alten Werbeplakaten zugeklebt. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Ich hatte schon mehrere Sachen über solche Clubs gehört. Von kriminellen Vereinigungen bis hin zu sektenartigen Strukturen war die Rede.
Ich überlegte ernsthaft ob ich umkehren sollte. Nicht mal ein Ladengeschäft gab es auf der Strasse. Das einzige was an die Zivilisation erinnerte war ein Zigarettenautomat, der auch recht neu aussah. Und natürlich das Auto. Ein BMW 750. Das einzige Auto auf dieser Straßenseite. Es war kurz vor 17 Uhr. Jetzt oder nie dachte ich und wollte die Tür öffnen. Kurz bevor ich die Hand an der Türklinge hatte vernahm ich das Summen eines Türöffners.
Ich zuckte zusammen, das hatte ich nicht erwartet. Der Hausflur sah noch verkommener wie das Haus von außen aus.
Im Hausflur ging es zunächst drei Stufen nach oben. Rechts befanden sich drei Türen und links hingen neun Briefkästen aus Holz. Die Klappen der Briefkästen standen alle offen. Ich überlegte an welche Tür ich klopfen sollte, da vernahm ich an der zweiten Tür wieder das vertraute Geräusch eines Türöffners.


Das Geräusch verstummte für eine Sekunde noch ehe ich an der Tür war um danach von neuen zu beginnen. Ich trat ein. Was ich sah konnte ich nicht glauben. Der Raum war ca. 50 qm groß. Hell durch Leuchtstoffröhren erleuchtet. Der Fußboden bestand aus Parkett. Ich zählte mindestens zwanzig Computer die mit unzähligen Kabeln verbunden waren. Dicke Kabelbäume liefen auch an den Wänden und der Decke entlang. Die Tische waren U-förmig aufgebaut. In der Mitte des Raumes stand eine Spanische Wand die voll mit Notizzetteln beklebt war. Es befanden sich neun Leute im Raum. Alle saßen vor Computern. Wie ich sah , war ich nicht die einzige mit Basecape. Auch ein Mädchen , ca. 19 Jahre alt, saß vor einem der Computer. Einige schätze ich auf 23. Ein Junge, der vielleicht 14 oder 15 war, sah gar nicht übel aus. Ein anderer kam auf mich zu, gab mir die Hand: "Hallo, du bist A5 ?" Ohne das ich Zeit zum Antworten gehabt hätte sprach er weiter: "Schön, das Du da bist. Ich bin Aikira. Richtige Namen brauchen dich hier nicht zu interessieren. Du hast dich schon in der Gegend umgeschaut, das ist gut, wir brauchen nur aufmerksame und kluge Köpfe." Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der zugeklebten Fenster. Jetzt erst sah ich vier Überwachungsmonitore die die Strasse und den Hauseingang zeigten. Er sprach weiter: "Du bist die jüngste, das soll dich aber nicht stören. Du kannst stolz sein, von den 2000 Versuchen pro Monat schaffen es höchstens zwei." Sollte das ein Witz sein? dachte ich? Oder alles Taktik? Auf einem der Computermonitore liefen pausenlos Zahlenreihen durch. Er bemerkte meinen Blick: "Das läuft schon seit drei Tagen, in höchstens 12 Stunden haben wir es." Ich wusste zwar nicht was sie in 12 Stunden haben, warf ihn allerdings einen interessierten Blick zu , als ob ich genau weiß um was es geht. "So setz dich mal hier hin." Er schob mir einen Bürosessel an einen Tisch. Auf dem Monitor vor dem Tisch lief ein Bildschirmschoner: Der Stärkste ist am mächtigsten allein. Das verstand ich nicht, wo sie doch alle hier in einer Gruppe arbeiteten. Die anderen schienen von mir keine Notiz zu nehmen. Nur der ca. 14- jährige Junge schielte ab und zu zu mir herüber. "Pass auf. Du bist ja nicht dumm, wie du bewiesen hast. Du nimmst dir jetzt mal diesen Server vor". Er schob mir einen Zettel mit einer IP zu. "Ich möchte volle Zugriffsrechte. Mal sehen wie lange du brauchst". Ich hatte bisher noch kein einziges Wort gesprochen. Was ich hier sah konnte ich alles nicht glauben. Es war eine seltsame Atmosphäre. Selten sprach jemand. Aikira stellte mir eine Büchse Cola hin: "Also fang an, viel Erfolg." Prima dachte ich, noch eine Prüfung.
Vor allem glaube ich nicht daran, das ich das schaffen werde. Ich probierte mehrere Methoden aus, wie ich auch schon zuhause vorgegangen bin. Nichts schien zu klappen. Ich wurde nervös. Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Fenster mit folgenden Text: "Hallo, süße Neue". Ich sah mich im Raum um. Keiner sah zu mir. Ein weiterer Text erschien: Gebe deine Laufwerk C frei, ich helfe Dir. Meine Hände zitterten. Ich schaute zu Aikira, er saß an einem Rechner auf der anderen Seite des langen Tisches. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Wenn er nun...? Ich sah noch mal zu dem Jungen. Hatte er mir mit dem Auge zugezwinkert oder habe ich mir das eingebildet? Ich gab das Laufwerk frei. Nichts passierte. Immer wieder schielte ich zu Aikira. Nach endlosen drei Minuten erhielt ich wieder einen Text mit einem Benutzernamen und einen Kennwort. Ich trennte die Laufwerksfreigabe, lehnte mich zurück und verschränkte die Arme. Nach ca. 5 Minuten kam Aikira zu mir: "Du bist schnell, das ist gut.
Wir treffen uns morgen um 22 Uhr, dann sind wir ungestört und ich kann dir mehr erzählen. Für heute ist es gut, du hast bestanden." Er gab mir die Hand. "Ach ja, Handys funktionieren hier nicht." Er zeigte auf einen Kasten in der Größe einer Zigarettenschachtel der neben der Tür befestigt war.
"Ein Störsender" Ich holte mein Handy heraus. Tatsächlich, kein Netz. Er lächelte: "Bis morgen". Wieder sagte ich nichts. Ich hatte die ganze Zeit geschwiegen. Als ich zur Tür hinaus ging schaute mir der Junge noch einmal hinterher. Draußen auf der Strasse holte ich erst einmal tief Luft. Ich schaute auf mein Handy. Hier war wieder Empfang. Ich rief ein Taxi. Ich war froh als es nach 10 Minuten kam. Auf der Fahrt überlegte ich wie ich unbemerkt um diese Zeit an einem Sonntag hier her kommen sollte.
Wenn Christiane das bemerkt wird sie meine Eltern anrufen. Ich konnte gar nicht mehr klar denken. Ich wunderte mich nicht einmal darüber das ich für die Heimfahrt nur 29 DM bezahlte.

Kapitel 5 - Aikira

Sonntag

Am Sonntagmorgen wachte ich erst gegen Mittag auf. Obwohl ich ziemlich zeitig ins Bett gegangen war fühlte ich mich nicht entspannt. Ich hatte einen seltsamen Traum: Ich sitze mit Mike vor einem der Computer im Club als Aikira uns eine Cola bringt diese jedoch vor unseren Augen zerquetscht. Anstelle von Cola kommen lauter Drähte aus der Dose. Immer mehr. Als wir wegrennen kommen wir an einen Zeitungsladen vorbei. Auf einer Bildzeitung steht: Der Stärkste ist am mächtigsten allein. Plötzlich bin ich mit Mike in der Küche. Wir küssen uns. Ich verschließe die Augen. Als ich sie öffne küsse ich Aikira.
Ein blöder Traum dachte ich, und ich war froh das er vorbei war. Ich hatte keine Lust aufzustehen. Ich dachte: gleich wird Christiane hereinkommen. Aber sie kam nicht. Nach einer Weile bin ich aufgestanden und die Treppe herunter gegangen. Christiane war beim Kochen. Sie hatte das Radio in der Küche ziemlich lauf aufgedreht und war gerade dabei was aus dem Kühlschrank zu holen. Als ich ihr einen guten Morgen wünschte, erschrak sie dermaßen das sie kurz aufschrie: "Bist du irre?, um ein Haar hättest Du heute kein Mittagessen gehabt. Außerdem was heißt hier: Guten Morgen? , es ist Mittag mein Fräulein." Komisch , heute bin ich gar keine Prinzessin. Das muss wohl der Schreck gewesen sein. Ich konnte mir mein Lachen nicht verkneifen. Doch das verging mir fast im selben Moment, als Christiane erzählte: "Weißt Du, dein Vater muss mit dem Auto einen Unfall gehabt haben, er hat es gar nicht erwähnt." "Wie..wieso ?" stotterte ich.
"Na das ganze Heck ist verkrummt." "Verbeult heißt das !" sagte ich um überhaupt was zu sagen. "Ja verbeult...alles kaputt" Ich hatte auf einmal so ein ganz komisches Gefühl im Bauch. Ich kann es ihr jetzt nicht sagen. Nicht jetzt, dachte ich. Wenn ich an das Treffen am abend dachte, sah ich wieder ein Problem auf mich zu kommen. Wenn Christiane zufällig mitbekommt, das ich nachts aus dem Haus gehe... Vielleicht schaut sie ja wirklich nachts nach mir. "Wann gehst du eigentlich immer ins Bett? " frage ich sie. "Ich gehe so ins Bett, das ich morgens aus dem Bett komme." So genau wollte ich das gar nicht wissen : " Ah, und das wäre?" "Für dich wäre es mal gut, einen Abend ohne Computer vor Mitternacht ins Bett zu gehen" sagte sie. So kam ich also auch nicht weiter. Ich ging ins Bad. Christiane war inzwischen mit dem Kochen fertig. Heute saßen wir beide stumm da und schauten uns wenig an beim Essen. Auch Christiane schien in Gedanken versunken, als ob sie etwas bedrückt. Plötzlich fing sie an:
"Hör mal Andrea,...Du bist doch kein kleines Kind mehr. Ich wollte morgen mal zu Steffen fahren, er hat doch ab heute zwei Tage frei. Kommst Du mal morgen ohne mich aus? und ich meine deine Eltern dürften das nicht erfahren." Ich wusste erst gar nicht was ich sagen soll: "Fahre doch heute schon, ich verrate nichts." "Nein, das geht nicht, so lange kann ich dich nicht alleine lassen, du brauchst doch auch was zu essen." sagte sie, während sie aber wirklich mit der Überlegung spielte auf meine Angebot einzugehen. "Nein" sagte sie schließlich noch mal. Auch meine weiteren Einwände, das ich alt genug bin, brachten nichts. "Christiane hör mal, ich möchte heute auf eine Party, ich bin pünktlich um null Uhr zurück." Weiter kam ich nicht: "Kommt gar nicht in Frage." "Bitte Christiane, bitte, ich muss dorthin. Es ist total wichtig. Außerdem sage ich ja auch nichts, wenn Du morgen Abend weg gehst." Christiane überlegte. "Nur dieses eine Mal..., ich verspreche Dir wirklich pünktlich zu sein." "Das kenne ich schon" sagte sie. Die Diskussion ging noch mehrere Minuten so weiter. "Ok, aber du bist halb zwölf wieder hier." Das schaffe ich sowieso nie, dachte ich , ging aber auf das Angebot ein. Hauptsache ich komme erst mal hier weg. Ich könnte mir ja dann immer noch was einfallen lassen. Ich verdrängte den Gedanken an das kaputte Auto. Ich hatte noch ein anderes Problem. Mit dem Taxi konnte ich schlecht fahren. Der Taxifahrer wäre bestimmt misstrauisch geworden, wenn ein Mädchen in meinem Alter sich um diese Zeit an einen nicht ganz vertrauenserweckenden Ort fahren lässt. Zu Fuß würde ich mindestens 45 Minuten brauchen wenn ich schnell bin. Egal ich musste dahin. Und hoffentlich dauert das Ganze heute nicht so lange, dachte ich. Am Nachmittag las ich ein Buch zu Ende, welches ich schon vor Wochen angefangen hatte. Ich telefonierte noch mit meiner Freundin Svenja und bat sie, falls Christiane auf die Idee kommen sollte sie nach der Party zu fragen, mir Rückendeckung zu geben. Ich sagte natürlich nicht worum es geht, sie machte noch einige dumme Witze weil sie ein Date mit einem Jungen vermutete , womit sie ja im gewissen Sinn nicht ganz unrecht hatte. Ich ließ sie in dem Glauben. Abendessen gab es um 19 Uhr. Danach wählte ich mein Outfit aus. Diesmal nahm ich doch das Tuch anstelle des Basecape. Ich zog heute über das Sweatshirt eine Bomberjacke. Es war kälter geworden. Der Winter würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ich wollte gerade mein Zimmer verlassen, da fiel mir ein, das ich ja zu Christiane sagte, das ich auf eine Party gehen will. Wie konnte ich so blöd sein? Mit diesem Outfit auf eine Party. Ich sah eher aus als wollte ich eine Bank überfallen. Ich zog die Klamotten wieder aus, steckte sie in eine große Plastiktüte und warf sie zum Fenster in den Garten hinaus. Danach zog ich mich um. Christiane ermahnte mich nochmals zur Pünktlichkeit. Im Garten zog ich mich wieder um. Es war wirklich saukalt. Als ich mir meine Jeans anzog, trat ich neben die Plastiktüte auf die ich mich gestellt hatte. Die Wiese war nass. Mein Strumpf jetzt auch ! "Verdammt" sagte ich zu mir selbst.

