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5 Seiten

Bambi und der Dealerbutton

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© Spoodnik
...von meiner Schwäche für Rehkitze


Es hilft nicht, das Wochenende. Hatte mal wieder geplant, wichtiges abzuarbeiten. Doch ich wurde aufgehalten, von unwichtigerem. Akten stapeln sich zur Zimmerdecke und sehen aus wie die Berliner Mauer, zwischendurch kommt einer vorbei und hackt ein Stückchen heraus, freut sich, ein Stück Geschichte. Vielleicht auch nur, weil´s am Samstag wieder ziemlich heiß her ging und ich nicht wirklich klare Gedanken fassen kann. Allerdings war das geplant, nicht wie sonst. Komischerweise sind Partys das Einzige, bei dem ich eine ordentliche Planung zulasse. Clubbesuche sind unwichtig und deshalb hat dies bei mir allerhöchste Priorität.

Der Lila-Launebär und ich haben auch gestern strikt nach Plan gearbeitet. Im Vorfeld schon haben wir telefonisch die Gegebenheiten genau analysiert und festgestellt, dass ein Treffen bei mir zu Hause wohl das Beste wäre. Die Liste der Teilnehmer allerdings raubte mir den Atem. Zum einen waren da selbstverständlich der Lila-Launebär und ich. Mein bester Kumpel, die Bratwurst mit Senf, sollte auch mit, doch hat er sich nicht wecken lassen. Das Beat-Tier plus Anhang war auch geplant, doch waren die anderweitig besoffen. Nun teilte mir aber der Lila-Launebär mit, dass auch Meister Proper und eine gewisse andere Person den Spass mit uns teilen werden. Der Gedanke an diese Person ließ meinen Körper zusammenzucken, meine Hände schwitzen, meine Augen hervortreten. Panik befiel mich, als mir klar wurde, dass sie demnach auch vorher mein Reich betreten würde, vorglühen, zum ersten Mal. Beim Blick durch mein Wohnzimmer spürte ich die Strahlung, die die Bombe letzte Nacht hinterlassen hat. Aufräumen, aber schnell. Nachdem ich nun die Trümmer beseitigt hatte, den Schutt aufgelesen und den letzten Granatsplitter aus meinem Bein zog, klingelte es an der Tür. Fliegeralarm. Auf dem Weg zur Tür knipste ich noch schnell alle gemütlichen Lichter an. Die lassen die Hütte sofort gänzlich edel wirken. Blöderweise meldete ich mich an der Gegensprechanlage mit Nordpol, weil ich kurz vorher noch daran dachte, wohin ich mich schießen würde, wenn ich das mit dieser Frau vermassele.

Einer nach dem anderen stiegen sie aus dem Aufzug, zuerst der Lila-Launebär, dann Meister Proper, dann Bambi. In Zeitlupe kam sie Schritt für Schritt auf mich zu, grazilen Ganges, sicher auf den hohen Absätzen, als hätte sie hierfür einen Kurs belegt. Ihre schwarzen langen Haare, stufig geschnitten, betonten ihre makellosen Gesichtszüge und schmiegten sich sanft an meinen Hals, als sie mich mit einem Wangenkuss und einem gehauchten Hi begrüßte. Mein Blutdruck pochte in meinen Schläfen. Da saß sie nun, lächelnd auf meinem Sofa und ich bot Getränke an. Bambi wünschte eine Besichtigung der Wohnung, schien ihr zu gefallen. Einfach so, um auch etwas Schwäche zu zeigen, öffnete ich auch kurz die Tür zum Schlafzimmer. Hier waren noch die Trümmer von dem Einschlag zu sehen. Ich bildete mir ein, sie würde heute meine Blicke stärker erwidern als zuvor.

Nach mehreren Jägis, einigen Biers, machten wir uns dann gemeinsam auf den Weg in den Club. Diesmal ein anderer. Diesmal versteckter. Underground. Gefällt mir. Schon vom Weiten hört man Geschrei und pumpende Bässe. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon die Menge auf- und abhüpfen, im Takt der Musik. Innen aber schien sich diese Hoffnung in Luft aufzulösen. Ein paar Freaks tanzten, doch der Großteil stand lässig am Rand und plaudert gemütlich gegen die Beschallung an. Ist ja noch früh, erstmal warm werden, aber wo zum Teufen kamen dann die Schreie her? Innerhalb weniger Minuten füllte sich der schlauchförmige Raum. Und auch ich.

