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Eine Rose für dich

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Der Gedanke an die Mutter ist immer mit der Liebe verknüpft und die Liebe ist wie ein sanfter, wohlschmeckender Süßstoff. Ohne Liebe können Kinder nicht wachsen. Ohne Liebe können Erwachsene auch nicht „erwachsen“ werden; sie werden welken, austrocknen und verkümmern. Als meine Mutter starb, schrieb ich in meinem Tagebuch: „Das größte Unglück ist mir nun passiert“. Egal in welchem Alter man seine Mutter verliert, man fühlt sich immer allein, verloren, ja wie ein richtiges Waisenkind. Lieder und Gedichte über Mutterliebe können leicht angenommen werden, weil sie jedermann ansprechen. Der Verfasser muss kein großes Talent besitzen; wahre Emotion genügt. Der Interpret, es sei denn, er habe gar keine Mutter, seit er denken kann, ist immer von der Thematik gerührt. Lieder über Mutterliebe gibt es überall, zu jeder Zeit. Das Gedicht über den Verlust der Mutter, das ich schon als Kind kannte und liebte, ist ein sehr einfaches Gedicht. Damals lebte meine Mutter ja noch, aber jedes Mal, als ich es las, hatte ich Angst... Angst vor etwas, das noch nicht passiert, aber bestimmt einmal passieren muss:

Als ich ein sehr kleines Kind war

starb meine Mutter, oh wie furchtbar!

Zum ersten Mal wurde es mir klar

Ich bin Waise und verwundbar

Um mich herum weinte alle Leute

Nur still und traurig stand ich, und heulte

Oh mögen doch meine Tränen meine Kummer

etwas schmälern

Die Sonne ging langsam unter

Das Läuten der Glocken sanft und leise

Ich spürte, dass mit dem Tod meiner Mutter

Ich den Himmel für immer verliere.

Ein Himmel voller Liebe und Zärtlichkeit, in den wir glücklich hineintauchen, ohne unseres Glück bewusst zu sein. Erst wenn wir ihn verlieren, sind wir wie aus dem Traum erwacht.

Einfache Reisbauern machen sich nicht aus gehobener Sprache; die Mutter als einen Schatz voller Liebe und Glück zu bezeichnen, ist schon sehr gehoben ausgedrückt. Sie pflegen zu sagen, eine Mutter ist wie „Bahuong“-Banane, wie der honigsüße Klebreis, wie das Zuckerrohr. Ja, damit beschreiben sie die Mutter auf ganz einfache aber treffende Art.

Oh! Wie gut das schmeckt! Vor allem wenn wir nach einem Fieberanfall einen so trockenen Mund haben. In solchem Fall vermag kein Essen, unseren Appetit zu wecken. Nur wenn Mutter kommt, uns liebevoll zudeckt, ihre sanfte Hand auf unsere heiße Stirn legt und bemitleidend seufzt: „Mein armer Liebling!“, nur dann fühlen wir uns geborgen, getröstet und verwöhnt. Verwöhnt von der Duft der „Bahuong“-Banane, der Würze des Klebreises und der Süße des Zuckerrohrs. Mutterliebe ist ewig und unendlich. „Bahuong“-Banane, Zuckerrohr und Klebreis gibt es auch unendlich viel.

Ein Sprichwort sagt: „Vaterliebe ist so hoch wie der „Thai-Son“- Berg, Mutterliebe ist wie das Wasser aus einer Quelle“. Ich meine, die Mutterliebe ist der Ursprung aller Lieben. Die Mutter ist die Lehrerin in „Lieben lernen“, die wichtigste Fakultät in der Universität „Leben“. Ohne Mutter können wir Liebe nicht lernen. Durch sie lernen wir die Nächstenliebe, die Liebe für alle Lebewesen. Da die Mutterliebe der Ursprung aller Lieben ist, spiegelt sie sich in vielen Religionen wider, die ja auch das Lieben lehren. Im Buddhismus gibt es die „Kwan-Jin“, die wie eine Mutter geehrt wird. Im christlichen Glauben gibt es Mutter Gottes, die heilige Jungfrau Maria. Ein Baby braucht nur aufzuschreien, schon kommt seine Mutter herbeigeeilt. Sie erscheint wie ein lieber Engel, der alle Kummer und Ängste zunichte macht. Wir brauchen nur das Wort „Mutter“ zu hören, schon fühlen wir uns aufgehoben und geliebt. Und wer geliebt ist, hat einen Glauben und lebt für seinen Glauben.

