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Die Belfast Mission - Kapitel 42

Romane/Serien · Fantastisches
Kapitel 42 – Das Dienstmädchen

Southampton 8:36 Uhr …

An diesem Morgen parkten vor dem South Western Hotel ungewöhnlich viele Automobile und prunkvolle Pferdekutschen. Im Juni des letzten Jahres, als die R.M.S. Olympic das erste Mal über den Nordatlantik fuhr, hatte sich eine ähnliche Szenerie vor dem berühmten Hotel abgespielt.
Uniformierte Chauffeure polierten mit Tüchern ihre Fahrzeuge, während die Dienstangestellten der Aristokraten das Reisegepäck verstauten. Die meisten der Erste Klasse Passagiere waren Amerikaner, die wochenlang in Europa oder Ägypten ihren Urlaub verbracht hatten und daher mit allerhand Gepäck reisten.
Die Jungfernfahrt der R.M.S. Titanic wurde von der White Star Line immens publiziert, sodass sich insbesondere die prominenten Herrschaften dieses Erlebnis auf gar keinen Fall entgehen lassen wollten. Einige Passagiere hatten sogar ihren Urlaub extra unterbrochen, nur um mit dem luxuriösesten Passagierschiff der Welt über den Nordatlantik zu fahren. Im Club der Reichen sprach es sich außerdem rasch herum, dass einige hochgeachtete Persönlichkeiten wie Benjamin Guggenheim, George Widener, Sir Cosmo und Lady Duff Gordon, Isidor Straus gemeinsam mit seiner Ehefrau Ida Straus (das Ehepaar waren gebürtige Deutsche), die die Geschäftsgründer des berühmten Kaufhauses Macy`s in New York waren, und sogar der reichste Mann der Welt, John Jacob Astor, ebenfalls an Bord sein würden. Mit solch einer königsähnlichen Gesellschaft gemeinsam auf einem Schiff im gleichen Speisesaal zu dinieren, allein dies war schon für manchen Neureichen Anreiz genug, um für jeden Preis dabei zu sein. Außerdem war es absehbar, dass während des Ablegens der Titanic sowie auch bei der Ankunft in New York Presseleute erscheinen würden, weshalb die Passagiere dann im Rampenlicht stehen würden.
Andere Passagiere hingegen stiegen widerwillig an Bord der Titanic, mitunter weil ihnen die Größe des Schiffes einfach nicht behagte. Aufgrund des aktuellen Kohlestreiks wurde angeordnet, sämtliche Steinkohle aus allen Kesselräumen anderer Schiffe zu plündern und in die Titanic zu verfrachten. Etliche Ozeandampfer ankerten deshalb an den Piers, dessen Schifffahrten zwangsweise storniert wurden und ein Ticket 2. Klasse für die Titanic kostete etwa gleich viel, wie ein Ticket 1. Klasse auf einem gewöhnlichen Passagierschiff.

Der französische Renaissance Baustil des Eckgebäudes verlieh dem South Western Hotel ein gewisses königliches Flair, sodass man bei dem Anblick glaubte, dort würde das Wasser aus goldenen Wasserhähnen sprudeln. Allein nur ein bescheidenes Hotelzimmer war für einen Normalbürger unerschwinglich, aber diesmal waren letzte Nacht sogar die teuersten Suiten ausgebucht, die tatsächlich mit vergoldeten Armaturen ausgestattet waren.
Die Eleganz der Räumlichkeiten des angepriesenen Hotels war kaum zu übertreffen. In der Hotellobby ragten Marmorsäulen empor und ein Treppenhaus, gefertigt aus Eichenholz, führte bis zur vierten Etage hinauf. Aber es befand sich dort selbstverständlich auch ein Lift.
Die hohen Decken waren allesamt stuckverziert, an den Wänden hafteten hochwertige Textiltapeten und die Parkettböden waren stellenweise mit wertvollen Orientteppichen belegt. Die verglasten Türen zum Speisesaal wurden von Butlern unaufgefordert geöffnet, sobald ein Hotelgast herbeistolzierte. Dann eröffnete sich der Anblick unzähliger gedeckter Tische, die von glitzernden Kronleuchtern erhellt wurden und die sanfte Musik des hauseigenen Orchesters beherrschte die Atmosphäre im Speisesaal.
Wertvolle Gemälde dekorierten die vertäfelten Mahagoniwände und in den Ecken und Nischen standen tropische Topfpalmen. Das Publikum, welches im South Western Hotel regelmäßig verkehrte, zählte zu der High Society des anfänglichen Zwanzigsten Jahrhunderts und jeder wusste über den anderen Bescheid. Einige von ihnen hatten Milliarden auf dem Bankkonto, andere wiederum Millionen Schulden, die sich lediglich mit ihrem adligen Stammbaum oder bekannten Namen brüsten konnten und somit trotzdem zur gehobenen Gesellschaft dazu gehörten. Schon am Vorabend munkelte der Klatsch und Tratsch, dass ein unbekanntes französisches Ehepaar eines der teuersten Suiten bewohnte. Die Damen tuschelten untereinander, dass der französische Herr außergewöhnlich intelligent und reizvoll wäre, während die Herren heimlich von der atemberaubenden Madame schwärmten.

