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3 Seiten

Pale silk ~Prologue~

Fantastisches · Kurzgeschichten
© Sa Ja Ki
Der Wind strich sanft über die vom Morgennebel gebleichten Felder. Die Gräser tanzten melodisch zu der Symphonie des Windes und in der Ferne konnte man die ersten Vögel zwitschern hören, welche traurige Lieder sangen und von vergangenen Tagen berichteten. Milchig verdeckten die Nebelwände die Sicht auf die gerade am Horizont hervorschauende Sonne.
Jin Lee strich sich die Haare aus dem Gesicht und atmete tief die klare Luft. Ihre Kleidung war nass von dem Morgentau, der auf den Gräsern glitzerte und sich dann und wann in den dünnen Fäden des Stoffes verfing. Die Kälte des Morgens hatte sie gänzlich umschlungen. Auch ihre Wunden schmerzten bitter, wenn sich Blut und Wasser vermischten. Ihren Blick nach Norden gewandt versuchte sie durch die Nebelschwaden zu blicken, um die nächste Stadt ausfindig zu machen, was ihr trotz guter Augen recht schwer fiel. Sie wusste, dass sie nicht einfach drauflos laufen und orientierungslos durch die Gegend streifen konnte. Zumal ihr Vorrat an Essbaren nicht mehr lange halten würde und auch ihre Wasserversorgung bereitete ihr Sorgen. Sie hatte nun schon seit drei Tagen weder einen Fluss noch eine Quelle oder etwas Vergleichbares gesehen und sie konnte nur hoffen, dass sie sich zumindest in der Nähe eines Dorfes befand, denn wo ein Dorf war, gab es auch immer Wasser.
Ergriffen von der Melodie der Vögel vergaß sie für einen Moment all ihre Probleme und lauschte einfach nur der himmlischen Musik. Wie sehr hatte sie diese Unbeschwertheit vermisst. Und obgleich sie wusste, dass es nie wieder so werden konnte, wie es früher war, verlor sie sich kurz in den Gedanken an ihre Vergangenheit. Wie einfach alles doch gewesen ist. Sie seufzte. Jin Lee war klar, es würde ihr nichts bringen, sich an der Vergangenheit festzukrallen, nein, es würde sie nur behindern. Also zwang sie sich, die Gedanken zu vergessen und sich wieder ganz ihrem Vorhaben zu widmen.
Nun schien auch Mutter Natur auf ihrer Seite zu sein, denn der Nebel lichtete sich und die Sicht auf ein kleines Dorf wurde frei.
„Bei den Göttern! Endlich ein Dorf…“ entfuhr es ihr, als sie durch die Nebelschwaden spähte und das noch verschlafene Dorf erblickte. Freudestrahlend lief sie den Hügel hinab auf den sie gestiegen war, um besser sehen zu können. Außer ein paar Vögeln begegnete ihr auf dem Weg nach unten rein gar nichts, doch sie konnte schon von weitem hören, wie einige der umliegenden Bauern gerade damit begannen, die Tiere zu versorgen.

Unten angekommen suchte sie als erstes nach einer Taverne. Ihr Aufenthalt in diesem Ort konnte Tage dauern und sie brauchte ein Nachtlager. Außerdem war es endlich eine Gelegenheit, sich mal wieder richtig zu waschen. Seit ein paar Tagen schon hatte sie nicht mehr gebadet und Jin ekelte es, wenn sie an ihren Geruch dachte. Besonders das Blut machte ihr zuschaffen und am liebsten hätte sie sich sofort die Kleider vom Leib gerissen und neue gekauft. Doch ihr Geld war knapp und sie konnte froh sein, wenn sie sich 2 Tage in der Taverne leisten konnte.
Jin Lee sah sich ein wenig in der Stadt um und entdeckte schon nach wenigen Metern ein großes Gebäude, auf dessen hölzernes Türschild in großen Lettern geritzt stand: „Zum singenden Rotkehlchen“
Sie nahm sich das Gebäude etwas genauer unter die Lupe und bemerkte bunte Fenstergläser in den Scheiben. Dass sich einfache Wirtsleute so einen Luxus leisten konnten war unvorstellbar, deshalb war Jin schnell klar, dass die Besitzer ein gesundes Maß an Einkommen haben mussten. Sie überlegte kurz, ob ihr Gold ausreichen würde oder sie sich eine andere Alternative suchen müsste, aber da sich in kleineren Städten generell nur eine Taverne befand, verwarf sie diesen Gedanken wieder. Wahrscheinlich war dies der Grund, warum die Wirtsleute sich so viel Luxus leisten konnten. Weit und breit war nichts in der Nähe, aber wenn man aus dem Süden kam, war dies der schnellste Weg nach Raquia. So musste man zwangsläufig an diesem Ort vorbei. Es würde noch ein wenig dauern, bis die Taverne öffnen würde, also nutzte Jin Lee die Gelegenheit, sich ein wenig umzuschauen. Einige Häuser um sie herum waren etwas windschief und die Gemäuer schienen brüchig. Hier und da bröckelte es, als hätte vor kurzem ein Sturm das Dorf durchwütet. Sie ging die Straße, auf der sie sich die ganze Zeit befunden hatte, ein Stückchen hoch und kam zu einer Art Marktplatz. Hier war die Straße etwas gepflegter und nicht so ungleichmäßig, wie sie es noch bis vor ein paar Minuten war. Es war kein großer Platz, vielleicht gerade groß genug, damit die Dorfbewohner ihre Waren ausstellen konnten, doch an größeren Handel war hier nicht zu denken. Man hätte einiges aus diesem Dorf machen können, dachte sich Jin. Ja, die Tavernenbesitzer hatten es richtig vorgemacht.
Plötzlich wurde Jin Lee einer Person gewahr, die hinter ihr aus einer Nische aufgetaucht war. Erschrocken und ein wenig erbost über ihre Unachtsamkeit wandte sie sich blitzschnell um, ihren Dolch in der Hand haltend. Erstaunt zog sie den Dolch zurück, als sie bemerkte, dass ein kleiner Junge zitternd vor ihr stand. Die mausbraunen Haare standen zu allen Seiten ab und waren voller getrocknetem Schlamm und Lehm. Ob er mit seinen Freunden gespielt hatte? Unwahrscheinlich. Dann wäre der Dreck noch nicht trocken und wer spielte schon um diese Zeit draußen? Eigentlich konnte es ihr sowieso egal sein, denn der Junge, der nicht älter als 12 sein konnte und noch bis eben knieschlotternd dagestanden hatte, hatte nun die Flucht ergriffen.
>>Seltsam…<<, dachte Jin Lee und machte sich auf den Weg zurück zur Taverne.
 
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Kommentare  

hallo,
gefällt mir ganz gut, kommt mir manchmal allerdings etwas überladen vor^^ der erste abschnitt enthält zwar ganz schöne bilder, aber spätestens bei den "bitter schmerzenden wunden" wird das ganz schön anstrengend;) trotzdem: macht auf jeden fall gespannt auf die fortsetzung!
lg darkangel


darkangel (22.06.2007)

Erstmal vielen, lieben Dank! ^-^ (Oh man, der Text ist sooo alt.)
Tja, ist ja nur der Prolog, der sollte absichtlich etwas "abgeschnitten" sein.
Sozusagen als kleiner Einstieg. Ich meine, der Prolog hat ja auch nicht wirklich viel Handlung. ^-^"


Sa Ja Ki (21.01.2007)

hmm...gefällt mir gut... aber da kommt noch was nach oder?

darkangel (21.01.2007)

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