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11 Seiten

Der Tempel

Schauriges · Kurzgeschichten
Karin Schweizer war aussersiech vor Freude. Endlich, nach einer langen und beschwerlichen Reise, war sie am Ziel. Sie interessierte sich schon seit ihrer Schulzeit für Tibet und war, als sie das entsprechende Alter erreicht hatte, in dieses Land gekommen. Und hier hatte sie viele Wunderbare Dinge gesehen und gehört. Darunter auch ein Gerücht, über einen uralten Buddhistischen Tempel, versteck im Himmelleia. Ein Tempel voller wunderbarer Kunstwerke. Seit sie von dem Tempel gehört hatte, war sie auf der Suche nach ihm. Und nun stand sie vor ihm.
Seine ganze Pracht erhob sich vor ihr. Er war geschickt in eine Felswand eingebettet. Hinter ihm ragten die schneebedeckten Berge des Himmelleia in den Himmel. Das typisch asiatisch geschwungene Dach und die Wände waren mit Gold verziert und das Eingangsportal war so gross, das ein Lastwagen durchfahren könnte. Zum Portal führte eine lange gerade Treppe aus verwitterten steinernen Stufen. Einen Augenblick lang hielt sie der Anblick gefangen. Dann machte sie sich an den Aufstieg. Nach 133 Treppenstufen stand sie keuchend und völlig ausser Atem, aber glücklich, vor dem Tempelportal. Mitten auf dem gewaltigen Tor prangte etwas, das ihr gleichzeitig Bewunderung und Angst einflösste. Ein goldener Buddha war an dem Tor angebracht. Er war so gross wie ein Mensch und überlappte beide Türflügel. Er unterschied sich gewaltig von den sonstigen Buddhadarstellungen die sie bisher gesehen hatte. Sein Bauchnabel war ein Schlüsselloch. Seine Hand schien nicht zum Gruss gehoben, sondern als Warnung, nicht weiter zu gehen. Seine Gesichtszüge waren nicht fröhlich sonder ernst. So starrte er vom Tor auf sie herab und wirkte abschrecken und doch gleichzeitig so wunderbar. Karin stand da und starrte verwirrt das ungewöhnliche Türschloss an. Denn nichts anderes war dieses Buddhaabbild. Eine Warnung und ein Schutz zugleich. Doch wozu konnte sie sich nicht vorstellen. Und so stand sie weiter da, starrte das Türschloss an und versuchte einen Sinn darin zu Finden. Wie lange sie so da stand wusste sie nicht, doch plötzlich räusperte sich neben ihr jemand. Erschrocken fuhr sie herum und erblickte einen hochgewachsenen, schlanken, glatzköpfigen Mönch. „Verzeihein sie. Ich wollte sie nicht erschrecken.“ meinte der, in rote Gewänder gehüllte, Mönch mit einer Verbeugung. Karin verbeugte sich ebenfalls und erwiderte freundlich: „ Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Es ist ja nichts passiert.“ Mit einem Seitenblick auf den Buddha fragte sie: „Wenn mir diese Frage gestattet ist, warum ist diese Tür auf solch seltsame Weise verschlossen?“ Der Mönch musterte Karin. Erst jetzt viel ihr auf, das sein Gesichtsausdruck zwar freundlich war, seine Augen aber kalt und abweisend. Auch sah sie Misstrauen in diesen schwarzen Augen aufblitzen als sie nach dem Tor fragte. Schliesslich antwortete der Mönch einfach: „Folgt mir bitte.“ Enttäuscht aber neugierig folgte Karin dem Mönch um den Tempel herum zu einer bescheidenen Hütte. Vor der Hütte war gerade ein molliger Mönch damit beschäftigt aus einem kleinen Gemüsegarten zu ernten. Neugierig schaute er auf. Karin erschrak und blieb stehen. Sie dachte ihr Herz müsse stehen geblieben sein. Dieser Mönch bot einen schrecklichen Anblick. Jemand hatte ihm gewaltsam die Augen entfernt. Zwei klaffende Wunden Starrten sie blind an. Der andere Mönch hatte bemerkt das sie seinen Mitbewohner anstarrte. Er trat neben sie und seufzte. Der blinde Mönch wandte sich wieder seiner Arbeit zu, als er merkte, dass niemand mit ihm sprach. „Wenn ihr wissen wollt was mit Bruder Tzien geschehen ist, dann folgt mir in die Hütte.“ sagte der Mönch mit den kalten Augen nach einer Weile und ging dann wieder Richtung Hütte. Zitternd folgte Karin dem Mönch zur Hütte, warf dabei aber immer wieder Blicke über die Schulter. Der blinde Mönch arbeitete einfach weiter und nahm keine weitere Notiz von ihnen. Karin erreichte nun die Hütte. Der Mönch mit den kalten Augen hielt ihr die Tür auf. Sie trat ein und sah sich um.