Das Feuer im marmorierten Kamin knisterte und erfüllte die Luxussuite mit einer wohltuenden Wärme. Immerhin war es an diesen Frühlingsmorgen etwas frisch.
Mara huschte aus dem prunkvollen Badezimmer, schlenderte barfüßig durch den Wohnbereich zum Schlafzimmer hinüber und zog den langen, seidenen Vorhang auseinander.
„Et voilà“, lächelte sie, breitete ihre Arme auseinander und präsentierte Jean die Aussicht auf den Hafen von Southampton. Sie faltete ihre Hände und seufzte, als sie die vier gelben Schornsteine der Titanic erblickte, die mitsamt dem weißen Promenadendeck majestätisch über die Abfertigungshallen ragte. Beim genauen Hinschauen waren Menschen auf dem Schiff zu erkennen, die so winzig wie Ameisen wirkten. Jean aber reagierte nicht auf ihre Bewunderung für das riesige Schiff, sondern hockte im Schneidersitz aufrecht im Bett und war in eine Lektüre vertieft. Sie kraulte durch ihr dunkles kurzes Haar und stutzte.
„Jeanie, nun schau dir das jetzt mal an. Der vierte Schornstein der Titanic raucht ja doch. Dabei dachte ich immer, dieser sei nur eine Attrappe.“
„So ist es, Chérie, so ist es … Nur eine Attrappe“, antwortete er ohne dabei seinen Blick von der Broschüre abzuwenden. Mara blickte über ihre Schulter und sah ihn grantig an.
„Ach ja … Und weshalb raucht es dann?“, hakte sie spitz nach.
Sie konnte es einfach nicht ausstehen, wenn ihr Ehegatte sie mit einer flüchtigen Antwort abservierte. Jean entging es, dass sie ihn gereizt ansah, weil er zu sehr mit einem Artikel beschäftigt war.
„Schaue etwas genauer hin, Chérie. Der vierte Schornstein qualmt allerhöchstens etwas. Wahrscheinlich sind es Dämpfe aus der Kombüse. Dieser Schornstein dient sozusagen als eine Abzugshaube für die Küche aber hauptsächlich sorgt er für die Ventilation des Schiffes.“
Einen Augenblick dachte Mara dies wäre nur ein Scherz, aber als sie Jeans Schmöker wiedererkannte, welcher seine völlige Aufmerksamkeit beanspruchte, weitete sie aufgeschreckt ihre Augen.
„Sag, bist du denn wahnsinnig? Du hast tatsächlich die Broschüre von der TTA einfach mitgenommen? Darin ist der geschichtliche Ablauf von der Kiellegung der Titanic bis zum Untergang ausführlich beschrieben, samt Fotografien und Zeugenaussagen. Wenn sie dich dabei erwischt hätten, würden nicht wir, sondern die Reservetruppe jetzt unsere Reise angehen. Und das mit Recht! Es ist nicht auszudenken, wenn dieses Büchlein in die Hände eines Akteurs gelangen würde. Du hast unsere Zeitreise und unsere Zukunft billig aufs Spiel gesetzt!“, giftete sie ihn in französischer Sprache empört an.
Jean nahm die Brille ab, streifte seine schulterlangen Strähnen hinter die Ohren und blickte sie streng an.
„Ich bin aber vielmehr um deine Sicherheit besorgt! Scheinbar hast du es schon vergessen, dass dir ein MP-Cop namens Lieutenant Nicole Kalbach in Nieuw Bruxelles einen Zahlencode auf deinen ID-Chip gespeichert hat. Zu allem Überfluss war die Polizistin ein Cyborg und wurde eventuell dazu programmiert, uns für irgendwelche Zwecke zu benutzen. Diese Broschüre könnte uns vielleicht die nötigen Hinweise liefern, die Verantwortlichen ausfindig zu machen, die diesen Zahlencode benötigen. Nur deswegen hatte ich die Broschüre mitgehen lassen!“, rechtfertigte er sich. Mara beruhigte sich wieder.
„Aber inwiefern könnte diese Broschüre für uns von Nutzen sein? Wo glaubst du, soll dort ein Hinweis verzeichnet sein? Und was soll das überhaupt für ein Hinweis sein?“
Jean tätschelte auf die Matratze und forderte sie auf, dass sie sich neben ihn setzen sollte.
„Einige Fotografien sind mir bereits aufgefallen, als wir noch im Countdown Raum warteten. Diese sind zwar tatsächlich auf der Titanic fotografiert worden, jedoch mit einem Techna-XR3 Modell. Das sind die gleichen Mikrokameras, die auch in unseren Taschenuhren installiert sind.“
Mara schlich wie ein Leopard auf allen Vieren auf das Bett, umklammerte seinen Nacken und betrachtete die abgebildeten Fotografien. Auf Anhieb war die veraltete Bildqualität der originalen Fotos aber von den unbekannten Fotografien kaum zu unterscheiden. Nur beim genauen Betrachten konnte man erkennen, dass die fremden Fotografien etwas hochauflösender waren, obwohl diese zu einer schwächeren Qualität bearbeitet wurden.
„Wir wurden von der TTA offensichtlich betrogen, denn wir werden nicht die ersten und einzigen Zeitreisenden an Bord der Titanic sein. Schlimmer noch; nach Aussage von Lieutenant Kalbach sind wir bereits in eine Mission des Geheimdienstes involviert. Wenn die Polizistin die Wahrheit gesagt hatte, dann ist unsere Sicherheit nicht hundertprozentig gewährleistet“, klärte er sie auf.

