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7 Seiten

Freundin oder Feindin

Romane/Serien · Fantastisches
„Ihre königliche Hoheit Prinzessin Margitta da Caer“, verkündete der Wachposten an der Tür lautstark, als die Prinzessin endlich die Bibliothek betrat, in der Heike da Farsborg sie auf Geheiß ihres Vaters auf sie wartete. Sie wußte nicht so recht, was sie eigentlich hier sollte und am Anfang hatte sie sich auch dagegen gesträubt, doch ihr Vater hatte sehr nachdrücklich darauf bestanden und so war sie nun hier und harrte der Dinge, die da kommen würden.
Sie ist sehr schön, war der erste Gedanke des jungen Mädchens, die selbst aus dem einfachen Landadel der Grafschaft Kaarborg stammte, während sie aufstand und sich kurz verbeugte, um ihre hochgeborene Gastgeberin angemessen zu begrüßen. Die samtweiße Haut der Prinzessin, verriet auf den ersten Blick, daß sie sich nicht allzu viel im Freien aufhielt. Und doch kontrastierte diese Blässe wirklich hervorragend zu dem in verschiedenen Rottönen gehaltenen aufwendig gefertigten Kleid. Auf ihrem gepflegten, seidig glänzenden, braunen Haar, das sie lang und offen trug, thronte eine dazu passende Haube, die mit wunderschönen Perlen und zwei großen Topasen geschmückt war, so daß sich Heike in ihrem Festtagskleid, das sie extra zu diesem Anlaß angezogen hatte, recht unscheinbar vorkam.
„Ihr seid also Heike da Farsborg“, unterbrach die dunkle Altstimme der Prinzessin, Heikes Gedanken. „Mein Vater hat mir von Eurem unglaublichen Abenteuer mit den Piraten erzählt und da habe ich ihn gebeten, Euch mir vorzustellen. Ich bin schrecklich neugierig endlich mehr darüber zu erfahren.“
Das war es also, durchfuhr es Heike. - Hat mein alter Herr mal wieder den Mund nicht halten können - und artig antwortete sie: „Zu freundlich, Euer Hoheit. Doch ich glaube nicht, daß die Geschichte wirklich der Rede wert ist.“
„Nun laß das mal mit der Hoheit, Heike! Ich darf euch doch Heike nennen“, wischte die Prinzessin ihren Einwand kurzerhand hinweg.
„Selbstverständlich dürft ihr das“, entgegnete diese, denn welche Wahl hätte sie auch gehabt und fragte, fast ein wenig genervt nach: „und wie darf ich Euch nennen?“
„Margitta natürlich! Ach wie ich diese Förmlichkeiten hasse!“
Diese Antwort kam so spontan und ehrlich, daß Heike da Farsborg ihre Zurückhaltung aufgab und offen zurücklächelte, denn sie konnte nur zu gut verstehen, wie einem dieses vornehme Getue auf die Nerven gehen mußte. Margitta war offenbar ebenfalls erleichtert darüber, daß das das Eis der Förmlichkeit und Distanz, das der Standesunterschied zu Beginn ihrer Begegnung geschaffen hatte, so schnell gebrochen worden war.
Kaum eine Stunde später saßen die beiden jungen Frauen bei einer Tasse beieinander, so als ob sie sich schon ewig kennen würden und erzählten sich gegenseitig aus ihrem bisherigen Leben. Das war für die beiden eine ausgesprochen spannende Angelegenheit, denn das Leben ihres jeweiligen Gegenübers, war doch in völlig anderen Bahnen verlaufen. Während Margitta da Caer sich immer im Glanze des Hofes bewegt hatte und einen jeden kannte, der im Reich Rang und Namen hatten, war das Leben Heike das Farsborg, die auf der kleinen Burg ihres Vaters aufgewachsen war, ganz anderer Natur gewesen. Und obwohl sie als Verwalterin ihres Vaters bisher ein einfaches und arbeitsreiches Leben geführt hatte, ertappte sich Margitta dabei, daß sie Heike um ihre Selbständigkeit beneidete und ihre Fähigkeit ein Schwert so zu führen, daß es sogar dazu reichte, im Kampf mit Piraten zu bestehen.
