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Das Lied des Seelenstreichers

Trauriges · Kurzgeschichten
Ich bin Dein `Gefährte auf all Deinen Wegen´.
So bezeichne ich mich oft selbst gerne.
Du kennst mich nicht, Du weißt nicht, daß es mich gibt.
Und doch sind wir die besten Freunde geworden.
Besonders in letzter Zeit war ich immer öfter an Deiner Seite gewesen, Du hast mich immer öfter gebraucht.
Du siehst mich nicht, und doch spürst Du mich.
Du weißt nicht, daß ich es bin, den Du da in Dir spürst. Doch Du weißt, daß es da Etwas gibt. Etwas, das in Deiner Nähe ist, das in Dir ist.
Ich spüre, wie sehr Du mich brauchst. Und ich weiß, daß es immer schwerer für mich wird, Deine Seele zu streicheln.
Du versperrst Dich, läßt nichts mehr zu Dir durchdringen und willst nur noch alleine bleiben.
Alleine mit Dir, mit Deinen Gedanken, und alleine mit dem unsäglichen Schmerz.
Ich sehe den Schmerz wie pulsierendes Gift in Deinem Körper, ich spüre, wie er sich um Deine Seele legt und seine scharfen Klauen spöttisch nach mehr grapschen.
Alles, was ich tun kann ist bei Dir zu sein, Dir meine Wärme zu schenken...Dich zu streicheln.
Selbst wenn Du Dich vollkommen verschließt und vor allem, was Du liebst, zurückziehst, schaffe ich es, zu Deiner Seele vorzudringen.
Denn ich bin der Seelenstreicher, Dein Gefährte auf all Deinen Wegen.

Der Schmerz wird tiefer.
Er ist nicht mehr bloß Kummer, er besteht nicht mehr nur aus dumpfen Gedanken, die schmerzen.
Es ist nicht mehr wie zu Beginn, als ich zum ersten Mal zu Dir kam.
Mit jedem Mal, daß ich Dich berührte, spürte ich, wie sich der Schmerz tiefer in Dich hinein gefressen hat.
Einem dunklen Geschwür gleich, das alles auslöscht und nur noch Angst und Verzweiflung zurück läßt.
Das ist es, was der Schmerz in Dir geboren hat: Tiefe, pure Angst.
Ich spüre sie, übelriechend und höhnisch grinsend, wie sie Deine Seele gefangenhält und alles in Dir zu vernichten beginnt.
Jeder Gedanke, jeder Wunsch; alles wird nur von dieser Angst beherrscht, die sich wie ein Kokon um Dich gelegt hat.
Und die Angst kam mit dem Schmerz.
Schmerz, den man Dir immer wieder zuführt, rücksichtslos und ohne Gewissen.
Ohne einen Gedanken daran verschwendend, wie zerstörend Schmerzen sein können.
Falsche Liebe sind die größten Schmerzen.
Doch dann bin ich bei Dir, suche mir meinen Weg in Dein Innerstes.
Denn ich bin der Seelenstreicher, Dein Gefährte auf all Deinen Wegen.

Erinnerst Du Dich an das erste Mal?
An unsere erste Begegnung?
Nein, das tust Du nicht, denn Du glaubst nicht an mich und weißt nicht, daß ich es bin, der Deine Seele zu trösten vermag.
Du warst ein Kind, rein und unschuldig in Gedanken.
Und Du hattest Angst vor der Dunkelheit.
Vor der Nacht, und dem, was mit ihr kam. Die Stille, die fremde Welt, die einem Kind den Glauben an den Sonnenschein zu Rauben vermochte.
Im Schweigen der Nacht kam ich zum ersten Mal zu Dir, hab Deine Tränen getrocknet, dein pochendes Herz beruhigt...und Deine kleine Seele gestreichelt.
Ich hab dabei zum ersten Mal die Wärme gespürt, die durch Deinen Körper floß. Die Liebe, die Du geben kannst und die heute, lange nach jener ersten Nacht Deiner Kindheit, getreten und geschlagen wird.
Ich hab Dich fest in den Arm genommen, Deinen zitternden, kleinen Leib, hab ihn fest an mich gedrückt und Dir zu sagen versucht, daß Du nicht alleine bist. Nicht in dieser Nacht.
Ich weiß nicht, ob Du mich verstanden hast...ob Du mich jemals verstehen wirst.
Aber ich weiß, daß Du mich spüren konntest, wenn auch nur als schwachen Trost, der zusammen mit Schweigen und Fremdheit durch die Nacht kam.
Jene stille Nacht war unsere erste Begegnung gewesen, unsere erste Berührung...und seither war ich zu Deinem besten Freund geworden.
Denn ich bin der Seelenstreicher, Dein Gefährte auf all Deinen Wegen.

Manche Freunde braucht man nicht, und doch kann man ohne sie nicht leben.
Ich weiß, Du gäbest viel dafür, mich nicht zum Freund zu haben.
Denn wo ich bin, da ist Schmerz und Verzweiflung vor mir gewesen.
Und gäbe es mich nicht, gäbe es auch nicht diese Vasallen des Teufels.
Doch ich bin Jedermann Freund, ich streiche viele Seelen.
Unzählige Seelen.
Gequälte und gepeinigte Seelen.
Seelen, die weinen und Seelen, die in purer Verzweiflung lachen.
Seelen in stillen Nächten.
Ich bin immer da, ihr spürt mich immer...doch ihr wißt nicht, daß ich es bin.
Ich bin Euer Freund, der beste Freund, den ihr jemals haben werdet.
Und oft auch der Einzige...
Denn ich bin der Seelenstreicher, Dein Gefährte auf all Deinen Wegen.

Nur manchmal, da spürt man mich nicht...und ich bleibe allein in der Dunkelheit zurück...
 
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Kommentare  

Gefällt mir sehr gut. Tröstlich und nicht rührselig.
Das Ende kam irgendwie....zu früh?!
Vielen Dank.


Oliver (17.01.2003)

~einfach schön!~
mehr gibts dazu nicht zu sagen... gefällt mir! schreibe weiter, ich hoffe dies war nicht das erste und letzte was wir von dir zu lesen bekommen?!


*Becci* (15.11.2002)

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