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Geschichten aus der Nacht Nr. 1 --- Die wundersame Geldvermehrung

Romane/Serien · Amüsantes/Satirisches
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DIE WUNDERSAME GELDVERMEHRUNG

Man kennt das ja ... die Sache mit dem Geldbeutel, der, an einer unsichtbaren Nylonschnur befestigt, schön ruhig auf der Straße liegt und plötzlich wegschnellt, wenn einer danach greift.
Aber diesmal hat jemand einen 500-Euro-Schein als Köder ausgelegt. Einfach so. Lose.
Die Banknote wirbelt jetzt, vom Wind gepackt, vor den Augen der Passanten über den Bürgersteig und segelt dann aufs Pflaster zurück, wo sie reglos und fast hämisch wartend liegen bleibt. Bückt sich aber jemand und greift nach ihr, schwupp, saust sie ab in die Höhe!
Ein junger Bursche, der sie beinahe erwischt, stürzt über die Bordsteinkante, es geschieht etwas Böses mit seinem Bein ... er sitzt da, hält es und wimmert vor Schmerzen, während der Geldschein von neuem hoch in der Luft herum flattert.

Ich lasse das verlockende Objekt nicht aus den Augen. Jetzt kommt es wieder und nähert sich ... mir. Ich springe ihm nach, mache die unsagbarsten Verrenkungen und schäme mich sehr – ich muss den Zuschauern wahrhaft ein dämliches Spektakel bieten!
Ausdauernder als irgend jemand sonst, hechte ich dem zusammengefalteten Schein hinterher. Er scheint mit einem Gummibällchen oder Ähnlichem versehen zu sein, denn immer wieder springt er federnd auf die Erde ... plopp ... und dann mit Schwung mehrere Meter hoch. Ich ihm nach, so gut ich kann.
Wie gesagt: im Gegensatz zu den anderen, hab ICH den Mechanismus sofort begriffen, weiß, da oben in einem der höheren Stockwerke sitzt unter Garantie ein grinsender Witzbold und verarscht die Leute nach Strich und Faden.

Egal wie wild ich der zappelnden Beute hinterher japse, es gelingt dem Typen stets, sie mir im entscheidenden Moment zu entreißen. Aber: wer zuletzt lacht ... Auch hab ich gesehen: dieser 500-Euro-Schein ist ECHT. Ich muss ihn kriegen, ganz gleich, wie. Nicht aufgeben ...
Am Fenster freut sich der leimrutenauslegende Joker herzhaft. Man sieht ihn nicht, hört nur sein Lachen als Salve bis auf die Straße herunterdröhnen.

Die Banknote hüpft wie ein wild gewordener Frosch vor mir her und jedes Mal mit einem Riesensatz aus meiner Reichweite, wenn ich sie fast schon sicher in Händen habe. Meine bebenden Finger sind oft nur Zentimeter entfernt.
Vorübergehende bleiben stehen, schauen fasziniert zu. Andere schütteln den Kopf. Doch ich werde nicht aufhören. Ja, ich bin verrückt nach dem Geld. Immer wieder hechle ich der zappelnden Beute hinterher. Vollführe zu ihrer Erlangung die bizarrsten Sprünge. Sollen die Leute ruhig starren!
Aber, wie ich mich auch anstrenge, im letzten Augenblick macht das Billet stets diesen ausgeflippten Satz nach oben und entzieht sich.

Plötzlich ... ich traue meinen Augen kaum ... sehe ich: das ist nicht nur EIN Schein! Hinter dem vorderen stecken noch mehr Fünfhunderter. Ein ganzes Bündel! Hoffentlich merkt es sonst niemand. Das gäbe ein Gerangel!!

Geschlagene zehn Minuten jage ich jetzt wie wild hinter dem Ding her, habe alle sonstigen Interessenten durch Schnelligkeit und Ellbogengewalt aus dem Rennen geschlagen. Ich keuche bereits, bin echt erschöpft nach so viel Hetzerei und Hochsprüngen ... da, o Wunder, bekomme ich den lange ersehnten Schatz doch noch zu fassen.
"Halleluja." Ich halte das Geldpäckchen triumphierend in die Höhe. Ja, wer wagt, gewinnt ...
Leute umringen mich, begeistert und neidisch.
Einige Umstehende fangen sogar an, spontan zu applaudieren.

Jetzt muss ich den ganzen Reichtum nur rasch heimschaffen.
Hastig verstaue ich das Bündel in meine Handtasche. Die enthält übrigens schon ein schönes Sümmchen, das ich letzte Woche bei Aktiengeschäften verdient und gerade vorhin am Automaten in bar abgeholt habe. Ich lasse Geld nie lange auf dem Konto, denn die Banken sind sowas von unzuverlässig, und nur, was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause ...

"Sie Glückspilz", sagt jemand.
"Sie hat es sich verdient", ruft ein anderer.

Da ... ein Donnerschlag. EXPLOSION. Was ist los? Meine Tasche zerreißt es in tausend Stücke, dass mir Papier- und Lederfetzen nur so um die Ohren spritzen. Eine Frau fällt neben mir in Ohnmacht. Ich blicke an mir herunter ... bin schwarz wie ein Schornsteinfeger. Passanten suchen schreiend das Weite.

Mir ist nicht viel passiert. Nur mein Geld ist futsch. Mein Geld ist futsch!! Der von mir so sauer erjagte Mammon ... dieser Kerl hatte ihn mit einem tückisch getarnten Mechanismus versehen, einem Zeitzünder womöglich ... wie infam!

*

Ich wache auf, weil neben mir etwas läutet. Der Wecker?
Es war nur ein Traum. Gott sei Dank! Mittellos bin ich zwar, doch wie neugeboren. Sooo erleichtert. Ich atme frei. Das wird ein wunderschöner Tag!

"Besser arm, aber gesund", hat mein Großvater auch schon immer gesagt.

Eine Morgenzigarette wäre jetzt gut! Doch ... was ist mit meinen Händen? Sie sind nicht da ...

Quatsch! Nun ist aber endgültig Schluss mit dem Alptraum!! Aufwachen!! In Wirklichkeit bin ich vollkommen in Ordn... Wo aber sind meine Hände? Wo sind sie? Und diese Binden ... Hilfe!

Oh my God ...!





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Copyright Irmgard Schöndorf Welch August 2002
überarbeitet 03.06.2005



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Kommentare  

Herzlichen Dank, Lena und Mareike für die positiven Kommentare.
Einen schönen Rest-Rosenmontag wünsche ich Euch


Inulove (07.02.2005)

ja, die liebe jagd nach dem großen geld...klasse idee mit dem zeitzünder! irgendwann wird es knallen und...(du hast es ja beschrieben)!

Mareike Dörr (07.02.2005)

Super geschrieben, vor allem der Anfangist eine geniale Momentaufnahme. Und auch die Jagd nach dem Geld und den Ehrgeiz beschreibst du super.
Gefällt mir.


Lena N. (06.02.2005)

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