In westlicher Kultur gibt es den Muttertag am 10. Mai. Als Ahnungsloser wusste ich damals nichts von diesem Brauch. Eines Tages ging ich mit H. Thien-An in eine Bücherei in Ginza-Viertel in Tokyo. Unterwegs trafen wir ein paar Studenten, Freunde von H. Thien-An. Eine Studentin fragte diskret H. Thien-An etwas, holte aus der Tasche eine weiße Nelke und steckte sie in ein Knopfloch meiner Kutte. Ich wunderte, stutzte, weil ich nicht verstand, was es bedeutete, aber ich traute mich nicht zu fragen. Ich versuchte mich ganz natürlich zu verhalten und dachte, es war irgendein Brauch. Erst in der Bücherei hat H. Thien-An mir erklärt, dass heute Muttertag sei. An dem Tag bekommt man eine rote Blume, wenn seine Mutter noch lebt und man sei stolz, dass man sie noch hat. Wenn man keine Mutter mehr habe, bekomme man eine weiße Blume.

Ich schaute auf meine weiße Blume und fühlte mich bemitleidenswert. Ich bin auch Waise wie irgendein unglückliches Waisenkind. Wir haben nicht den Stolz, eine rote Blume tragen zu dürfen. Der, der eine weiße Blume bekommt, spürt den Schmerz, die unendliche Leere des Verlustes und aber auch das intensive Erinnern an die verstorbene Mutter. Der, der eine rote Blume bekommt, ist glücklich, dass er seine Mutter noch hat. Er soll sie hier und jetzt glücklich machen, sonst könnte es zu spät sein. Ich finde den Brauch mit der Blume sehr schön und denke, dass auch wir ihn bei uns einführen können.

Die Mutter ist wie ein unermesslicher Schatz, dessen wir uns oft leider nicht bewusst sind. Die Mutter ist das größte Geschenk, das uns das Leben beschert hat. Warte nicht, bis sie gestorben ist, und jammere: „Oh Gott! Ich habe mit ihr seit vielen Jahren gelebt, aber ich habe sie noch nie richtig angeschaut. Was habe ich dagegen getan? Nur ein flüchtiger Blick, ein paar Worte gewechselt; um Taschengeld gebeten, dies und jenes verlangt; wollte beim Einschlafen umarmt werden; wegen unwichtiger Dinge sauer gewesen, so viele Unannehmlichkeiten und Blödsinn angestellt, dass sie sich Sorgen machte, krank wurde, schlaflose Nächte hatte (ja deswegen musste sie früh sterben). Sie war es, die ganze Zeit kochen, waschen, bügeln, putzen musste. Und ich war es, der sich die ganze Zeit ausschließlich mit Karriere beschäftigt war“.

Wenn die Mutter keine Zeit hat, sich ihr Kind anzusehen, und das Kind auch keine Zeit hat, sich seine Mutter anzusehen, dann wird das Kind das Gefühl haben, es habe noch nie bewusst erlebt, dass es eine Mutter hatte, wenn sie stirbt.

