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Lob eines Gefallenen

Romane/Serien · Fantastisches
Als wir im Deutschunterricht in der Schule einen Hausaufsatz zum Thema "Zukunftsvisionen" schreiben sollten, schrieb ich die folgende Geschichte:


1.
Als ich vor einigen Jahren zufrieden von meiner "Arbeit" nach Hause unterwegs war, sprach mich jener große, etwa 50-jährige Mann mit langen grauen Haaren und einem Dreitagebart an, der später mein bester Freund werden sollte an:
"Sie sind Robert Jones, nehme ich an?"
"Jawohl, der bin ich, aber ich habe jetzt keine Zeit", antwortete ich, weil ich keine Lust hatte, mich jetzt mit diesem grobschlächtigen Kerl abzugeben.
Nichtsdestotrotz fuhr er fort ein Gespräch mit mir zu beginnen zu versuchen:
"Mein Name ist Simon Szenkowski."
"Ich kenne Sie nicht", antwortete ich.
"Das weiß ich. Ich möchte, dass sie für mich arbeiten.", sagte er.
Ich war neugierig geworden, also fragte ich nach der Bezahlung:
"Was bekomme ich dafür, wann soll ich wo gegen wen welche Art von Auftrag ausführen und welcher Konzern verantwortet das?"
Es schien zunächst als wollte er der Frage ausweichen, als er in einer langen Erzählung seine Organisation beschrieb:
"Sie verstehen da etwas völlig falsch, mein lieber Herr Jones. Ich rede hier nicht von einem einmaligen Auftrag und schon gar nicht von der Unterstützung eines Konzerns. Wir können Ihnen selbstverständlich auch einen einmaligen Auftrag geben, jedoch möchten wir das doch alle nicht. Sehen Sie, ich kenne Ihre Vergangenheit mindestens genau so gut wie Sie selbst. Ich weiß, was Ihr heimliches Ziel ist und ich weiß Wege ihm näher zu kommen. Je mehr Leute für unsere Organisation arbeiten, desto größeren Schaden können wir der Gesellschaft des gewalttätigen Kapitalismus, die heute die Welt regiert, zufügen, und desto wahrscheinlicher ist, dass in näherer Zukunft eine Revolution gegen die skrupellosen Mächtigen dieser Welt verwirklicht werden kann. Das ist doch Ihr eigentliches Ziel, Herr Jones, habe ich recht oder stimmt es? Wir können ihre Frau rächen, aber wir können das nur gemeinsam, verstehen Sie?"
Es verwunderte mich, wie gut dieser Mann informiert war. Trotzdem oder gerade deshalb wurde ich noch misstrauischer. Ich fragte verwundert:
"Sie verlangen also im Ernst von mir, dass ich mich längerfristig an eine Organisation binde, ohne dafür bezahlt zu werden und ohne zu wissen, was mich dort erwartet?"
Er reagierte, als ob er so eine Antwort erwartet hätte:
"Ich verlange überhaupt nichts von ihnen. Ich mache Ihnen lediglich das Angebot, mit uns zusammen Ihren Zielen näher zu kommen. Selbstverständlich können Sie jederzeit aussteigen."
"Um am nächsten Tag tot zu sein", führte ich fort.
Erstaunlicherweise antwortete Szenkowski: "Warum sollten wir sie töten? Sie können uns doch nicht schaden. Wir wählen unsere Mitarbeiter sehr sorgfältig aus. Falls die Gefahr besteht, dass jemand uns verraten könnte, wird er nicht aufgenommen. Sie würden uns nie verraten.
Selbstverständlich können Sie noch nachdenken, ob Sie das Angebot annehmen. Ich werde in vier Monaten noch einmal Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Auf Wiedersehen"
Dann setzte sich Szenkowski in ein altes Auto und fuhr in Richtung Bronx davon.

