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Hinter den Wolken und weiter

Spannendes · Kurzgeschichten
Jetzt sitze ich im Flugzeug, links am Fenster, 4. Reihe. Der Mann neben mir liest die Zeitung vom 24. Februar. Ab und zu blickt er auf. "Interessiert dich auch der Sportteil? Wenn du willst, kannst du den Artikel über die Golfmeisterschaften lesen", fragend schaut er mich an. "Oh nein danke. Von Golf habe ich erstmal genug", erwidere ich freundlich. Ein wenig geringschätzig, wie mir scheint, schweift sein Blick über meinen teuren Maßanzug. Sicher denkt er ich sei ein eingebildeter Schnösel. Von Beruf Sohn. Golf ist dem Herren wohl nicht gut genug. Der Mann liest weiter seine Zeitung und schenkt mir nicht mehr Beachtung. In Malaysia werde ich wohl Golf endgültig vergessen können. Vater hat mich Sonntags oft zum Golfen mitgenommen. Wie ich seine Geschäftsfreunde hasse. Alles nur aufgesetzte Freundlichkeit, weil sie hoffen vielleicht ein gutes Geschäft mit meinem Vater abschließen zu können...
Ich schaue aus dem Fenster. Die Wolken sehen aus wie Sahne auf den Eisbechern, die Marco in seiner Eisdiele in der 43. Straße jeden Tag verkauft. Wenn ich aus der Schule an dieser Eisdiele vorbeikam, saßen da fröhliche, lachende Kinder in meinem Alter. Nur ich durfte nie einen Freund zum Eisessen einladen, geschweige denn mit nach Hause bringen. Seid zwei Jahren fühle ich mich wie ein Vogel im goldenen Käfig. Ohne Zweifel habe ich alles, was ich mir wünsche. Ein eigenes Pferd, ein riesiges Zimmer und meinen Caprio, was ich zum 18. Geburtstag geschenkt bekommen soll, steht schon in der Doppelgarage. Eins fehlt mir. Einen Freund. Oder einen Bruder, mit dem ich über alles reden kann. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht mindestens zwei Bücher pro Tag zu lesen. Am liebsten über ferne Länder, wie Malaysia oder Thailand. Oft habe ich mir vorgestellt, einfach alles liegen und stehen zu lassen und abzuhauen. Doch Zweifel und Angst haben diesen tollkühnen Plan jedes Mal im Keim erstickt.
Ich lächle. Der Mann neben mir schaut mich kurz an. Ja, dieses mal habe ich es getan. Eigentlich stand mein Entschluß seid gestern fest. Es war Mittag und Vater, Mutter und ich saßen am großen Eichentisch im Esszimmer. Die Glocken läuteten in der Ferne und Anna, das Dienstmädchen, brachte das Essen gerade herein. "Schatz, wie war die Schule?", fragte mich Mutter. "Ganz in Ordnung", murmelte ich. Nichts war in Ordnung. Am liebsten säße ich in der Eisdiele in der 43. Straße und würde Eis mit Freunden essen. Da passiert es. Nur eine kleine Bemerkung und ich verlor jede Selbstkontrolle. "Morgen wieder Golfen? Oder hast du was vor mit Freunden...ach nein du hast ja keine Freunde", lachte mein Vater. Es war nicht gemein, es war eine Tatsache und er log nicht. Doch in diesem Moment machte es in meinem Kopf "Klick". Ich stand ruckartig auf und erwischte mit meiner Hand die Schüssel mit der Spaghettisoße. Die rote, zähe Masse ergoß sich über die weiße Tischdecke. "Schatz, aber!...", stammelte Mutter. "Es reicht! Ich habe genug von diesem Leben. Ich...", weiter wußte ich nicht. Rannte aus dem Esszimmer, stürmte die Treppe hoch und holte die Reisetasche aus dem Flurschrank. Alles war gepackt, für den Notfall, falls ich wircklich mal abhauen würde. Den Pass hatte ich auch schon zurechtgelegt. Geld spielte keine Rolle. Wozu hatte ich schließlich gespart? Ich knallte die Haustür zu und rannte zur Bushaltestelle. Mama oder Vater hielten mich nicht auf. Ich fuhr mit dem Bus nach London, übernachtete im Motel und schließlich stieg ich in das Flugzeug nach Malaysia.
"In 10 Minuten landen wir!", dröhnt die Stimme des Piloten durch die Lautsprecher. Malaysia. Es ist schon verrückt. Wie oft hab ich mir alles vorgestellt und jetzt einfach getan. Aus dem Fenster erkenne ich einzelne Häuser. Es ist noch schöner als in Büchern.
Plötzlich fühle ich eine Hand auf meiner Schulter. "Mister? Ihr Vater hat eben auf den Flugplatz angerufen. Sie sollen den nächsten Flieger nach Hause nehmen!" Ich blicke hoch. Die Stewardess schaut mich merkwürdig an. "Ja, in Ordnung!", murmel ich.
Aus der Traum! Aber wie haben sie das herausgefunden? Ich verstehe es nicht. Soweit war ich gekommen und jetzt ist alles umsonst. Am liebsten würde ich losweinen, aber mir wäre es peinlich vor den ganzen Leuten wie ein Baby zu flennen.

Der Flugplatz ist ganz leer. Da, an der Gepäckausgabe steht mein Vater und winkt. Zögernd winke ich zurück. "Peter!", ruft er mir entgegen.
Der Flug zurück war viel kürzer als nach Malaysia. So kam es mir vor. Gewissensbisse und Schuldgefühle quälten mich. Aber jetzt steht Vater vor mir und lacht. "Peter wie kommst du nur auf so eine Idee? Einfach nach Malaysia zu fliegen...?" Er bringt mich zum Auto und Charles, unser Chauffeur grinst mir freundlich zu. Dann schlafe ich ein.
Licht blendet mich. Wo bin ich? In Malaysia? Da fällt mir alles ein. Jemand klopft an der Tür und Mutter tritt ins Zimmer, an mein Bett. "Gestern abend haben Vater und ich lange über dich geredet. Wir haben eingesehen, dass du zu wenig Kontakt mit Gleichaltrigen hast. Was hälst du davon morgen Kevin, den netten Jungen aus deiner Klasse, einzuladen?" Ich nicke und falle ihr um den Hals. Ich glaube ab heute wird alles anders.
 
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Kommentare  

hey sophie!
wusste gar nicht, dass du deine Schriften veröffentlichst! :-)
Tobüüü


tobi (09.02.2004)

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