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Atombombenverbrecher

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
„In der einen Hand trägt er den Rettungsplan für Alaska und in der anderen eine Atombombe, die er darauf werfen wird“, so heißt es sprichwörtlich in Bobitz für einen kontrastreichen Menschen. Bei Lothar Echsenbrück trifft es sogar wörtlich zu.
Auf der Anklagebank ein erbarmungswürdiger Anblick, so wenig menschlich im Aussehen und in der Haltung eher ein Schwein mit Ameisenhändchen, so brav die Glatze ungescheitelt, so schweinehaft die Nase. Sicher, dafür kann Lothar nichts, aber das Aussehen ist ja nun einmal ein Spiegel der Persönlichkeit. Man muss einem Menschen ins Gesicht schauen, wenn man wissen will, was er denkt, warum er so und nicht anders handelt.
Er muss aber doch menschlich wirken. Von einer Frau ist die Rede, die an ihm und er an ihr hängt, die aber eine arge Bummelantin und Diebstahlermeisterin vor dem Herrn Buchsentritt ist. Buchsentritt ist Bobitz`s bekanntester Apfeldieb. Na ja, war es. Irgendwann hat ihn ein Bauer erschossen, weil dieser dachte Buchsentritt wäre Buchsentritts Frau. Die war Vergewaltigerin.
Lothar hat eine verhältnismäßig gute Schulbildung und wohnt ziemlich zentral in Bobitz. Die neunte Klasse hat er absolviert, er lernt, wie stolz das klingt, Liftboy in einem zweistöckigem Hotel und weiß nicht, dass dies gar kein Ausbildungsberuf ist. Der Hotelier hatte es ihm aber so gesagt damit er Geld sparen kann und Lothar war zufrieden.
Er hat Begabung, doch es mangelt ihm an Fleiß. Er hat sicher einiges in der Schule und im Fahrstuhl gelernt, aber eben nicht das Lebensführen. Nach seiner Ausbildungszeit in dem Fahrstuhl bleibt er im Fahrstuhl. Später darf er sogar Koffer hinauftragen. Er kommt mit allen Überstunden auf brutto 600 Euro.
Er wohnte bis auf die letzten Wochen noch bei seinen Eltern, dort gab er 400 Euro ab, den Rest verbrauchte er für sich auf die dümmste Weise, er versäuft und verqualmt ihn. Er sagt, zwanzig Korn und zweiundzwanzig Bier am Tag und dazu noch Haschisch und Tabak. Er hat sich das alles schon in seiner Kindheit angewöhnt. Mit dreizehn und vierzehn Jahren habe er regelmäßig Bier getrunken. Später trank er meist an Kiosken zur Arbeit hin und wieder zurück. Im Fahrstuhl selbst hatte er ein kleines Versteck für Korn angelegt. Der Vater hat davon gewusst, jeder in Bobitz wusste es und kannte ihn, und dennoch hat man ihm Alkohol ausgeschenkt. Er trank auch nicht nur an einem Kiosk, sondern an allen. Durch sein vieles Trinken verschlief er manchmal die Fahrstuhlgäste, die selbst die Knöpfe drücken mussten. Es gab Verweise, Verwarnungen, strenge Verweise und in den letzten Wochen vor seinen Straftaten wurde er zwar nicht fristlos entlassen, was ihm zugekommen wäre, sondern man machte mit ihm einen Aufhebungsvertrag.
Warum trinkt einer? Weil es ihm schmeckt! Und warum kriegt er Bier und Alkohol? Weil der Ober es bringt.
Lothar liebt das Saufen, das Tanzen, das Rauchen und das Atombomben werfen, denn er spielt im Internet ein Atombombenwerfspiel. Sein Vater spielt das auch ständig und alle seine Freunde. Das Werfen macht ihm Freude, da ist er Feuer und Flamme.
Er fliegt auch gerne mal in den Urlaub, aber er hat es noch nie gemacht. Er vertrinkt ja das ganze Geld. Sein Onkel ist mal geflogen, der soll ihm immer davon erzählen, aber hat keine Lust. Er kennt seinen Neffen, er weiß, dass dieser dann seine Geschichte mit großem Gebrüll und übertriebenen Flugzeugmotorgeräuschen begleitet.
Der Onkel war einmal in Alaska und will irgendwann wieder hin. Eines Abends versteckt Lothar eine Atombombe, die er sich selbst zusammengebaut hat, in der Schublade des Nachtschranks seines Onkels. Er ist sauer auf den Onkel und Alaska, weil er nicht mit hingenommen wird und will deshalb das der Onkel die Bombe mitnimmt und so ganz Alaska in Schutt und Asche legt und sich gleich mit.
Als Atombombenwerfspieler weiß er natürlich, wie er die Atombombe verkleiden muss damit sie nicht gleich als solche ersichtlich ist. Er hat sie einfach in einem Radiowecker eingebaut. Der Onkel nahm diesen, wie immer, natürlich mit. Alaska geht unter und der Onkel stirbt.
Fünfmal hat es außerdem noch weitere Atomexplosionen gegeben. Alle in Bobitz und halt klitzeklein. Noch einige Tage drückt sich Lothar an den Kiosken herum, redet über Atombomben, er sagt er habe einen Verdächtigen im Spiegel gesehen. Er trinkt, trinkt, redet und verrät sich selbst.
Das Gericht verurteilt Lothar wegen vorsätzlichen Atombombenanschlägen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr.
Ein erbarmungswürdiger Anblick, dieser Lothar, ich sagte es schon.
 
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Kommentare  

Robert, was immer du nimmst, nimm es weiter!!
Skurril, abgedreht, einfach genial.
Wenn Terry Gilliam tot wäre, wäre er in dir wiedergeboren.
Dafür GRÜN und ********
LG


Pia Dublin (27.06.2008)

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