Mara überprüfte mit seiner Nickelbrille die bedenklichen Fotografien. Ihr waren ebenfalls sofort einige unbekannte Bilder aufgefallen, welche hauptsächlich auf dem Bootsdeck fotografiert wurden und immer war ein Mann mit derselben Schirmmütze darauf zu sehen. Sein Gesicht war allerdings nicht zu erkennen, weil er entweder rücklings oder seitlich zur Kamera stand. Nur auf einem einzigen Foto war der geheimnisvolle Mann zusammen mit einer jungen Frau abgelichtet worden. Beide standen auf dem Bootsdeck, direkt vor den Rettungsbooten auf der Steuerbordseite. Trotz der schwarz-weißen Fotografien konnte Mara mithilfe der Brille die Frau als eine Person mit Sommersprossen identifizieren. Diese lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und lächelte fröhlich in die Kamera. Die Schirmmütze des Mannes war aber tief in sein Gesicht gerückt und verdeckte seine Augen, wobei er ebenfalls vergnügt in die Kamera grinste. Mara tippte mit ihrem Finger auf dieses Bild.
„Schau mal Jeanie, wie goldig. Die zwei Akteure tragen Eheringe“, quiekte sie entzückt. „Sie machen den Eindruck auf mich, als sei es ihre Hochzeitsreise.“ Mara seufzte. „Hoffentlich erleben beide ein Happyend. Weißt du was wir tun werden?“, fragte sie und antwortete sogleich: „Wir werden dieses Pärchen aufsuchen, uns mit ihnen anfreunden und sie ausführlich interviewen. Was hältst du davon?“
„Chérie, bleib bitte sachlich und sei nicht schon wieder so romantisch. Falls der Lieutenant nämlich gelogen hatte und wir gar nicht in irgendeiner Mission verwickelt sind, handelt es sich hierbei um eine persönliche Angelegenheit. Wer auch immer unsere gesuchte Person sein mag weiß, dass wir diese Broschüre besitzen und will von uns gefunden werden. Diese Fotografien liefern uns vielleicht die Hinweise, damit wir sie kontaktieren können. Wir müssen außerdem unbedingt herausfinden, wofür dieser Zahlencode benötigt wird, nur so können wir letztendlich auch entscheiden, ob wir ihnen überhaupt behilflich sein werden. Wir wissen ja absolut nicht, was hier vor sich geht.“
„Wie du meinst“, räumte sie seufzend ein und dachte nach.
Mara überflog währendem Jean ihr seine Theorie unterbreitete, einen weiteren Artikel, welchen er ihr bereits im Countdown Raum angedeutet hatte. Es handelte von einem tödlichen Unfall auf Queens Island, während die Funktionen der wasserdichten Schotten der Titanic getestet wurden. Nun war auch Mara etwas irritiert, weil sie von einem derartigen Unglück noch nie zuvor gehört hatte.
„Und wie gehen wir jetzt vor? Wie werden wir weitere Hinweise erfahren? Und wie sollen wir bloß diesen Ike van Broek ausfindig machen?“, fragte Mara bedrückt.
„Ganz einfach, Chérie. Wir spüren den Fotografen auf und kontaktieren ihn. Wir wissen anhand der Fotografien schließlich, wo genau er sich aufhalten wird. Somit werden wir auch dieses geheimnisvolle Ehepaar aufspüren und herausfinden, ob sie tatsächlich Akteure oder Zeitreisende wie wir sind. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass dieser Zahlencode nicht für den Geheimdienst gedacht ist, so wie es der Lieutenant Kalbach behauptet hatte.“
Plötzlich klopfte es an der Tür. „Housekeeping“, sprach eine piepsige Stimme. Mara flitzte sogleich in das Badezimmer, zog sich einen seidenen Bademantel an und stülpte eilig ihre Rothaarperücke über. Ungekämmt. Dann eilte sie sogleich zur Hotelzimmertür und räusperte sich: „Ja, bitte!“

