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3 Seiten

Die Jagd

Fantastisches · Kurzgeschichten
© Nemo
Ein langer dunkler Schatten legte sich über das zerfurchte Tal. Der Gesang der Vögel verstummte und sogar der Wind schien sich zu fürchten, denn das Rascheln der Blätter ließ schlagartig nach. Eine riesige gefiederte Schlange schwebte geräuschlos über die Baumkronen. Ein ausgewachsenes Weibchen, dreißig Fuß lang, mit einem Seewassergrünen Federkleid, dass sich durch die feuchte Tropenluft schlängelte als befände es sich im Wasser. Ch’amak hockte in einem Gebüsch und beobachtete das fliegende Geschöpf. Ein dünner Schweißfilm lag auf seiner gebräunten, mit rituellen Tätowierungen übersäten, Haut und verlieh ihr einen eigenartigen Glanz.
Ch’amak war ein ah chih - ein Jäger -, und gehörte zum Stamm der Xpujil, der sich Südlich des Tals niedergelassen hatte. Schon einmal, vor etwa zwanzig Mondphasen, hatte er einen Quetzacoatl - eine gefiederte Schlange -, niedergestreckt, was ihm den Ruf einbrachte ein mutiger und listiger ah chih zu sein. Er spannte seine Muskeln und nahm die Verfolgung auf. Wie ein Raubtier hastete er durch das Dickicht des Dschungels, den Blick immer zum Himmel gerichtet um die längliche Gestalt, die er durch die Baumwipfel erkennen konnte, nicht aus den Augen zu verlieren. Barfuss, nur mit einem Lendenschurz bekleidet und bewaffnet mit einem Speer dessen Spitze eine besondere Krümmung aufwies - eine Art Widerhacken -, und an dem ein Seil befestigt war, sprang er über morsches Gehölz und kämpfte sich durch das üppige Pflanzengewirr. Äste und Blätter peitschten ihm durch das Gesicht und hinterließen rote Kratzspuren. Doch Ch’amak war bereits dem Jagdrausch verfallen; ein Rausch der ihn den Schmerz und die Ermüdung seiner Glieder vergessen ließ.
Plötzlich hörte der Wald auf und vor Ch’amak ragte eine steile Felswand empor. Er sah noch die gefiederte Schlange über dem Fels verschwinden, befestigte hastig das Speer an seinem Rücken und begann zu klettern. Es war dunkles und scharfes Gestein, dass zwar Halt bot aber Ch’amaks Hände und Füße zerschnitt. Plötzlich rollte eine tiefes Donnerähnliches Grollen über das Tal. Ein Laut der durch Ch’amaks Inneres fuhr und seine Knochen zum vibrieren brachte. Das Stück Fels auf das er stand, löste sich und fiel scheppernd zu Boden.
Eine kurzen Augenblick lang baumelte der ah chih in der Luft. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, als auf einmal sein ganzen Gewicht an den Händen hing und in den scharfen Kanten des Felsen gedrückt wurden. Er ruderte mit den Beinen, fand an einer Stelle Halt und blieb erst einmal bewegungslos stehen um einige Male tief durchzuatmen. Sein Herz pochte wild gegen seine Brust als wollte es aus seinem organischen Gefängnis ausbrechen.
Erneut war ein dröhnendes Geheul zu hören, es klang diesmal mehr wie ein Schrei oder ein Ruf. Ch’amak konnte sich denken was dieser Ton zu bedeuten hatte und dieser Gedanke erfüllte ihn mit Unbehagen. Er musste jetzt schnell handeln. Er blickte nach oben und sah, dass ihn noch gut zehn Meter von der Stelle trennten an der das dunkle Gestein und der Himmel sich trafen. Er fing wieder an zu klettern und erhöhte, trotz der brennenden Schmerzen in seinen Händen, das Tempo. Als er es endlich geschafft hatte die Felswand zu bezwingen, brach er zusammen. Auf dem Boden liegend, hob und sank sich sein Brustkorb hektisch während er nach Atem rang. Ein weiterer markerschütternder Schrei riss Ch’amak aus seiner Untätigkeit. Er raffte sich auf, wusch sich hastig in einem kleinen Wasserloch das Blut von den Händen und marschierte in die Richtung aus dem die Geräusche kamen. Er ging