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Wer bin ich und was mache ich hier?

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
© Spoodnik
Erstaunlich, Wasserleichen auf Santa Maria

Vom Schlabberlatz zum Flattermax


Also Montag.

Also der verschollene Artikel.

Alles lief tatsächlich wie geplant. Chef hat Verständnis dafür, dass ich echt Mondsüchtig bin und die Nacht kein Auge zugemacht hab, wobei der Grund hierfür mehr bei meinem nächtlichen Intermezzo mit russischen Entführern lag. Halt nen Tag Urlaub. Doch wie es nun mal so ist, ist es nicht wirklich Urlaub, da sitzt man trotzdem von 8 bis 13 vorm Rechner und telefoniert und löst Probleme und kriecht in fette Ärsche. Da muss schon mehr kommen, da muss man schon auf missionarischer Reise irgendwo in äquatorial-Afrika eine neue Kapelle segnen müssen. Wie auch immer, erstmal lecker essen gehen, Nudeln, schmackofatz. Wieder daheim wird überlegt, was man noch so sinnloses an einem solchen Tag veranstalten kann. Erstmal Couch, schaun was es so in der Glotze gibt, oder lieber den Handycountdown stellen, 40 min, hoffentlich keine Russen, aber Möpse wären gut.

Ich erblicke zutiefst schlaftrunken meine Handyuhr, schwer sabbernd auf der Couch, Mikrofaser, alles geplant. Mein Hirnbereich für mathematisches Verständnis fängt leicht an zu vibrieren und drückt gegen das Auge, wobei mir klar wird, welche Zeitspanne ich mal wieder mit der sinnlosesten aller Aktivitäten verbracht hab, Impuls an Checkung: 1:20 Std. Dabei hatte ich mich doch mit Radioactive Man für vor 20 min zum Schwimmen verabredet.

Radioactive Man ist mein Nachbar, über mir.

Er hat so Kräfte.

Also wir drei los, Radioactive Man, ich und auch ich, der neben mir steht, meine Handlungsunfähigkeit betrachtet, gezeichnet von Jägi und zu wenig komatöser Sabberei.

Ticketziehung, Drehkreuzdurchquerung. Und da war Misery (Misery wie diese Alte in gleichnamigen Film, Stephen King, kennst du doch, ich aber nicht, stell´s mir aber genauso schlimm vor.), beäugt den Automaten und versucht zu die Rechtmäßigkeit Radioactive Man´s Studententicktetkaufs zu verifizieren, wie es sich für eine gute public-pool-and-facility-managerin in grüner Kutte gehört:

-Kann ich bitte mal den Studentenausweis sehen?

-Du möchtest meinen Studentenausweis nicht sehen und er fährt seinen Arm bogenförmig an ihrem Kopf vorbei, von links nach rechts, in einer langsamen, weisen Bewegung, resultierend aus jahrtausendelanger Erfahrung im Kampf gegen das Unrecht.

-Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!

Erstaunlich, er hat so Kräfte.

Starr blickt Misery in die Leere. Jetzt erinnert sie mich an die alte Hexe, die in meiner Jugend nebenan wohnte, permanent checkend was so passiert im House. Schon damals habe ich mir gewünscht, diese Leute wären alle mal knapp einen Meter entspannter, am liebsten mit einer Sonnenbrille, diamanterversetztem Dollarzeichen an Goldkette und den freshesten Run-DMC-Tretern, oben im Treppenhaus, checkend was abgeht.

Aber die Hexe ließ sich nicht bequatschen.

Der Tritt in die nassen Überreste, die der Vorbesetzer der Umkleide hinterlässt, garantiert Verseuchung. Daher werden die akribisch ausgefeilten Vorgänge beim Betreten der Badeanstalt mit jedem Besuch immer weiter perfektioniert. Inzwischen bekomme ich sogar eine ganz passable Kür hin, aus den Socken direkt in die Adiletten. Spind suchen. Radioactive Man steht bereit, es scheint als stünde er schon eine ganze Weile dort.