Als sie sich am späten Nachmittag trennten, herrschte zwischen ihnen das beste Einvernehmen, und es entwickelte sich in den nächsten Wochen zwischen den beiden so etwas wie eine Freundschaft. Jeden Tag, während die politischen Gespräche des Reichstags liefen, zu denen sie als Frauen keinen Zugang hatten, trafen sie sich am frühen Nachmittag und unterhielten sich oft stundenlang, während sie sich mit Handarbeiten beschäftigten, der klassischen Betätigung der Edelfrauen in Caer. Im Laufe dieser Gespräche erfuhr die Prinzessin natürlich auch, daß Heike einen Junker, der ebenfalls aus dem niederen Landadel Kaarborgs kam, zum Gefährten hatte und daß dieser sogar beabsichtigte demnächst eine dauerhafte Bindung mit ihr einzugehen, nachdem er auf dem großen Turnier seinen Ritterschlag erhalten haben würde. Sie wußte inzwischen immerhin, daß er Ragnor hieß und ein Gut namens Vidakar sein eigen nannte. Mehr hatte sie allerdings nicht heraus bekommen, denn Heike war sehr zurückhaltend, was nähere Angaben über ihren Liebsten und dessen bisheriges Leben anging.
Sie machte sich auch keine größeren Gedanken darüber, daß Heike nicht mehr erzählt hatte, denn es war nur natürlich, daß man sich in diesen Dingen zurückhielt und keine privaten Geheimnisse über seinen Liebsten verbreitete. Um so größer war ihre Überraschung, als sie von ihrem Vater ganz beiläufig erfuhr, als sie dessen Namen erwähnte, daß selbiger Ragnor der berühmte Dämonentöter von Santander war und darüber hinaus der Ziehsohn des mächtigen Grafen von Kaarborg. Sie empfand es aber nicht als schicklich näher in ihre neue Freundin zu dringen, der es möglicherweise unangenehm gewesen wäre, ausgefragt zu werden. Statt dessen machte sie sich daran, systematisch Informationen über den geheimnisvollen jungen Mann zu sammeln, denn diese Neuigkeiten hatten sie richtig neugierig gemacht. Aus dieser ersten Neugier wurde fast eine Art Faszination, als sie erfuhr, was der junge Mann schon alles erlebt und geleistet hatte und in welche Intrigen er ganz offenbar verstrickt war. Schließlich konnte sie nicht anders, sie mußte dieses Ragnor unbedingt kennenlernen und schließlich ergab sich endlich die Gelegenheit dazu. Ihr Vater gab zum Abschluß des Reichstages und zu Beginn des großen Turniers im Festsaal der Königsburg ein großes Festessen für die Angehörigen des Hochadels, zu dem auch Ragnor da Vidakar, als Mündel des Grafen von Kaarborg, geladen worden war. Der Umstand, daß Heike da Farsborg und ihr Vater, als Angehörige des niederen Adels nicht geladen waren, gab ihr die einmalige Gelegenheit, sich Heikes Liebsten in Ruhe genaustens anschauen zu können. Geschickt überredete sie den alten Majordomus, dessen besonderer Liebling sie war, ihr an der Tafel den Platz neben Ragnor da Vidakar zuzuweisen.
Am Nachmittag vor dem Fest war sie merklich nervös und als ihre Freundin zu ihrem üblichen Nachmittagsplausch vorbeikam, brach sie ihre Begegnung nach einer kurzen Tasse Tee ab, indem sie heftige Kopfschmerzen vortäuschte. Kaum war Heike gegangen, stürzte sich Margitta mit großem Elan in die Vorbereitung ihrer Garderobe für diesen Abend.
Als dann der Abend endlich kam und sie Ragnor da Vidakar bei der Begrüßung zum ersten mal gegenüberstand, war sie im ersten Moment enttäuscht, denn sie hatte sich den strahlenden Helden, als der er auch unter den Zofen im Schloß gehandelt wurde, ganz anders vorgestellt. Sicherlich, er war hochgewachsen und sehr kräftig, so daß man sich schon vorstellen konnte, daß er ein guter Kämpfer sein mochte, doch strahlte er nicht die Überlegenheit eines genialen Helden aus, die sie eigentlich erwartet hatte. Er schien ein ganz normaler, eher zurückhaltender junger Mann zu sein, der sie zwar höflich mit einem Lächeln begrüßt hatte, aber ihrer strahlenden Erscheinung, der sie den ganzen Nachmittag geopfert hatte nur einen kurzen Blick widmete, ohne dem geringsten Zeichen der Anerkennung, in seinen ernsten graugrünen Augen. Dafür haßte sie ihn fast für einen Moment, denn sie war es gewöhnt, daß die jungen Adeligen, mit denen sie es zu tun hatte, bei ihrem Anblick dahinschmolzen und sich darin zu überbieten suchten, ihr zu gefallen. Als sie dann mit ihm ins Gespräch kam, erkannte sie schnell wie sehr er sich von den jungen Adeligen unterschied mit denen sie ansonsten zu tun hatte. Auf ihre begeisterte Reaktion hinsichtlich des Kaarborger Sieges im gerade überstandenen Krieg und seinem Beitrag dazu, blieb ihr ein Satz besonders im Gedächtnis haften als er fast unwirsch gesagt hatte: „In diesem verdammten Krieg habe ich eine Menge Freunde verloren. Ich habe getan was notwendig war aber es hat mich zuviel gekostet, als daß ich mich über unseren Sieg wirklich freuen könnte.