Sie stand in einem grossen , fensterlosen Raum, der nur von mehreren Kerzen erleuchtet wurde. Links und rechts von ihr war je ein Durchgang in der Holzwand. An der ihr gegenüberliegenden Wand stand eine goldene Buddhastatue. Sie sah aus wie die Figur an der Tür und war etwa 3 Meter hoch. Vor der Statue sassen 4 weitere Mönche. Drei waren Hochgewachsen und jung wie der Mönch der sie empfangen hatte. Der vierte Mönch war ein älterer Mann mit langen Bart. Alle Vier starrten sie mit den selben kalten, abweisenden Augen an. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, doch sie verbeugte sich höflich und begrüsste die Anwesenden. Diese erhoben sich und grüssten zurück. Der alte Mönch gebot ihr sich auf ein Kissen auf dem Boden zu setzten. Sie kam dieser Aufforderung nach und der Alte setzte sich ihr gegenüber hin. Die vier Anderen setzten sich hinter sie. Der alte Mönch musterte sie eine Weile. Seine Blicke verursachten ein flaues Gefühl in ihrem Magen. Dann fragte er freundlich: „Wie heissen sie und was bringt sie in diese einsame Gegend?“ „Mein Name ist Karin Schweizer. Ich komme aus der Schweiz und habe mich schon immer für Tibetische Kultur und Buddhismus interessiert. Ich habe Gerüchte von ihrem Tempel gehört und wollte in gerne mal sehen.“ antwortete Karin wahrheitsgetreu. Der Alte lächelte geheimnisvoll und meinte: „Ah ja die Gerüchte. Gehe ich richtig in der Annahme, Frau Seizer, das diese Gerüchte über wundervolle Kunstwerke in diesem Tempel handeln?“ „Ähm ja. Und es heisst Schweizer.“ antwortete Karin verdutzt. Der Alte lächelte immer noch. „Natürlich. Verzeihen sie mir Frau Schweizer?“ Sie Nickte. „Gut. Ich möchte sie nicht enttäuschen, aber sie sind umsonst hier her gekommen.“ sagte er dann. Nun wurde er ernst: „In diesem Tempel gibt es keine Kunstwerke und keine Schätze. Und er ist auch nicht für Besichtigungen offen. Es tut mir leid.“ Sein Gesicht zeigte einen mitleidigen Ausdruck, doch seine Augen sagten etwas anderes. Dieser Blick sagte, verschwinde von hier, du bist hier nicht erwünscht. Er machte Karin richtig Angst. Doch sie blieb trotz ihres Unbehagens und des abweisenden Blicks freundlich: „Nein ich muss mich in diesem Fall für die Störung entschuldigen. Aber könnten sie mir sagen was in dem Tempel ist, das er so verschlossen und versteckt ist? Und was ist mit Bruder Tzien geschehen? Wer hat ihm das angetan?“ „Das waren die Chinesen. Er wollte ihr System nicht annehmen, deswegen brannten sie ihm die Augen aus.“ Antwortete der alte Mönch. Auf die Frage nach dem Tempel ging er gar nicht ein und Karin begriff, das sie besser nicht mehr davon sprach. Und sie merkte auch, das er sie anlog. Weder Tzien noch die Wunden an seine Augen konnten so alt sein. Noch ein Schauder rann ihren Rücken runter. Für eine kurze Zeit herrschte eine angespannte Stille in der Hütte. „Es ist schon spät und vor morgen Früh sollten sie ihre Rückreise nicht antreten. Es wäre zu gefährlich. Erweisen sie uns die Ehre und übernachten sie bei uns.“ bot ihr der Alte schliesslich an. Karin wusste das er recht hatte, doch dieser Ort und diese Mönche waren ihr unheimlich. Dennoch nahm sie das Angebot an.