Ich verstaute die Plastiktüte in einen der großen Büsche im Garten und machte mich auf den Weg. Ich hatte mich total verschätzt. Ich brauchte nicht ganz zehn Minuten länger wie das Taxi, das etwas umständlich gefahren ist, wie ich fand. Dafür war ich aber ziemlich außer Atem. Noch mal wollte ich mir nicht die Straße anschauen. Ich ging nicht mal in die Nähe der Haustür, um nicht wieder beobachtet zu werden. Der BMW stand diesmal nicht da, wie ich schon von weiten sehen konnte. Ich bog eine Querstrasse vorher links ab. Hier war es schon angenehmer. Hier gab es auch einige Ladengeschäfte. Ich schaute auf mein Handy, ich hatte keine Uhr dabei. Bis 22 Uhr waren es noch über fünfundzwanzig Minuten.
Ich ging zweimal die Straße auf und ab. Mir war kalt. Ich dachte an Mike, an die Tage der vergangenen Woche. War meine Entscheidung überhaupt richtig gewesen? Was wollte ich mit der ganzen Aktion überhaupt bezwecken? Vielleicht interessiert es ihn überhaupt nicht ob ich Mitglied in irgendeinen Hackerverein bin. Ich ging die Strasse jetzt zum dritten Mal herunter. Diesmal drehte ich nicht um, sondern bog ab und ging zielstrebig auf den Hauseingang 21 zu. Egal, wenn ich paar Minuten eher bin, dachte ich. Diesmal summte kein Türöffner. Die Tür war verschlossen. Im selben Augenblick kam ein Auto angefahren. Es war der BMW von gestern. Die Beifahrertür öffnete sich. Aikira saß am Steuer: "Bist ja überpünktlich" sagte er. "Steig ein." Das hatte ich nicht erwartet. Ich zögerte, ich hatte überhaupt kein gutes Gefühl. Wo will er mit mir hinfahren? "Nun, mach schon, willst du hier Wurzeln schlagen? " Obwohl ich nicht wollte stieg ich ein. Im Auto versprühte ein Duftbaum angenehmen Vanilleduft. Im Radio lief klassische Musik. Ich schnallte mich an und sagte : "Hallo" Das war das erste mal das ich überhaupt was zu ihm gesagt habe. Er fuhr zügig und bremste an den roten Ampeln immer ziemlich stark ab. Er trug ein Sweatshirt mit der Aufschrift 'ENTER'. "Wo fahren wir hin ?" fragte ich, als wollte ich das nur beiläufig wissen. In Wirklichkeit hatte ich zu tun, meine Angst zu unterdrücken. Selbst seine Fahrweise erinnerte mich eher an ein Volksfest als an eine Fahrt mit einem Auto. Er fuhr aus dem Zentrum in Richtung Stadtrand. Die Tachometernadel stand jetzt teilweise auf knapp über 180 Stundenkilometer. "Also, ich bin der Clubleiter " fing er an. "Unser Ziel besteht darin, alle möglichen Informationen über fremde Systeme heraus zu finden." Er drehte das Radio leiser. "Wenn du gut bist, kannst du eine Menge verdienen." Geld interessiert mich nicht, dachte ich.
"Hast du das mit Viag Interkom gehört ?" frage ich. "Ja, der Typ scheint echt gut drauf zu sein, könnte nicht schaden wenn wir den für uns gewinnen können." Das wäre ja gar nicht so schlecht, dachte ich mir. Dann würde ich ihn ja über den Club kennen lernen. Obwohl ich immer noch nicht wusste, wohin wir fuhren (er hatte meine Frage einfach überhört), fühlte ich mich schon wohler. Plötzlich bremste er kurz, bog rechts in einen kleinen Weg ein der schließlich vor einem Grundstück endete. "Komm wir sind da." sagte er und stieg aus. Ich stieg ebenfalls auf. Er öffnete ein Tor. Ich ging ihm hinterher. Ein Bewegungsmelder schaltete eine Lampe an.
Wir standen vor der Tür eines kleinen Hauses. Drinnen war es gemütlich eingerichtet. "Kannst die Schuhe anlassen" sagte er. "Setz dich." Ich setzte mich in einen der Sessel. Hier war es angenehm warm. Er ging in einen Nebenraum und kam mit zwei Flasche Cola wieder. "Brauchst du ein Glas ?" frage er. Ich schüttelte mit dem Kopf. Er hielt mir eine offene Schachtel Zigaretten hin. Wieder schüttelte ich den Kopf. Er selber zündete sich eine an. Auf dem niedrigen Couchtisch lagen mehrere Zeitschriften. Unter ihnen kramte er ein Blatt Papier hervor. Schaute kurz drauf, faltete es zusammen und steckte es in seine Hosentasche. Er erzählte weiter: "Es gibt Leute die bezahlen sehr gut für Informationen. Ich denke du bist eine Erweiterung für unseren Club. Natürlich sind wir offiziell ein Computerclub. Sogar ein eingetragener." Er grinste dabei hämisch. "Du bekommst einen Mitgliedsausweis, wenn dich jemand fragt, dann sagst du kein Wort, verstanden? " Ich nickte. "Natürlich müssen wir ab und zu zu sinnlos, offiziellen Veranstaltungen und bissel Mist über unseren Club erzählen. Was genau das sage ich dir später. Du musst dich immer unauffällig geben." Ich trank einen Schluck aus der Flache. "Nimm mal das Tuch aus deinen Haaren, du bist hübsch." sagte er. Ich nahm das Tuch vom Kopf.
Er musterte mich von oben bis unten und sagte dann noch mal: "Du bist wirklich hübsch." Mir war das ganze unangenehm. Ich schaute auf die Uhr die an der Wand hing. Es war schon kurz nach 23 Uhr ! Ich wurde nervös. Ich rechnete mir die Zeit aus, die ich mindestens brauchen würde um zu hause zu sein, vorausgesetzt wir würden jetzt losfahren. Vor halb eins werde ich sicherlich nicht zu hause sein. "Wir treffen uns am nächsten Samstag wieder, ich werde paar Tage nicht da sein , komm ich fahre dich heim." Er nahm eine große Reisetasche und wir verließen das Haus. Er fuhr jetzt etwas langsamer. Er gab mir einen Zettel mit einer Handynummer: "Hier erreichst Du mich fast immer." Ich wurde aus der ganzen Aktion nicht schlau. Er fuhr mit mir durch die halbe Stadt um mir dann paar Sätze zu sagen. " Wo wohnst Du ?" frage er. Ich musste mich erst mal orientieren wo wir waren. Ich wollte auf keinen Fall, das er weiß wo ich wohne. "Lass mich beim Club raus" sagte ich vorsichtshalber. "Bis Samstag" sagte er. Als er wegfuhr merkte ich, das wir gar keine Zeit ausgemacht hatten. Warum war er so unvorsichtig und zeigte mir wo er wohnt? Hatte er soviel Vertrauen? Er kennt mich nicht. Ich schlenderte die Strasse langsam in Richtung nach Hause. Plötzlich hupte neben mir ein Auto. Es war Aikira. Er lies das Fenster runter: "Lass dich nicht wegfangen" Er lachte und fuhr weiter. Das war das letzte Mal das ich ihn gesehen habe.

Kapitel 6 - Tina



Ich war noch nicht ganz zur Haustür hereingegangen, als mich schon Christiane mit einer Moralpredigt empfing. Ich hörte einfach zu ohne was dazu zu sagen. Christiane verwunderte das, weil sie das ganz und gar nicht gewohnt war. Aus diesem Grund dämpfte sich wahrscheinlich ihre Stimme. "Was hast du ?" frage sie schließlich. Ich winkte einfach ab und ging in mein Zimmer.
Ich lag noch ziemlich lange wach. Der Unterricht am nächsten morgen nervte mich. Ich konnte mich weder konzentrieren noch konnte ich still sitzen. Herr Richter bemängelte wieder mal meinen Lerneifer und sprach mich wie immer mit Sie an: " Wie sie wissen, werden Sie ab dem nächsten Schuljahr eine öffentliche Lehranstalt besuchen. In Anbetracht ihres jetzigen Leistungsstand kann ich allerdings eine Einstufung in eine ihren Alter entsprechende Klasse nicht befürworten. Es sei denn, sie ändern ihre Einstellung ab sofort..." Er sprach wie wichtig es ist zu lernen. Ich sah ihn an aber hörte nicht zu. Meine Gedanken waren bei Mike. Mir kam alles wie ein Traum vor. Ich war müde. Nach dem Mittagessen legte ich mich ins Bett und wachte erst gegen 17 Uhr auf. Die nächsten Tage vergingen ohne irgendeine Besonderheit. Draußen fiel der erste Schnee und nun kam der Moment wo ich das erste Mal bewusst meine Eltern vermisste. Zu Christine herrschte zur Zeit ein eisiges Verhältnis. Wir sprachen nur das notwendigste miteinander. Meine Stimmung passte zu dem Wetter. Am Freitag Nachmittag veränderte ein Brief meine, sowie Christianes schlechte Laune. Meine Schwester hatte geschrieben. Sie schrieb das sie einen Studienplatz in München erhalten hat und schon am Sonntag zu Hause sein wird. Auf einmal war alles zwischen mir und Christiane vergessen. Sie erzählte aufgeregt was sie noch alles tun müsse. Ihr Zimmer herrichten und einen Kuchen müsse sie backen. Auch ich konnte kaum den Sonntag abwarten und war froh bald meine Schwester wieder hier zu haben.
Am Nachmittag rief meine Schwester sogar an und sagte mir das sie schon Sonntag früh kommen würde.
Ich freute mich wie ein kleines Kind. Christiane meckerte nicht mal das ich die Anlage im Salon ziemlich laut drehte ". ...If you want, then start to laugh If you must, then start to cry , Be yourself don't hide Just believe in destiny..." Ich saß im Sessel und freute mich einfach. Selbst als ich für einige Augenblicke an das kaputte Auto dachte, blieb meine Freude ungetrübt. Meine Schwester würde mir schon helfen. "....That's not the beginning of the end That's the return to yourself The return to innocence..." Da ich nicht genau wusste wann ich am Samstag in den Club kommen sollte, ging ich einfach am Nachmittag hin, traf dort allerdings niemanden an. Die Tür war verschlossen. Mich wunderte das zwar, aber ich freute mich so auf meine Schwester das mir im Moment alles andere egal war. Ich setzte mich abends an den Computer und suchte ein paar Artikel über Mike heraus. Ich wäre am liebsten die ganze Nacht aufgeblieben. Ich legte mich aufs Bett und las eine Zeitschrift. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein.
"Eh was ist das für eine Begrüßung ?" Ich bekam ein Kissen an den Kopf geworfen. Dann hörte ich Tina,meine Schwester lachen. Ich sprang aus dem Bett und umarmte sie. Dann setzte sie sich auf's Bett und wir redeten bis Christiane uns zum Kaffe rief. "Christiane du brauchst heute nichts zu kochen" sagte Tina. "Ich lade euch zum Essen ein."
Kurz vor halb zwölf fuhren wir dann mit Tinas klappriger Ente los. Christiane hatte sich auf den Hintersitz gezwängt. Meine Schwester liebte dieses Auto und war ihm trotz großzügiger Angebote unseres Vaters treu geblieben. Sie störte es nicht, das die Scheiben ständig anliefen. Das Radio hatte Mühe das Motorgeräusch zu übertönen. Die Temperatur im inneren übertraf die der Außentemperatur nur unwesentlich. "Mensch Tina, kauf dir bloß ein anderes Auto." sagte Christiane mit zittriger Stimme. Ihre Nase war ganz rot. Ich und Tina lachten. Christiane hatte Recht. Es war saukalt. Und lange würde es die Ente nicht mehr machen. Es gab nur wenige Stellen an den das Auto nicht rostete. Genau genommen rostete es nicht an den Scheiben, den Reifen und am Verdeck.