Wieder einmal erkannte ich die Wirkung von Musik auf meinen Herzrhythmus. Mit jedem Jägi, mit jedem weiteren Bier veränderte sich die Dynamik der Lichtanlage. Ein Stroboskop flackerte und ließ die Bewegungen der tanzenden Meute abgehackt wirken, wie in einem Stummfilm, nur moderner. Der DJ schaute auf die Tanzfläche und schien die Musik direkt aus seinem Herzen zu schicken. Im Takt. Der ganze Raum zuckte.

Bambis Blick störte mein Sprachzentrum und verhinderte den Aufbau eines Gespräches. Ich stammelte Antworten, die nicht wirklich einen Sinn ergaben, sich auf ja und nein beschränkten. Doch versuchte ich so zu tun, als wäre ich gerade ziemlich beschäftigt und hätte keine Zeit, ein tiefgründigeres Gespräch zu führen. Frei nach Sean Paul, you better move fast, before it get krass. Denke das hat einigermaßen geklappt. Hoffe ich.

Das Rudel der Houseanhänger fing an, bei dramatischen Stellen der Tracks enthusiastisch zu jauchzen. Bei näherem Hinsehen aber entpuppten sich so einige engagierte Technojünger als nicht wenig bewusstseinserweitert. Zwischendurch blinkte aus der Menge ein helles Licht, markierte den Menschen, den die meisten als Versorger zu bezeichnen schienen. Der Typ hatte was von dem Dude aus „The Big Lebowski“, es fehlte nur der Badematel. Sobald seine kleine Lampe in die ohnehin schon sehr lichtempfindlichen Augen der Suchenden schoss, bildete sich eine Menschentraube an genau dieser Stelle, und kleine Scheinchen flogen wie Papierflieger durch die verrauchte Luft. Immer zwischendurch erstrahlte der Dealerbutton an verschiedenen Stellen und zog die Leute in seinen Bann. Passend zum Spruch des Türstehers, wir sollten doch den Drogen keine Chance geben, strafte ich die Käufer mit meiner persönlichen Ignoranz.

Die Stimmung quoll über, als der Hauptact des Abends die Bühne betrat. Unterstrichen von hochkarätigen Videoanimationen lieferte er Sounds ohne Gleichen und postete seine good vibrations to the dancefloorcrowd. Nach anfänglichem hin- und hersausen sicherten wir uns nunmehr ein gemütliches Plätzchen auf der Tanzfläche, das wir dann auch den Rest des Abends in Anspruch nahmen. Und zwischendurch immer wieder Bambi. Bei einem unaussprechlich gelungenem Stück Technokunst lief mein Blick flüchtig über alle Köpfe, bis er eine Momentaufnahme von Bambi registrierte, die sich für lange Zeit einbrannte. Vom Stroboskop zerhackt, sah ich Bambi ihren gottesähnlichen Körper im Takt der Musik winden, eine Strähne verfing sich in ihrem Mundwinkel, die sie dann in einer lasziven Bewegung wieder entfernte. Auch wenn das Strobo cirka 20 Mal die Minute blitzte, erschien mir der Zeitraum zur nächsten Erleuchtung endlos. Als nun der nächste Blitz den Qualm zum strahlen brachte, bot sich mir ein Bild, das mich wohl an den Rand der Inkontinenz brachte. Sie schaute zu mir rüber, und das Weiß in ihren Augen zeigte mir eine Reinheit wie man sie sonst nur aus schlechten Waschmittelwerbungen kennt.