Darum: Wenn du heute Abend von der Schule oder von deiner Firma nach Hause kommst, gehe ins Zimmer deiner Mutter mit einem sanften und ständigen Lächeln. Setz dich neben sie hin. Unterbrich sie bei ihrer Arbeit. Sie soll ganz still sein. Schau sie dir lange und richtig an, damit du sie genau siehst und bewusst wirst, dass sie gerade lebt und neben dir sitzt. Nimm ihre Hand, frag sie: „Liebe Mami, weißt du was?“ Sie wird sich ein bisschen wundern und lächelnd zurückfragen: „Was?“ Wende deinen Blick nicht von ihr ab, behalte stets dein sanftes Lächeln und frag: „Weißt du, dass ich dich liebe?“

Ein Kind liebt natürlich seine Mutter, wie der Durst natürlicherweise durch Wasser gestillt wird. Die Mutter liebt das Kind, so liebt das Kind die Mutter. Das Kind braucht seine Mutter, so braucht die Mutter das Kind. Wenn die Mutter ihr Kind nicht braucht und andersrum, so ist es keine Mutter-Kind- Beziehung. Es ist ein Missbrauch des Substantivs. Damals, als mein Lehrer mich fragte, was ich für meine Mutter tun wollte, wenn ich sie so liebte, so antwortete ich: „Ich gehorche ihr, helfe ihr aus, pflege sie, wenn sie alt wird und gedenke ihr, wenn sie stirbt“. Heute weiß ich, dass ich nicht „etwas tun“ muss, wenn ich meine Mutter liebe. Schlicht und einfach sie lieben. Das genügt, das langt! Da braucht man nicht „was tun?“

Mutter zu lieben ist keine Moral. Wenn du denkst, ich schreibe diesen Text, um dir eine Moral zu predigen, dann irrst du dich. Mutter zu lieben ist ein Genuss. Die Mutter ist wie eine Süßwasserquelle, wie Zuckerrohr, wie Klebreis. Wenn du sie nicht genießt, schade für dich. Ich will dich nur vorwarnen, damit du nicht eines Tages jammerst: „Ich habe nichts im Leben“. Wenn dir ein Geschenk wie deine Mutter noch nicht gefällt, muss du der Himmelsgott sein, um zufrieden und glücklich zu sein. Aber ich weiß, der Himmelsgott ist nicht glücklich, weil er so entstanden ist; er hat nie das Glück, eine Mutter zu haben.

Lache nicht, wenn ich dir dies erzähle. Eigentlich sollte meine Schwester nicht heiraten und ich, ich sollte nicht Mönch werden. Wir haben unsere Mutter verlassen. Die eine teilte ihr Leben mit einem jungen Mann, den sie liebte; der andere strebte einem Ideal nach, das ihn fasziniert. Am Hochzeitstag meiner Schwester hatte meine Mutter aller Hände voll zu tun, sie zeigte keine Trauer. Als wir aber unsere letzte gemeinsame Mahlzeit (vor dem Abfahren der Braut) nahmen, konnte meine Mutter keinen Schluck runterkriegen. Sie sagte: „Die ganze 18 Jahre isst sie (meine Schwester) mit uns am Tisch, heute isst sie zum letzten Mal, dann wird sie ab morgen in einem anderen Haus die Mahlzeit nehmen“. Meine Schwester sank ihren Kopf weinend. Sie sagte: „Ich heirate nicht mehr“. Aber sie tat es doch. Und ich verließ meine Mutter, um Mönch zu werden.

Wir Mönche werden gelobt, dass wir bereit sind, uns von unseren Liebenden zu trennen. Auf solchen Lob bin ich gar nicht stolz. Ich liebte meine Mutter, aber ich habe einem Ideal nachzustreben, deshalb musste ich sie verlassen. Das war mein persönlicher Verlust. Im Leben muss man oft entscheiden, und es gibt keine Entscheidung ohne Leiden; man kann nicht alles haben. Leiden muss man leider, weil man Mensch ist. Ich habe keineswegs bereut, dass ich meine Mutter verlassen habe, höchstens Selbstmitleid, dass ich nicht das Glück hatte, solch einen wertvollen Schatz zu behalten. An jeder abendlichen Buddha-Ehrung bete ich für meine Mutter, aber ich kann wohl nie mehr „Bahuong“- Bananen,, honigsüßen Klebreis und Zuckerrohr genießen.

