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4 Seiten

Phobia - Noctiphobie

Schauriges · Experimentelles
Fieberträume und ungeahnte Schauer der Vorahnung lassen mich nicht zur Ruhe kommen, geschweige denn schlafen. Jedes Mal, wenn ich meine müden Augen gerade schließe keimen geisterhafte Ahnungsschauer in meinem Unterbewusstsein hoch, wachsen wie Ranken meinen Verstand hinauf und umschlingen ihn bis ich gezwungen bin, die Augen zu öffnen um das namenlose Unheil anzusehen, das sich als Dunkel der Nacht entpuppt, welches sich langsam an mein Bett geschlichen hat.
Mit schweißnassen Händen wische ich mir dann das fransige braune Haar aus meinem Gesicht, das sich hartnäckig mit dem Schweiß vermischt an meine Stirn klammert. Früher war Licht das Einzige, das mich beruhigen konnte, mich dazu befugte zu schlafen, doch seit einiger Zeit hilft selbst das nicht mehr meine Wahnvorstellungen zu bändigen, die mich nun nicht mehr nur Nacht für Nacht, sondern auch das eine oder andere Mal am Tage heimsuchen.

Das Zimmer ist wie immer leer und nun, dank der Lampe neben meinem Bett, mit spärlichem Licht beseelt, das die Schatten noch länger und die Nacht noch dunkler wirken lässt. Etwas huscht vor meinem Fenster durch die Finsternis und nur einen Moment lang erblicke ich die kleinen Augen, bevor es weiter gezogen ist. Zitternd taste ich mich vor bis zum Bettrand und darüber hinaus, um das Pillenfläschchen zu greifen als wäre ich ein Ertrinkender, der nach der rettenden Planke greift, nur um sein rasendes Herz zu beruhigen, denn er weiß, dass sie ihn nie zu tragen vermag. Ebenso halte ich es auch mit meinen Tabletten die schon längst nichts mehr als ein verschreibungspflichtiges Placebo für mich sind.
Mit schweißfeuchten Händen greife ich hinunter neben das Bett wo ich aus alter Gewohnheit heraus alles lagere, das ich für die Nacht brauchen könnte. Angespannt lausche ich in die Nacht hinein aus Angst ich könnte etwas überhören als ich meinen Blick hinunter auf das Fläschchen senke und so schnell danach greife als würde es wie eine Ratte davon huschen, wenn ich es nun nicht zu fassen kriege. Triumphierend halte ich es in Händen, würde es am liebsten liebkosen doch meine Angst verbietet mir solcherlei unachtsame Ausbrüche und so entferne ich den brüchigen Korken von meinem geliebten Placebo und erstarre.

Eine ungeheuerliche Leere starrt mir entgegen aus der dunkelbraun getünchten Glashülle, die meine Rettung umfassen sollte. Nicht eine Pille ist mehr da obwohl ich mir sicher war, erst gestern welche gekauft zu haben! Schweiß tritt aus meinen Poren und binnen kürzester Zeit dämpft mein Körper den Geruch der Angst hervor, den ich so tunlichst vermeiden wollte. Klimpernd fällt mir das Fläschchen aus der Hand und die Lampe gerät ins Schwanken als ich mit einem Satz die Decke über meinen Kopf ziehe, um alleine mit mir und der Dunkelheit zu sein.
Obskur, meine Angst vor der Dunkelheit und vor dem was sich darin verbirgt bringt mich dazu mich in dem zu verstecken was ich am meisten fürchte.
Ich lausche. Stille, nur Stille um mich herum und mein flacher, unregelmäßiger Atem, der sich mit meinem wie toll schlagenden Herzen vermischt. Eine Weile bleibe ich so liegen und lausche dem, was gedämpft unter meine Decke dringt ehe mein Körper von einer widerwilligen Müdigkeit erfasst wird, die es mir fast unmöglich macht meine Augen offen zu halten.
Zwanghaft blinzele ich in das Dunkel, das mich umgibt, atme meinen eigenen heißen Atem ein und rieche meine ausdünstende Angst, die sich unter der Decke wie unter einer Kuppel ansammelt.
Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich in eine Falle getappt bin, eine Falle aus der ich nicht entkommen kann. Hebe ich nun die Decke an, werden sie mich finden. Sie werden meine Angst Meter um Meter riechen und genau hierher kommen in einer Zahl wie kein Lebendiges Wesen sie je gesehen hat und es bleibt mir nur eine Möglichkeit zu überleben; den Tag abwarten. Doch nur Gott weiß, ob ich es so lange in diesem stickigen Bunker aushalten kann.
Erneut lausche ich in die Dunkelheit und hoffe auf ein Zeichen des anbrechenden Tages. Wie spät war es nur? Ich hatte nicht auf die Uhr gesehen, sondern nur das kleine Pillenfläschchen ins Auge gefasst. Und nun sollte mir diese kleine Unachtsamkeit wirklich zum Verhängnis werden?
Minuten verstreichen und das Atmen wird so schwer, dass ich meine Lage mit der eines lebendig Begrabenen vergleiche und erneut wird mein Körper von einer tief sitzenden Angst geschüttelt, die mich fast dazu bringt, mein selbst gewähltes Gefängnis zu verlassen und aufzuspringen. Doch da kommen sie mir wieder in den Sinn. Vielleicht warten sie schon darauf, hocken geifernd und gierend vor meinem Bett, an meinem Fenster und am Türstock, um mich zu greifen, sobald ich auch nur die leiseste Ahnung davon zeige, dass ich da bin, da bin und ihnen so schutzlos ausgeliefert wie noch nie.
Schweiß rinnt mittlerweile aus all meinen Poren und mein Schlafanzug ist durchnässt als hätte ich den Fluss durchschwommen über den ich aus meinem Fenster hinüber zum anderen Ufer sehen kann.
Ein Gedanke keimt in mir auf, ein irrsinniger Gedanke der Tod oder kurzweilige Rettung für mich bedeuten könne. Wenn ich nur in den Fluss käme so wäre der Geruch meiner Angst von mir gewaschen und sie könnten mich nicht erwischen bis die Nacht erneut angebrochen war. Doch wie nur sollte ich es anstellen, ohne dass sie mich zerfleischen, wenn ich aus meinen Bunker der Angst entfleuche.
Ich vergrabe die Zähne tief in das Fleisch meiner Unterlippe als sich mein Plan weiter spinnt. Nicht nur ich rieche nach meiner Angst, nein viel mehr meine Hose und mein Hemd stinken bestialisch danach, so dass ich mich in tollkühnen Verrenkungen beider Kleidungsstücke entledige. Fest drücke ich das stinkende Knäuel an meinen ausgemergelten und zitternden Körper.
Auf Drei sage ich mir selbst und zähle doch alles zusammen gerechnet bis dreißig bevor ich nur eine Hand unter der Decke hervor strecke und das Bündel so weit ich kann weg werfe. Ich höre nichts oder viel mehr will ich weder hören noch sehen als ich die Decke weg reiße und von meinem Bett hin zum Fenster hechte.
Glas klirrt als ich in wilder Flucht die Lampe umwerfe und das Zimmer in Dunkelheit hülle.
Aus weiser Voraussicht oder einer Art zweiten Gesichts habe ich das Fenster nicht verschlossen, so dass ich es schnell genug öffnen kann und hinaus springe, gerade in dem Moment da ich messerscharfe Klauen über meinen Unterschenkel kratzen fühle. Ein brennender Schmerz durchzuckt mich von meinem Schenkel aus hinauf. Doch bin ich in Sicherheit als ich in den aufgewühlten und schwarzen Fluss falle, der meine Rettung bedeutet.