Am nächsten Tag, als sie mit Heike da Farsborg zum Turnierplatz ging auf dem nun endlich die Wettkämpfe begannen, war sie schon sehr gespannt, wie sich dieser Ragnor da Vidakar dort wohl schlagen würde. Und sie wurde nicht enttäuscht. Er schlug sich prächtig und war in allen Disziplinen vorne mit dabei. Er gewann zusammen mit ihrem Bruder den Wettstreit der Ritterschulen und im Turnierkampf um den Titel: „Erster Schwertkämpfer des Königs“ hatte Ragnor da Vidakar alle seine Gegner mit fast spielerischer Leichtigkeit besiegt. .“
Während das Turnier lief, sah sie ihn, zusammen mit Heike, nun häufiger, denn an den Abenden trafen sich die jungen Leute beim Tanz. Die Prinzessin fühlte sich wohl unter Ragnors Freunden, die freundlich und aufgeschlossen waren, ganz anders als die angeberischen Kumpane ihres Bruders. Wie gewohnt fand sie sofort zwei heiße Verehrer in Lamar da Niewborg und Rolf da Maarborg, die sie temperamentvoll umwarben und doch ließen die beiden jungen Männer sie kalt. Sie tanzte zwar ausgiebig mit ihnen, doch wartete sie jeden Abend voller Ungeduld darauf, daß Ragnor sie aufforderte mit ihr zu tanzen, was er auch regelmäßig tat. Es war irgendwie schön und merkwürdig zugleich, wenn sie mit ihm tanzte. Ihr war dabei, als würde sie schweben und die unmittelbare Nähe seines Körpers weckte in ihr Gefühle, die sie bisher nicht gekannt hatte. Wenn sie dann des Abends zu Bett ging, hing sie jedesmal in Gedanken dem abendlichen Tanz nach und begann, je mehr gemeinsame Abende verflossen, Heike da Farsborg mehr und mehr um ihren Liebsten zu beneiden. Von Tag zu Tag feuerte sie ihn auf dem Turnierplatz engagierter an und von Tag zu Tag wurde ihr der Gedanke unerträglicher, daß Heike ihn bald für sich alleine haben würde, ohne jede Hoffnung für ihre eigenen, innersten Wünsche.
Nach Abschluß des Turniers und dem feierlichen Ritterschlag für die Jungritter, hatte sie dann die Gelegenheit einer ganz anderen Art von Wettkampf beizuwohnen. Dem Gottesgericht, einem Zweikampf auf Leben und Tod, zwischen Ragnor da Vidakar und Fukur da Seeborg, wegen eines Anschlags von Fukur auf Ragnors Mündel in Kaarborg. Als sie, kurz nach dem Ritterschlag, von dem Zweikampf erfahren hatte, hatte sie einige Nächte nicht schlafen können, denn ihr Herz hatte sich bei der Vorstellung, daß Ragnor in diesem Kampf getötet werden könnte, zusammen gekrampft und manche heiße Träne war während dieser Nächte in ihr Kopfkissen geflossen. Während des Zweikampfes hatte die Prinzessin geglaubt selbst sterben zu müssen, als der manipulierte Morgenstern ihres Geliebten zerbrochen war und Fukur da Seeborg schließlich triumphierend über ihm gestanden hatte, nur einen Herzschlag von der Vernichtung seines verhaßten Gegners entfernt. Doch dann war das Unglaubliche passiert! Dieses Bild würde sie ihre Leben lang nicht mehr loslassen, wie Fukur den Triumphschrei noch auf den Lippen, plötzlich erstarrte, dann röchelnd nach Luft rang, wobei ihm die Augen aus dem Kopf zu quellen schienen, um dann wie ein gefällter Baum tot in den Sand der Arena zu stürzen. Wie durch ein Wunder war ihr Geliebter gerettet worden und sie hatte, außer sich vor Freude über Ragnors Errettung, mit ihm, Heike und seinen Freunden bis zum frühen Morgen des nächsten Tages ausgelassen gefeiert.