Als ich Szenkowski vier Monate später wieder begegnete, war ich erneut überrascht, wie gut er informiert war. Obwohl mein grüner Irokese einem naturbraunen Kurzhaarschnitt gewichen war, meine Piercings in Nase und Ohren zu größten Teil verschwunden waren und ich jetzt auf meinen Oberarmen einige gut sichtbare Tätowierungen hatte, obwohl ich jetzt in Chicago wohnte statt in New York, obwohl ich fast alle Kontakte dorthin abgebrochen hatte und obwohl mein offizieller Beruf jetzt Sicherheitsspezialist für Internetverbindungen und nicht mehr Programmierer für Grafikanwendungen am Arbeitsplatz war, fand er mich. Auf die Minute genau vier Monate nach unserem ersten Treffen erwartete er mich an dem Ort, an dem ich freitags um diese Zeit immer bin: Auf dem Weg von meiner Wohnung im zweiundzwanzigsten Stockwerk eines Wolkenkratzers in der Stadtmitte zu einem Bordell im dreiundvierzigsten Stockwerk des Nachbarhauses. Aber ich beabsichtigte, die Methoden dieses Vereins bald herauszufinden, denn nach dem, was in diesen vier Monaten geschehen war, beabsichtigte ich, das Angebot von Herrn Szenkowski anzunehmen.
"Guten Tag, Herr Jones", begrüßte er mich. "Haben Sie lange genug überlegt? Möchten Sie jetzt mit uns zusammenarbeiten?"
Ich antwortete: "Selbstverständlich möchte ich das. Nicht nur, dass der Gates-Konzern mich höflich aber bestimmt genötigt hat, den Wohnort zu wechseln, als Bekräftigung haben diese Ärsche auch noch meine zwölfjährige Tochter hingerichtet."
Szenkowski erklärte: "Ich weiß, wie diese Leute mit Leuten umgehen, die ihre Pläne nicht billigen. Mir ist etwas ähnliches passiert. Bei einer solchen Hinrichtungsaktion habe ich genau wie Sie meine Frau und meine Tochter verloren."

So begann also meine Mitgliedschaft in der WOGK. WOGK ist eine Abkürzung für weltweite Organisation gegen Kapitalismus. Ich erfuhr zwar bald sehr viel über diese Organisation, Einiges blieb aber auch mir als bestem Freund Szenkowskis immer verschwiegen.

Über die Geschichte der Organisation kann ich hier nicht alles preisgeben, da unsere Arbeit immer noch nicht beendet ist. Zwar sind die Vereinigten Staaten von Amerika und die meisten Europäischen Länder mittlerweile befreit, jedoch herrschen vor Allem in Afrika und Asien immer noch in vielen Ländern Konzerne oder Diktatoren.
Gesagt soll jedoch sein, dass Szenkowski in Deutschland unter dem Namen Jonatan Schenk geboren ist und mit seinen Freunden Necoro und Joe M. vor der zweiten Nationalsozialistischen Regierung in Deutschland geflohen ist. Als sie in die USA kamen, mussten sie feststellen, dass dort mächtige und brutale Konzerne regierten. Also fing er an, zunächst alleine, die skrupellosen Konzerne so stark wie möglich zu schädigen. Dummerweise wurde er irgendwann gefunden und verlor seine Frau und seine Tochter. Er selbst wurde im letzten Augenblick von Joe M., der damals noch Ronny Meyer hieß, durch gezielte Fausthiebe und Tritte in die empfindlichen Stellen der Kopfgeldjäger gerettet.
Schnell packte Szenkowski seine wichtigsten Habseligkeiten zusammen, besorgte sich über einen Freund einen gefälschten Ausweis, der auf den Namen Simon Szenkowski ausgestellt war. (Hier war es von Vorteil für ihn, dass man sich mit Geld damals alles kaufen konnte.)
Mit diesem Namen war er zwar nicht von den idiotischen Konzernfuzzies, von seinen engsten Freunden jedoch immer noch zu finden. Schließlich war Simon sein zweiter Vorname und Szenkowski klang sehr ähnlich wie Schenk. Außerdem hatte er während seiner Schulzeit in einem Deutschaufsatz einmal diesen Namen verwendet.
Ronny änderte ebenfalls seinen Namen, denn man könnte versuchen, über ihn an Szenkowski heranzukommen um ihn ebenfalls hinzurichten.