Ein junges Dienstmädchen trat herein und hielt ein Tablett in ihren Händen, mit Croissants, Marmelade, etwas Butter, Tassen und eine Teekanne. Als sie die Herrin erblickte, stockte ihr sofort der Atem. Solch eine großgewachsene Frau, mit einem derartig hübschen Gesicht, das sogar ungeschminkt wie gemalt aussah, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Nicht einmal ihre ungekämmte rote Haarpracht, die zerzaust abstand, ließ sie in ihren Augen nicht ansatzweise unattraktiv wirken.
Mara reagierte ähnlich und starrte das Dienstmädchen ebenso großäugig an. Direkt vor ihr stand eine junge Frau aus der Vergangenheit. Eine lebendige Akteurin. In ihrer schwarzen Bekleidung, das weiße Häubchen auf ihrem Kopf und die umgebundene Schürze wirkte auf Mara, als käme die junge Frau von einem anderen Stern. Einen Augenblick starrten sich beide Frauen nur wortlos an. Mara war von der kleinen Akteurin sichtlich entzückt.
„Wie ist denn Ihr Name, junge Miss?“
„I-ich heiße Ruthmilda Carter, aber alle nennen mich nur Ruthie, Ma`am.“
Ihr Gesicht verzerrte sich plötzlich. Ruthie schloss ihre Augen, versuchte es noch krampfhaft zu unterdrücken, aber vergebens. Sie nieste laut, dabei fiel die Teekanne aus Porzellan vom Tablett herunter und zerschellte am Boden. Eine dampfende Pfütze breitete sich auf dem Teppich aus.
Das Dienstmädchen erstarrte vor Schreck, stellte das Tablett auf einen Sekretär ab und stürzte sich sogleich kniend vor Mara und umklammerte ihre Beine.
„Sagen Sie es bitte, bitte, niemanden, Ma`am, ansonsten wird man mir sofort kündigen. Dann werde ich meine Familie nie wiedersehen!“, flehte sie herzzerreißend und fing an zu weinen.
Mara kniete zu ihr herunter, nahm sie in ihren Arm und streichelte sanft über ihren Kopf. Mittlerweile stand Jean daneben, nachdem er das Taschenbuch von der TTA versteckt hatte.
„Aber nicht doch. Ich werde einfach sagen, ich hätte dieses kleine Malheur selbst fabriziert. Einverstanden?“, versuchte Mara sie zu beruhigen. „Wo wohnt denn deine Familie, Ruthie?“

Die zweiundzwanzigjährige Ruthmilda Carter berichtete schniefend, dass sie vor zwei Jahren von Zuhause ausgerissen sei, weil ein Streit mit ihren Eltern sie dazu gezwungen hätte. Nun aber wollte sie unbedingt wieder zurück nach Amerika, denn sie fühlte sich in England einsam und die Sehnsucht nach ihren Eltern würde sie quälen. Außerdem vermisse sie die die Rocky Mountains, meinte sie.
„Du bist eine Amerikanerin?“, fragte Mara erstaunt. Ruthie nickte hastig, während sie in ein Taschentuch schnäuzte. „Ja Ma`am, aus Colorado Springs. Und ich will wieder zurück nach Hause, also verraten Sie mich bitte nicht. Ich tue auch alles, was Sie wollen. Ich muss noch ein paar Monate sparen, bis ich mir ein Ticket für die Dritte Klasse eines Schiffes leisten kann. Aber wenn mir jetzt gekündigt wird, schaffe ich das nie.“
Mara drückte sie sanft an ihre Brust und tätschelte gegen ihren Rücken.
„Weißt du was, Ruthie? Du kündigst auf der Stelle deinen Job und wir werden dich als unsere Dienstmagd einstellen. Du begleitest uns auf die Titanic und in New York darfst du dann hingehen, wohin du willst. Somit wäre dein Problem gelöst. Was hältst du davon?“
Ruthmilda Carter blickte sie mit ihren großen blauen Augen an, ihr Mund zitterte.
„Ist-ist das Ihr Ernst, Ma`am? Oh, entschuldigen Sie bitte, das heißt ja bei Ihnen in Frankreich Madame. Sie wollen mich tatsächlich mitnehmen? Ich reise wirklich mit der Titanic? Sogar First Class?“, fragte sie ungläubig. Mara nickte, lächelte und stupste auf ihre Nase. „Oui, mon amour. Oui.“
Jean wollte gerade gegen den Beschluss seiner sichtlich gerührten Ehefrau Einspruch erheben, schließlich hatte sie soeben eine Person die Fahrt auf der Titanic ermöglicht, die ursprünglich nicht dabei gewesen war, jedoch wurde sein Protest von einem schrillen Jubelschrei übertönt. Ruthie umklammerte freudig ihren Hals aber als sie plötzlich Jean erblickte, stockte ihr abermals kurz der Atem. Jean reagierte wie gewöhnlich freundlich.
„Bonjour, Mademoiselle. Na schön, dann ähm … Nehmen wir sie eben mit … Meinetwegen“, sprach er zerknirscht.

Unterdessen wartete Schleuser Marko Rijken vor dem Hotel auf die Corbusiers, um die TTA Kundschaft zum Hafen zu chauffieren. Er blickte auf seine Taschenuhr, es war bereits kurz vor 10:00 Uhr. Der Motor seines Tin Lizzys tuckerte, während er am Straßenrand gegenüber dem South Western Hotel parkte. Er lehnte seinen Arm lässig auf die Autotür, hielt die Faust nachdenklich gegen seinen Mund und starrte vor sich hin.
Er war davon überzeugt, dass Ike die 5,5 Milliarden Dollar ergaunert und das Bankkonto zugleich aufgelöst hatte, obwohl er es sich selbst nicht vorstellen konnte, wie er dies angestellt haben sollte. Falls Ike das Vermögen aber doch nicht gestohlen hatte, musste er es mindestens veruntreut haben. Davon war er jedenfalls überzeugt.
Wie dem auch sei, das Bankkonto existierte nicht mehr und der Geheimdienst hatte es bislang noch nicht bemerkt. Marko glaubte einfach nicht, so wie seine Kollegen es vermuteten, dass die Milliarden für die Mission Drittes Reich aufgebracht wurden. Aber vielmehr ärgerte sich Marko über die Konventionalstrafe, die ihm die Sicherheitszentrale verhängt hatte, zumal er Ike dafür verantwortlich hielt.
Marko schaute in den Rückspiegel und beobachtete wie seine Gehilfen die Ladefläche eines Kutschenwagens mit dem Gepäck der Corbusiers beluden. Seine Kollegen hasteten abwechselnd über die Straße in das Hotel hinein und schleppten weitere Koffer und Kisten hinaus. Aussteigen und ihnen freundlicherweise dabei behilflich zu sein, kam Marko weder in den Sinn noch sah er sich ansatzweise dazu verpflichtet. „Das sollen diese Grünschnäbel schön selber machen. Mir hatte man es in meiner Anfangsphase auch nicht leicht gemacht. Lehrjahre sind nun mal keine Herrenjahre“, brummelte er gehässig lächelnd vor sich hin.
Nochmals blickte Marko auf seine Taschenuhr. Er hatte noch etwas Zeit bevor die Akademiker erscheinen würden und weil der Kaffeedurst sich bei ihm bemerkbar machte, entschloss sich Marko in das Café nebenan zu gehen. Zuvor schlenderte er aber nach hinten zum Pritschenwagen und pumpte seine Leute um etwas Kleingeld an.