Es wurde ein seltsamer Abend für Karin.
Zuerst zeigte ihr einer der jüngeren Mönche ihre Schlafstelle. Eine einfache Liege mit einer Wolldecke und einem kleinen Kissen. Sie stand in einem kleinen Raum, der ein Fenster hatte von dem man nur gerade den Tempel sehen konnte. Auf der Liege lag ein Mönchsgewand und sie wurde gebeten es anzuziehen und mit den Mönchen zu essen und zu beten. „Es wäre mir eine Ehre.“ antwortete sie dem Mönch. Er meinte noch, das ein Gong geschlagen werde wenn es soweit wäre, dann liess er sie alleine. Karin liess ihren Rucksack zu Boden gleiten, setzte sich auf die Liege und betrachtete eine Weile das Gewand. Sie hatte zwar ein schlechtes Gefühl dabei, aber sie hatte schon ihr Wort gegeben. Ausserdem wollte sie nicht unhöflich erscheinen. So entledigte sie sich ihrer Kleidung und zog das Gewand an. Sofort fror sie. Nur von dem Stoff des Gewandes geschützt und ohne Schuhe oder Socken, die Mönche trugen auch keine, war es sehr kalt hier oben. Doch sie riss sich zusammen. Da erklang auch schon der Gong. Frierend kehrte sie in den grossen Raum mit der Buddhastatue zurück. Dort sassen die sechs Mönche schon in einem Halbkreis um die Buddhastatue. Alle sassen im Schneidersitz, hatten die Hände, übereinander, in den Schoss gelegt, neigten die Köpfe und murmelten das Gebet vor sich hin. Leise setzte Karin sich an den ihr zugedachten Platzt. Genau so wie die Mönche, machte sie einen Schneidersitz, legte die Hände übereinander in den Schoss und senkte den Kopf. Doch betete sie nicht. Da sie nicht verstand, was die Mönche murmelten, hielt sie es für besser einfach nichts von sich zu geben. Nach einer Weile begann sie zu zittern. Nicht nur wegen der Kälte und der ungewohnten Muskelbelastung. Das Gemurmel der Mönche flösste ihr Frucht ein. Es war nicht wie andere Buddhistische Gebete die sie schon gehört hatte. Sie wusste nicht wieso, aber es kam ihr so vor, als wäre dieses Gebet, wenn es denn eins war, nicht an Buddha, oder sonst eine Gottheit die sie kannte, gerichtet. Sie war nicht ein mal sicher, ob das Gemurmel wirklich eine Sprache war. Wenn es eine war, dann hatte Karin sie noch nie in ihrem Leben gehört. Wieder jagten ihr Schauder den Rücken hinunter. Auf was war sie hier gestossen? Und je länger sie dem schaurigen Gemurmel lauschte, desto mehr wollte sie diesen unheimlichen Ort verschwinden. Sie war erleichtert als die Mönche das Gebet beendeten. Sie erhoben sich und gingen, gemässigten Schrittes, durch den linken Durchgang. (Karin war durch den rechten zu ihrer Schlafstätte geführt worden.) Hinter dem Durchgang war ein etwas kleiner Raum mit einem Tisch. An diesem sassen die Mönche auf Bänken und assen mit Löffeln aus Tonschalen. Karin setzte sich an den leeren Platz. Dort stand schon eine Schale für sie bereit. Sie war gefüllt mit einer grauen unappetitlichen Masse, die irgend wie nach Reis schmeckte, wie Karin feststellte als sie einen Löffel probierte. Das Essen war kalt und nicht gerade wohlschmeckend. Die ganz genau wie von den Schalen der Mönche warmer Dampf aufstieg. Sie hatten ihr absichtlich kaltes Essen gegeben. Doch Karin sagte nichts und ass still den Reisbrei. Jedenfalls hoffte sie das es Reisbrei war. Die anderen Mönche sprachen nicht. Alle assen still vor sich hin. Und obwohl sie nur auf ihre Schale starrte, spürte sie die abweisenden Blicke der Mönche. Sie wollten sie nicht hier. Sie wollten, dass sie ging. Und Karin war froh, wenn sie Morgen gehen konnte. Doch noch war es nicht so weit. Sie leerte schnell ihre Schale. Danach erhob sie sich und dankte den Mönchen für das Essen und wünschte ihnen eine gute Nacht. Die Mönche wünschten ihr ebenfalls eine gute Nacht und sie kehrte erleichtert in ihr Zimmer zurück. Sie stand ans Fenster und betrachtete noch einmal den Tempel. Es wurde schon Dunkel draussen und das herrschende Zwielicht liess ihn noch unheimlicher erscheinen als er ohnehin schon war. Und dennoch, hätte sie gerne gewusst was in ihm war. Einige Zeit beobachtete sie den Tempel. Doch dann fror sie so sehr, das sie es nicht mehr aushielt. Schnell zog sie warme Kleidung an und legte sich hin. Die Liege war alles andere als bequem. „Aber du schläfst zumindest nicht auf dem Boden.“ sagte sie sich trotzig. Und trotz der unbequemen Liege, trotz der Kälte und trotz ihres Hungers liess die Erschöpfung sie schnell einschlafen.