Joe M., Simon Szenkowski und Necoro gründeten die WOGK. Szenkowski wollte seine Frau und seine Tochter rächen, genau wie ich. Necoro hatte eine generelle Ablehnung gegen Kapitalismus, die bei den beiden Anderen natürlich auch vorhanden war, bei ihm aber der einzige Grund für deine Mitarbeit war. Joe M. schließlich wollte sich für sein zerstörtes Leben rächen. Er hatte einen guten Schulabschluss, einen ordentlichen Job, eine gute Beziehung zu seinen Eltern und eine Eigentumswohnung gehabt, bis er durch die Notwendigkeit zu verschwinden alles aufgeben musste. Joe M. hat einmal gesagt: "Wenn ich schon ganz unten anfangen muss, dann sollen die Schuldigen nicht ganz oben sein."
Zwar war man nicht zwangsläufig für immer unten, wenn man einmal alles verloren hatte. Wenn man mit Waffen oder mit Computern umgehen konnte, hatte man immer die Möglichkeit, sich in einem der zahlreichen Konzernkriege als sogenannter "Streetrunner" beziehungsweise "Cyberwarrior" anwerben zu lassen. Jedoch war mit diesen Söldnerberufen immer eine Anerkennung der Macht der Konzerne verbunden und auf den Straßen der Großstädte wurde man immer wieder fertiggemacht und verprügelt, wenn man einen solchen Beruf ausübte. Außerdem wollte kaum jemand die Konzerne unterstützen, die die eigene Familie brutal ermordet hatten. Deshalb galt die Regel "Einmal raus, immer raus". Necoro, Szenkowski und Joe M. waren "raus".
Ich war zwanzig Jahre später, kurz bevor ich der Organisation beitrat, auch "raus". Ich arbeitete zwar als Streetrunner, aber ich ließ mich nie längerfristig an einen Konzern binden. Deshalb war mein Gehalt so niedrig, dass ich kaum davon leben konnte, obwohl ich einer der besten Runner New Yorks war, wie man mir oft sagte. Aber oft genug erfüllte ich meinen Auftrag so, dass auch der Auftraggebende Konzern geschädigt wurde. Kein Konzern wollte dieses Risiko gerne eingehen. Auch das trug zu meinem niedrigen Gehalt bei. Aber ich arbeitete auch nicht für das Geld, sondern gegen das System.
Kurz vor meinem Eintritt in die WOGK verlor ich jedoch meinen Status als Runner, weil ich nach Chicago umziehen musste.
Aber ich wollte über Szenkowski und die Organisation reden.

In meiner Anfangszeit bei WOGK behandelte mich Szenkowski wie jedes andere Mitglied auch. Ich wurde von der Organisation verpflegt und konnte im Hauptquartier, einem alten Gebäude in der Bronx, das Necoro von einem Freund zu einem Spottpreis bekommen hatte, wohnen. Das Haus hatte zehn Stockwerke mit insgesamt gut zweihundert Schlafräumen sowie Koch- und Essensräumen in den oberen neun Etagen, in der unteren Etage befanden sich hauptsächlich Arbeitsplätze. In zwanzig Jahren hatte sich die Organisation von drei auf über 30000 Mitarbeiter vergrößert, davon 10000 in den USA. In New York waren wir 500 Leute, von denen 200 im Hauptquartier wohnten. Die meisten der anderen Mitarbeiter ließen sich als Spione in die Konzerne einschleusen. Es gab auch noch ein anderes Haus in der Stadt, das Eigentum der WOGK war. Dort wohnten unsere Streetrunner. Vom Hauptquartier aus wurden oft Computer der Konzerne gehackt.

Szenkowski ließ mich zunächst fast alle Arten von Aufträgen ausführen und fragte mich sehr genau über den Verlauf aus. Er legte auch eine Statistik an, in der er zum Beispiel auflistete, wie erfolgreich ich im Ernstfall schoss, wie lange ich durchschnittlich brauchte, um ein Passwort zu knacken oder einen wichtigen Computer unbenutzbar zu machen. Er erklärte mir, dass er das bei allen neuen Mitgliedern so mache um ihre Stärken und Schwächen herauszufinden.
Ich hatte von Szenkowski zunächst den Eindruck, er sei nur ein kühl berechnender lebender Computer ohne Gefühle. Alles was er wusste schien in seiner Tabelle auf dem Computer zu stehen. Es interessierte ihn nicht, ob ein alter Freund von mir dafür verantwortlich gemacht werden könnte, wenn ich den Robinson-Konzern um das doppelte ihres Guthabens erleichtern sollte.
Die Wahrheit aber war, dass Szenkowski seine Frau wirklich geliebt hatte. Er hätte vielleicht sogar Necoro oder Joe M. für sie umgebracht. Jetzt erwartete er von mir, dass meine Frau mir ebenfalls wichtiger sein müsse als alle Freunde der Welt. Sie war es auch, aber warum sollte ich das Leben meines Freundes gefährden, wenn es auch andere Möglichkeiten gab?
Das einzige was ich übersah war, dass es keine anderen Möglichkeiten gab.