Trotz der frischen Temperatur saßen einige Damen und Herren draußen vor dem Straßencafé an den Tischen. Servierdamen mit schwarzen Kleidern, weißen Schürzen und Hauben bekleidet bedienten die Herrschaften. Ein Zeitungsjunge lief umher und hielte die Southampton Daily News Zeitung in die Höhe. „Extrablatt! Extrablatt! Alles über die Jungfernfahrt der Titanic! Das größte Schiff der Welt sticht heute Mittag um 12 Uhr in See!“, rief der Bursche.
Marko Rijken kaufte eine Zeitung, bezahlte und tätschelte dem Jungen lächelnd auf seine Schirmmütze. „Mal sehen, wie ich diesen Wisch am Checkpoint vorbei schmuggeln kann“, nuschelte er vor sich hin, nachdem er die Zeitung unter seinen Arm klemmte. „Irgendein bekloppter Sammler wird mir dafür bestimmt ein Vermögen zahlen.“
Es schellte, als Marko die Tür des Straßencafés öffnete. Er zupfte seine Krawatte zurecht und räusperte sich.
„Guten Morgen, Sir. Ich hätte gerne einen Kaffee, aber zum Mitnehmen, bitte“, bestellte Marko Rijken mit einem müden Unterton, trommelte dabei seine Finger leicht auf die verglaste Tresen und beobachtete aus dem Ladenfenster den Eingang der Hotellobby.
Köstliche Torten, Kuchen und Sahnehütchen mit Kirschen bestückt waren in der Glasvitrine ausgestellt. Im Hintergrund in Regalen lagen frisch gebackene Brote.
Der Konditor blickte ihn stirnrunzelnd an, zumal er einen fremdartigen Akzent in seiner Aussprache heraushörte. Ein Engländer war dieser Herr offensichtlich nicht. Einer dieser hochnäsigen Amerikaner, die meinen sich alles erlauben zu dürfen, sicher auch nicht, dafür sprach er zu deutlich. Dieser Herr könnte ein Deutscher oder gar ein Holländer sein, vermutete der Konditor. Was meint der bloß damit, zum Mitnehmen? Will der meine Kaffeetasse etwa als Souvenir behalten?, dachte er sich insgeheim.
Der Konditor verschränkte seine Arme hinter dem Rücken und blickte Marko mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er entgegnete ihm mit trockenen, britischen Humor.
„Mit oder ohne Untertasse, Sir?“
Marko schaute ihn verwundert an.
„Wie, was … Mit oder ohne Untertasse?“, fragte Marko Rijken verwundert.
„Möchte der Herr seine Kaffeetasse vielleicht gerne eingepackt haben, möglichst mit einer Schleife umbunden?“, hakte der Konditor freundlich lächelnd nach. „Wäre ja ein nettes Mitbringsel aus England, nicht wahr?“
Rijken zwinkerte nervös mit seinen Augenlidern, denn er verstand nicht worauf der Konditor hinauswollte.
„Was genau wollen Sie von mir, Sir? Ich habe einen einfachen Kaffee To-Go bestellt. Gibt’s da etwa ein Problem?“, fragte Marko sichtlich genervt.
„To … Go?“, hakte der Konditormeister erstaunt nach.
„Hören Sie, Mister. Wo auch immer Sie herkommen mag das Mitnehmen der Kaffeetassen im Preis eines Getränks inklusiv vielleicht üblich sein, jedoch befinden Sie sich zurzeit in England. Hier wird der Kaffee oder Tee immer noch im Laden getrunken, nachdem man bezahlt hat. Dann verschwindet man wieder, und daran wird sich in Zukunft auch niemals etwas ändern“, wies er Marko geheuchelt freundlich zurecht.
Marko kniff die Lippen zusammen und nickte stetig. Er hatte vergessen, dass die Marktlücke Drive-in noch gar nicht erfunden wurde. Schließlich wurde Marko Rijken eigentlich für das Mittelalter ausgebildet und hielt sich nur selten und nur kurz im Zwanzigsten Jahrhundert auf. Rijken rückte seinen hellen Hut etwas zurück und kratzte sich die Stirn.
„Na schön, Mister Tortenbäcker. Dann geben Sie mir eben auf die Schnelle einen Espresso. Aber pronto, wenn ich bitten darf. Ich bin in Eile und habe wenig Zeit!“
Der Konditor kniff seine Augen und blickte ihn dabei scharf an.
„Einen Espresso?“, fragte er spitz. „Sehe ich etwa wie ein Italiener aus?“
Marko schaute ihn nur verblüfft an.
„Wie wäre es mit einem Ouzo oder einer Haifischflossensuppe, Sir? Wünscht der Herr vielleicht eine heiße Frikadelle oder lieber ein Rumpsteak? Englisch gebraten, selbstverständlich.“
Eine kurze Stille herrschte.
„Ich habe keine Ahnung, wo Sie herkommen, Sir. Aber in einer englischen Konditorei gibt es nur Kaffee, Tee, Kuchen, Brot und Torten. Mehr nicht. Und schon gar nicht für To-Go! Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag, Sir.“
Marko Rijken verzog genervt seinen Mund und schaute kurz aus dem Ladenfenster hinaus. Die Lust auf eine gemütliche Tasse Kaffee war ihm nun gründlich vergangen.
Plötzlich erblickte er einen feschen jungen Mann, bekleidet mit einem hellgrauen Mantel, wie er zwischen seinem Automobil und der Pritschenkutsche über die Straße huschte. Einen Augenblick erstarrte Marko, als hätte er gerade einen Geist gesehen.
„Sieh an, sieh an, sieh an … Wen haben wir denn da?“
Vor seinen Augen spazierte leibhaftig Ike van Broek einfach über die Straße. Er schritt schnurstracks dem gegenüberliegenden South Western Hotel entgegen. Rijken schmetterte die Zeitung auf die verglaste Theke.
„Na warte nur, Freundchen. Jetzt bist du fällig. Dich schnapp ich mir!“, brummelte er vor sich hin, stürmte sofort aus dem Café hinaus und rannte ihm hinterher. Der Konditor schüttelte leicht mit dem Kopf.
„Kaffee To-Go … So was beknacktes kann eigentlich nur den Amerikanern einfallen.“

