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32 Seiten

Schattenmacht - Das letzte Licht -13-

Romane/Serien · Fantastisches
Die Wüste Nefud auf der Arabischen Halbinsel


Ich und die beiden Engel, Shanael und Uriel, erscheinen nahe des Ortes, an dem ich zuletzt auf Saleha getroffen bin und tatsächlich ist die Sandhexe noch immer hier, zumindest steht das Zelt noch dort.
Ich sehe Uriel scharf an, der sich wohl nicht wirklich wohl zu fühlen scheint und dann bedenke ich auch Shanael mit einem warnenden Blick. Ich bin froh, das sich die Sandhexe noch nicht gezeigt hat, anscheinend ist das Wesen wohl noch unterwegs. So kann ich die beiden noch einmal daran erinnern unbedingt höflich zu bleiben.
"Also," meine ich leise und bestimmt, "denkt bitte daran, bleibt um alles in der Welt höflich. Nichts kann eine Sandhexe eher in Rage versetzen als Unhöflichkeit oder Überheblichkeit ihr gegenüber. Wenn ihr Vorurteile gegen diese Wesen hegt, dann lasst es sie bitte nicht merken. Denn auch das versetzt sie in Ärger. Zudem versucht in ihrer Muttersprache mit ihnen zu sprechen, das heißt unser Gespräch findet auf arabisch statt." Ich sehe Uriel noch einmal fest an. "Uriel ich weiß, dass männliche Engel manchmal etwas voreingenommen sind, vor allem gegenüber Frauen, die sich als Hexe oder ähnliches bezeichnen. Halt dich einfach zurück, ja?"
Der Engel nickt beklommen.
"Gut," meine Stimme klingt immer noch fest und leise," Saleha ist etwas freundlicher und weniger aufbrausend als ihre Schwester Surya, lasst euch aber davon und auch nicht von ihrem schönen, freundlichen Äußeren täuschen. Sandhexen sind gefährlich und sie können mehr als einem nur mit Sand bewerfen. Sie können einem tatsächlich die Haut vom Körper schmirgeln oder einem begraben und dann unter dem Sand ersticken lassen. Sie können aber auch Sandstürme mit glühen heißem Sand fabrizieren und ähnliche Dinge tun."
Shanael, in deren Augen Neugierde glüht, nickt ernst und ich wende mich nun dem Zelt zu. Schon zuvor habe ich ihnen diese Ansprache gehalten und ihnen außerdem gesagt, sie sollen sich erst einmal gegenüber Amara zurückhalten. Ich weiß nicht wie dieses schüchterne Mädchen ausgerechnet auf zwei Engel reagieren wird.
"Saleha!"
Mein Ruf klingt weit über den Sand und hallt ein wenig zwischen den Sandsteingebilden wieder. Dann warte ich. Schließlich schiebt sich das Mädchen Amara aus dem Zelt und bleibt davor stehen, während sie meine beiden Begleiter mit großen Augen betrachtet. Ich bedeute Shanael und Uriel zurückzubleiben und begebe mich mit gemessenen Schritten zu Amara.
"Sei mir gegrüßt, Amara," grüße ich sie freundlich, "das dort sind meine Freunde. Sie werden uns helfen die Bedrohung in den Oasen auszulöschen."
Ich halte kurz inne, während das Mädchen seine Musterung fortsetzt und mich schließlich ansieht.
"Sei mir gegrüßt, letztes Licht," erwidert sie leise meinen Gruß, "sie sind Engel, nicht wahr?"
Ich nicke, sehe sie fragend an und bemerke jetzt auch, dass sie ihr Gesicht nicht mehr verschleiert hat. Am Abend zuvor habe ich mir darum keine Gedanken gemacht, doch nun fällt es mir auf. Das Mädchen bemerkt meinen Blick und schenkt mir ein kleines Lächeln.
"Saleha erzählt mir jetzt schon viel über die Übernatürlichen Wesen und sie meinte auch, dass ich keinen Schleier mehr brauche, solang ich mich nicht unter Menschen meines Volkes aufhalte."
Sie hebt die Hand zum Gesicht.
"Ich finde es sehr befreiend."
Ich lächle nun auch.
"Das kann ich mir vorstellen. Sag, hat Saleha dir irgendetwas besonderes über die Engel erzählt."
Das Mädchen schüttelt den Kopf.
"Nein,” meint sie leise, ”nur das man vorsichtig sein muss mit diesen Wesen, weil man nie so genau wüsste wohin sie nun gehören."
Ich nicke noch immer lächelnd.
"Das stimmt. Die Frau, die mit mir gekommen ist trägt den Namen Shanael und ist ein gefallener Engel, der Mann heißt Uriel und lebt noch immer unter der Gnade des Schöpfergottes."