2.
Nachdem ich etwa 3 Monate bei der WOGK gearbeitet hatte, wurde ich in die Elite-Hackergruppe berufen. Diese Gruppe bestand aus den 10 besten Hackern der Organisation. Die Einsatzleitung der Elitegruppe übernahm Szenkowski persönlich.
Durch meine Arbeit in dieser Gruppe lernte ich einige der höhergestellten Organisationsmitglieder besser kennen, darunter auch Szenkowski. Seine Gefühllosigkeit führte ich jetzt auf sein schweres bisheriges Leben zurück. Des weiteren lernte ich, dass er immer versuchte, niemanden zu töten. Ich wurde sogar einmal getadelt, weil ich meinen bisher schwierigsten Auftrag einfach löste, indem ich dem Hauptsicherheitsverantwortlichen von Gates Software die Schläger der Konkurrenz auf den Hals hetzte, die ihn dann zuerst krankenhausreif prügelten und dann in einer menschenleeren Gegend in Texas absetzten. Der arme Kerl wurde nie mehr gesehen.
Ich erinnere mich noch genau an den Vortrag, den Szenkowski mir und einigen anderen unserer Leute hielt:
"Es ist uns allen klar, dass die Sicherheitssysteme von Gates Software als Symbol für die Richtigkeit der Methoden zur "Kriminalitätsbekämpfung" der Konzerne gelten. Also müssen wir irgendwann dieses System überwinden. Ich gab Euch den Auftrag, den Hauptverantwortlichen an der Weiterführung seiner Arbeit in näherer Zukunft zu hindern." Nach einer rhetorischen Pause fuhr er in eindringlichem Ton fort: "Mit Eurer Lösung dieses Problems bin ich nicht einverstanden. Unser Ziel liegt in der Bekämpfung der Ungerechtigkeit des Kapitalismus. Wie aber können wir ein System bekämpfen, dessen Methoden wir selber einsetzen? Davon abgesehen arbeiten wir eigentlich ausschließlich mit moralisch vertretbaren Mitteln. Mord ist meiner Meinung nach, der Ihr sicher zustimmen werdet, nicht moralisch vertretbar."
Hiergegen hatten wir nichts einzuwenden, auch wenn sich mir immer mehr die Frage stellte, was für ein Mensch Szenkowski war. Verbarg sich etwa hinter dieser Fassade der Gefühllosigkeit und der kaltblütigen Berechnung doch ein Mensch mit Gefühlen?
Diese Frage sollte bald beantwortet werden.

