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Der warme Mond, die kalte Sonne

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der Mond leuchtete neugierig in den Hafen und warf seinen Schein auf die Boote und an den Strand. Er untersuchte sogar die Winkel unter der Brücke mit seinem weißen Spiegelbild. Ein paar Enten lagen am Ufer und hatten sich ihre Köpfe in das Gefieder gepackt. Auch zwischen ihnen fand er nicht wonach er suchte.
Dabei stand er doch genau richtig. Das Sternbild des großen Wagens war genau da wo es sein sollte.

Aus der Stadt hörte er keine freudigen Schritte kommen und auf der Bank lag nur ein einzelnes Blatt und schwappte im frischen Wind von einem zum anderen Ende.

Gestern, vorgestern und davor hatte es sich immer gleich abgespielt.
Ein junger Mann setzte sich hier hin, rauchte eine nach der anderen Zigarette und schaute immer wieder über seine Schulter die Straße hoch. Seine Nervosität schillerte bläulich, er wippte ständig mit den Beinen.
Als er ihren Gang und den schwarzen Mantel erkannte drehte er sich schnell um und tat so als wenn er ihr Kommen nicht gesehen hätte. Lässig nahm er einen kräftigen Zug und blies eine graue Wolke ins Schwarz, als sie hinter ihm leise flüsterte:

„Hallo“

Ihre großen Augen lächelten und ihr Lachen glänzte. Vor sich hielt sie ihre Handtasche und ließ sie verlegen herumbaumeln.
Sein Herz hüpfte und ihres sprang ihm entgegen. Zaghaft drückte er sie an sich und sog ihren Geruch ganz tief in seinen Bauch. Dort machte sich ein wohliges Erkennen fühlbar.

„Wollen wir ein Stück gehen?“

Sie wollte. Sie wollte immer. Ihre Hände berührten sich nicht. Sie kosteten nicht von-, und setzten das Rot ihrer Antlitze nicht aufeinander. Doch ihre Blicke spielten miteinander. Der ihre lag stets in seinen Augen und er streichelte sie in Gedanken bei allem was sie tat. Das Strahlen ihrer Augen war ihnen eine eigene Sprache. Das Licht darin veränderte sich. Wurde matter bei Traurigkeit und schimmerten in allen Farben bei Glück.

Der Mond hatte schon viel erblickt. Viele Lieben die ineinander rauschten, genug Gefühle um damit alle Steine zum Leben zu erwecken und Liebeskummer der die ganze Welt zerfetzte.
Doch so ein Leuchten und so eine Energie hatte er auf der Erde noch nie blitzen sehen. So ein Funkeln, als sie sich das erste mal getroffen hatten, hatte ihn aufmerksam gemacht.

Stets liefen sie nur einen kleinen Weg. Tauschten ihre Sorgen und Erlebnisse aus und blieben dann irgendwo im Sand oder auf der Brücke sitzen. Ihre Last konnte er gut tragen und die seine nahm sie mit einem Augenaufschlag entgegen. Sie war froh, dass er sie brauchte und anders herum war es ebenso.
Auch Glück teilten sie sich und ein Lachen allein war niemals zu hören.

Das Feuer zwischen ihnen, dieses glühende Band war heller als die Sterne und der Mund suhlte sich gerne in diesem Licht.

Ihr Herz spürte diese Wärme genau und klopfte wild wenn sie an ihn dachte. Sein Bild hing an allen Gedankenwänden und bevor sie sich mit ihm traf bekam sie ein ganz flaues Gefühl.
Ihm zitterten die Knie und alle seine Stärke sackte in ihm zusammen. Seine Hilflosigkeit wurde bei ihr zur Stärke. Seitdem er sie kannte, ließ er Gefühle zu. Die bestanden alle aus ihr.

Zeit lief an ihnen vorbei und oft war ein Wort zwanzig Minuten lang. Oft ging der Erdtrabant unter und die beiden waren noch immer da.

Dieses Mal jedoch schaute der Mond umsonst zum Hafen. Keine Zigarette glühte in den Hauseingängen, die Strandkörbe waren kalt und das Meeresrauschen durchbrach kein Gekicher und auch kein Weinen.