Autoreifen quietschten, weil Ike rücksichtslos die befahrene Straße überquerte und die Automobile mit vorgehaltener Hand vor deren klobigen Kühlergrillen zum Anhalten zwang. Als er beinahe die Straßenmitte erreicht hatte, bekam ihn Marko an seiner Schulter zu fassen und riss ihn grob herum.
„Hab ich dich endlich, Freundchen. Was fällt dir ein, unser Bankkonto einfach zu plündern?“, schnauzte er ihn sogleich keuchend an.
„Rijken? Was machst du denn hier?“, fragte Ike völlig überrascht, setzte seinen Fußmarsch aber einfach fort. Marko hielt verbissen Schritt, so einfach wollte er ihn nicht davon kommen lassen.
„Was zum Geier treibst du eigentlich hier? Du solltest doch in Irland sein“, fuhr ihn Marko Rijken verwundert an.
„Irland? Wieso Irland? Was redest du für einen Unsinn. Was soll ich denn da? Du kommst mir sehr ungelegen, also verschwinde. Lass mich in Ruhe!“
Wegen diesen beiden Männern, die ungeachtet eine verkehrsreiche Hauptstraße rücksichtslos überquerten, waren weitere Automobile notgedrungen gezwungen, abrupte Vollbremsungen hinzulegen. Wutschnaubend drückten die Fahrer auf die Hupen und fluchten: „Runter von der Straße, ihr zwei Armleuchter. Seid ihr denn lebensmüde?!“, schimpften sie.
Marko Rijken blickte ihn zornig an.
„Dir habe ich eine Konventionalstrafe von 80.000 Euro zu verdanken, van Broek. Was sagst du dazu?“
„Keine Ahnung, was du meinst. Geh mir aus dem Weg, ich habe zu tun. Mir steht ein äußerst wichtiger Auftrag bevor!“, schnauzte Ike.
Marko Rijken aber blieb beharrlich an seinen Fersen und penetrierte ihn weiterhin.
„Das könnte dir so passen. Spiel jetzt bloß nicht den Unwissenden. Nur weil dir eine Mission zugeteilt wurde brauchst du trotz alledem nicht zu denken, die Welt dreht sich nur noch um dich und könntest über das Bankkonto nach Belieben verfügen. Es ist verdomme ein Gemeinschaftskonto, daran sich auch andere Schleuser hin und wieder bedienen müssen. Ich zum Beispiel!“, motzte Marko.
Als Ike den Gehweg betrat, blieb er stehen, drehte sich ihm entgegen und runzelte die Stirn.
„Rijken, ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst. Weder wurde mir eine Mission anvertraut, noch weiß ich etwas von einem gemeinsamen Bankkonto. Und in Irland war ich noch nie in meinem Leben gewesen. Ich erledige lediglich einen Sonderauftrag für Thomas und Henry, mehr nicht. Würdest du mich also bitte in Ruhe lassen, Marko? Zisch ab!“
Marko Rijken packte ihn wütend am Kragen seines Überziehers, ließ ihn aber, von seiner eigenen Unbeherrschtheit erschrocken sogleich wieder los und strich ihm gekünstelt lächelnd mit seinen Handrückenflächen über die Schultern, so, als wenn er ihn vom Staub säubern wollte.
Marko öffnete leicht seinen Mund, starrte ihn dabei scharf an und hielt einen Augenblick inne, bevor er ihn mit einem zynischen Unterton aufklärte.
„Der Autokühler meines Tin Lizzys ist gestern plötzlich geplatzt und ich benötigte unbedingt einen Neuen. Als ich das Bankinstitut jedoch aufsuchte, um ein wenig Bargeld abzuheben, sagte man mir jedoch … Tut uns leid Mister Rijken, aber empty, nada, niente, finito … Verdomme! Also war ich gezwungen einen Kredit von 35 Pfund aufzunehmen und das ohne Genehmigung von der Sicherheitszentrale. Gestern zog nämlich eine Schlechtwetterfront über Südengland und hatte deshalb keine Funkverbindung.“
Ike lachte kurz schadenfreudig laut auf und zuckte sogleich mit seiner Schulter.
„Tja, war wohl nicht dein Tag gewesen, Rijken. Pech gehabt.“
Seine Zeit drängte und es waren nur noch wenige Schritte bis in die Lobby des South Western Hotels. Ike wandte sich von ihm wortlos ab, daraufhin zerrte ihn Marko Rijken erneut zurück, packte ihm abermals wütend am Kragen, zog ihn nahe heran, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten und rüttelte ihn energisch.
„Wichser!“, fauchte er zornig. „Du schuldest mir achtzig Riesen und die hol ich mir von dir zurück, van Broek. Egal wie! Das garantiere ich dir, wenn nötig verklage ich dich. Meine Rechtsanwälte werden dich fertig machen und dir gewaltig den Arsch aufreißen, verlass dich drauf!“
Ike blickte mit hochgezogenen Augenbrauen abwechselnd demonstrativ auf seine geballten Fäuste, die seinen Mantelkragen unsanft umklammerten, woraufhin Marko sachte losließ, während er ihm fortan feindselig in die Augen starrte.
„Rijken, seit der Uni mögen wir uns zwar nicht sonderlich, aber ich schwöre dir Kumpel, ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest. Ich weiß nichts von alledem, was du mir vorwirfst. Also verpiss dich endlich!“
Plötzlich wurde Marko Rijken von zwei uniformierten Bobbys an seinen Armen gepackt und abrupt weggezerrt. Zuerst guckte er leicht verdutzt, ließ sich aber jedoch ohne Gegenwehr abführen, als sie ihm eine Karte vor die Nase hielten. Zornig schaute er Ike hinterher, während die Polizisten ihn wegzerrten.
Ike massierte sich mit den Fingern nachdenklich die Stirn. Zwar disste er seinen Kontrahenten bereits seit der Universitätszeit leidenschaftlich gerne, wofür dieser sich stets rächte, Ike es ihm wiederum irgendwann heimzahlte und Marko es nicht lange auf sich sitzen ließ und so weiter und so fort. Aber diesmal konnte Ike sich absolut nicht daran erinnern, Rijken letztens wiedermal gemobbt zu haben.

