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4 Seiten

Bob, der Stripper/erotische Geschichte 5

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© rosmarin
Bob braucht dringend Geld. Das bisschen Stütze reicht nicht vorn und nicht hinten.
Wehmütig reißt Bob seine letzte Dose Aldibier auf, trinkt gierig, schmatzt vernehmlich, seufzt laut auf:
„Das isses.“
Eben war ihm nämlich der rettende Gedanke durch den Kopf geschossen.
In der Hardenbergstraße zwischen dem Beate Uhse Sex -Shop und dem Lux - Intim gibt es ein Pornokino. Dort hatte er doch vor Jahren zeitweilig als Filmvorführer zum Zwecke des Überlebens gearbeitet und seine Zeit und sein Talent vergeudet. In dem Kino gab es auch eine kleine Peepshow. Und jetzt soll dort jeden Samstag ab vierundzwanzig Uhr eine spezielle Herrenshow veranstaltet werden. Tipp von seinem Freund Karl.
„Juppi!“ Bob macht fast einen Luftsprung. „Auf ins St. Hardin!“

Beschwingt und hoffnungsvoll marschiert Bob los.
„Ich will mal fragen, ob Sie hier noch Stripper brauchen.“ Bob reckt sich zu seiner vollen Größe. „Brauche nämlich dringend Kohle.“
„Na, dann komm mal mit zum Chef.“ Der wuchtige Kerl an der Kasse mustert Bob ungeniert. „Ich denke, ohne deine Billigklamotten könntest du was hermachen.“ Er schaut auf den Monitor und lacht. „Wir brauchen immer gute Männer. Kannst du tanzen?“
„Klar, Mann.“ Selbstbewusst wirft Bob sich in die Brust. Der Schein ist hier gefragt. Das Sein kommt später. Also, der Tanz.

Der Chef, der Bob irgendwie an einen unterernährten Buchhalter mit Magengeschwüren erinnert, so blass und mickrig sieht der aus, sieht ihn nur kurz an und sagt dann zu dem wuchtigen Kerl:
„Nimm ihn mit in den Umkleideraum. Er soll einen Probetanz aufführen.“
Oh, Himmel und Hölle. Bobs Knie werden weich, als er den Umkleideraum betritt. Dieser ist sehr eng, stinkt nach Schweiß, Pisse, Sperma. Und überall liegen Pornohefte herum.
Das kann ja heiter werden. Bob rümpft unmerklich seine Nase. Worauf hatte er sich da wieder eingelassen. Na, sei’s wie’s ist. Da muss er jetzt durch.
Drei Männer und sechs Frauen drängeln sich dicht um Bob. Die Jungs ziehen sich aus, die Mädels haben Feierabend und schlüpfen in ihre Fummelklamotten. Ab und zu streift Bob erregend ein Stück warmes, verschwitztes Fleisch. Ein draller Busen, ein runder Po.
Bob gibt sich alle Mühe, immer wieder mit diesen Wonnebäckchen in Berührung zu kommen, während er langsam seine Hose aufknöpft. Doch leider verschwinden die Girls viel zu schnell.
„Bob“, sagt Bob und reicht den drei Männern die Hand.
„Schwuliboy“, sagt Schwuliboy.
„Nico, der Angeber.“
„Martin, der Bhagwanverehrer.“
„Und nun zeigt, was ihr so drauf habt.“ Der wuchtige Kerl lacht selbstgefällig. „Packt eure Seelen in den Eisschrank. Und dann ab mit euch.“
Schnell schiebt er den kleinen hageren Schwuliboy in die Manege vor dem Umkleideraum.
Schwuliboy verbiegt sich gekonnt nach allen Richtungen, versucht den Zuschauern, die fast nur aus Männern bestehen, so richtig einzuheizen. Aber auch einige Frauen fühlen sich zu diesem Ort des Lasters hingezogen und feuern Schwuliboy laut kreischend an.
„Schwuliboy! Schwuliboy! Zeig, was du drauf hast.“
Und Schwuliboy zeigt, was er drauf hat.
Dann stolziert Nico, der Angeber, ins Scheinwerferlicht und fängt sofort an, mit seinem haarigen Affenkörper zu protzen. Gekonnt verrenkt er seine langen, schmalen Gliedmaßen, während Schwuliboy sich eine Pille nach der anderen einwirft und jedes Mal ein kicherndes „Uuch“ von sich gibt.
Martin, der Bhagwanverehrer, hat dann einen eher verhaltenen, aber wirkungsvollen Auftritt. Das Publikum klatscht euphorisch.