Bevor der Mond dann unterging und mit der Hälfte schon woanders schien, warf er eine Nachricht an den Himmel.

Absender Mond. An Sonne.

Nachts darauf fing der silbrige Trabant zu lesen an.

Die Sonne hatte die beiden Menschen den letzten Tag entdeckt. Vorher hatten sie nicht für sie existiert.
Doch nun war ein eisiger Wind zu ihr gestiegen.
Ihre Kälte zueinander sei herrlich schrieb sie. Diese Kühle hätte sie noch nie erlebt und gerne zehre sie davon. Eine wunderbare Erfrischung diese Beiden.

Er soll sie angeschrieen haben und sie habe Sachen nach ihm geworfen. Ihre Tränen perlten von seinem Stolz und sie konnte ihn nicht mehr verstehen. Lange sahen sie sich nicht und ihre Herzen wurden für alle anderen Menschen kalt.
Eisige ausgetauschte Blicke fetzten die warmen Erinnerungen hinfort.

Sie hatten sich eines Morgens am Strande geküsst.

Der Mond weinte schwer um diesen Verlust. Nächte für Nächte hindurch waren die Löcher auf seiner Haut riesengroß. Missgelaunt streifte er über den Himmel und schaute von der Erde weg ins Schwarz.

In einer kalten Nacht erhielt er dann einen weiteren Brief der Sonne.

Absender Sonne. An Mond.

Sie habe einen Fehler gemacht und die Beiden zu stark beobachtet, sie habe ihnen gute Laune gebracht, das Eis schmolz und nun fragte sie an, wo diese zwei denn wären. Sie kann sie nicht mehr sehen.

Eine gewaltige Unruhe bebte über den Mond. Er wand sich zur Erde, drehte sich ein wenig zu weit, wirbelte kurz zurück und ja, er konnte auf einen einzigen Blick ein riesiges blinkendes Licht erkennen. Die wohlige Wärme drang durch seinen Panzer zu seinem Herz.

Dort am Strand gingen Sie, lachten und hielten sich fest bei den Händen. Ab und zu küssten sie sich und dabei blinkte die ganze Umgebung. Wie leuchtende Kristalle schienen sie und ihr Licht war stärker als zuvor.

Ab diesem Tage kamen sie immer wieder. Nicht jeden Tag, aber dafür doch beständig. An ihrem Hochzeitstag mit vielen Gästen, in warmen Sommernächten mit einer Decke und später mit ihren Kindern, die von der Sonne nicht gesehen wurden. Bei jedem Wiedersehen war ihr Blitzen noch schöner geworden. Es war eigentlich gar kein Blitzen mehr. Sie waren Licht.

Die Zeit lief weiter an Ihnen vorbei.

Heute sitzt ein Mann auf der Bank. An ihm sieht man eine dünne Schicht Liebe pulsieren und sein Herz glimmt rot.
Er dreht sich wieder und wieder zur Straße. Sein schwerer Kopf zieht bleiern über seine Schulter.
Zitternd führt er seine Finger zum Mund und bläst dann hustend durch seine faltigen Lippen. Seine Augen sind matt und leer und nur wenn man ganz genau hineinscheint sieht man einen winzigen Punkt Glück.
Ein Meer voll Tränen schickt mit jeder Welle ein paar nasse Linien seine Wangen hinunter. Langsam stützt er sich auf seinen Krückstock, steht auf und flüstert dann leise:

„Wollen wir ein Stück gehen?“

Mit kräftigen Schritten geht er den Strand entlang. Länger als sie ihn je gegangen sind. Sein Schluchzen unterdrückt er ohne Erfolg. Schwer sind seine Beine

Er wird erst stehen bleiben und sich in den Sand setzen, wenn er sie „Hallo“ flüstern hört.
 
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Kommentare  

wunderschön, mehr kann man dazu nicht sagen

Jonatan Schenk (04.11.2004)

Wow! Echt schön und das ohne schmalzig zu sein! Echt prima!

Eden (28.10.2004)

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