Marko Rijken wurde von den britischen Bobbys abrupt abgeführt und war erstaunt, als er sein persönliches Passwort auf dem Kärtchen las, was sie ihm vor die Nase hielten: Erklimme den Kilimandscharo, stand darauf geschrieben.
Dies bedeutete, dass ihm augenblicklich jegliche weitere Handlungen vorerst entzogen wurden und er den Befehlen des Vermittlers bedingungslos unterworfen war, also den britischen Bobbys, die ebenfalls Geheimagenten waren.
Solche Passwörter waren für die Sicherheit unabdinglich und wurden von einsatzbereiten Agenten nur im äußersten Notfall übermittelt. Meistens dann, wenn ein Zeitparadoxon sich anbahnte. Zwar befanden sich Ike und Marko zur gleichen Zeit im selben Jahrhundert, jedoch lag dieses Ereignis für den gegenwärtigen Ike in Nordirland bereits über zweieinhalb Jahre zurück und zählte längst zu seiner Vergangenheit, eine Vergangenheit, die niemals beeinflusst werden durfte.
„Egal, welche Angelegenheit Sie mit Schleuser van Broek zurzeit klären wollen, haben Sie zu unterlassen, Schleuser Rijken. Er ist der falsche Ike van Broek. Dieser ist völlig unwissend, denn seine Belfast Mission besteht ihm noch bevor. Können Sie mir folgen, Schleuser Rijken?“, fragte ihn der als Bobby verkleidete Geheimagent.
Marko Rijken blickte Ike immer noch wutschnaubend hinterher und beobachtete, wie er die Hotellobby betrat. Marko nickte.
„Habe schon verstanden“, antwortete er zerknirscht. „Das ist der falsche Moment, das falsche Zeitalter, wo ich diesen Mistkerl drankriegen sollte. Dies sieht van Broek wirklich ähnlich und bringt sein schäbiges Verhaltensmuster direkt auf den Punkt. Noch bevor Ike seine Arbeit überhaupt angefangen hat, hat er bereits seine eigenen Leute in die Scheiße geritten. Was für eine einzigartige Leistung, welch großartiger Schleuser er doch ist“, lästerte er wütend.
Nachdem es beiden Geheimagenten gelungen war, den aufgebrachten Schleuser wieder zu besänftigen, erteilten sie ihm einen neuen Auftrag. Sie übergaben ihm ein Ticket 2. Klasse für die Jungfernfahrt mit der Titanic.
„Schleuser Rijken, Sie bringen wie geplant die zeitreisenden Akademiker aus Nieuw Bruxelles zum Hafen. Danach begeben Sie sich selbst an Bord. Verhalten Sie sich unbedingt unauffällig. Es wird Ihnen noch ein weiterer Agent zugewiesen, der Ihnen bei dieser Mission behilflich sein wird. Achten Sie aber unbedingt darauf, dass die TTA-Kunden Sie nicht entdecken.“
Der Bobby packte Marko an die Schulter und schaute ihn an, als würde er ihn hypnotisieren wollen.
„Schleuser Rijken, Sie bleiben in Ihrer Kabine und lassen sich nicht eher blicken, bis Ihnen weitere Instruktionen erteilt werden. Hiermit erkläre ich Sie offiziell zum Einsatzleiter der Mission Titanic!“
Marko Rijken blickte den Geheimagenten ernst in die Augen und nickte.
„Alles klar, Jungs. Ich habe verstanden. Aber eins noch …“, sprach er besorgt. „Holt mich ja rechtzeitig von diesem verfluchten Kahn runter. Ich kann nämlich nicht schwimmen.“