War der Zweikampf schon kaum zu ertragen gewesen, so sollte der kommende Tag der Allerschlimmste in Margitta da Caers bisherigem Leben werden. Es war der Tag der Vermählung von Ragnor da Vidakar mit Heike da Farsborg. Wie in Trance hatte sie den Amatempel betreten und als Heike am Arm Ragnors an ihr vorüber zum Lebensbaum geschritten war, hatte die Prinzessin ihr aus tiefstem Herzen den Tod gewünscht. Der Schmerz des Verlustes, der nicht mehr abwendbar schien, hatte sie dazu gebracht Heike zu hassen, sie zu verfluchen und es war in diesem Augenblick nichts mehr in Margittas Herzen von der Freundschaft, die sie einmal geglaubt hatte für sie zu empfinden. Sie hatte in diesem Moment nicht ahnen können, wie schnell ihr böser Wunsch Wirklichkeit werden sollte. Die Feier hatte ihren Lauf genommen, aber Margitta hatte in ihrem Schmerz, der in ihr fast das Herz zerriß, nichts von der feierlichen Zeremonie, die der oberste Amapriester Koveatas unter dem Lebensbaum zelebriert hatte, mitbekommen. Kurz, nachdem die beiden Vermählten und ihre Gäste schließlich den Tempel verlassen hatten, war es dann geschehen. Zwei Attentäter hatten versucht Ragnor da Vidakar im Auftrag zweier Fürsten zu töten und während Ragnor den einen von ihnen bekämpft hatte, fing Heike da Farsborg einen Pfeil mit ihrem Körper ab, der dem Rücken ihrer Geliebten gegolten hatte. Keine hundert Schritte entfernt von dem Ort, an dem der glücklichste Moment ihres bisherigen Lebens stattgefunden hatte, hatte sie ihr junges Leben ausgehaucht.
Und Margitta? Erreichte sie das Ziel, Ragnor da Vidakar nun endlich für sich zu gewinnen? Nein, weit gefehlt! Erst der Tod von Heike da Farsborg, öffnete der Prinzessin die Augen über die tiefe Liebe, welche die beiden füreinander empfunden haben mußten. Ja, daß sie niemals auch nur den Hauch einer Chance besessen hatte, Ragnor für sich zu gewinnen. Der Schmerz in seinen Augen, als er das tote Mädchen in den Armen gehalten hatte, der tödliche Haß mit dem er die Mörder verfolgt und getötet hatte und die Gnadenlosigkeit mit der er, gegen alle Gesetze des Königreiches, schließlich die Anstifter aus dem Hochadel gerichtet hatte, waren Ausdruck des unermeßlichen Verlustes gewesen, den er durch Heikes Tod erlitten hatte. Niemand, der nicht bis ins Mark getroffen ist, hätte ein derart wahnwitziges Racheunternehmen durchgeführt.
Seit diesen Ereignissen waren nun drei Jahre vergangen und dennoch ging Margitta da Caer jeden Tag in den Amatempel um Trost zu suchen. Trost für den Verlust der einzigen Freundin, die sie je gehabt hatte und der sie nicht mehr hatte sagen können, wie leid ihr alles tat. Und täglich sprach sie ein Gebet für Ragnor da Vidakar, daß seine Seele Frieden finde möge, und daß ihr Vater endlich die Reichsacht gegen ihn aufhob. Ja ihr Leben hatte sich seit diesem Tag wirklich stark verändert. Nichts war mehr von ihrer sprühenden Lebensfreude geblieben. Ernst und zurückgezogen widmete sie sich ihren Studien. Sie fand keinen Gefallen mehr an Festen aller Art und sie erteilte allen Bewerbern um ihre Gunst so rüde Abfuhren, daß bald keiner der jungen Männer am Hof des Königs es wagte sie anzusprechen. Nur manchmal träumte sie heimlich davon Ragnor da Vidakar wiederzusehen und hatte doch gleichzeitig Angst, wenn es doch einmal geschehen würde, daß er bei einem Blick in ihre Augen alles erfahren könnte, was sie an jenem schicksalsträchtigen Tag getan und gefühlt hatte.

Jürgen Friemel 2001
 
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