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Zehleid

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Meggie
Madam Bordaeux war eine der bekanntesten und gefragtesten Fuss-Knochen-Gewebe-Spezialisten Frankreichs und mich verzückte der Gedanke, sie aufzusuchen.
Durch einen unvorhersehbaren Betriebsunfall war ich seit einigen Tagen gehbehindert und so in meiner Lebensqualität eingeschränkt und auf die Pflege meiner alten, an Arthrtitis leidenden Mutter angewiesen. Zu unser aller Erleichterung fand ich nach langem verzweifelten Suchen endlich den geeigneten Arzt - oder besser gesagt: die geeignete Ärztin. Nur das Beste für meinen notleidenden Zeh.
Nach einem kurzen Telefonat, in dem ich Dr. Bordeaux von der außerordentlichen Dringlichkeit meiner Behandlung überzeugte, ging es los.
Mutig zwängte ich meinen Fuß in den Schuh, ließ mir von Mutter die Treppe hinunterhelfen und stieg ins Auto. Welch eine Tortur das Autofahren für mich darstellte! Zwanghaft bemüht, meinen Zeh auf dem Pedal nicht unnötig zu belasten, viel es mir immer schwerer mich auf den Verkehr und zusätzlich auf den richtigen Weg zu konzentrieren.
Schließlich gab ich es auf und hielt am Straßenrand, um einen Blick auf den Stadtplan zu werfen. Diese Straße, in der sich Madame Bordeaux' Fußparadies zu befinden wägte, kam mir völlig unbekannt vor!
Aber ich war ein ergeiziger Bursche und wusste, ich würde die Straße finden, noch bevor ich einen qualvollen Zehleid-Tod erleiden musste. Entschlossener denn je machte ich mich wieder auf die Suche.
An Stelle des Optimismus jedoch trat schnell der Pessimismus, als sich jene Suche als die reinste Irrfahrt erwies.
Zweimal fuhr ich im Schneckentempo die besagte Straße entlang und verursachte hinter mir ein regelrechtes Hupenkonzert, während ich mich darauf konzentrierte, die Hausnummern zu erkennen.
Als ich dies zum dritten Mal tat und die gesuchte Adresse immer noch nicht ausfindeig gemacht hatte, wurde ich stutzig. So konnte es nicht weitergehen. Entschlossen, meine "Rettet-Den-Zeh-Mission" zu erfüllen, zog ich - waghalsig wie ich war - mitten auf der Straße die Handbremse und zückte mein Fernglas. Nichts und niemand würde mich von meinem Ziel abbringen! Angespannt und mit einem nervtötend zuckendem, linkem Augenlid schaute ich durchs Fernglas, während ich das immer noch andauernde Hupenkonzert geflissentlich überhörte.
Ja, dort war ein Haus, dessen Nummer von Moss bewachsen kaum noch zu erkennen war!
In einem der Fenster machte ich das weiße Blitzen eines Ärztekittels aus und mein Verdacht war bestätigt. Kein Wunder, dass ich es so lange nicht hatte finden können.... bei dieser Tarnung!
Tollkühn parkte ich meinen Wagen mitten in der Einfahrt – schließlich war dies ein Notfall. Ich wusste, nun kam der schwierigste Part auf mich zu; der Weg aus dem Auto in die Praxis. Dies würde der erste Gang werden, den ich mit meinem Zehleid alleine tat... Doch ich wollte dem Teufel ein Schnäppchen schlagen. Ich hatte mir viele Gedanken darüber gemacht und schließlich eine raffinierte Möglichkeit herausgearbeitet, mich fortzubewegen ohne den notleidenden Zeh zu belasten. Es war leichtsinnig die nicht niedrige Chance des Scheiterns meiner noch nicht erprobten Technik in Kauf zu nehmen - aber ich war bereit jedes Risiko einzugehen. Meine Zuversicht sollte sich belohnt machen, ich überstand den langen Weg bis in das Haus.
In einem Behandlungsraum der Praxis angelangt, fiel ich erschöpft auf eine speziell zur Fußuntersuchung konstruierten Liege. Nicht lange und Madame Bordeaux betrat das Zimmer. Missgelaunt musterte und begrüßte sie mich. Ihr Verhalten war recht empörend doch angesichts der Situation musste ich Nachsicht zeigen. Es gab Wichtigeres. „Dann zeigen Sie mir mal Ihr Weh-weh-chen..“, sagte sie. Zaghaft deutete ich auf meinen rechten Fuß und sogleich entriss sie dem Armen Schuh und Socke. Ich unterdrückte einen Aufschrei des Schmerzes. Nahezu respektlos unvorsichtig nahm Madame Bordeaux meinen nackten Fuß in ihre klobigen Hände, drückte mal hier, mal da, bog mal an dem einen, mal an dem anderen Zeh, so dass ich immer wieder meine ganze Willenskraft aufbringen musste, um nicht bei jeder bevorstehenden Berührung laut aufzuschreien; wenn es Gottes Wille war, dass ich an diesem Ort vor lauter Seelenqualen starb, dann sollte es so sein, ich würde es mit Würde ertragen, ohne auch nur ein einziges Winseln von mir zu geben.
Als Madame Bordeuax ihre unübliche Diagnosetechnik beendet hatte, beäugte sie mich kritisch und trug auf: „Ziehen Sie sich Ihren Schuh wieder an.“
Mutig schlüpfte ich zurück in die Socke und in den Schuh, während mein Zeh pulsierende Höllenqualen litt. Dann blickte ich wieder auf zu Madam Bordeuax und erwartete ihre Diagnose. Innerlich machte ich mich auf das Schlimmste gefasst – egal was jetzt kam, ich würde es hinnehmen und meinen Zeh nicht im Stich lassen!
Auf das was dann jedoch tatsächlich folgte, war ich beim besten Willen nicht gefasst: Madam Bordeuax lächelte: “Na, na ... keine Bange! Das wird schon wieder! Das kleine Bäulchen verschwindet nach kurzer Zeit wie von selbst“, zwinkerte sie mir zu und ließ mich, ratlos wie ich war, einfach sitzen.
Ich verließ die Praxis – immer noch mit äußerster Zeh-Vorsicht – und war bis aufs Äußerste verwirrt.
Was hatte Madam Bordeaux mit ihrem geheimnisvollem Zwinkern nur gemeint? Keine Frage - da steckte mehr dahinter als sie offen zu sagen pfegte! Sie hatte sich durch die Blume ausgedrückt - und ich hatte ihr beim besten Willen nicht folgen können. Was hatte sie mir nur mitteilen wollen? Ich stieg vorsichtig wieder in mein Auto, während ich nach wie vor angestrengt nachdachte.
Nachdenklich starrte ich auf eine junge Frau, die einen Kinderwagen vor sich her und an meinem geparkten Auto vorbeischob. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen....
....Oh, mein Gott, mein Zeh war schwanger! Meine Gedanken begannen wie wild durcheinander zu rasen, so sehr, dass ich kaum noch einen von ihnen klar fassen konnte. Nein, ich war zweifellos unfähig einen Zeh auf die Welt zu bringen! Zweifellos war ich ein Ehrenmann und wollte mich nicht mit Absicht der Verantwortung entziehen, aber angesichts meiner offensichtlichen Unfähigkeit, blieb mir nichts anderes übrig.
Ich würde das Jugendamt um finanzielle Unterstützung bitten müssen - und um den Rest konnte sich immer noch meine alte Mutter kümmern, die ihre Arthritis vor meinem Zehleid auch ruhig mal in den Hintergund stellen sollte.
 