Währenddessen blickte Mara in einen Spiegel, umfasste ihre Schultern und lächelte. Der kuschelige Pelzmantel und der geblümte Hut gefielen ihr sehr.
„Wie sehe ich aus, Monsieur Jean?“
„Wie eine waschechte Lady von damals, Madame Corbusier. Aber sag, warum hast du dieses ungeschickte Mädchen eingestellt? Nun haben wir sie am Hals und sind für sie verantwortlich. Außerdem haben wir gegen die TTA Vorschrift verstoßen. Wenn die Sicherheitszentrale es bemerkt, könnten wir Schwierigkeiten bekommen“, ermahnte er mit wankendem Zeigefinger.
„Ach Jean, Ruthie tat mir einfach nur leid. Wie soll sie denn sonst zu ihrer Familie kommen? Ich trage irgendeinen illegalen Zahlencode mit mir herum, das ist wesentlich krimineller. Also, was soll`s? Wir stellen uns dumm wenn wir dabei ertappt werden und behaupten einfach, dass wir annahmen, dass die Dienstmädchen von der Time Travel Agentur insgeheim für uns bereitgestellt wurde. Ein Gimmick von der TTA, dachten wir“, lächelte Mara unbekümmert.
„Genießen wir lieber an Bord der Titanic zu sein. Lass uns diesen geheimnisvollen Fotografen und diesen Ike auffinden.“

Jean zuckte mit der Schulter und seufzte. Er war mit der Entscheidung seiner Ehefrau zwar nicht einverstanden, aber sie war genauso nicht begeistert, dass er einfach die Broschüre von der TTA hatte mitgehen lassen. Also waren sie quitt. Mara hatte ihm versprochen, dass sie das Dienstmädchen sofort nach der Kollision mit dem Eisberg mit in ihr zugewiesenes Rettungsboot nehmen würde. Somit würde Ruthie nichts geschehen und könnte später mit der Carpathia, das einzige Passagierschiff welches nach 4 Stunden zur Seenot eilen konnte, nach New York fahren.
Jean rückte seinen Bowler etwas ins Gesicht und zitierte mit verstellter Stimme den berühmten Spruch von Benjamin Guggenheim: „Wir brauchen keine Rettungswesten, denn wir sind angemessen gekleidet, um wie Gentlemen unterzugehen. Aber wir hätten gerne noch einen Brandy“, lächelte Jean.
Mara lachte, öffnete die Hotelzimmertür und trat rückwärtsgehend hinaus. Sie amüsierte sich über seine Albernheit. Auf dem Korridor stieß sie plötzlich mit einem Mann zusammen, wobei der große Hut in ihr Gesicht rutschte. Sie richtete ihre Kopfbedeckung und blickte genau in Ikes aufgeschreckte Augen.
„Pardon, Monsieur“, fuhr es ihr keck heraus, wobei ihr Lächeln und Stimmlage einen frechen Eindruck hinterließ.
Ike hoffte, dass sie ihn nicht wiedererkannt hatte, weil er Mara vorhin am Hafen unbeabsichtigt angerempelt und sich dafür nicht angemessen entschuldigt hatte. Unter seinem hellgrauen Mantel verbarg er seine EM23. Ike nickte nur und ging einfach wortlos vorbei. Mara und Jean schlenderten zum Lift und prusteten.
„Hast du sein Gesicht gesehen? Als hätte er ein Gespenst erblickt. Wahrscheinlich hat ihn deine Schönheit so sehr erschreckt“, witzelte Jean ihr ins Ohr.
Mara und Jean liefen laut lachend dem Lift entgegen.
Ike blickte todernst drein, hielt seine Pistole EM23 mit beiden Händen nach unten und schritt eilig weiter, bis zur Hotelzimmertür 413. Zu Mr. William Murdochs Suite. Sein Herz pochte wild vor Aufregung. Der Schiffsoffizier William Murdoch durfte keinesfalls ermordet werden. Die Operation Murdoch begann.
 
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Kommentare  

Sehr spannend. Da möchte man selbst am liebsten mitmachen. Aber vielleicht wäre mir dann ja auch alles zu lebensgefährlich.

axel (26.05.2025)

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