Etwa ein halbes Jahr später nämlich planten Joe M., Necoro und Szenkowski, den Gates Software-Konzern endgültig zu sabotieren. Dazu wurden alle New Yorker Mitglieder unserer Organisation, die einigermaßen mit Waffen umgehen konnten und auch einigermaßen sportlich waren, zu einem Einsatz als Streetrunner beordert. Auch Szenkowski und ich gehörten dazu. Obgleich Szenkowski eigentlich zur Unterstützung der Runner von den Computern im Hauptquartier aus benötigt wurde, bestand er darauf, im Einsatztrupp mitzuarbeiten. Als er erklärte, er habe den Computerspezialisten im Hauptquartier ausreichende Anweisungen gegeben und diese Spezialisten als Demonstration ihrer Fähigkeiten über den Computer des Robinson-Konzerns allen Mitarbeitern der bedeutendsten New Yorker Bank drei Wochen bezahlten Urlaub gegeben hatten, gab Joe M., der Einsatzleiter bei dieser Aktion war, schließlich nach. Szenkowski wurde mit mir zusammen in eine Gruppe beordert, die zur Ablenkung der Polizei das Gebäude der Konzerneigenen Zeitung stürmen sollte.
Am Tag, an dem der Einsatz stattfinden sollte, war es regnerisch und es stürmte. Wir konnten nicht mit den Autos zum Einsatzort fahren, weil sämtliche Brücken wegen des Sturms für Fahrzeuge gesperrt waren. Also mussten wir die fünf Kilometer lange Strecke bis zum Zeitungs-Gebäude zu Fuß zurücklegen. Unsere Gruppe bestand aus zwanzig Leuten, die zwar ähnlich gekleidet waren, sich sonst aber extrem deutlich unterschieden. Da waren Punks mit hohen Irokesen, normale Durchschnitts-New-Yorker mit langen fettigen Haaren, Schwarze Streetrunner aus Harlem und natürlich Szenkowski. Er bot einen Anblick, der ihn zugleich majestätisch und verwahrlost wirken ließ. Eine alte Narbe unter seinem linken Auge, die ein Ergebnis der vielen Prügel war, die er kassiert hatte, als er ganz unten war und seine langen, nassen grauen Haare, die im Sturm wehten, ließen ihn wie einen Mann wirken, der immer nur verloren hatte. Aber in seinen Augen sah man Hoffnung, dass die Welt nun besser werden würde. Seine hochgewachsene Gestalt ließ ihn wie den geborenen Anführer wirken.
Uns viel eine ungewöhnlich hohe Polizeipräsenz auf, als wir uns dem Zielgebäude näherten. Auch Krankenwagen waren in der Nähe. Sobald wir um die letzte Ecke bogen sahen wir den Grund. Die Wolkenkratzer von New York schwankten bedrohlich und das Zeitungsgebäude, eines der höchsten Gebäude in der Umgebung, das außerdem dem Wind eine große Angriffsfläche bot, stand kurz vor dem Einsturz. Polizei und Feuerwehr waren damit beschäftigt, die Leute des Gates-Konzerns zu evakuieren. Wahrscheinlich hatte der Konzern viel Geld bezahlt, damit dieses Gebäude als Erstes evakuiert wurde.
Das daraus resultierende Chaos kann man sich vorstellen. Auch unsere Leute waren davon betroffen. Einige wollten das Gebäude trotzdem sofort stürmen, Szenkowski hingegen versuchte, sie zurückzuhalten. Aber auch er hatte keine Chance gegen diese Übermacht, und so stürmten bald unsere Leute in das schwankende Hochhaus.
Als gerade die Hälfte unserer Leute im Haus verschwunden war, stürzte der Wolkenkratzer ein.
Da jetzt sowieso niemand mehr zu retten war, entfernten sich Polizei und Krankenwagen wieder. Andere Firmen hatten ihnen ja auch Geld angeboten.
Während jetzt der Großteil unserer Streetrunner auf die Überlebenden schoss, verlangte Szenkowski immer wieder von ihnen, aufzuhören, während er selber die Trümmer nach Überlebenden durchsuchte. Ich stand sprachlos in der Nähe und starrte auf die kaltblütig mordenden Rebellen und den schimpfenden Szenkowski, den ich eigentlich immer für gefühllos gehalten hatte. Ich hörte das Weinen der Frauen und das Gebrüll Szenkowskis. Als er mich dann rief, ich solle ihm helfen, war ich zunächst noch verwundert, nach einiger Zeit half ich ihm dann aber, blutige, aber noch lebende Männer, Frauen und Kinder aus den Trümmern zu ziehen.

