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Mein liebes Unwohlsein,

Nachdenkliches · Experimentelles
Meine liebes Unwohlsein,

ich schreibe Ihnen diesen Brief, nicht ohne eine große Angst zwischen meinen Brauen und verspreche mir nichts als eine Linderung. Das und nicht mehr. Es ist vermessen, dass ich diese Zeilen an Sie richte, aber seien sie gnädig und verzeihen dem kranken Herzen in meiner Brust. Erblicken Sie den Vogel, der die erste Stunde fliegt und reisen sie mit Ihrer Vorstellung dahin, dass dieses schwebende Geschöpf nicht mehr fliegen kann. Mit dem Grund möchte ich ihr zarte Gemüt nicht belasten. Es wird dem armen Wesen schlecht ergehen. Immer wieder will es hin zum Himmel. Die Sehnsucht wird allezeit stärker. Stunde für Stunde und Tag für Tag. Ich bin so ein Vogel.
Habe einmal ihre wunderschönen Augen in den meinen gespürt, ihr Lachen eingeatmet und das wunderschöne goldene Haar gesehen, dass die Strahlen der Sonne, wie Kohlenspuren auf grauen Asphalt ausschauen lässt.
Der Unterschied der mich vom Tier trennt, ist der, dass dieses eine Stunde fliegen durfte. Ich hingegen habe nur meine Träume. Ferner keine wirklichen Flügel.
Lange Zeit hat sich mir Ihr Anblick ins Herz geschlichen. Erst gedachte ich, dass mir Ihre Natürlichkeit einen gewissen Reiz losgeschlagen hätte, der rein platonisch, Ihre Schönheit bewundern würde. In dieser Zeitspanne ging es mir prächtig. Die Farben waren voller Nuancen. Der Himmel stets wolkenleer und jede kleinste Begebenheit zauberte mir die positiven Blickwinkel herbei.
Zu diesem modernen Zeitpunkt jedoch fühle ich mehr. Nichts in meinem Leben war in mir je so stark, wie diese nun gefasste Sicherheit. Wie diese reine göttliche Kraft, die sich in meinem Körper befindet. In meinen Händen zittert, wenn auch nur ein Gedanke zu Ihnen fliegt. In meinem Magen, wenn die Nacht ihre Vorhänge vor die Fenster zieht und ich an Ihre Gestalt denke. Es liegt mir fern, Sie in ihrer Person zu bedrängen. Es ist meine Seele die nicht anders kann. Die sich ihnen offenbaren will und muss.
Doch ich weiß, dass die Wege zu ihrem Herzen streng verbaut sind. Wachen patrouillieren jeden Tag und jede Nacht. Es gibt keine Möglichkeit sie zu überwinden. Keine Chance.
Nähme ich einen Zeppelin würde ich über die Wachen schweben. Vielleicht für einen Moment nah sein, dann doch scheitern und an der von Ihnen gesetzten Schutzscheibe in die Leere fallen. Ich hätte Sie von nahem gefühlt und diese eine Sekunde wäre mir mehr wert, als mein ganzes Leben. Danach würde nichts mehr kommen können. Kein schönerer Moment, kein Glück. Nur Lügen würden mir helfen weiter zu leben.
Diese Kenntnis, verbunden mit den meinigen Ihnen entgegengebrachten Gefühlen, die ich heimlich mit mir trage, wenn sich ihre Hand an die meine drückt, haben eine fürchterliche Krankheit erschaffen.
Hundert Nadelstiche traktieren meinen Leib, wenn ich in Gedanken schwelge und tue ich es nicht, frisst sich die Sehnsucht noch ärger durch meinen Leib.
Es ist ein Schmerz gegen das kein Mittel auf der Welt existiert. Niemand kann ihn lindern. Kein Pillendreher und kein Arzt. Nur der Tod.
Und so sollen dies meine letzten Worte sein. Ich schenke Ihnen, meinem heimlichen Glück, die letzten Minuten. Den letzten Atemzug schmücke ich mit ihrem Gesicht und lächele. Bevor die Kerze ihren letzten Lichttanz vollführt, werde ich mich erlösen. Die einzige Gunst, die mir dann bleibt, ist ihr Glück auf Erden beschützen zu können. Von hoch oben ihren Weg bereiten, die schweren Steine forttragen und mit all meinem Seelensaft bei Ihnen sein. Für einen Schutzengel gibt es keine Wachen, keine Wand, keine Mauern und keine Grenzen.
Sehen sie in den Himmel. Spüren Sie den Windhauch auf ihren Wangen? Würdigen Sie die Vögel, die vor Ihren Fenster picken. Das Glitzern in ihrem Wasserglas und das Lachen eines Kindes. All das bin ich, wenn Sie diese Zeilen lesen.

Keine Heimlichkeit. Die Krankheit wird zur Liebe.
 
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