Überall roch es nach in Wallung geratenen Körpern, Sex lag in der Luft. Der Club war durchsetzt mit Hobbynutten, alle darauf aus, die Nacht möglichst nicht in der eigenen stinkenden Baracke verbringen zu müssen, sondern irgendwo in einem vollgewichsten Bett von einem dieser Blender, die ebenso in der Überzahl waren. Man sah das Knistern, dass zwischen den Blicken der Leute blitzte, einer schärfer als der andere. Die Hobbynutten übertrieben ihre Bewegungen um dem anderen Geschlecht zu signalisieren, wie sehr sie sich wünschen endlich mal wieder einen drinstecken zu haben. Eindeutige Bewegungen ließen die Hosen der Blender entweder in ein nasses Dunkelblau tauchen oder wie Bundeswehrzelte wachsen. Obwohl Bambi die Bewegungen der Hobbynutten allein mit ihrer puren Anwesenheit an Sexappeal übertraf, blockierte mein Gehirn solche Perversionen im Ansatz. Zu drückend wäre mein schlechtes Gewissen gewesen, wo ich mich doch allein an der Anmut ihres Anblickes genug labte. Ich erwischte mich dabei, wie ich sie anstarrte. Denke sie hat es auch bemerkt, doch reagierte sie nicht. Sie wird das kennen.

Meister Proper tanzte die ganze Nacht. Ich mag ihn. Anfangs flößte mir sein Anblick eine gewisse Angst ein, solch eine, wie man sie nun mal hat wenn man vor einem glatzköpfigen Riesen steht. Doch erwies sich diese Angst als völlig unbegründet. Selten so einen Spass gehabt. Denke das nächste Mal muss der mitkommen.

Als wir nun schon alle auf der Höhe unserer Stimmungslage angelangt waren, fiel mir auf, wie Bambi sich angeregt mit einem Blender unterhielt, der aussah wie Moby. Auch an ihm konnte ich die Zeichen erkennen, die jeder Blender hier aufwies, als er sich mit Bambi unterhielt. Bei jedem Anzeichen einer Abwendung von Bambis Aufmerksamkeit, wanderten Mobys Augen über ihren Körper, lechzend, sabbernd, ekelig. Seine eichelförmige Glatze schien sich einen Spalt weit zu öffnen, und die schön beleuchtete Decke mit schmutzigem Blender-Ejakulat zu verunreinigen. In mir staute sich ein Ozean aus Wut, doch würde der Ausbruch ein Disaster hervorrufen. Vor Allem in diesem Zustand. Glücklicherweise wurde ich dann vom Dealerbutton geblendet, der mich instinktiv in eine andere Richtung blicken ließ. In Richtung Hobbynutten und Blendern. So kam ich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Tatsache, dass Bambi nun mal nicht zu mir gehört, und mein besoffener Eifersuchtsanfall dann doch eher Verwirrung hervorrufen würde.

Zum Schluss bekam ich dann doch noch einen freundschaftlichen Abschiedskuss, der das Blut in meinen Adern gefrieren ließ. Im Gegensatz zu meiner, fühlte sich ihre Haut warm und seidig an. Ich hatte die Panik, mein in der Zwischenzeit beträchtlich gewachsener Bart könnte irgendetwas in ihrem zierlichen Gesicht aufreißen, doch glitt meine Wange wie ein frisch gewachster Schlitten über ihr Gesicht. Freundschaftlich, versteht sich.



Jetzt ist es bereits Montag und die Gedanken wollen nicht weichen. Das ist immer so wenn ich mit Bambi unterwegs war. Doch das geht weg. Ich kenne das. Bald werde ich wieder von anderen Göttinen schwärmen. Doch irgendwie ist diese präsenter. Die Erinnerung bleibt länger, ist nicht so flüchtig wie bei den ganzen Hobbynutten. Es ist die Erinnerung an Klasse, Glamour und Unerreichbarkeit. Ich werde mir einen neuen Plan zurechtlegen müssen. Einen wasserdichten Plan. Das habe ich oft gemacht, doch werden die Pläne immer wieder von Bambi im Kern erstickt. Weil ich mich einfach nicht konzentrieren kann. Aber das geht weg, hoffe ich..

Und ich krieche auch jetzt wieder in fette Ärsche, mit Krawatte und Anzug, von oben bis unten beschissen...
 
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