Tina wusste anscheinend was ich gerade dachte: "Werde du erst mal so alt wie das Auto." Ne du, so alt wird kein Mensch" sagte ich lachend. "Meckert nicht rum. Hier sitzen wir trocken, ihr könnt ja auch laufen, wenn ihr wollt."
Wir wollten nicht. Tina fuhr uns natürlich nicht zu einer Gaststätte, sondern zu einer bekannten Schnellimbisskette. Sie war, meinen Eltern zum trotz, immer das einfache Mädchen geblieben. Manchmal gab es einen riesengroßen Krach mit meinen Eltern, wenn sie auf einer Feierlichkeit mit Jeans erschien. So wie die Einstellung zu ihrem geliebten klapprigen Auto, war auch ihre Einstellung zu ihren Leben. Anders als ihre Freundinnen trug sie keinen teuren Schmuck und keine Designerklamotten und hielt nichts von Markenprodukten. Sie war immer mein großes Vorbild. Was sie gut fand, gefiel auch mir. Angefangen von der Musikrichtung bis hin zum Geschmack was Jungs anbetrifft. Auch das Essen im besagten Schnellrestaurant hielt ich für angebrachter als in einen der teuren Restaurants der Innenstadt in denen man sich an gewisse Verhaltensregeln halten muss um nicht schief angesehen zu werden. Das Aufenthalt im MCD
war immer sehr lustig. Christiane versuchte zwar immer sich an ihren guten (gelernten) Verhaltensregeln zu erinnern, aber kam jedoch ab und zu gänzlich davon ab. Nachdem wir unser Essen hatten und es uns bequem gemacht hatten suchten sich Tina und Christiane erst mal ein männliches "Opfer" aus, mit denen sie dann hemmungslos flirteten. Dumme Bemerkungen über mein Alter und meiner Unerfahrenheit kamen dadurch natürlich nicht zu kurz, was mich allerdings nie störte. Ich hörte den beiden gerne zu. Es war jedes Mal ein Erlebnis. Nach dem Essen rauchte meine Schwester und kam der Aufforderung eines ziemlich jungen Angestellten, das Rauchen einzustellen , nicht nach. Meine Schwester fing wieder mit ihrer "Auslandsmasche" an. Da sie fließend spanisch reden konnte spielte sie den sichtlich genervten Angestellten eine nichts,-aber rein gar nichtsverstehende Spanierin vor. Christiane bog sich vor lachen und fing an französisch zu reden. Der Angestellte ging schließlich einfach und wir hatte den ganzen Nachmittag was zu lachen.
Zu Hause angekommen, hielt ich den Zeitpunkt für günstig um Tina die dumme Sache mit dem Auto zu sagen. Anstatt auch nur ansatzweise mich auszuschimpfen fing sie wieder an zu lachen. Sie ging in die Garage und als sie die Delle sah lachte sie noch mehr. "Da bist du aber nicht weit gekommen..." sie lachte so sehr das sie Mühe hatte einen Satz heraus zu bringen. Obwohl ich das ganze gar nicht so lustig fand musste ich nun auch lachen. "Weißte was..." sagte sie. Und ich dachte es kommt ein ernsthafter Vorschlag. Statt dessen erzählte sie weiter: "Christiane wird uns einen schönen Teig anrühren und den schmieren wir dann in die Delle..." Nun konnte ich auch nicht mehr vor lachen. "Also gut" sagte sie nach einer Weile. " war ja zum Glück nicht mein Auto. Ich bringe den Schrotthaufen morgen in die Werkstatt." Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich hätte sie in diesen Moment am liebsten umarmt. Manchmal bedauere ich es heute, das ich ihr nie gesagt hatte, was sie mir bedeutet hat und wie sehr ich sie geliebt habe. Ich glaube eine bessere Schwester kann man sich nicht wünschen.
Den Abend verbrachten wir damit unsere Zimmer umzuräumen. Wir zogen in das große Doppelzimmer am Ende des Flurs. Es bestand aus zwei großen Räumen. Diese waren nur halbseitig durch eine Wand abgeteilt. Das gemeinsame Badzimmer befand sich rechts neben der Tür. "Aber wenn ich mal nen Kerl anschleppe, dann gehe ich in ein anderes Zimmer" sagte Tina. "Ja, wenn. Aber dann bin ich ja schon alt und wohne bestimmt nicht mehr hier." sagte ich lachend. "Und du, kleine, hast du schon was in Aussicht?, Biste immer noch Jungfrau? " konterte sie zurück. Von Mike erzählte ich ihr nichts. Christiane kam herein mit den Vorschlag Monopoly zu spielen. "Haben die Angestellten nun auch schon was zu sagen ? " sagte Tina im Scherz. "Ok, tun wir ihr den Gefallen." Das wird bestimmt wieder lustig, dachte ich. "Aber lass sie gewinnen, sonst kündigt sie noch und macht uns nicht den Teig für das Auto" lachte Tina weiter. Später klärte Tina Christiane über die Sache mit dem Auto auf.