einen steilen Abhang hinauf und blickte plötzlich in einen tiefen Krater hinunter. Es sah aus als hätte die Faust eines Riesen, oder gar eines Gottes, auf dieses Stück Erde eingeschlagen. Im Trichterförmigen Becken des Kraters hatte sich Regenwasser gesammelt und dort einen kleinen See gebildet. Knapp über dem grünlichen Wasser schwebte die gefiederte Schlange langsam im Kreis. Sie hatte ihr Federkleid aufgeplustert und stieß wieder einen Ihrer gutturalen Laute aus. Ch’amak schlich sich näher, immer bedacht, dass der Wind ihm entgegen blies, damit die Schlange ihn nicht witterte. Als er den Blick zum Himmel erhob, wurde seine Vermutung über den Sinn der sich wiederholenden Laute bestätigt. Das Weibschen signalisierte mit Ihren Rufen ihre Paarungsbereitschaft.
Am blauen Firmament zeichneten sich die Umrisse eines weitere Quetzacoatl ab und Ch’amak hatte kaum noch Zweifel, dass es sich da um ein männliches Exemplar seiner Art handeln würde. Er verfluchte sich innerlich, nicht schon im Wald zugeschlagen zu haben.
Der Kampf mit einer gefiederten Schlange barg schon genug Risiken; sich mit zweien anzulegen war Selbstmord. Ch’amak hockte sich hinter einen großen Stein und beobachtete die sich nähernde Kreatur. Es war größer als das Weibchen und seine Federn hatte eine blaurote Färbung. Es umkreiste einige Male den Krater in schwindelerregender Höhe und gab ein melodisches Pfeifton von sich, das sich anhörte als würden zweihundert Vögel auf einmal das gleiche Lied anstimmen. Plötzlich schossen beide Geschöpfe auf einander los. Nur knapp verfehlten sie sich und blieben einige Meter voneinander in der Luft stehen.
Sie verhielten sich wie zwei kämpfende Raubkatzen die auf den richtigen Moment für einen Angriff warten. Die Männliche Schlange unterbrach ihr Gesang und für einen kurzen Augenblick schien die Zeit still zu stehen. Ganz langsam und behutsam näherten sie sich, um einander kreisend, bis sie sich schließlich berührten. Erst am Schweif, dann von unten nach oben, drehten die beiden Kreaturen sich spiralförmig ineinander, bis sie scheinbar zu einem einzelnen Wesen verschmolzen. Ch’amak - der das Schauspiel, das sich vor seinen Augen abspielte, immer noch fasziniert verfolgte -, wurde plötzlich bewusst, dass der Tag sich dem Ende neigte. Er war hin und her gerissen, zwischen diesem Spektakel, das seines Wissens noch nie ein Mensch beigewohnt hatte, und dem Wissen, dass der Abstieg bei Nacht äußerst gefährlich werden würde. Die Vernunft siegte über die Neugier und Ch’amak verließ sein Versteck. Er schlich leise davon, ohne noch einmal zurück zu blicken.
Es dämmerte bereits. Der Himmel ähnelte einem ruhigen türkisfarbenem Meer, auf dem vereinzelt blasse Wolken schwammen. Während die Sonne, wie ein blutroter Edelstein, langsam dem Horizont entgegen sank, kletterte Ch’amak vorsichtig den steilen Fels hinunter.
Als der Tag gewichen war und die Nacht den Dschungel in vollkommener Dunkelheit getaucht hatte, lag Ch’amak auf den breiten Ast eines Baums und dachte über die Ereignisse des Tages nach. So seltsam wie es ihm auch vorkam, irgendetwas in ihm hatte sich verändert. Es war ein neues Gefühl. Ein Gefühl, das er bisher noch nie gespürt hatte.
Er fühlte sich einsam.





 
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Kommentare  

eine sehr nett erzählte geschichte, mir gefällt wie du die kleinen details beschreibst.
buntspecht.


buntspecht (11.04.2005)

Nette Geschichte, sehr interessamt und fesselnd erzählt. Ein paar kleine Schreibfehler ("der" statt "dem" u.ä.) stören ein wenig den ansonsten sehr guten Gesamteindruck !

b.heinrichs (11.05.2002)

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