Nun wird es ernst. Bob ist an der Reihe. Doch wohin ist seine Begeisterung. Sein zur Schau gestelltes Ichkannalles? Ihm wird ganz flau im Magen. Er fühlt sich wie ein Verurteilter, der in eine Zirkusarena gestoßen und von einer heißhungrigen Löwenschar erwartet wird.
Was hatte der wuchtige Kerl gesagt? Seele in Eisschrank packen.
Bob vergisst sein Leben, sich selbst. Splitternackt, schutzlos, tritt er durch das Tor zur Hölle. Er versucht, an nichts zu denken, verrenkt seine Gliedmaßen, kratzt verzweifelt all seinen Charme zusammen, lächelt in die offenen Klappen, hinter denen die Geiltiere stehen und ihre Riemen massieren. Sein Stöpsel ist zu seinem Leidwesen klein und eingelaufen, was bei solch einem Kampfauftritt ja auch kein Wunder ist.
Die Show - Einlagen dauern fünf Minuten. Doch Bob hat bereits nach kurzer Zeit das Gefühl, als tanze er hier schon seit Stunden seinen Überlebenstanz.
„He, Bob. Massier deinen Schwengel.“ Schwuliboy lässt ein lautes „Uuch“ hören. „Das bringt die Leute in Schwingung. Und fass ab und zu in deine Haare. Ja, ja, so. Das hat was Animalisches.“
Bob massiert und massiert, schüttelt seine rote Mähne, mal nach hinten, mal nach vorn, nach rechts, nach links, greift ab und zu kokett wie eine Diva in seine Locken und oh, Wunder, sein Schwanz richtet sich wieder auf.
Bob fühlt sich als Star im Rampenlicht, stellt sich in Pose, massiert, tanzt, vergisst Zeit und Raum. Er ist der Mann, der sein Bestes gibt. Der weiß, worauf es ankommt. Der Mann, der seine Seele in den Eisschrank gepackt hat. Ha!
Da stürmen plötzlich zwei Schwarze in die Manege und zücken ihre Fotoapparate. Bob lächelt geschmeichelt. Massiert weiter. Schüttelt weiter sein Haar. Tanzt.
„Geile Fotos. Die hängen wir an der Kasse aus. “
Die Männer verschwinden.
Endlich ist es vorbei. Erschöpft sinkt Bob auf den Boden des Umkleideraumes.
„Wenn du hier arbeiten willst“, sagt Nico, der Angeber, „musst du mich ganz genau beobachten und meine Figuren einstudieren. So war das nix.“
„Und was das Wichtigste ist“, grinst Schwuliboy matt, während er in den Pornoheften blättert, „du musst oft in die Solobox gerufen werden. Das bringt die Kohle.“
„Auch für den Chef.“ Nico lacht. Er wird gerade verlangt.