Kapitel 7 - Flucht



Am Mittwoch war das Auto fertig repariert. Die Rechnung war mit über fünftausend Mark nicht sonderlich günstig. "Das war ne teure Fahrstunde gewesen" sagte sie zu mir. Jedes Mal wenn wir auf das Auto zu sprechen kamen fing sie an zu lachen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen wo es die Stelle zum lachen gab. Vielleicht sieht man das als Außenstehender anders. Und obwohl Tina gerade die Rechnung bezahlt hatte, hatte sie Ihre helle Freude. Immer wieder fing sie an: "Schade das hätte ich zu gern gesehen." Ihr machte es Spaß mich damit aufzuziehen: "Weißt du was, du zeigst mir das dann noch mal wie du das geschafft hast. Die Eltern kommen erst in zwei Wochen heim, zwei Tage dauert die Reparatur, also kannst du es mir sogar noch siebenmal zeigen." "Wir könnten gleich noch ne Spritztor machen" sagte Sie als wir die Werkstatt verlassen hatten. Wir begutachteten das Auto von allen Seiten. Es war wirklich nichts mehr zu sehen. Sie fuhr ziemlich zügig in Richtung Zentrum. "Meine Ente ist mir lieber" sagte sie mehr als einmal. Nach einem Einkaufsbummel sagte sie: "Ich habe ne Idee." Sie verriet mir nicht um was es ging fuhr auch nicht die Richtung aus der wir gekommen waren. Schließlich kamen wir auf einen ziemlich großen Platz an. "So hier kannst du mir mal zeigen wie du fahren kannst" sagte sie. Ich blickte mich um. Außer ein paar Stapel Holzpaletten am Rande des Platzes war nichts was mir hätte in den Weg kommen können. "Ich weiß nicht, Vater bringt mich um , wenn er das rausfindet." sagte ich. "Mach halt, wir haben ja noch zwei Wochen Zeit für Reparaturen" sagte sie in einem Ton, an dem ich schon wieder ihr unterdrücktes Lachen heraus hörte. Wir tauschten die Plätze. Tina erklärte mir zunächst einiges. Das ging es los. Ich startete den Motor. "Nicht soviel Gas" sagte sie. Es gab einen Ruck und dann standen wir. "Naja, zumindest die Richtung hat schon mal gestimmt." sagte Tina. Das ging dann noch drei Mal so. Dann fuhr ich die ersten Meter. Tina saß da, also schaute sie einen spannenden Film an. Sie gab immer neune Anweisungen: "Schau du nach vorn, jetzt lenken, mehr Gas, langsamer." Das Fahren machte mir großen Spaß. Ich hätte noch stundenlang so weiter fahren können. Als es langsam dunkel wurde, tauschten wir wieder die Plätze und wir fuhren heim. Christiane hatte das Abendessen bereits fertig.
Kurz nach dem Essen bekam ich eine SMS. Sie war von Aikira ! Der Inhalt der SMS bestand aus einer Nummer: 458177. Da ich mit dieser nichts anfangen konnte, schrieb ich eine SMS zurück. Nach fast zwei Stunden hatte ich immer noch keine Antwort erhalten. Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und wählte seine Nummer. "Der gewünschte Teilnehmer ist vorübergehend nicht zu erreichen..." Tina kam ins Zimmer : "Komm mal mit, das musst du dir ansehen.." Ich rannte ihr hinterher. Sie ging in den Keller, am Partyraum vorbei und schließlich zum Pool. Sie stand am Beckenrand und schaute ins Wasser. Ich stellte mich daneben und schaute auch, konnte aber nichts auffälliges feststellen. "Wieso, was ist ?" fragte ich. In diesen Moment bekam ich auch schon einen Schups und landete im Wasser. "Wird Zeit das wir mal wieder um die Wette schwimmen" sagte sie. "Na warte !" sagte ich während Tina sich einen Bikini anzog. "Na hör mal: Eine Strafe musst du ja bekommen, wenn Du das Auto zu Schrott fährst." Sie sprang ins Wasser. "Ok, dann sind wir quitt, ich wette das ich sogar mit Klamotten schneller schwimme als Du ohne.." Wir sind oft um die Wette geschwommen, ich hatte immer gewonnen. Das war so ziemlich das einzigste, in was ich meiner Schwester überlegen war. Doch diesmal war sie wirklich schneller. Am Abend lagen wir noch lange wach im Bett und erzählten lange miteinander. Tina sprach von einen Jungen, den sie kennen gelernt hatte. Durch die Balkontür konnte ich den sternenklaren Himmel sehen. Ich schloss die Augen und dachte an Mike. Irgendwann vernahm ich nur noch stellenweise das was Tina erzählte. Immer weiter schien sich ihre Stimme zu entfernen. In einen Zustand voller Zufriedenheit schlief ich ein.
Die nächsten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Ich hatte Aikira immer noch nicht erreicht. Zweimal war ich zum Club gegangen und hatte niemanden angetroffen. Das Wochenende stand vor der Tür. Meine Eltern kamen, völlig unerwartet schon am Freitag Vormittag nach Hause. Der weitere Unterricht an diesem Tag fiel dann aus. Anders als ich vermutet hatte, erzählte Herr Richter meinen Eltern von meinen guten Lernergebnissen bei einer Tasse Tee. Ich hätte mich beinahe verschluckt. So ein Schleimer, dachte ich. Über die Studienplatzzusage von Tina freute sich mein Vater am meisten. Obwohl er in der Garage war, hatte er nichts von dem reparierten Schaden am Auto gemerkt. Kurzerhand beschlossen meine Eltern, besser gesagt mein Vater die nächsten zwei Wochen zu Hause zu bleiben. Meine Mutter konnte er dann auch überzeugen. Ihren Einwand : "Jetzt im alten Jahr kann ich nicht freimachen, ich werde auf jeden Fall gebraucht, ausgerechnet jetzt wo Gisela krank ist..." wiederlegte er :" Schatz, ich weiß zwar das du unersetzlich bist für deine Familie, aber dein Chef wird jetzt mal ohne dich auskommen müssen. Wir sehen uns viel zu wenig alle."
Wenn ich die letzten Jahre zurückdenke hat er damit mehr als recht. Oft habe ich darüber nachgedacht, ob es in ihrer Beziehung kriselte. Wer geht sich schon freiwillig ständig aus dem Weg? Jedenfalls wenn es so ist, dann verbergen sie es sehr gut. Vielleicht aus Rücksicht zu mir? Ich habe mit meiner Schwester nie darüber gesprochen.
Wenn ich mir heute eine Zeit zurückwünschen könnte, so wäre es sicherlich diese damals. Wir führten in den zwei Wochen ein richtiges Familienleben. Mit gemeinsamen Frühstück und wir unternahmen sogar sehr viel gemeinsam. Wir hatten viel Spaß und in dieser Zeit dachte ich sogar weniger an Mike. Ich war bisher keinen Schritt weiter. Außer das ich in einen Club eingetreten bin, der sich in Luft aufgelöst zu haben schien und einer Telefonnummer von Mike hatte ich nichts.
Meine Eltern reisten nach den zwei Wochen wieder ab und wollten spätestens Anfang Dezember wieder da sein. Ich wollte die Zeit nutzen um mich mehr auf das lernen zu konzentrieren. Tina half mir dabei. Meine Leistungen wurden schon nach kurzer Zeit besser. Draußen fiel der erste Schnee. Da Tina mir zweihundert Mark gegeben hatte, fuhr ich an einem Mittwoch mit einem Taxi zum Club. Doch die Strasse war abgesperrt. Ich bezahlte und stieg aus. Vor dem Gebäude mit der Hausnummer 21 stand ein Feuerwehrauto. Zwei Polizeiautos versperrten den Zugang zur Strasse. Das Feuer war schon gelöscht. Die Luft war noch voller Qualm. Ich schaute noch einige Minuten zu. Ein dicker Polizist befragte einen noch dickeren Mann. Dieser hatte bei der Kälte nur ein T-Shirt an, welches sich um seinen Bauch spannte. Er fuchtelte mit seinen dicken Armen herum und zeigte mehrmals auf die verkohlten Fensterrahmen in denen die beklebten Fensterscheiben gewesen waren. Da ich nicht näher heran konnte, konnte ich nicht hören was er sagte. Plötzlich schaute er zu mir herüber und zeigte auf mich. Mir blieb fast das Herz stehen. Ich drehte mich ganz langsam um und rannte die Querstrasse hinauf. Ich drehte mich mehrmals um, niemand folgte mir. Ich rannte weiter. Mein Hals war ganz trocken. Immer wieder drehte ich mich um. Ich war fast oben angekommen, drehte mich noch einmal um und sah langsam ein Polizeiauto die Strasse herauffahren.
Ich spürte meine Beine gar nicht mehr. Ich hatte wahnsinniges Seitenstechen und bekam fast keine Luft mehr. Mein Herz pochte wie wild.
Ich rannte die nächste Querstrasse rechts weiter. Als ich mich wieder umdrehte wäre ich fast gegen eine Laterne gerannt. Jetzt müsste das Polizeiauto die Kreuzung erreicht haben, wenn es mit der Geschwindigkeit weitergefahren ist, dachte ich. Ich überlegte ob eine der Haustüren offen sei. Im Falle, das sie verschlossen sind hätte ich allerdings zu viel Zeit verloren. Es gab einige Ladengeschäfte. Ganz vorn auf der nächsten Querstraße sah ich eine Apotheke. Vielleicht folgen sie auch gar nicht mir, versuchte ich mir einzureden. Es wurde langsam dunkel. Auf der andere Straßenseite sah ich einen schmalen Weg. Ich rannte über die Strasse. Jetzt haben sie mich gesehen, dachte ich. Das Polizeiauto war höchstens einhundert Meter von mir entfernt. Der Weg ging ziemlich steil nach oben machte einen Bogen. Plötzlich führten mehrere Stufen wieder nach unten. Ich wäre beinahe hingestürzt. Unten führte der Weg wieder auf eine Strasse. Ich schaute kurz nach links und nach rechts.
Kein Polizeiauto war zu sehen. Doch wohin? Ich wusste nicht mal wo ich war. Ich entschied mich für rechts und rannte weiter. Weiter vorn gab es Ladengeschäfte. Die nächste Querstrasse war belebt. Hier gab es viele Geschäfte. Ich ging in ein Modehaus und dort auf die Toilette. Ich glaube ich war noch nie so außer Atem wie in diesen Moment. Ich lehnte mich mit den Rücken an die Wand. Wieso war ich so blöd und bin weggerannt? Ich hatte doch gar nichts zu befürchten gehabt. Ist das Polizeiauto überhaupt mir gefolgt? Ich kam auf keine Lösung. Wenn sie nun eine Adresse von mir gefunden haben? Hatte mich der Dicke vielleicht gesehen, als ich in den Club gegangen bin? Ich verdrängte den Gedanken. Vielleicht war die Polizei auch schon bei mir zuhause? Schnell holte ich mein Handy raus. Ich wählte die Nummer meiner Schwester und legte wieder auf. Vielleicht ist die Polizei wirklich schon da. Vielleicht nehmen sie den Rechner mit. Die Daten ! Wenn sie den Rechner haben, finden Sie Verbindungen zu den Club ! Auch ein paar gehackte Zugangskennwörter befanden sich auf dem Rechner. Ich war immer noch völlig außer Atem, ging aber trotzdem hinauf auf die Strasse. Ich fror. Ich lief die Strasse langsam weiter. Hier war ich schon mal mit meiner Freundin Eis essen gewesen. Hier kannte ich mich aus. Ich rief meine Schwester erneut an. Sie klang nicht so , als wäre etwas passiert. Zum Glück, dachte ich. Ich fragte, ob sie mich abholen könne. Es dauerte fast dreißig Minuten ehe Tina angelaufen kam. Sie hatte das Auto in einem Parkhaus abgeparkt. Ich fand es komisch , das sie mich nicht fragte was ich hier wollte. Noch vor dem Abendessen ging ich in mein Zimmer und löschte meine Festplatte. Nach dem Essen legte ich mich gleich ins Bett und hatte ständig das Gefühl das jeden Moment die Polizei klingeln würde. Doch nichts geschah. Gegen Mitternacht lag ich noch immer wach im Bett. Tina war mit einer Freundin ins Kino gegangen.
Ich konnte nicht schlafen. Noch einmal wählte ich Aikira's Nummer, ehe ich sie aus dem Handy löschte. Die Nummer die in der SMS stand schrieb ich mir auf und löschte auch die SMS.


Kapitel 8 - Die Falle



Die nächsten Tage lebte ich in ständiger Angst. Aber es geschah nichts. Am Donnerstag erhielt ich eine Mail mit folgendem Inhalt:

Hallo, ich denke wir sollten uns einmal treffen. Ich finde dich süß. Du weißt sicherlich wer ich bin. Falls Du Interesse hast so findest du mich heute um 16 Uhr vor dem Reitclub Marienberg. Jens
Jens hieß er also. Das konnte nur der Junge aus dem Club sein. Ich holte den Stadtplan hervor und suchte den Club. Ich habe ja wirklich immer ausgesprochenes Glück, dachte ich. Kann es nicht mal einen Treffpunkt geben, der wenigstens ansatzweise in meiner Nähe liegt ?
Wenn ich das schaffen will, muss ich ja gleich los. Ich überlegte was ich anziehen soll. Wenn es Sommer wäre hätte ich ein Kleid angezogen. Nur in der Kälte... Ich verbrachte die nächsten 20 Minuten vorm Kleiderschrank mit aus- und anziehen. Dann fuhr ich mit dem Bus, musste einmal umsteigen. Ich versuchte mir diesen Jens vorzustellen. Er kam schon von weiten auf mich zugelaufen. Ich hatte ihn anders in Erinnerung. Er hatte seine Haare ganz kurz. Er trug eine FILA-Jacke. "Hallo, schön , das du gekommen bist, ich hatte nicht daran geglaubt" sagte er. Er streckte mir seine Hand entgegen. "Hallo" sagte ich auch. Er sah ja wirklich nicht schlecht aus, stellte ich fest. Wir standen beide verlegen da. "Und nu ?" fragte ich. "Der Club ist abgebrannt" sagte Jens. "Ich weiß, ich habe es gesehen, aber hier ist es kalt wo gehen wir hin? " Er überlegte kurz. "Du hast recht, lass uns in ein Cafe gehen." Er kannte (reinzufälliger weise ?) eins welches gleich um die Ecke war. Er wollte wissen, was ich möchte. Ich wählte eine heiße Schokolade. Er bestellte dann zwei Stück. Nach anfänglichem Zögern kamen wir langsam ins Gespräch. Nach einer halben Stunde kam es mir vor, als kenne ich ihn schon eine Ewigkeit. Er wusste auch nicht wo Aikira abgeblieben ist und warum der Club abgebrannt ist. Ich wollte ihn fragen ob ihm die Zahlenkombination, welche ich per SMS erhalten habe, bekannt vorkommt. Doch ich hatte sie ja aus dem Handy gelöscht. "Hast du einen Freund ? " frage plötzlich. "Ja" log ich. Er schien dies wirklich zu bedauern, sprach davon wie gut es mein "Freund" hat, mich als Freundin zu haben. Man merkte es ihn an, das er verliebt war. Ausgerechnet in diesen Moment musste ich an Mike denken. Genau jetzt wurde mir klar das ich Mike richtig liebe. Ich versuchte an etwas anderes zu denken. Jens sprach aber ich konnte mich nicht konzentrieren und nickte nur ab und zu mit dem Kopf. "Also was hältst du davon? " frage er.
Ich wusste nicht mal was er meinte. "Ja nicht schlecht" sagte ich. "Was ?" er verstand nicht. "Also treffen wir uns wieder." Jetzt wusste ich nicht was er meinte: "Sorry, ich muss jetzt gehen" "Wann treffen wir uns wieder? " frage er. Ich wusste es noch nicht, ich wusste nicht mal ob ich ihn überhaupt noch mal treffen sollte. Ich fand ihn sehr nett und er sah auch gut aus. Aber ich hatte mich gerade in einen anderen verliebt, den ich nicht einmal kannte, der bestimmt 10 Jahre älter ist. Wir verabschiedeten uns vor dem Cafe. Ich musste versprechen, ihn anzurufen. Er gab mir einen Kuss auf die Wange und ging ohne sich noch einmal umzuschauen. Ich war so verduzt das ich noch einen Augenblick stehen blieb. Langsam schlenderte ich zum Bus. Ich beschloss jetzt endlich mal etwas zu unternehmen. Ich war bisher noch keinen Schritt weiter. Wer weiß wie viele andere sich schon bei Mike gemeldet haben. Ich muss ihn haben , dachte ich. Ich werde ihn einfach anrufen. Seine Nummer kannte ich schon auswendig. Plötzlich kam mir eine wirklich saublöde Idee. Doch der Akku vom Handy war leer. Also ging ich zur Bushaltestelle und fuhr nach Hause. Keiner war da. Tina hatte einen Zettel auf meinen Schreibtisch gelegt. "Wir sind einkaufen."
Ich wählte Mikes Nummer. Ich war total aufgeregt. Am anderen Ende der Leitung meldete sich jemand einfach mit "Ja?" "Ähm...ich wollte ihre Frau sprechen.. " fing ich an. "Da müssen sie falsch verbunden sein." Er sagte SIE zu mir ! "Sie sind doch Mike..., dann geben sie mir Ihre Freundin"

Er lachte: "Ja, also wenn Sie ...wie alt sind sie überhaupt ?, ...also wenn sie eine Frau gefunden haben, dann schicken sie sie ruhig bei mir vorbei. " Ich legte einfach auf. Ich war überglücklich. Er war nicht verheiratet ! Er war vielleicht sogar solo. Aber warum?? Ich hatte seine Stimme am Telefon gehört ! Ich hätte die ganze Welt umarmen können.