Mitten in der Nacht erwachte sie wieder. Zuerst wusste sie nicht wo sie war oder was sie geweckt hatte. Doch dann erinnerte sie sich daran wo sie war. Und gleich darauf war ihr auch klar, was sie geweckt hatte. Gesang! Kehlige Männerstimmen sangen in einer ihr unbekannter Sprache. Die Mönche sangen. Sie öffnete die Augen und setzte sich auf. Kaum hatte sie das getan, fuhr sie erschrocken zusammen. Am Fenster stand der Mönch Tzien. Hätte sie nicht genau gewusst, das er Blind war, hätte sie schwören können er schaue aus dem Fenster. Seine Haltung war jedenfalls genau so als ob er dies tun würde. Er richtete seine leeren Augenhöhlen genau auf den Tempel und lauschte dem Gesang der anderen Mönche. Denn der wehte vom Tempel her zu ihnen herüber, wie Karin feststellte als sie ein wenig hin hörte. Eine Weile standen bzw. sassen beide stumm da und lauschten dem Gesang, von dem Karin kein Wort verstand. Dann sprach Tzien. Seine Stimme war schwermütig : „Wir sollten ihn bewachen....Doch wir beten ihn an......Möge Buddha uns unseren Frevel verzeihen....“ Nach dem er das gesagt hatte drehte er sich zu Karin um und bemerkte, wie beiläufig: „Er möchte dich sehen.“ Karin verstand nicht was er damit gemeint hatte, doch sie kam nicht mehr dazu ihn zu fragen. Plötzlich begann Tzien zu murmeln und eine seltsame Müdigkeit ergriff besitzt von ihr. Sie versuchte dagegen anzukämpfen, doch unerbittlich zog sein Gemurmel in die Dunkelheit der Bewusstlosigkeit hinab.

Langsam stieg sie wieder aus der Dunkelheit auf. Ihr Kopf fühlte sich schwer an, genauso wie ihr restlicher Körper. Alles war träge und sie wäre gerne gleich wieder in die Dunkelheit des Schlafes gefallen. Doch sie konnte nicht. Langsam aber sicher wich alle Schwäche aus ihrem Körper. Und auf einen Schlag war sie wach. Karin öffnete die Augen, setzte sich auf und sah sich um. Sie war nicht mehr in der Hütte. Um sie herum war es Dunkel, nur gerader der Platz an dem Karin lag war von einem schwachen Licht erleuchtet. Es war als wäre ein altersschwacher Scheinwerfer auf sie gerichtet. Sonst sah sie nur Dunkelheit. Sie sass auf einem kalten Holzboden und war alleine. Sie musste im Tempel sein. Auch hier war es kalt. Aber es war eine andere Kälte als in der Hütte der Mönche oder draussen. Die Kälte hier im Tempel liess nicht ihren Körper frieren. Sie wirkte sich auf ihre Seele aus! Es war als würde eine kalte grausame Hand ihre Seele leicht zusammen drücken. Sie schauderte. Als sie so an ihren Körper dachte, merkte sie etwas und schaute an sich herab. Trotz ihrer Angst, erfüllten Schamgefühle sie. Denn sie trug wieder nur das Mönchsgewand. Tzien musste es ihr angelegt haben. Sie zitterte bei dem Gedanken daran...das er.... Plötzlich ertönten Schritte. Erschrocken lauschte sie den hallenden Schritten die sich ihr näherten. Ihre Scham hatte sie schon wieder vergessen. Die Schritte waren nun ganz nahe. Und auf einmal trat Tzien in den