Die Solobox befindet sich hinter einem grauen Vorhang, dem Bob bisher keine Aufmerksamkeit gewidmet hatte.
Die Klappen öffnen sich. Bob muss wieder tanzen. Nach den fünf Minuten legt er sich flach auf den verpissten Fußboden. Ihm ist alles egal. Er will nur noch schlafen. Ihm ist, als hätte er hundert Jahre nicht mehr geschlafen.
Nico kommt hinter dem Vorhang hervor, schwenkt 50 Eier.
„Martin, du wirst verlangt“, sagt er mit einem verächtlichen Blick auf Bob. „Die Edelmiezen wollen jetzt dich. Sind nur am Schwärmen.“
Martin, der Bhagwanverehrer, tänzelt schwänzelnd hinter den Vorhang.
Woher die nur das Stehvermögen haben, denkt Bob erstaunt, er würde bestimmt keinen mehr hochbringen. Jedenfalls nicht heute. In diesem Moment wird sein Name aufgerufen. Wenn Martin heraus kommt, muss er beweisen, was er drauf hat. Mist. Aber vielleicht erwartet ihn hinter dem geheimnisvollen Vorhang ja auch eine geile Edelmieze, die ihn wieder zum Leben erweckt. Kann ja sein. Doch vorerst geht es wieder ans Tanzen.
Als Bob den Vorhang zur Seite schiebt, erblickt er ein kleines nacktes Männlein mit ängstlich gierigen Augen und zusammengepressten Schenkeln.
„Blas mir einen“, flüstert es.
Vor Schreck geht Bob rückwärts, stolpert, verheddert sich in dem grauen Vorhang, braucht eine Weile, bevor er wieder in dem stinkenden Umkleideraum steht.
„Verflucht! Verflucht! Was is denn dat für’n Schuppen!“
In Windeseile rafft Bob seine Billigklamotten vom Boden, steigt angeekelt hinein, stürmt zur Kasse.
„Meine Kohle!“, brüllt er.
„Nix is mit Kohle.“ Der wuchtige Kerl lacht frech. „Du warst zur Probe. Und hinter dem Vorhang hast du versagt.“
„Schweine! Betrüger! Alle!“
Bob rennt auf die Straße. In die nächste Kneipe.

Wochen später kommt er zufällig an dem Pornokino vorbei und traut seinen Augen nicht.
- Die Neue Entdeckung – Bob, das wilde Tier -, steht da in grellroter Schrift.
Und dazu die Fotos seines Probetanzes.

***
 
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Kommentare  

hallo, evi, ich bedanke mich.
grüß dich


rosmarin (09.01.2010)

Eine Superstory! Danke.

Evi Apfel (08.01.2010)

hallo, jochen, hab ganz lieben dank für dieses lob und einen schönen tag.
grüß dich


rosmarin (07.01.2010)

Sehr gelungen. Diese Geschichte hat einfach alles. Sie ist leicht und flüssig zu lesen. Man kann sich gut in die Lage deiner Protagonisten hineinversetzen und deswegen muss man wohl auch so sehr über Bob grinsen. Tolle Pointe, obwohl sie für Bob so schmerzlich ist. Natürlich grünes Licht für diesen Supertext.

Jochen (06.01.2010)

hallo, petra, auch dir danke fürs feedback, freut mich natürlich.
grüß dich


rosmarin (05.01.2010)

Also, die Überarbeitung hat nicht geschadet. Ist fast sogar noch besser geworden. Auch mir hat die kleine Story damals gefallen und jetzt natürlich erst recht. Der arme Bob. Ja, so kann man Pech haben. Ich musste wieder schmunzeln und empfand auch Erotik - tolle Kurzgeschichte.

Petra (05.01.2010)

hallo, ingrid und doska, danke für eure kommis. und auch den anderen für die berwertungen, ist ja eine der geschichten, die ich gelöscht hatte, habe sie leicht überarbeitet. schön, doska, dass sie dir auch beim zweiten lesen gefallen hat.
grüß euch


rosmarin (05.01.2010)

Ich kannte ja diese Geschichte bereits und kann auch bei nochmaligem Lesen nur sagen: Sehr gelungen. Es ist eben diese besondere Mischung aus Humor und Tragik, die deinen Text so reizvoll macht.

doska (05.01.2010)

bob ist eben bob...
und das schwänzelnde tanzen gefällt mir ausnehmend gut. ;))
lieben gruß an dich


Ingrid Alias I (04.01.2010)

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