Aber noch wusste ich nicht, wie ich an ihn rankommen soll. So sehr ich auch darüber nachdachte, ich fand einfach keine Lösung. Vielleicht sollte ich einmal mit Tina darüber reden, dachte ich. In diesen Augenblick kamen Tina und Christiane auch schon. Beide schleppten mehrere Tüten. "Eh Kleene, schau mal was ich dir mitgebracht habe." Ich ging die Treppe runter und Tina drückte mir eine Tüte in die Hand. In der Tüte war ein Top. Es sah sehr gut aus. "Jetzt musste aber auch mal mit zur Disco gehen" sagte Tina. Ich zog das Top gleich mal an. "Passt ja prima." sagte Christiane. Nach dem Abendessen erhielt ich eine Mail von Jens. Er bedankte sich für den schönen Nachmittag und bat darum das ich ihn anrufe. Ich rief ihn nicht an,. Ich hätte ohne hin nicht gewusst was ich ihn sagen soll. Statt dessen schrieb ich ihm eine Mail zurück in der ich die Zahl aus der SMS mitteilte und ihn bat herauszufinden was es mit der Zahl auf sich hat. Nach ca. 10 Minuten kam eine Mail zurück. Er schrieb es sei eine codierte Nachricht von Aikira und es fehlen noch zwei dieser Zahlen. Die müssten noch kommen. Jetzt rief ich ihn an und wollte es genau wissen. Er freute sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten, er erzählte mir, das jeder im Club eine Zahl hat. Diese sei von Aikira. Die eigentliche Nachricht müsse noch kommen, bzw. müsste normalerweise schon da sein.
Und tatsächlich kam zwei Tage später zwei SMS mit je einer Zahlenkombination. Als die zweite SMS kam, rief ich bei Aikira an. Und tatsächlich er ging ran. "Melde dich nicht mehr per Handy, das Wetter ist schlecht. Ich habe eine neue Wohnung für uns gefunden. Geschenke für Weihnachten habe ich auch schon. Was macht die Arbeit? Ich muss jetzt Schluss machen, die Bestellnummern für die Sportgeräte habe ich dir ja geschickt. Machs gut." Er legte auf. Ich kam gar nicht dazu etwas zu sagen. Ich verstand nichts von dem was er mir gesagt hatte, nur das ich nicht mehr anrufen soll. Ich schickte Jens die beiden anderen Nummern. Nach zwei Stunden rief ich an, weil ich noch keine Antwort hatte. Er war gar nicht zu Hause. Er versprach sobald er zu Hause ist, die Nummern zu decodieren und mir das Ergebnis zu senden. An diesem Tag erhielt ich keine Mail mehr. Dafür bekam ich am nächsten Morgen einen Anruf. Ich war gerade im Bad. "Sag mal, warum rufst du so zeitig an? " "Ich habe eine Neuigkeit. Wir haben einen neuen Club. Kann ich dich heute Nachmittag abholen? " Ich überlegte, nannte ihn dann meine Adresse. Wir verabredeten uns auf auf halb drei. Er kam schon zehn Minuten früher.
Ich bat ihn inzwischen im Salon Platz zu nehmen, während ich mich anzog.
Er war sichtlich vom Haus beeindruckt. Er war mit seinem Fahrrad da. Da ich nicht mit dem Fahrrad fahren wollte, stellte er seins am Haus ab und wir gingen zu Fuß los. Es war ziemlich weit. Nach dreißig Minuten waren wir da. Es war ein relativ ansehnlicher Flachbau neben einer Schule.
"Hier muss es sein" sagte Jens. Er drückte auf den Klingelknopf. COMPUTERCLUB While Loop e.V. stand auf dem Schild neben der Klingel. Ein Handwerker öffnete uns. Innen waren noch mehr. Es wurden elektrische Leitungen verlegt. Es gab mehrere Räume. In einem Raum standen Kartons mit Monitoren. "Ich soll euch ausrichten, das ihr warten sollt." sagte der Handwerker, der uns reingelassen hat. "Von wem?" wollte Jens wissen. Bei dem Handwerker klingelte ein Handy. Er sagte nur einmal ja und einmal OK und legte wieder auf. "Ist ja cool hier" sagte Jens. Wir liefen durch die Räume und sahen uns überall um. Plötzlich schaute mich Jens an, als wäre ich ein Geist. Er wurde blass und schluckte. Er zeigte in Richtung Fenster. "Oh Shit !" Draußen vor der Tür stand ein Polizeiauto. Jens sprang zur Tür. "Was machen wir jetzt? " frage ich ganz aufgeregt und voller Angst. Jens machte die Tür zu. Hier im Raum war außer einer Werkzeugkiste und einigen Rollen Kabel nichts weiter. Jens nahm einen großen Schraubendreher und keilte ihn unter die Tür. An den Fenstern waren keine Griffe. "Mist !, warte geh rüber" Jens drängte mich zur Seite, nahm die Werkzeugkiste und warf sie mit voller Wucht gegen das Fenster.
Die Scherben der Scheibe fielen bis zu dem Polizeiauto vor dem Eingang. Plötzlich rüttelte es an der Tür. "Los schnell !" sagte Jens. Mir war speiübel.
Er packte mich am Arm und zog mich zum Fenster. Vor mir lief alles wie ein Film ab. Mit einer Rolle Kabel entfernte er die restlichen Scherben am Fenster in dem er die Rolle hin und her schwenkte. Jens sprang zuerst. Es war nicht mehr als einen Meter. Die Tür flog auf. Der Handwerker rannte auf mich zu. Ich hockte mich aufs Fensterbrett und sprang. Ich wollte wegrennen und rannte einen Polizisten genau in die Arme.


Kapitel 9 - Fragen

Er packte mich am Handgelenk. Ich sah Jens auf dem Rücksitz eines Polizeiauto sitzen, welches mit mäßigem Tempo davon fuhr. Der Polizist brachte mich zu einem Polizeiauto welches rechts neben dem Eingang stand. Nachdem er mir alles was ich bei mir hatte abgenommen hatte, musste ich hinten einsteigen. Der Polizist nahm neben mir Platz. Er hatte bisher noch kein einziges Wort gesagt. Ein weiterer Polizist stieg vorn ein und wir fuhren los. Der Polizist neben mir schaute mich ein paar mal an, sagte aber immer noch nichts. Mir ging es mehr als schlecht. Sicherlich weiß Tina schon Bescheid, dachte ich. Öfters kamen Meldungen aus dem Funkgerät, die anscheinend nicht an dieses Polizeiauto gerichtet waren.
Das einzige an was ich die ganze Zeit dachte war: Warum bin ich nur mit zu den Club gegangen. Warum habe ich mich überhaupt angemeldet. Am liebsten hätte ich die Zeit zurück gedreht. Ich starrte aus dem Fenster ohne etwas mitzubekommen, was sich dahinter abspielt. Wir bogen in eine Einfahrt ein. Ein großes Tor öffnete sich. Der Fahrer stieg aus und redete kurz mit einen Mann welcher keine Uniform trug. Der Polizist neben mir brachte mich schließlich in einen Nebeneingag des großen Gebäude. Es ging viele Treppen nach oben. Jede Etage war durch eine Gittertür abgeschlossen, die das Polizist aufschloss und nach uns wieder abschloss.
"Na sie werden dir schon nicht den Kopf abreißen, Mädel" sagte er plötzlich fast freundschaftlich zu mir. Doch seine Worte konnte mich nicht trösten. Oben angekommen, brachte er mich in einen Raum. "So du musst dich noch etwas gedulden, der Kommissar holt dich dann gleich ab." Ich setzte mich auf einen der beiden Stühle. Außer ihnen gab es nur einen Tisch, sowie einen verschlossenen Kleiderschrank im Raum. Die Fester waren vergittert. Vom Fenster aus konnte man auf die Strasse blicken. Wie gern hätte ich mit einen der Menschen getauscht, die unten frei herum laufen konnten. Ich überlegte wie spät es sein mochte. Ich hatte keine Uhr mehr. Ich ging mehrmals im Zimmer hin und her. Die Zeit kam mir unendlich lang vor. Dann endlich wurde die Tür geöffnet und ein Mann, so um die 50 Jahre ohne Uniform, kam herein: "Ich bin Kommissar Reuter, komm mit..." Er klang unfreundlich und sein Akzent war ausgesprochen bayrisch. Wir liefen durch unzählige Gänge Treppen runter , wieder durch Gänge. So groß kann doch ein Gebäude gar nicht sein dachte ich mir. Der Kommissar gab immer Anweisungen: "Da entlang, nächste Tür rechts." In einem kleinen Zimmer sollte ich mich auf einen Stuhl setzen. Er selbst nahm hinter dem Tisch Platz. Das erste was mir auffiel, war einen große uralte Schreibmaschine. Ein Computer war nicht vorhanden. Er begann mich nach meinen Namen und meiner Adresse zu fragen. Als ob er das nicht schon längst wusste, dachte ich. Langsam wich meine Angst. Das er doch nicht soviel wusste stellte sich in den nächsten Minuten heraus. Es ging weder um Aktivitäten des Clubs noch vermutete er in mir eine Hackerin. Es ging um den Brand: "Du wurdest am Tatort gesehen, der Schaden ist nicht unerheblich..." Jetzt verstand ich. Der Dicke hatte mich mehrmals gesehen, immer als ich niemand im Club angetroffen hatte. Jetzt wurde ich verdächtigt den Club angebrannt zu haben. Na Prima, dachte ich. Aber meine Angst war gewichen. Mich ärgerte nur der Fluchtversuch aus dem neunen Club, welcher meine Unschuld sicherlich nicht gerade glaubhaft erscheinen lassen würde. Dann kam ein Anruf. Der Kommissar nickte mehrmals, als ob der andere der Anrufer am anderen Ende der Leitung dies sehen könnte. Der Kommissar wurde plötzlich freundlicher. Auf einmal ging es nur noch um die Flucht. Ich stellte mich dumm, nur die Masche zog nicht bei dem Kommissar. "Also..." fing ich an zu lügen "...ich , ich... habe im Supermarkt eine Tafel Schokolade geklaut." Der Kommissar war sprachlos. Anscheinend hatte er nicht mit so was gerechnet. Aber er schien es zu glauben. Er wollte wissen, wann und wo. Ich log immer selbstsicherer. "War das das erste mal, das du was gestohlen hast? " Ich spielte ihm die Betroffene vor und versprach so etwas nie mehr zu tun. "Da der Sachwert unter fünf Mark liegt, hast du Glück gehabt. Auch liegt keine Anzeige vor. Bleibt nur noch die Sachbeschädigung am Fenster im Computerverein." "Das war ich doch nicht...." "Gegen den Betreiber des Clubs liegen mehrere Anzeigen vor, es ist nicht damit zu rechnen das er Schadensersatz fordern wird." Mir war plötzlich wieder schlecht. Aikira? War er verhaftet worden? Was ist, wenn er anfängt was zu erzählen? Oder vielleicht hat er Adressen aufgeschrieben? Meine SMS, auf die er nicht geantwortet hat ! Hatte die Polizei sein Handy? Habe ich anstatt mit Ihm mit der Polizei telefoniert? War das ganz eine Falle gewesen? Ich verstand nichts mehr.
Der Kommissar fing an, alles mit der Schreibmaschine aufzuschreiben. Er benutzte nur zwei seiner zehn Finger dazu. Obwohl mich tausend Fragen quälten, konnte ich mir nicht die Frage verkneifen ob ich nicht besser das ganze auf der Maschine schreiben solle. Er schaute mich für paar Sekunden regungslos an, indem er über seine Brille schielte. Er schnaufte wie eine alte Dampflook Ich dachte gleich jetzt brüllt er mich an. Plötzlich jedoch nieste er so laut, das ich erschrak. "Ja ihr lernt ja alles in der Schule, aber ich mit meinen 57 Jahren fange nicht mehr an Maschinenschreiben zu lernen." "Donnerwetter, ich hätte sie auf höchstens fünfzig geschätzt." sagte ich, ohne zu lügen. Er wurde sichtlich verlegen. Seine Stimme klag viel freundlicher. Die Fragen die er immer stellte, bevor er etwas tippte, schienen so, als stellte er sie beiläufig nebenbei.
"Ich mache das als Zeugenbefragung" sagte er als er fertig war. Er schaute auf die Uhr, tippte die Uhrzeit als letztes ein. "Ein Kollege wird dich nach Hause fahren." Diesmal saß ich allein, auf der Rücksitzbank. Zwei Polizisten fuhren mich nach Hause. In Richtung Kanal war wieder mal Stau. Christiane kam gleich in das Treppenhaus gerannt. Sie war froh, das ich heil vor ihr stand. Die Polizisten verabschiedeten sich und fuhren davon. In der Küche musste ich dann Tina und Christiane alles erzählen. Die Sache mit der versuchten Flucht verschwieg ich. "Die spinnen wohl, einfach unschuldige Kinder wegzufangen und zu verhören. Ich rufe gleich mal Dr. Köhler an." Dr. Köhler war ein Rechtsanwalt. "Nein, erstens bin ich kein Kind und zweitens bin ich ja wieder da." "Nein, nein so geht das nicht...Du und eine Brandstifterin, was denken die sich, die sollen Verbrecher fangen und nicht meine kleine Schwester verdächtigen !" "Es hat sich ja alles herausgestellt" Ich brauchte noch einige Überredungskunst meine Schwester von ihrem Vorhaben abzubringen.
In der folgenden Nacht schlief ich unruhig. Immer wieder wachte ich auf. Die ganze Zeit redete ich mir ein, falls die Aikira wirklich verhaftet haben, das nichts weiter herauskommt. Gegen halb fünf war meine Unruhe nicht mehr zum aushalten. Ich stand auf, nahm alle CD's auf denen wichtige Daten waren und ging in die Garage. Ich nahm einen Eimer und schüttete etwas Benzin das für den Rasenmäher gedacht ist, hinein. Ich musste noch mal in unser Zimmer gehen, dort hatte ich meine Zigaretten und ein Feuerzeug versteckt. Tina schlief. Ich schlich mich wieder nach unten.
Ich knüllte ein Stück Zeitung zusammen, brannte es an und warf es in den Eimer. Die CD's warf ich hinterher. Vielleicht sollte ich das Tor aufmachen, dachte ich. Es nebelte ganz schön. Ich war noch nicht ganz am Tor als plötzlich die Sirene losheulte. Oh, Nein.. ich hatte nicht an den Rauchmelder gedacht! Ich wusste gar nicht was ich machen sollte. Ich lief zum Eimer, dann wieder zum Tor. Die Anlage lässt sich nur im Flur ausschalten. Doch zu spät ! Christiane und Tina kamen beide in die Garage gestürzt. Christiane hatte einen Morgenmantel an, während Tina barfuss und nur mit Slip und T-Shirt mich sprachlos anschaute. Ich stand am Tor, hatte es halb geöffnet, der Eimer stand mitten in der Garage und brannte. Schwarze Rusteile flogen herum. "Spinnst Du? Was machst Du ? frage mich Tina. Christiane holte eine Decke und warf sie über den Eimer. Das Feuer ging aus. Christiane schaute in den Eimer. Ein dicker schwarzer Klumpen aus geschmolzener Plaste lag drin. Eine halbe CD war noch als solche zu erkennen. "Wolltest Du CD's brennen? " frage Christiane. "Hör auf mit deinen Scherzen, ich finde das nicht komisch." fauchte Tine Christiane an. "Willst Du uns umbringen? Bist Du wirklich eine Brandstifterin?" Ich erschrak. "Was bitte schön, machst du in der nacht hier?" Tina nahm einen Putzlappen und holte den Klumpen aus dem Eimer.
Sie schaute ihn an, als wäre es was außerirdisches. Ich stand noch immer regungslos am Tor. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen. "Christiane, schalte das Ding ab !" Christiane verließ die Garage und kurz darauf verstummte die Sirene. "Du gehst jetzt ins Bett, wir reden morgen drüber." Sie wendete sich noch einmal zu mir: "Ich bin enttäuscht." Sie ließ mich einfach stehen. Ich hätte einfach losheulen können. Ihre Worte machten mich traurig. Sie hatte das bestimmt ernst gemeint. Sicherlich war sie wirklich enttäuscht von mir. Und was sollte ich ihr nur erklären? Am besten die Wahrheit. Alles, von Anfang an. Ich ging ins Zimmer. Tina stand am Fenster und rauchte. "Tina, hör mal, es tut mir leid. Ich erzähle Dir alles, OK ? Lass es mich Dir erklären." Doch sie drehte sich nicht einmal um zu mir. Sie drückte die Zigarette aus nahm ihre Decke und ging aus dem Zimmer. Ich setzte mich auf mein Bett und fing an zu weinen.