Weit treibt mich die Strömung nicht ehe ich das rettende Ufer erreiche und mich entkräftet an Land schleppe.
Lichter sind von weit her zu sehen, wie Glühwürmchen die durch einen dichten Wald schwirren. Dann schwinden mir die Sinne und es wird dunkel, beunruhigend dunkel um mich herum.

Fieberträume lassen mich wie jede Nacht nicht schlafen und so erwache ich, wie ich glaube, nur Sekunden später an eben dieser Stelle an die ich vom Fluss gespült wurde. Doch dem war nicht so, wie ich nach kurzer Zeit feststelle. Der Raum in dem ich mich befinde ist in ein beängstigendes Zwielicht getaucht, so dass die weißen Wände um mich herum schmutzig und grau erscheinen.
Panik kriecht ungewollt in meine Knochen als ich in die Nacht hinaus schaue, die mit einem bleichen Sichelmond in mein Zimmer hinein scheint und aus dem Fenster dieses, meines neu erworbenen Zimmers kann ich den Fluss sehen und das dunkle Haus, das mir gegenüber ist und aus dessen weit geöffnetem Fenster schwarze Schatten quellen wie Schlamm und langsam rinnt es nach unten in das immer noch aufgewühlte Wasser bis es sich meinem Blick entzieht.
Ich denke einen Moment an flucht bevor ich merke, dass meine Hände an das Bett gefesselt sind. Ein Schrei kommt aus meinem Mund, so kärglich und heiser wie der einer ertrinkenden Katze.
Mein Körper war bereits dabei sich seinem Schicksal zu ergeben. Doch mein Geist ist wie es scheint noch lange nicht dazu bereit. Blut rauscht durch meine Adern in einer Geschwindigkeit, dass es mir fast die Sinne raubt und immer wieder huscht mein Blick zum Fenster und ich erstarre zum zweiten Mal in dieser grausamen Nacht.
 
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Kommentare  

Das ist irrsinnig gut. Ich hätte es noch besser
gefunden, wenn du nach dem Wort "Katze"
abgebrochen hättest, aber mir ist klar, dass die
meisten Leute Erläuterungen brauchen. Auf jeden
Fall sehr, sehr gut.


Marcel Klocke (03.04.2013)

Ich kann Pia nur beipflichten, das Ganze erinnert wirklich an HP Lovecraft.
Gefallt mir sehr gut.


gedanke.in.ketten (19.02.2009)

GRÜN! Eigenwilliger Stil, der mir sehr gefällt. Erinnert mich ein wenig an HP Lovecraft, sehr düstere Bilder. Danke dafür! Weiter so!
LG Dublin


Pia Dublin (26.11.2008)

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