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3 Seiten

Marokko und die Dinosaurier ...

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten · Sommer/Urlaub/Reise
© schakim
Warum Marokko und warum die Dinosaurier? Sie ist mir gerade vorhin durch den Kopf gegeistert - diese Geschichte.

Ich habe mit einem Mann, der sich hinter einem Fossilienstand befand, geschwätzt. Der Verursacher, der zum Gespräch geführt hat, war ein kleiner Pfeilschwanzkrebs. Den kennt natürlich keiner. Woher auch. Woher sollte man auch diese fliegenden Wasseruntertassen kennen, die ein Relikt aus der Saurierzeit darstellen, Jahrmillionen zurück, wenn nicht noch früher ... Aber es sind spannende Tiere. Sie wachsen ganz langsam und müssen sich - wie alle Krebse - häuten. Immer wieder. Sie sind sogar eher mit den Spinnen als mit den Krebsen verwandt! Wie komisch! Auf dem Fossilientisch war ein kleines Becken aufgestellt, so eines, das früher zum Fotos entwickeln in der Dunkelkammer benutzt wurde. Darin befand sich eine dünne Schicht Sand und drüber hinweg flitzte ganz eifrig, den Sand durchwühlend, ein Baby-Pfeilschwanzkrebs. Ich kann euch sagen, daneben sahen die alten Steine mit den versteinerten Abdrücken und Relikten von archaischen Tieren direkt bescheiden aus. Wer interessiert sich für einen Saurierknochen, für Trylobiten, für einen versteinerten Knochenfisch oder für Ammoniten, wenn ein lebhafter Pfeilschwanzkrebs seine Runden dreht? Fast keiner. Alle starrten auf den Krebs. Prächtig, diese kleine Unterseetasse ... ehrlich!

Wie soll ich bloss das Tierchen erklären? Es sieht wie ein umgestürzter Teller aus im Kleinformat, ca. drei Centimeter gross und aus dieser runden Scheibe ragt ein kleiner Schwanz, der sich zur Spitze verjüngt, wie ein Stachel. Oder sieht es eher wie ein glücksbringendes Hufeisen aus, dieses Krebstier? Ich habe noch nie ein Baby-Pfeilschwanzkrebs gesehen, sondern zumeist sind die suppentellergross und schwimmen in einem grossen Terrarium. Die Krebse können sich auch im Sand einbuddeln, wie man das von den Normalos der Krebse gewöhnt ist. Es sind einfach spezielle Krustentiere, weil sie diese tellerförmige Gestalt haben. In den Weltmeeren werden sie bis zu sechzig Centimeter gross inklusive Stachelschwanz. Ja, dieser Krebs hat mich zum Gespräch mit dem Aussteller gebracht.

Der Mann geht jedes Jahr in die marokkanische Wüste. Und weg war ich ... fasziniert! Da zeigte er auf zwei abgegriffene Fotos, die auch auf dem Tisch lagen. Sie schlummerten aber unauffällig zwischen den Objekten, dass sie wirklich übersehen werden konnten - schon leicht ausgebleicht! Da schmiegt sich der gute Mann an einen grossen Saurieroberschenkelknochen mitten in der Wüste zum Grössenvergleich, hinter ihm sein Auto und gleich daneben sein Igluzelt. In der Nacht wird es oft bis zehn Grad unter Null frisch und am Tag wieder zwanzig Grad warm im Januar. Strahlender Sonnenschein und eine Unmenge Sand mit dem jeansbekleideten Mann auf dem Foto. Wow! Ich könnte gleich losfliegen, dachte ich mir. Die grösste Arbeit kommt erst zu Hause, erklärte er weiter, dann, wenn er die Fundstücke, die er manchmal aus ziemlichen Tiefen hervorbuddelt, präparieren und sorgfältig freilegen muss. Das ist die wahre Knochenarbeit, meinte er. Das Finden sei natürlich eine andere Sache, denn wer hat schon soviel Glück am Tag und findet, was er sucht? Dabei lächelte er verschmitzt mit seinen gelben Zähnen. Er könnte glatt ein halber Marokkaner sein, dachte ich mir. Die haben auch immer diese leicht gelblichen Zähne, diese Nordafrikaner ... Sein Gesicht umrahmte eine grauweisse Listmähne. Er war ein spezieller Typ. Hoch gewachsen, schmal ein leptosomer Typ. Ein Einzelgänger ... ein Eremit, der nur zu Ausstellungen und zu Messen sich unter die Menschen mengte. Ansonsten liebte er die Freiheit seiner Arbeit, die gleichzeitig seine Leidenschaft war. Eine Leidenschaft, die so mancher bewundert aber nicht mit ihm teilen würde. Eine Leidenschaft, die Einsamkeit bedeutet. Eine Leidenschaft, die Entbehrungen bedeutet. Eine Leidenschaft, die Verzicht auf die moderne Zivilisation bedeutet. Ein Lagerfeuerchen am Abend zum Wärmen. Den glitzernden Sternenhimmel als Decke, den Sternenhimmel der Wüste! Die weite Landschaft und die Träume ...

Und jetzt? Jetzt stand der Mann hinter seinem Stand und erzählte die spannendsten Geschichten, die sich auf seinen abenteuerlichen Reisen oft ergeben haben. Er genoss es sichtlich, dass er Zuhörer gefunden hatte. er blühte auf zu einem Menschen, dem man Achtung zollt. Die Auslagen der Fossilien, die Knochen und die Versteinerungen wurden nebensächlich. Die Leute schauten den kleinen Pfeilschwanzkrebs an, wunderten sich über dieses eigenartige Wesen und hörten fasziniert den Worten des Wüstenarbeiters zu. Dinosaurierknochen findet man nicht einfach herumliegend! Man muss Geduld haben, von einem starken Willen geprägt sein, zu suchen und zu finden. Und das kann ewig dauern ... Aber die Wüste in Marokko ist geduldig. Und der Mann geht jedes Jahr dorthin. Er verwirklicht seine Träume, so dass sogar ein kleiner Pfeilschwanzkrebs auf einmal Beachtung bekommt und Neugierde weckt. Neugierde auf eine längst vergangene Zeit! Es müssen nicht immer Dinosaurier sein ...
 
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Kommentare  

Danke Heidi! Neugier wollte ich wecken, und wenn es mir geglückt ist, dann war es sinnvoll, den Text zu schreiben. Wüstenromantik und Lagerfeuer ... mal schauen, vielleicht ein Anfang für eine neue Geschichte ...

Schöne Grüsse zurück!
Schakim


schakim (16.12.2003)

du hast es auch geschafft: nämlich Neugierde wecken!
zumindest ich habe gleich nachgeforscht und mir Pfeilschwanzkrebs-Bilder im Web angeschaut!
auch wenn ich deine Begeisterung über das Tierchen nicht teilen kann (mir sind Katzen allemal lieber!!), finde ich deinen Text gelungen.

wenn du mehr über die Wüstenromantik und Lagerfeuer usw. geschrieben würdest, wäre der Text für eine breitere Publikum auch attraktiv!

schöne Grüße und 4 Punkte,
Heidi StN


Heidi StN (13.12.2003)

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