Kapitel 10 - Abschied für immer

Am Morgen fiel mir sofort die Aktion der letzten Nacht ein. Tina war in der Küche und hatte ein großes Glas Milch in der Hand. Ohne Guten Morgen zu sagen fing sie an: "Ich höre... du wolltest mir was erzählen." Ich fing an zu erzählen und ließ nichts aus. Tina saß stumm da und hörte interessiert zu.
"Du hast dich verliebt ? " frage sie schließlich ungläubig als ich fertig war.
Ihre schlechte Laune war verflogen. "Rufe ihn an" lachte sie. "Sicherlich wartet er nur auf dich " höhnte sie weiter. "Oder schreibe einen Brief, oder eine Mail, chatte mit ihm oder schlage ihn dir aus dem Kopf." Das war es ! Chatten! Freudetaumelnd rannte ich die Treppe hinauf in mein Zimmer. Doch halt, warum sollte er ausgerechnet chatten? Und wo? Sicherlich hat er noch nie gechattet und wenn es gibt unzählige Räume und es gibt 24 Stunden am Tag. Ich muß ihn in einen bestimmten Raum zu einer festgelegten zeit bringen. Aber ob er überhaupt kommt? In Gedanken versunken fing ich an nach einem geeigneten Raum zu suchen. Plötzlich hatte ich eine Idee. Ich brauchte einen eigenen Chat. Das wäre viel besser. Und schon schoss mir die nächste Idee durch den Kopf. Softwareentwicklung stand auf seiner Homepage. Er schreibt Software. Warum nicht einen Chat. Jawohl einen Auftrag. Ich erteile einen Auftrag für die Erstellung eines Chatraumes. Sicherlich wird er in diesen reinschauen. Er muß ja gucken ob alles funktioniert. Mich faszinierte meine Idee immer mehr. Ein Plan war da. Mir kamen immer neue Ideen dazu. Eine ganze Seite muß es werden. Jawohl, eine Seite. Mir fiel kein passendes Thema ein. Ich rannte zu Tina und erzählte von meiner Idee. Sie tippte sich an die Stirn: "Bist du jetzt völlig durchgeknallt?" Mein Blick fiel auf die Fernsehzeitung die vor Tina auf dem Tisch lag. Gute Zeiten - Schlechte Zeiten. "Ich hab's" rief ich freudig. Ich saß den Rest des Tages vorm PC und schaute mir Webseiten an. Es ist kaum zu glauben wie viele GZSZ - Seiten es gab. Schließlich kam ich ein paar Tage später durch das Fernsehen auf eine Idee , die mich nicht mehr losließ. Pfefferkörner. Es gab nur eine Seite im Netz. Ich überlegte wie ich den Auftrag am besten formulieren soll. Zu mehr kam ich auch nicht. Am Nachmittag kamen meine Eltern überraschend nach Hause. Die Freude war rießengroß. "Am Abend gibt es was zu feiern" sagte mein Vater mit hochachtungsvoller Mine. Was es zu feiern gab verriet er nicht. "Kommt der Weihnachtsmann schon heute?" fragte Tina langgezogen. Christiane lachte, als schien sie etwas zu wissen. Am Abend trafen Gäste ein. Mehrere Freunde der Familie, darunter auch ein Mädchen in meinem Alter, welche ich nicht ausstehen konnte. Nach dem Essen erhob sich mein Vater und verkündete nun auch uns den Anlass für die Feier: "Tina hat die Zusage für eine der besten Universitäten erhalten. Ich bin stolz auf meine Tochter. Und ich habe auch was für dich was du schon immer brauchtest." "Du hast einen Freund für mich?" scherzte Tina und alle lachten. "Ja du wirst ihn lieben." sagte mein Vater. Jetzt wurde auch ich neugierig. Was sollte es sein? Hatte er ihr einen Hund gekauft? Mein Vater bat uns ihn zu folgen. Alle gingen hinterher. Er führte uns in die Garage. Da sah ich es. Mit einer großen Schleife verziert und ganz schwarz stand er da: majestätisch, sportlich und elegant zu gleich. Es war ein Porsche Carrera. Ein 'Ohhh' ging durch die Runde. Alle bestaunten das Auto. Ich beobachte Tina. Sie schien auch nicht abgeneigt zu sein. Und konnte wahrscheinlich gar nicht glauben, das der Wagen ihr gehören soll.
"320 PS, 290 Spitze" verkündete mein Vater. Tina setzte sich hinein. Ich stieg auf der Beifahrerseite ein. "Nicht übel" sagte Tina und umfasste das Lenkrad. Gerade das werde ich nie vergessen. Es waren die letzten Worte außer das Gute Nacht, die ich von Tina gehört habe. Wie eingebrannt ist die Erinnerung an diesen Moment. Glasklar als erlebe ich es jetzt. Der nächste Morgen war kalt und grau. Als ob ich eine Vorahnung hatte schmeckte mir das gemeinsame Essen mit meinen Eltern nicht. Tina war zeitig aufgebrochen. Außer das sie zum Abendessen zurück sei hat sie nichts gesagt. Tagsüber schrieb ich verschiedene Anfragen für Aufträge für die Pfefferkörnerseite. Doch mit der Formulierung war ich nicht zufrieden. Ich beschloss das ganze auf später zu verschieben. Tina kennt sich mit solchen Sachen besser aus, dachte ich. Obwohl wir mit dem Abendessen gewartet haben kam Tina nicht. Gegen 20 Uhr fuhr ein Polizeiwagen vor. Ich erschrak. Ich dachte sofort an Aikira. Ich ging vorsichtshalber in mein Zimmer. Doch nichts geschah. Nie werde ich den Anblick vergessen als ich die große Treppe zum Salon hinunter eile. In mir kam ein schlimmer Verdacht auf. Meine Mutter in Tränen aufgelöst in den Armen meines Vaters. Ein Polizist steht sprachlos daneben , seine Mütze in der Hand. Christiane kam auf weinend mich zu. Mein Herz schlug immer schneller, ich versuchte den schrecklichen Verdacht zu verdrängen. Ohne das jemand ein Wort zu mir sprach verstand ich in diesen Moment das ich Tina nie wieder sehen werde. Ich rannte in mein Zimmer, niemand kam hinterher. Fassungslos wünschte ich mir das ich aufwache. Ich schrie. Ich konnte nicht mal heulen. Ich wollte tot umfallen aber nichts geschah. Keine Gedanken, nur Stille. Die nächsten Tage erlebte ich in einem Zustand zwischen Traum und Realität. Ich aß nichts. Wenn ich einschlief dann nur für Minuten. Immer wieder dachte ich an den letzten Tag von Tina. Von dem was um mich geschah nahm ich nichts mehr war. Ich hatte den Wunsch tot zu sein. Ich wollte nicht von meinen Eltern anhören wie es passiert ist. Am Tag der Trauerfeier erwachte ich aus meinem rauschartigen Zustand. Christiane hatte mir ein schwarzes Kleid gebracht und saß an meinem Bettrand. Sie sah nicht gut aus. Ich weiß nicht mehr wie lange ich geweint habe, irgendwann kamen keine Tränen mehr. Nichts konnte mich ablenken, immer wieder sah ich glasklar die letzten Bilder von Tina vor mir. Ich blieb in meinem Zimmer. Ich glaube Beileidswünsche von den ganzen vielen Freunden hätte ich nicht verkraftet. Irgendwann kam mein Vater in mein Zimmer. "Wir müssen, jetzt, Andrea, glaube mir..." weiter sagte er nichts. Weinend drehte er sich zum Fenster. Minuten später saß ich noch immer regungslos auf dem Bett. Als ich die Treppe herunterlief spürte ich meine Beine nicht mehr. Ich sah alle Blicke auf mich gerichtet. Alle Gesichter waren verzerrt. Nur bruchstückhaft erinnere ich mich an den schlimmsten Moment in meinem Leben. Kerzen. Ich sah viele Kerzen. Ich mußte mich am Geländer festhalten. Mir war schwindlig. Die Stimmen waren gedämpft. Ich hörte sie verzerrt. Wie schwebend ging ich Schritt für Schritt die Stufen herunter. Musik. Ich hörte Musik. Nur leise und unwirklich dringt sie zu mir durch. Tinas Lieblingsstück. Friendship and Love - Ennio Morricone. Ich sah die Stufen nicht mehr. Sie schienen zu einem endlosen Band ineinander zu verlaufen. Meine Schläfen pochten. Mein Magen krampfte sich zusammen. Ich spürte den Schlag meines Herzens. Immer weiter entfernte ich mich von dem Geschehen um mich. Die Gesichter die mich anschauten verschwammen zu einer farblosen Masse. Alles schien sich um mich zu drehen. Immer schneller. Meine Hand krampfte sich am Geländer fest. Ich hatte das Gefühl als falle ich aus einem sich rasend drehenden Karussell. Immer schneller. Ich schnappte nach Luft. Meine Kehle war zugeschnürt. Tod. Ende. Ich werde sterben, dachte ich. Ohne ein Gefühl von Angst verspürte ich Wärme. Immer heißer wurde mir. Ich spürte wie das Geländer immer heißer wurde. Drehen. Musik. Feuer. War ich tot? Ich versuchte etwas zu sehen. Ich hörte nur noch Musik. Die herzzerreisende Stimme von Edda Dell'Orso setzte ein.
Endlos schien ich zu fallen, als ich das Bewusstsein verlor.