3.
Nach diesem Ereignis war Szenkowski mir gegenüber viel offener, nach einiger Zeit weihte er mich in einige Geheimnisse der Organisation ein, und schließlich wurden wir gute Freunde. Fast immer arbeiteten wir zusammen, und ich lernte ihn viel besser kennen. Das Wichtigste über ihn habe ich bereits gesagt. Was noch interessant ist, ist, dass er nicht nur die moralischen Grundsätze, sondern auch die christlichen Gesetze zu befolgen versuchte, was in der heutigen Welt ja nicht mehr selbstverständlich ist.
Wenige Tage nach seinem 14. Geburtstag hatte er seine spätere Frau zum ersten mal getroffen. Er beschrieb sie als ein dunkelhaariges Mädchen von übermenschlicher Schönheit. Aber erst als er 25 Jahre alt war und schon in den Vereinigten Staaten von Amerika lebte, wo er Informatik studierte, traf Jonatan sie wieder. Als er sie näher kennen lernte, merkte er, dass sie zwar ganz anders war, als er sich immer vorgestellt hatte, aber trotzdem wie für ihn geschaffen war. Ein Großteil seiner bisherigen Meinung über sie entstammte seiner blühenden Phantasie, denn er hatte sie in diesen 11 Jahren nie vergessen und immer wieder von ihr geträumt.
An einem Tag im Jahr 2045 plante Szenkowski eine groß angelegte Aktion gegen die Nazi-Herrschaft in Deutschland. Er wählte den Tag sorgfältig aus. Es war der 100. Todestag des "großen Hurensohnes", wie er den großen Hurensohn nannte. Vor 100 Jahren war schon einmal ein Nazi-Reich in Deutschland zu Fall gebracht worden.
Die 3000 besten Streetrunner, die unserer Organisation zur Verfügung standen, wurden innerhalb von 10 Monaten nach Deutschland eingeschleust. Nur 2000 von ihnen überschritten die Grenze lebend. Die anderen 1000 wurden erschossen oder aber gefangen und vergast, aufgehängt oder geköpft.
Diese 2000 Elitekämpfer sollten von 5000 Hackern unterstützt werden, die die Sicherheitssysteme der Nazis unbrauchbar machen sollten.
In der Woche davor arbeitete Szenkowski 24 Stunden am Tag an seinem Computer. Er schrieb ein Programm in einer uralten Programmiersprache, die so alt war, dass nicht einmal ich sie kannte. Er nannte sie Ansi-C.
Wie er mir erzählte, wurde diese Sprache im 20. Jahrhundert entwickelt und war lange Zeit Standardsprache für alle Anwendungen.
Szenkowski und ich bearbeiteten die Sicherheitssysteme von unserem Hauptquartier in New York aus. Außer uns arbeiteten noch weitere 100 Leute in 2 Schichten dort.
Dummerweise musste einer der gefangenen Kämpfer uns verraten haben, auf jeden Fall standen am Tag des Einsatzes sämtliche bestechlichen Bullen und Soldaten aus New York vor unserer Tür. Das heißt, wir bekamen es mit den gesamten Sicherheitskräften New Yorks zu tun.
Der Plan sah vor, dass unsere Hacker den Hauptcomputer lahm legen, so dass die Streetrunner ungestört den Reichstag in Berlin sprengen können. Für die Arbeit der Hacker waren 5 Stunden eingeplant. Dummerweise blieben uns jetzt höchstens noch 5 Minuten, denn so lange konnten unsere Wachleute und die Hacker, die gerade nicht im Einsatz waren, die Polizisten aufhalten.
Anrufe in unsere anderen Hackerstützpunkte ergaben entweder keine Antwort, oder eine schlechte Nachricht.
Szenkowski beorderte kurzerhand alle Hacker außer uns beiden zur Verteidigung. So waren wir zwar nur noch zwei statt 52 Leuten, aber dafür hatten wir deutlich länger Zeit.
Mir sagte er in freundlichem, aber bestimmtem Ton, ich solle den Idioten mal was von Taktik erzählen.
Ich gab unseren Leuten also sehr genaue Anweisungen, aber nebenbei achtete ich auf seinen Bildschirm. Sämtliche Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lassend, setzte er ein Passwortknacker-Programm auf den Hauptrechner an, welches ich noch nicht kannte.
Jetzt wusste ich also, was mein Freund die ganzen Nächte davor getan hatte: Er hatte eine Methode gefunden, in Ansi-C viele moderne Passwortsysteme zu knacken.
Ich konnte kaum verfolgen, was er auf der Tastatur schrieb, so schnell arbeitete er, und er machte keine Tippfehler. Ich weiß bis heute nicht, wie das funktionierte, weil die Festplatte und der Prozessor später geschmolzen sind. Das kommt davon, dass Szenkowski den Prozessor übertaktet hatte. Auch die Festplatte wurde mit stark erhöhter Geschwindigkeit betrieben, damit das Programm schnell genug arbeitete. Außerdem blies der Lüfter die warme Luft vom Prozessor auf die Festplatte.
Eine Viertelstunde lang konnten unsere Leute die Bullen aufhalten, dann waren außer den korrupten Ärschen nur noch Szenkowski, ich und fünf andere Leute im Raum. Einer der Bullen nahm Szenkowski sofort in den Würgegriff, aber er wehrte sich. Erst als einer der Anderen Szenkowski mit einem Gewehr in den Kopf schoss, versagten seine Kräfte. Aber bevor er starb, drückte er noch einmal auf die Eingabetaste und besiegelte damit das Ende des Nazi-Reiches.
Kurz nach seinem Tod stürmte Necoro mit einer Horde Rebellen in den Raum, die er noch herbeigeholt hatte. Jetzt waren wir plötzlich in der Überzahl, so dass die Bullen sich ergaben. Necoro befahl den Straßenkämpfern, das Feuer einzustellen. Das taten sie dann irgendwann auch. Wieder musste ich mich über einen unserer Gründer wundern, den ich für einen kaltblütigen Killer gehalten hatte.

Mir bleibt eigentlich nur noch zu sagen, dass wir gewonnen haben und das Szenkowski für die Gerechtigkeit gestorben ist. Ich glaube, dass das gut ist.
 
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Kommentare  

Schöne Geschichte,aber was will er uns sagen,denn ich glaube da steckt mehr dahinter.
Politisch bin ich nicht so gut drauf um den Hintergrund zu erkennen.


H.P.Wolzenburg (09.10.2001)

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