Lichtkreis. Karin zog die Knie an und rutschte ängstlich an den Rand des Lichtes von ihm weg. Doch Tzien blieb einfach stehen und tat nichts. Nach kurzer Stille, räusperte er sich und sagte: „Verzeiht mir, das ich euch entkleidet und wieder angekleidet habe, aber in euren Kleidern hätte er euch nicht akzeptiert. Es geschah zu eurem Schutz. Bitte steht auf und geht in diese Richtung. Er erwartet euch. Aber seht ihm nicht in die Augen oder ihr teilt mein Schicksal.“ Er hob den Arm und zeigte gerade aus in die Dunkelheit. Karin starrte Tzien verständnislos an. Dann folgte sie seinem Arm mit ihren Augen. Als sie in die gezeigte Richtung blickte, wurde sie eines schwachen kleinen Lichtes gewahr. Es flackerte unregelmässig in einiger Entfernung von ihr. Noch einmal blickte sie ängstlich auf Tzien. Doch er stand immer noch am selben Ort und zeigte auf das flackernde Licht. Schliesslich siegt ihre Neugier. Langsam erhob sie sich und begann auf das Licht zuzugehen. Schnell wurde sie von der Finsternis verschluckt und die Seelenkälte nahm zu. Sie warf einen Blick über ihre Schulter zurück. Tzien stand in dem Lichtkreis und wartete. Karin atmete einmal tief ein und ging weiter. Stetig näherte sie sich dem Licht. Noch immer flackerte es unregelmässig vor ihr, aber mit jedem Schritt wurde es heller. Dann hörte sie Aufeinmahl ein leises Kratzen. Ruckartig blieb sie stehen und lauschte ängstlich in die Dunkelheit um herauszufinden woher das Kratzen kam. Es erklang genau aus der Richtung in die sie lief. Angstschauder rauschten ihren Rücken runter. Sie versuchte das Kratzen einzuordnen. Waren es Kallen die über den Holzboden gingen? Nein...Eine Klinge die über das Holz gezogen wurde? Nein.... Und dann erkannte sie das Kratzen. Es war das Kratzen einer Feder die auf Papier schrieb. Sehr verwirrt ob diesem Geräusch ging sie schliesslich weiter. Immer näher kam das Flackerlicht und das Kratzen wurde immer lauter. Dann war sie nahe genug um zu erkennen was das flackernde Licht erzeugte. Eine Kerze. Sie stand in einem Halter. Dieser stand oben auf einem altmodischen Schreibpult. An dem Schreibpult sass eine gebeugte Gestallt und schrieb, mir einer schwarzen Feder, in einem riesigen Buch, wobei sie die Feder immer wieder in ein Tintenfässchen das neben dem Kerzenhalter stand tauchte. Die Gestalt war in eine schwarze Robe gehüllt und hatte eine Kapuze über gezogen. Die Kapuze war so gross, das Karin nichts vom Gesicht der unheimlichen Gestalt sehen konnte. Doch konnte sie ein leichtes Glühen unter der Kapuze erhaschen. Doch da sie nicht wie Tzien erblinden wollte, richtete sie ihren Blick auf die Hände. Doch diese steckten in schwarzen Handschuhen. Karin stand vor der Gestalt und konnte deswegen nicht sehen, was sie in das riesige Buch schrieb. Sie wagte es aber nicht um die Gestalt herum zu gehen. So stand sie eine weile unentschlossen da und beobachtete die unheimliche Gestalt bei ihrem Werk.