Kapitel 11 - Überleben

Licht blendete mich. Erst langsam, Stück für Stück gewöhnten sich meine Augen an die Helligkeit. Ich sah mich in den mir unbekannte Raum um. Hell waren die Wände, rechts neben meinem Bett waren verschieden Geräte aufgebaut. An meinem Arm hing ein Schlauch, welcher zu einem Tropf führte. Langsam kam die Erinnerung wieder. Mein Herz krampfte sich zusammen. Es war kein böser Traum gewesen. Nein, mir wurde bewusst, das ich meine Schwester nie wieder sehen würde. Wieder bekam ich das Gefühl ersticken zu müssen. Eines der Geräte neben mir fing an zu piepsen.
Eine Frau rieß die Tür auf, verschwand wieder. Für mich endlos vergingen Sekunden bis ein Arzt ins Zimmer kam. Dann folgte ein Gefühl der endlosen Leere. Tief im Bewusstsein verborgen ist das erste an was ich mich erinnern kann, ein gleißend helles Rot, durchzogen von einem astähnlichem Gebilde. Abermals wachte ich auf. Das Zimmer kannte ich bereits, langsam tauchte wieder die schreckliche Erinnerung auf. Diesmal waren meine Gedanken klar wie nie zu vor. Ich konnte nicht mehr weinen.
Ich wollte Tod sein. Ich dachte an meine Mutter, nichts regte sich bei diesem Gedanke. Ich sah die Bilder meines Vaters vor mir. Wie er in meinem Zimmer stand. Trauererfüllt sein Blick. Starr lag ich im Bett und immer stärker wurde der Wunsch bei meiner Schwester zu sein. Ich konnte an nichts mehr anders denken. Die vielen Untersuchungen und die Besuche meiner Eltern und Christiane liefen an mir vorbei, als wäre ich nicht anwesend. Ich sprach nichts, dachte nur noch nach. Immer wieder redete ich mir ein, das es nur noch einen Ausweg gibt. Den Tag der Entlassung rückte näher. Mein Plan aus dem Leben zu scheiden nahm konkrete Formen an. Ich wollte nie mehr nach hause zurück kehren. Nicht in das Haus wo mich jeder Gegenstand an Tina erinnert. Doch dann wurde ich überraschend eher entlassen. Meine Eltern holten mich ab. Stumm saß ich im Auto. Nur mit Überwindung konnte ich in mein Zimmer gehen. Auf meinem Handy waren 19 Anrufe in Abwesenheit. Ohne nachzuschauen, wer angerufen hat warf ich es gegen die Wand. Ich ging nicht zum Essen hinunter. Christiane brachte mir was auf's Zimmer. Sie versuchte ein Gespräch anzufangen. Ich drehte mich weg, bis sie das Zimmer wieder verließ. Ich beschloß Abschiedsbriefe zu schreiben. Ich schaltete meinen Computer ein. Die nächsten Stunden verbrachte ich damit an meine Eltern, an Christiane und an verschieden Freunde Briefe zu verfassen. Ich druckte sie anschließend aus, steckte sie einzeln in Briefumschläge und versah sie mit Namen. Plötzlich hatte ich den Wunsch an Tinas Grab zu gehen. Ohne Irgendjemand Bescheid zu sagen verließ ich am späten Nachmittag das Haus. Lange saß ich vor Tinas Grab. Ich bemerkte nicht mal wie es dunkel wurde. Ich spürte die Kälte nicht. Erst kurz nach 22 Uhr war ich wieder zu Hause. Ein Polizeiwagen stand vor der Tür. Weinend kam meine Mutter auf mich zu , nahm mich in den Arm. Ich entzog mich ihrer Umarmung, rannte in mein Zimmer und sperrte die Tür ab. Mein Vater klopfte an. Langsam fing er an zu erzählen: "Andrea, du brauchst nicht aufmachen, aber bitte hör zu. Irgendwann geht das Leben vielleicht weiter. Du darfst niemand die Schuld geben. Uns fehlt sie doch genau so wie dir. Wir haben viele Fehler gemacht, die wir leider nie mehr rückgängig machen können. Andrea, wir haben nur noch dich..." Während mein Vater vor der Tür erzählte saß ich vor meinem Bett und weinte leise. Immer wieder wollte ich aufstehen, die Tür aufschließen aber etwas war stärker - der Wunsch zu sterben. Ich versuchte mir den traurigen Blick meines Vaters vorzustellen. Das war es, es war die Angst, das mich irgendetwas von meinen Plan abhalten konnte. Ich versuchte mir einzureden das ich meine Eltern hasse. Das es mir egal wäre wenn sie um mich trauern. Es ging nicht. Ich war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch zu sterben und dem Gefühl der elterlichen Liebe. Irgendwann hörte er auf zu erzählen. Ich saß bis tief nach Mitternacht vorm Bett und weinte. Ich ging in den Salon, meine Eltern schliefen. Bei Christiane im Zimmer brannte noch Licht. Ich schaute durchs Schlüsselloch konnte aber nichts entdecken. Leise schlich ich zum Tisch und brande eine Kerze an. Dann ging ich in die Garage. Ich schaltete das Licht ein. Eine Leuchtstoffröhre flackerte. Das Auto meines Vaters war verschlossen. Ich ging zurück in den Salon. In der Ecke des Raumes stand der Waffenschrank. Wie ich nicht anders vermutet hatte war er abgeschlossen. Durch das bruchsichere Glas des mit Holzelementen verzierten Schrankes sah ich, wonach ich suchte. Leise schlich ich in das Schlafzimmer meiner Eltern. Tief und fest schliefen sie. Millimeterweise zog ich die Schublade des Nachtisches meines Vaters auf. Als sich meine Mutter im Schlaf drehte erstarrte ich fast. Hier war der Schlüssel nicht ! Leise ging ich wieder aus dem Zimmer. Plötzlich kam mir der Gedanke, das er wohl im Safe sein wird. Ich ging in die Bibliothek. Die Zahlenkombination hatte Tina mir mal verraten. Ich hatte schon mal hineingeschaut als ich jünger war. Damals war der Inhalt ziemlich langweilig für mich gewesen. Versicherungspapiere, eine Briefmarkensammlung u.s.w. Doch in dieser Nacht war der Inhalt der Schlüssel zu meinem Wunsch. Ich fand den Schlüssel, ging zurück in den Salon. Ich öffnete den Waffenschrank. Unter den Jagdgewehren, in einem Schubfach waren einige Pistolen und Revolver. Ich nahm eine Pistolentasche und entnahm ihr eine schwere Schusswaffe. Ich ging in mein Zimmer, legte die Briefe die ich am Nachmittag geschrieben hatte auf meinen Tisch. Si vis pacem para bellum war in dem Griff der Waffe eingraviert. An der Seite des Laufes stand 08 - Parabellum 9mm. Ich öffnete den schwergängigen Kniegelenkverschluss. Eine glänzende Patrone sprang heraus. Mit einem metallischem Geräusch sprang der Verschluß wieder zu. Ich setzte mich auf mein Bett. Langsam richtete ich die Pistole an meine Schläfe. Mein Arm fing an zu zittern. In meinem Kopf hämmerte es, erst jetzt bemerkte ich meine starken Kopfschmerzen. Egal, gleich wird alles vorbei sein, dachte ich. Noch eine Fingerkrümmung war ich von meinem Wunsch entfernt. Ich schloss die Augen.



Kapitel 12 - Zurück


Gedankenversunken saß ich auf dem Bett. Längst hatte ich die Pistole gesenkt. Aber noch immer umklammerte meine Hand den Griff. Ich konnte nicht mehr weinen. Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch die halbgeschlossenen Fensterläden. Ganz klar sah ich wieder die letzten Bilder von Tina wie in einem Film vor mir. Ich sah auf die Uhr. Acht Uhr zweiunddreißig. Diesmal konnte ich den Gedanken an meine Eltern nicht verdrängen. Acht Uhr dreiunddreißig. Ich sprang auf, rannte die Treppe hinunter. Im Salon stieß ich fast mit meinem Vater zusammen der in die entgegengesetzte Richtung rannte. Wortlos nahm er mich in den Arm.
Ich ließ die Pistole fallen. Langsam fing er an zu erzählen, von seiner Trauer, seinen Gefühlen. Später bemerkte ich meine Mutter die leise weinend in der Ecke des Salons auf dem Boden saß. Irgendwann begriff ich das mich meine Eltern lieben und was ich ihnen beinahe angetan hätte.
Am Nachmittag kam ein Freund meines Vaters, der den gesamten Inhalt des Waffenschrank mitnahm. Die nächsten Tage schienen endlos. Nach und nach begann ich wieder an andere Sachen zu denken. Nach zwei Wochen schaute ich sogar für eine halbe Stunde TV und bemerkte erst hinterher das ich nicht eine Minute in der halben Stunde an die vorangegangenen Ereignisse gedacht hatte. Irgendwann war das leben halbwegs wieder normal. Ich traf mich wieder mit Freunden und Christiane wurde meine beste Freundin. Ich zog in einen anderes Zimmer im anderen Flügel des Hauses neben Christianes Zimmer. Oft saßen wir abends da, erzählten oder spielten Karten. Auch Christiane ging es besser. Ich glaube heute das wir uns gegenseitig sehr geholfen haben. Als ich zum ersten mal wieder meinen Computer einschaltete, fiel mir wieder Mike ein. Ich beschloss meinen Plan fortzuführen und weihte Christiane in alles ein. Gemeinsam formulierten wir ein Schreiben an Mike mit der Bitte um einen Kostenvoranschlag für die Erstellung einer Webseite. Nach einer Woche kam eine ernüchternde Mail an mein anonym eingerichtetes Postfach:

"....leider müssen wir ihnen mitteilen, das das Erstellen von Webseiten nicht in unserem Leistungsangebot enthalten ist. Wir empfehlen ihnen
sich an eine unserer Partnerfirmen zu wenden..."