Glaube nicht, dass ich dir dazu rate, keine Karriere zu machen, sondern daheim bei deiner Mutter zu bleiben. Ich habe ja schon gesagt, dass ich niemanden beraten oder gar eine Moral predigen wollte. Ich erinnere dich nur daran: „Mutter ist wie Bananen, wie Klebreis, wie Zucker, wie Honig... Sie ist die Liebe“, damit du nicht vergisst. Vergessen ist ein großer Fehler. Es ist eigentlich auch kein Fehler, sondern ein großer Verlust. Und ich will nicht, dass du etwas unbewusst oder unwissend verlierst. Ich möchte nur eine rote Rose in das Knopfloch stecken, damit du glücklich wirst.

Wenn ich dir etwas raten will, dann so: Wenn du heute Abend von der Schule oder von deiner Firma nach Hause kommst, gehe ins Zimmer deiner Mutter mit einem sanften und ständigen Lächeln. Setz dich neben sie hin. Unterbrich sie bei ihrer Arbeit. Sie soll ganz still sein. Schau sie dir lang und richtig an, damit du sie genau siehst und bewusst wirst, dass sie gerade lebt und neben dir sitzt. Nimm ihre Hand, frag sie: „Liebe Mami, weißt du was?“, sie wird sich ein bisschen wundern und lächelnd zurückfragen: „Was?“ Wende deinen Blick von ihr nicht ab, behalte stets dein sanftes Lächeln und frag: „Weißt du, dass ich dich liebe?“

Auf diese Frage braucht man keine Antwort zu haben. Aber du kannst diese Frage immer stellen, wann du willst, egal wie alt du bist, weil du das Kind deiner Mutter bist. Du und deine Mutter, ihr werdet glücklich sein und eure unsterbliche Liebe bewusst erleben. Ihr werdet auch „unsterblich“ und eines Tages, wenn deine Mutter tatsächlich „geht“, wirst du nicht bereuen oder leiden.

Das ist der Refrain, den ich euch heute vorsingen wollte. Und ihr sollt mitsingen, damit unser Leben nicht in Herzlosigkeit und Vergessenheit versinkt.

Dieser Text wurde von vietnamesisch auf deutsch übersetzt. Der Autor hieß "Thich Nhat Hanh", weil wir der Meinung sind, dass es jeden Menschen anspricht.
 
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Kommentare  

Oh Mann, viel zu schwülstig. Liegt es an der Übersetzung? Ich habe das Gefühl, ich sitze in einem in rotem Plüsch ausstaffierten Thai-Restaurant und bin umgeben von dreihundert Kellnerinnen, die alle Mütter sind und mich füttern und knuddeln wollen.
Außerdem habe ich ein Problem damit, einen Text zu übersetzen und dann diesen hier zu posten, selbst wenn erwähnt wird, dass er übersetzt wurde. Es ist eine Tatsache, dass es nicht dein eigener Text ist und niemals sein wird.
Sorry. Dublin.


anonym (20.05.2008)

vielleicht trifft der Text von Thich Nhat Hanh... auf eine bestimmt große Anzahl von Menschen, aber sie trifft nicht auf jeden zu, es gibt auch Mütter die ihre Kinder nicht lieben oder ihnen keine liebe geben oder zeigen, sie die liebe spüren lassen... darum stört mich der letzte Satz: " weil wir der Meinung sind, dass es jeden Menschen anspricht." Ich kann aus eigener Erfahrung sagen das der Satz weit her geholt ist JEDEN GANZ SICHER NICHT!!! und es ärgert mich das nie contras erwähnt werden... immer nur pro pro pro... es gibt immer Pro´s und Contra´s in allem... denn nicht jeder denkt gleich!!!

Experanta (29.03.2007)

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