Er sagt nichts. Er ist schnell. Er hat so Kräfte. Erstaunlich.

Duschen, nur wir drei, perfekt. Training. Unbeirrt zieht Radioactive Man seine Bahnen. Ich hinterher. Das Hinterlassen meiner Seele im Club holt mich ein. Krampfhaft quäle ich mich an den Menschenmassen vorbei. Man sollte meinen, hier fände man schöne, durchtrainierte Frauen, doch Pustekuchen. Manchmal hat man Glück und die Damen gehobenen Alters machen ihr Programm drüben im Nichtschwimmerbecken, mit pastellfarbenen Rüschenbadekappen und reißenden Badeanzügen, sich wie beim türkischen Folklore in Kreis drehend. Dann lassen sie sich einfach fallen und sich eben in diesem Kreis treiben. Die Animateurin sagt nichts. Lautstark klirrend, aus einem alten Nordmende aus den Achtzigern, ertönt Santa Maria. Aus der Ferne sehen ihre geschwollenen Körper aus wie Wasserleichen. Wie ein Szenario in einem schlechten deutschen Splatterfilm, schlecht vertont.

Radioactive Man ist nicht mehr zu stoppen, ich versuchs erst gar nicht, ich sowieso nicht, der steht am Beckenrand, schweigend.

Das Roland Kaiser Wabbelgeschwader ist heute sofort fertig mit tot spielen und lässt nun den Wasserspiegel des Schwimmerbeckens um mindestens 30 cm steigen. Beirrt von der Flutwelle kommt ein schwimmender Fleischbrocken ins taumeln und rammt mich hart Steuerbord. Alles halb so wild, denke ich mir, doch der Abgasstrahl meines Kollisionspartners schimmert bläulich entlang seiner Schwimmbahn. Auf der Wasseroberfläche erstrahlt der Streifen hell in allen Farben, die das menschliche Spektrum zu bieten hat. Ich rieche Axe for Men, wieder ein Wassersparer, Deoduscher. Ein Trupp von Greenpeaceaktivisten, gekleidet in grünen Overalls, stürmt das Bad, reißen alle Blicke auf sich, besonders die Augen der Mitglieder der Santa Maria-Sisters blicken höchst erschrocken. Sie schreien irgendetwas von der Rettung von Walen, und werfen ein Netz aus, paradox. Oder Spätfolgen des Fury-Disasters. Ich will hier weg, doch Radioactive Man krault sich im Superheldentempo durch das Reservoir menschlicher Ausscheidungen mit Chlorzusatz, wieder nicht aufzuhalten. Gelockt von einem Stück Gorgonzola verlässt er doch nunmehr das Becken. Die Dusche stinkt nach Seuche, doch wird mir mal wieder bewusst, warum ich eigentlich hier bin, um so auszusehen wie jetzt gerade unter der Dusche, immer geiler, Frau her, keine Frau, muss dann wohl wiederkommen, geiler werden. Vielleicht gibt’s dann auch hier mal ein Paar schöne Mädels.

Radioactive Man braucht keinen Haken für sein Handtuch. Er hat so Kräfte. Erstaunlich.
 
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Kommentare  

hallo spoodnik,

du bist sehr mutig und originell (nicht nur wegen der fotos). ich zögere diesmal mit einer bewertung, weil ich nicht sicher bin, ob das alles für webstories ideal ist. es gibt ein feeling zwischen youtube und bloggamania. morgen schon könnten hundert weitere leute tagebuchmäßige assoziatonsströme eintüten...
ich denke, dass für webstories abgeschlossene geschichten gedacht sind - entweder gedichte, satiren kurzgeschichten etc. oder mehrteilige romane, die als solche gekennzeichnet sind.
ich warte erst mal ab, was die anderen sagen...

lg

nicolas


Nicolas van Bruenen (14.03.2007)

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