Plötzlich hielt der Unheimliche inne. Als hätte er erst jetzt bemerkt, das er beobachtet wurde. Er stellte die Feder ins Tintenfässchen und schaute auf. Karin konnte gerade noch die Augen schliessen. „Gut. Ich sehe Tzien hat dich vorgewarnt.“ Eine tiefe, heisere Stimme hatte diese Worte gesprochen. Jetzt hörte Karin das Rascheln von Kleidung. Gleich darauf sprach der das unheimliche Wesen wieder. „Willkommen Karin. Ich bind erfreut das du hier bist.“ Karin schluckte und fragte dann mit zitternder leiser Stimme: „Wer....... oder was ....bist du?“ Seit das Wesen aufgestanden war, war es noch kälter geworden. Sie hatte fürchterliche Angst und doch war sie voller Neugier und wartete gespannt auf eine Antwort. „Ich bin der Schreiber des Wahnsinns und der Angst, denn ich kenne alle Übel und alle dunkeln Geheimnisse dieser Welt. Ich sehe das Böse das auf der Erde lauert und ich schreibe mein Wissen über diese Schrecken nieder. Ich war schon alt als die Menschen lernten in Höhlen zu leben....Und ich werde noch sein, wenn die Menschen nicht mehr sind.“ erklärte das Wesen. Danach machte es eine Pause und schien erst wieder Kraft schöpfen zu müssen. Karin war wie gelähmt. Die Behauptung klang absolut unglaubwürdig, aber sie konnte nicht anders als dem Schreiber glauben. Er strahlte Alter, Wissen und Macht aus und er machte ihr eine Heiden Angst. Allerdings schien er ihr nicht feindlich gesinnt. Während sie noch über die Worte nachdachte sprach der Schreiber weiter. „Immer wieder bin ich speziellen Menschen im Traum erschienen und erzählte ihnen von all dem was da kreucht und fleucht in der Finsternis des Bösen. Diese begabten Menschen, ihr nennt sie so weit ich weiss Schriftsteller, haben dann meist aus meinen Erzählungen Geschichten gemacht, um sie zu verarbeiten. Beispiele hier für sind H. P. Lovecraft, Bram Stoker, Edgar Elen Poe, Steven King und noch viele weitere. Sie alle haben das dunkle Wissen, das ich ihnen gab auf die eine oder andere Art in Geschichten verarbeitet. Doch ist das nicht der richtige Weg um mein Wissen zu erhalten. Deswegen habe ich mich hier in diesen Tempel zurückgezogen. Die Mönche sollen dafür sorgen, das niemand die Ketten bricht, die mich hier halten. Ich habe mich hier eingesperrt um mein Wissen in Ruhe nieder zu schreiben. Doch nun sollst du einen Einblick erhalten.“
Plötzlich spürte Karin eine kalte Hand auf ihrer linken, nackten Schulter ,die sie mit sanfter Gewalt vorwärts bugsierte. Sie öffnete die Augen und sah, das der Schreiber sie zum hinsetzten bewegen wollte. Sie setzte sich auf seinen Stuhl und er trat hinter sie. Eine Weile sass sie so da ohne etwas zu tun. „Lies. Wie die Mönche sollst du von den Schrecken dieser Welt erfahren.“ verlangte der Schreiber. Und so Karin begann in dem Buch zu lesen, das vor ihr lag. Sofort erfasste sie die Lektüre. Sie las von schrecklichen Dingen und ungeheuerlichen Begebenheiten. Von dunklen Geheimnissen und versteckten Schrecken. Sie las von all dem Bösen dieser Welt. Und doch las sie nur ein Bruchteil des Buches. Das Wissen machte sie fast Wahnsinnig und erfüllte sie mit grosser Angst. Und gleichzeitig befriedigte es sie in einer Weise, die sie nicht verstand. Die ganze Zeit über ruhte die kalte Hand des Schreibers auf ihrer Schulter. Doch als sie plötzlich weggezogen wurde, sah Karin automatisch auf. Sie hörte die Stimmen der Mönche. Sie redeten wütend durcheinander. „Geh .... Geh zu Tzien.“ sprach der Schreiber. Und ohne ein Wiederwort erhob sich Karin und rannte zurück zu dem Lichtkreis.