Im Anhang waren einige Adressen von Firmen.
Mist! Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber so schnell wollte ich nicht aufgeben. Ich schrieb eine Mail zurück mit der Bitte den Auftrag doch anzunehmen, da "wir" persönlich viel Wert drauflegen das die Seite von "Ihrer" Firma erstellt würde.
Eine Woche lang geschah gar nichts, dann kam eine Mail mit der Bitte Einzelheiten über die Gestaltung alsbald zuzusenden.
Da ich eigentlich die Seite hätte selber gestalten können, ich jedoch nur über die Seite Mike kennen lernen wollte, waren die Gestaltungswünsche eher dürftig. Ein einfacher Chat, ein Gästebuch, sowie ein Forum sollten es sein. Unterdessen richtete ich mit Christiane ein Postfach in Hamburg ein. Ich fand langsam gefallen an der Sache. Täglich schaute ich nach meinen Mails. Als nach vier Tagen immer noch keine Antwort kam, schrieb ich einen Mail und bat darum den Kostenvoranschlag an die Adresse in Hamburg zu schicken. Dummerweise kamen die Briefe dann immer per Zusteller mit zweitägiger Verspätung an. Der Kostenvoranschlag war eine Frechheit. Für die einstündige Arbeit verlangten die sage und schreibe eintausendzweihundert Mark und zweiundsechzig Pfennige.
Dabei enthalten war noch nicht einmal eine eigene Domain. Egal dachte ich und schrieb einen Auftrag. Beinahe hätte ich einen Fehler gemacht und den Brief von Nürnberg aus eingeworfen. Ich musste noch jemand in meinen Plan einweihen. Anja schien dafür geeignet zu sein. Ich erklärte ihr alles was sie über "das Spiel" wissen mußte. Ich schickte ihr die Briefe per Mail, sie drucke sie aus und schickte sie von Hamburg aus ab. Das Konto ließ ich von einem sehr guten Bekannten in Berlin einrichten. Nach einer Woche kam die Auftragsbestätigung. Das Geld wurde von dem Konto in Berlin abgebucht. Zum Glück stand meine Freundin nicht im Telefonbuch, den wir hatten als Rückrufnummer ihre Telefonnummer angegeben.
Am 2.6. 2000 war es soweit. Die Seite war fertig. In Hamburg kam diese auf einer gebrannten CD an. Das Ergebnis warf mich nicht gerade vom Hocker aber für meine Zwecke sollte es reichen. Dann fiel mir ein, das das ganze ziemlich sinnlos wäre, wenn ich die Page selber hoch lade. Wer weiß ob er dann jemals in den Chat schaut. Ich verfasste einen ziemlich schleimigen Brief in dem ich mich für die "großartige" Leistung bedankte und bat um eine Administration der Seite für zwei Monate. Länger als zwei Monate sollte die Seite nicht bestehen. Ohne erst wieder um einen Kostenvoranschlag zu bitten, schlug ich für die Administration eine Summer von 2500 DM pro Monat vor und bat die Summe abzubuchen und die Seite so schnell wie möglich ins Netz zu stellen. Tatsächlich kam eine Auftragsbestätigung mit dem Hinweis das die Abrechnung ab dem 6.6. 2000 beginnt und am 6.8.2000 endet. Wir danken für ihren Auftrag stand noch drunter. Ungeduldig wartete ich am 6.6.2000 schon früh um vier auf die Seite. Und tatsächlich, um neun Uhr war sie im Netz. Ich besuchte mehrere andere Seiten mit Chats und machte Werbung für "meine" Seite.
Kurz vor Mittag erschien dann wirklich jemand im Chatraum. Anfangs dachte ich das sei Mike. Nach einem kurzen Chat stellte es sich heraus das ich falsch lag. Am 7.6. 2000 hatte ich Glück. Mike(ADMIN) kam in den Chat. Mein Nickname zum damaligen Zeitpunkt war Tina. Es war gar nicht so einfach ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Mein Plan mich als ahnungslosen Computeranfänger auszugeben verwarf ich gleich. Irgendwie mußte ich mich interessant machen und schien damit Erfolg zu haben. Er erzählte mir eine ganze Menge, zum Beispiel das er hier nur Administrator sei und eigentlich hier nicht chatte. Irgendwie schaffte ich es dann doch, das wir uns für den 8.6. zum chatten verabredeten. Ich war überglücklich.


Kapitel 13

Napster, Flat und Junimond


6.Juni 2000
Mit dem damaligen Flatanbieter Surf 1 ging es dem Ende entgegen. Dann passierte am 6. Juni 2000 das unglaubliche: T-Online selbst bot eine Flatrate für den in Deutschland unglaublichen Preis von 79 DM monatlich an. Jetzt waren lange Chatabende gesichert. Echt landete mit Junimond einen Hit und Napster erfreute sich immer größer werdender Beliebtheit.
Der Anfang dieses Sommers war unbeschreiblich, die Zeit unvergesslich.
Der PKCHAT entwickelte sich. Immer öfters kamen tagsüber neue Chatter hinzu. In dieser Zeit genoss ich die Vorzüge des Privatunterricht. Während andere noch in der Schule saßen hatte ich bereits Ferien. In den Ferien schlief ich meistens bis zum Mittag. Ich hatte es Christiane abgewöhnt, das sie mich weckt mit dem Frühstück nervt. Sonnenstrahlen fielen durch die halb geschlossenen Rollläden. Eine Weile blieb ich liegen und beobachtet die Staubteilchen welche im Lichtstrahl des Sonnenlichts gut zu sehen waren. Obwohl ich lange geschlafen hatte war ich immer noch müde. Langsam ging ich zum Fenster und öffnete die Rollläden. Ich sah Christiane im Garten. Sie hängte gerade Wäsche auf und hatte mich nicht am Fenster bemerkt. Ich weiß nicht wie ich auf die Idee kam, aber ich hatte einen in meinen Augen lustigen Einfall. Ich rannte die Treppen hinunter durch den Salon in die Garage. Der Wasserschlauch hing zusammengerollt an der Wand. Ich rollte ihn ab und drückte auf den Schalter neben den Tor. Mit einem leisen Summen öffnete sich das Garagentor. Ich drehte den Wasserhahn auf, während der Drehverschluss am Schlauch selbst noch verschlossen war. Leise schlich ich mich in Richtung Christiane. Ich mußte noch einmal zurücklaufen weil der lange Schlauch an einem der Pfeiler neben dem Tor fest hing. Christiane schaute plötzlich hoch zu meinem Fenster und fing an nach mir zu rufen. Urplötzlich verstummte sie und nahm wieder etwas aus dem Wäschekorb um es an die Leine zu hängen. Sie hatte mich nicht bemerkt. Ich schlich mich immer weiter an sie ran. Jetzt bloß nicht umdrehen dachte ich. Nur noch wenige Meter Abstand waren zwischen mir und Christiane. Ich richtete mich aus meiner gebückten Haltung auf. Christiane stand jetzt genau mit dem Rücken zu mir gerichtet. Ich drehte den Drehverschluss auf. Keine Sekunde später schrie Christiane laut auf. Sie sprang ohne sich umzudrehen zur Seite. Mein Wasserstrahl folgte ihr. Sie drehte sich um, schrie und ich bog mich vor lachen. Als sie auch noch anfing mit ihrem französischen Akzent zu schimpfen konnte ich vor lachen ihr gar nicht mehr folgen. Sie sprang hin und her, schrie und schimpfte: "Du bischt verruckt..." Der Wasserstrahl traf ihr Gesicht. Sie sprang auf mich zu. Ich ließ den Schlauch fallen und rannte weg. Das war mein Fehler. Sie nahm den Schlauch und folgte nun mir. Das Wasser war echt kalt. Ich rannte lachte und sie folge mir schimpfend. Erst als ich ebenso nass war wie sie, fing sie auch an zu lachen. Später saß ich mit Bademantel in der Küche und aß zusammen mit Christiane Pizza. Christianes Pizza schmeckte wie immer ausgezeichnet. Nach dem Essen
fuhr ich mit Christianes Fahrrad in Richtung des ehemaligen "Computerclubs". Ich beschloss noch einmal dort hin zu fahren. Deutlich waren noch immer die Brandspuren zu sehen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Klar und deutlich kamen die Erinnerungen wieder. Als wäre es erst Stunden her, als ich das erste Mal vor dieser Tür stand. Viel war inzwischen Geschehen. Mein ganzes Leben hatte sich geändert. Wichtig war das Ziel gewesen was ich in der ganzen Zeit mehr oder weniger verfolgt hatte. War es das alles wert gewesen? Ich hatte es geschafft mit Mike Kontakt aufzunehmen. Lange hatte es gedauert. Aber ich hatte es geschafft. Dunkle Wolken zogen sich am Himmel zusammen. In der Ferne war ein Grollen zu vernehmen. Ich fuhr nach Hause. Als ich das Fahrrad in die Garage stellte fielen die ersten dicken Regentropfen. Ich ließ das Tor offen nahm mir einen Gartenstuhl und setze mich mitten in die Garage. In Gedanken versunken schaute ich hinaus in den Regen. Immer wieder kamen die Erinnerungen. Ablenkung schaffte ich nur für kurze Zeit. Das muß anders werden. Ich fasste genau in diesen Moment den Plan Mike näher kennen zu lernen. Christiane war von meinen Vorschlag nicht sehr begeistert. Ich glaube eher das ich ihr leid tat. Schließlich gab sie mir ihre Einwilligung. Ich mußte ihr sehr viele Sachen versprechen. Mindestens einmal am Tag anrufen war eine der Abmachungen. Was ich ihr verschwieg war das Mike von all dem nichts wußte. Am kommenden Tag wollte ich vormittags los fahren. Doch nach einem langen Chatabend, als die letzten, auch Mike aus dem Chat gegangen waren, kam ich mir so unendlich einsam vor. Ich holte meine Reisetasche warf hastig ein paar Sachen in die Tasche. Plötzlich hielt ich ein Tuch von Tina in meiner Hand. Diesmal kämpfte ich gegen dieses schreckliche Gefühl an. Ich warf es zurück in den Schrank, nahm meinen Laptop und warf die Tür hinter mir zu. In der Küche schrieb ich Christiane einen Zettel während ich , das Telefon mit der Schulter ans Ohr geklemmt ein Taxi rief. Fünfzehn Minuten später saß ich auf dem Rücksitz eines Taxis. Der Regen spritze gegen das Fenster. Die Lichter der Stadt waren nicht mehr zu sehen. Ich saß da den Kopf ans Fenster gelehnt. Die Angst vor etwas neuem ungewissen verschwand schrittweise mit jedem Kilometer.

"...If you want, then start to laugh If you must, then start to cry , Be yourself don't hide Just believe in destiny..."
Ich lauschte auf die Musik die leise aus dem Radio kam "....That's not the beginning of the end That's the return to yourself The return to innocence..."

Vor mir lag meine Zukunft, mein Leben.

Fortsetzung im Teil 2 und 3 >>>>
 
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Kommentare  

joar, mir sind auch noch ein paar rechtschreibfehler aufgefallen aber die sind ja nicht so schlimm... gefällt mir super!!!!!!!
mich interessiertr aber auch: wahr oder erfunden?
lg darkangel


darkangel (09.02.2007)

TOP-Story! Nur leider liest sie sich schwer, da wenig Absätze vorhanden sind. Das könnte man sicherlich ändern.
Einige Rechtsschreibfehler finden sich. Hier und da fehlt ein kleines Wort, aber das ist alles. 5 Pts


Dr. Ell (05.02.2004)

Dein Erzählstil macht die Geschichte ausserordentlich authentisch. Eine Autobiografie, die mich in den Bann gezogen hat. Ich stehe vor einem Rätsel: Ist die Story wahr oder erfunden? - Volle Punktzahl-

Ingo Ries (01.08.2003)

Einfach Klasse!

esmias (12.03.2003)

Ich weiß gar nicht was ich sagen soll,das beste was ich jemals gelesen hab!!!
Vielen Dank auch für die Beantwortung deiner Mail. Ich denke der Link ist für alle empfehlenswert! weitere 8 Kapitel:

http://www.es-war-einmal.de.vu


Nicole (17.02.2003)

Miterlebt, mitgefühlt, mitgerissen, mitgeheut... 42 seiten lang gefesselt und mitten drin im geschehen... diese (wahre) story hat mich wirklich tief beeindruckt, du hast sie wirklich sehr gut geschrieben.
Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft und das du die nötige Kraft hast für dein Leben!
PS: was ist eigentlich mit mike geworden?

Lieben Gruß


*Becci* (09.11.2002)

wow!!!!! klasse!!!!

jejo (07.06.2002)

unbeschreiblich spannend und so traurig, ich habe noch nie so geweint bei einer geschichte, ich hoffe du schreibst weiter

natalie (02.02.2002)

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