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Kommentare  

*dem-Drachenlord-nachplappere*
Anfang bissy kürzer wär echt gut. Dann kommt der schwangere Zeh besser an. :-)
Für ein fettes Schmunzeln ist die Story allemal gut und für vier Punkte auch.


Stefan Steinmetz (25.10.2003)

Na nun mal nicht übertreiben, sooooo schlecht ist der Anfang nun auch nicht, aber es liest sich halt langsam an und da gerade der Anfang den Leser ja einfangen soll, könnte ein Satz der Neugierig macht deine Story nur noch etwas aufwerten.

Drachenlord (25.07.2003)

Ja, du hast recht ....
Jetzt wo ich es mir mit diesem Aspekt noch einmal durchlese, fällt es mir auch total auf ! Im Vergleich zum Ende der Story, ist der Anfang total schlecht geraten *hmpf* Danke, werde versuchen den Anfang etwas umzugestalten :)


Meggie (25.07.2003)

*schmunzel*
Das nenn ich mal einen Hypochonder *g*
Insgesamt gefällt mir die Story gut, allerdings ist der Einstieg etwas langatmig geraten. Du könntest das noch aufpeppen, indem du vielleicht den Unfall etwas mehr aufbauscht oder den „armen“ Leidenden etwas mehr seiner auszustehenden „Höllenqualen“ rüberbringen lässt.
Allerdings gefällt mir die langsame Steigerung des Satirischen ausnehmend gut, so das eine Wertung von vier Punkten übrig bleibt.


Drachenlord (25.07.2003)

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