Tzien stand in der Mitte des Kreises, umringt von den restlichen Mönchen. Sie schrieen ihn an. „Du hättest sie nicht herbringen dürfen!“ meinte Einer. „Dieses Wissen steht nur uns zu!“ bekräftigte ein Anderer. „Nun gut. Es ist zu spät. Sie weiss es, nun muss sie sterben.“ bestimmte der Alte Mönch. Sofort blieb Karin stehen. Sie wollten sie umbringen! Sie blieb leise stehen und beobachtete was weiter geschah. „Ihr könnt sie nicht umbringen! Das ist gegen unsere Überzeugung!! Das werde ich nicht zulassen!“ kreischte Tzien erregt. Doch bevor er etwas tun konnte, begannen die jüngeren Mönche auf ihn einzuschlagen. Über den Lärm der einseitigen Prügelei hinweg hörte Karin den Alten: „Dann musst du eben auch sterben Tzien!!“ Geschockt stand Karin da und konnte nur mit ansehen wie die vier jungen Mönche, mit Mordlust in ihren kalten Augen, Tzien erschlugen. Nach einem besonders harten Schlag gegen den Kopf, blieb er blutüberströmt liegen und rührte sich nicht mehr. Das war zuviel für Karin. Schluchzend ging sie in die Knie und begann zu weinen. Sofort waren die Mönche da. Doch Karin war es egal. Sie wimmerte nur weiter vor sich hin, während ihr Verstand versuchte wieder die Kontrolle über ihren Körper zu erhalten. Doch sie verlor. Gerade als einer der Mönche seine blutige Hand nach ihr ausstreckte, wurde es dunkel und sie glitt in die gnädige Bewusstlosigkeit eines Nervenzusammenbruches hinüber.....

Als Karin erwachte, fror sie erbärmlich. Ihr ganzer Körper schmerzte und die Kälte ging ihr durch und durch. Sie öffnete die Augen und setzte sich auf. Sie sass nackt im Schnee. Vor ihr war der Anfang einer steinernen Treppe zu sehen, die den Berghang hinunter führte. Zuerst wusste sie nicht wer und wo sie war. Doch dann erinnerte sie sich wieder. An den Tempel, die Mönche...und an den Schreiber. Sofort drehte sie sich um. Doch von dem Tempel und der Hütte standen nur noch Ruinen. Sie wirkten als wären sie uralt. Karin erhob sich und machte sich trotz der Kälte daran die Ruinen zu untersuchen. Sie machten den Eindruck als, wären sie nur mit der Zeit durch Verwitterung und Wetter entstanden. Doch Karin wusste, dass das was sie erlebt hatte wirklich passiert war. Denn sie fand ihre Kleidung und ihre Ausrüstung in den Ruinen der Hütte. Und die sahen nicht aus als wären sie Jahrhunderte alt. Doch fand sie sonst nichts. Kein Zeichen er Mönche oder des Schreibers. Es war so als hätten sie nie existiert. Total verwirrt stand Karin in den Ruinen. Sie merkte nicht wie sehr sie fror. Sie war zu geschockt. Und plötzlich erinnerte sie sich noch an etwas. Mit der Gewalt einer Belagerungsramme brach das Wissen, das sie in dem Buch des Schreibers gesammelt hatte über sie herein. Wimmernd ging sie in die Knie und hielt sich die Ohren zu. Als könnte sie so all die Schrecken und das Finstere, das auf sie einströmte, abhalten. Während sie die Erinnerungen immer heftiger plagten, begann sie zu schreien. Ihr Verstand wurde von dem Wissen, das nicht für einen Menschen bestimmt war, erdrückt. Und schliesslich zerbrach sie daran. Karin hörte auf zu schreien und erhob sich wieder. Apathisch blickte sie gerade aus. Sie nahm weder die Kälte noch sonst etwas wirklich wahr, was um sie herum geschah. Ohne irgendwie darüber nach zu denken ging sie los. Und sie ging und ging. Und sie stoppte auch nicht als vor ihr ein Abgrund auftauchte. Noch immer ging sie. Sogar während ihr Körper der Erde entgegen raste, ging sie stumm weiter.............................

The End
 
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Kommentare  

Sali Dieti
Super Storie hesch da gschriebe... Es het mi richtig packt das z lese... Witer so... Übrigens.. bin mer zerscht nöd sicher gsi ob ich dich echt nöd kenni aber wo ich den de Name Karin Schweizer und erscht no Tiebet ghört ha isch mer klar worde wer du bisch :-)
Grüässli vome ehemalige Banknachbar...


Michael Fretz (04.06.2006)

Interessante Storie, Mysteriös und zunehmend Spannend.
War / Ist der schwarze Schreiber das Schicksal oder das Gewissen dieser Welt?
Schade nur, das Karin den Freitod wählte.
Oder musste sie es, durch aufkommenden Wahnsinn getrieben, tun?
5 Punkte


Maxson (17.11.2002)

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