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Das Hörspiel

Kurzgeschichten · Erinnerungen
Kaum, dass ich einen Kassettenrecorder besaß, wollte ich auch schon zusammen mit meinem Bruder ein Hörspiel machen. Weitere Mitwirkende sollten meine Schwägerin und ein Freund meines Bruders sein.
Natürlich musste erst einmal ein Konzept gemacht werden, wovon das Hörspiel handeln soll und so. Leider konnten wir uns lange nicht auf ein Szenario einigen. Schlug ich etwas vor, gefiel es ihm nicht und umgekehrt. Wenn gar seine Frau etwas vorschlug, wurde sie von uns beiden ausgelacht.
Endlich einigten wir uns auf eine utopische Geschichte. Eilig begann ich, das „Drehbuch“ zu schreiben. Auf der dritten Seite gab es bereits die nächsten Differenzen mit meinem Bruder. Während ich nämlich die Außerirdischen näher kennen lernen wollte, hatte er nur im Sinn, sie recht effektiv zu vernichten. Das passte mir aber gar nicht.
So verlief die Sache im Sande; und ich hatte schon ein Mikrophon gekauft, eine Geräusche – Kassette und ein paar leere für die Aufnahmen. Das war 1970 gar nicht billig; die leeren Kassetten kosteten allein schon zwanzig Mark das Stück. Besonders gern hatte ich die in Russland produzierten Kassetten, die waren nicht verschweißt, sondern verschraubt, so konnte man im Falle eines Falles das Band reparieren. Ich habe damals etliche Tonbänder mit Nagellack geklebt!
In Punkto Hörspiel ließ ich den Mut nicht sinken, sondern hoffte auf nettere Kumpels, die sich für meine Idee erwärmen ließen. Jedoch nahmen meine Kinder so viel Zeit in Anspruch, dass ich mein hochtrabendes Projekt irgendwann vergaß.

Kürzlich wollte ich für den vierzigsten Geburtstag meiner Tochter einen geselligen Nachmittag gestalten und suchte zwischen meinen Kassetten nach alten Schlagern und jenen, die sie als Teenager gerne hörte. Ich hatte die verstaubten Dinger ewig lange nicht mehr gehört und schwelgte in seligen Erinnerungen. Bald fehlte mir nur noch ein bestimmter Titel zum Gelingen des Abends, aber ich konnte ihn nicht finden. Gewissenhaft legte ich eine Kassette nach der anderen ein; der Schlager musste irgendwo drauf sein, ich hatte ihn doch damals soo geliebt! Auf einer mit „alte Lieder“ beschrifteten Kassette – es war die letzte in der Kiste – bekam ich plötzlich Kinderstimmen zu hören und klirrende, kratzende Geräusche.
Was war das denn? Als Namen genannt wurden, wusste ich, dass sich meine Kinder da wohl einen Spaß gemacht hatten. Zu jenem Zeitpunkt waren sie zwischen acht und zwölf Jahre alt. Ich hörte genauer hin und geriet in ein Hörspiel, völlig aus dem Stegreif heraus. Es bestand schlicht und einfach aus Kinderliedern, Schlagern, heiteren Dialogen und kleinen Geschichten, untermalt von den „Klängen“ zweier Eierschneider.
Ach, wenn mir wenigstens so etwas mit meinem Bruder gelungen wäre! Waren wir Mittzwanziger etwa zu alt? Nein, vielleicht war ich nur zu begierig, etwas Bemerkenswertes zu tun.
 
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Kommentare  

Vielen Dank für s Lesen und Kommentieren.
Ja, Kinder sind einfallsreich . . .
lg


holdriander (09.04.2009)

....untermalt von den „Klängen“ zweier Eierschneider. Einfach süß. Tolle Geschichte.

Petra (09.04.2009)

Schön, dass du diese Erinnerung für uns festgehalten hast.

Jochen (18.03.2009)

Vielen Dank für den netten Kommentar.
Schade, dass er anonym ist.
Schönes Wochenende noch.
lg


holdriander (19.04.2008)

Schön flüssig geschrieben.Gute Geschichte.

anonym (19.04.2008)

Oh, vielen Dank.
lg


holdriander (17.10.2006)

Deine beste Geschichte, ganz ehrlich!

John John Dorian (16.10.2006)

vielen dank für s lesen und kommentieren, liebe isa.
jaja, kinder und erziehung, da kann man viel falsch machen! man kann ja nicht in die kleinen köpfe reinkucken . . .
lg


holdriander (19.08.2006)

Hübsche kleine Geschichte, flüssig zu lesen und mit einer schönen Pointe. Es stimmt wirklich, dass die meisten Kinder an diese Dinge ganz unverkrampft herangehen und noch nicht getrieben von dem Wahn nach Perfektion sind (außer man haut in der Erziehung vollkommen daneben :) ).

ISA (19.08.2006)

vielen dank für den netten kommentar, liebe lena.
lg


holdriander (19.08.2006)

Schön geschrieben, berührendes Ende und ein ausgefallenes und darum schönes Thema!
solche Kasetten finde ich auch ab und an mal irgendwo, immer wieder herrlich.
Da stürzt mich deine Story gleich in Erinnerungen.
Schön, wirklich einen gut geschriebenen text über etwas zu lesen, was man selbst so gut kennt.
LG Lena


Lena N. (19.08.2006)

ganz breit grins: haaaab ick schon. allerdings nur drei exemplare für kumpels . . .
lg


holdriander (17.08.2006)

Meinst du wirklich, dass diese Zeit um ist? Vielleicht machst du noch irgendwann ein Hörbuch?

doska (16.08.2006)

vielen dank für s lesen und kommentieren.
ja, meine kinder hatten mehr spaß mit dem mikrifon, wie mein jüngster es nannte, als ich. leider haben sie es nicht immer wieder ordentlich in seine schützende schachtel gepackt, sondern es geriet zwischen ihr sonstiges spielzeug und war dann bald kaputt. ich hab nicht gemeckert, jedes ding hat seine zeit, und die des hörspiels war eben um.
lg


holdriander (16.08.2006)

Hallo Holdriander!
Ich kann nur Middel zustimmen. Sehr gut beschriebene Szenen aus dem Leben. Deine Kinder hatten wohl deine unterbewußten Wünsche bemerkt und diesen Traum verwirklicht. He, ich konnte mir so richtig die "Klänge" aus den Eierschneidern dabei vorstellen, herrlich!


doska (14.08.2006)

danke, middel.
lg


holdriander (12.08.2006)

gefällt mir. diese geschichte hat eine angenehm subtile pointe. ist mal was anderes.
dafür 5 pkt.


 (12.08.2006)

Berührt mich. Sehr gelungen! :)

Middel (12.08.2006)

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