Amara nickt nachdenklich, dann sieht sie mich wieder an.
"Saleha ist geflogen ihre Schwester zu suchen. Ich soll euch sagen dass sie wohl bald wieder hier sein werden. Bis dahin solltet ihr euch setzen und ich mache uns Tee."
Sie wendet sich ab und ich winke nun die Engel zu uns. Während ich mich niederlasse danke ich dem Mädchen für die Gasfreundschaft, so wie es hier Sitte ist und stelle meine Freunde nun offiziell vor. Während wir also warten, taut Amara langsam auf und löchert schließlich die beiden Engel mit Fragen. Fasziniert sehe ich zu, wie Uriel und vor allem auch Shanael mit bemerkenswerter Geduld und Freundlichkeit dem Mädchen antworten.
Schließlich, nachdem beinnahe eine Stunde vergangen ist fährt ein plötzlicher Wind zwischen uns. Er lässt das Feuer wild flackern und wirbelt den Sand um uns herum auf. Als er sich legt enthüllt er langsam die Gestalten der beiden Sandhexen.
Ich erhebe mich schnell und neige grüßend den Kopf.
“Saleha, Surya, Schwestern der Wüste, seid mir gegrüßt. Es ist schön euch beide so bald wieder zusehen. “ Ich zeige auf meine beiden Begleiter. “Dies hier sind Shanael Abendstern und Uriel, der Todesengel, meine Freunde und gekommen uns zu helfen die Bedrohung aus den Oasen zu tilgen.”
Die beiden Frauen neigen nun selbst den Kopf.
“Seid mir gegrüßt,” erhebt nun Saleha die Stimme, “und seid willkommen in der Wüste.”
Shanael, die sich mittlerweile, ebenso wie Uriel erhoben hat, tritt nun neben mich und neigt ein wenig den Kopf.
“Es freut mich euch kennen zulernen.”
Saleha lächelt den Engel freundlich und auch ein wenig beeindruck an. Ich jedoch achte nicht sonderlich darauf, sondern eher auf Uriel, der tatsächlich einen Schritt zurückgetreten ist und Surya , die ihn mit hartem Blick mustert, hilflos anlächelt. Bevor jemand reagieren kann vollführt die Frau eine wischende Bewegung mit der rechten Hand und erzeugt damit einen kleinen Wind, der Uriel eine Ladung Sand entgegen wirft. Der Engel schlägt die Flügel nach vorne und über den Kopf um sich davor zu beschützen.
“Ich wusste es,” murmelt er leise,” sie sind nachtragend.”
Ich betrachte das Geschehen mit scharfen Blick und plötzlich wird mir eines klar.
“Uriel, kann es sein das Surya die Sandhexe ist, der du begegnet bist?”
Meine Frage klingt eher wie eine Feststellung. Der Engel lässt die Flügel etwas sinken um zu nicken und bekommt prompt eine weitere Ladung Sand ins Gesicht.
“Ich würde mich ja auch gerne Entschuldigen, für was auch immer ich getan habe um sie zu verärgern. Das heißt wenn ich die Gelegenheit dazu bekomme.”
Erneut duckt er sich unter seinen Flügeln, als Surya ihm wieder Sand entgegenweht.
Shanael beginnt zu kichern und wendet sich der Sandhexe zu.
“Lass mich raten,” meint der Engel mit amüsierter Stimme, “ er hat sich wie jeder männliche Engel verhalten und wollte dich unbedingt retten, solange er dich noch für einen Menschen hielt, oder? Aber als er dann herausgefunden hat, dass du eine Sandhexe bist, hat er sich dir überlegen gefühlt und das auch gezeigt, nicht wahr?”
Die Sandhexe bedenkt Shanael mit einem anerkennendem Blick aus den harten Augen und nickt schließlich. Doch dann hebt sie erneut die Hand.
“Surya,” unterbreche ich die Frau, “ich kann mir vorstellen, dass du immer noch etwas ärgerlich bist, aber Uriel ist als Freund gekommen und will uns helfen. Bitte höre doch auf ihn mit Sand zu bewerfen.”
Surya sieht mich mit einem amüsierten Glitzern in den Augen an und vollendet die Bewegung, wodurch sie dem Engel doch noch Sand ins Gesicht schleudert.
“Nun gut,” meint sie dann, “ich nehme die Entschuldigung an.”
Uriel blickt erstaunt hinter seinen Flügeln hervor.
“Wirklich? Und ich werde auch nicht mehr länger mit Sand beworfen?”
Er klingt hoffnungsvoll und Surya lächelt ihn tatsächlich an.
“Eintausend Jahre,” spricht sie nun mit eindeutig amüsierter Stimme, “sind sogar für eine Sandhexe eine lange Zeit um noch wirklich nachtragend zu sein.”
Der Engel atmet erleichtert auf.
“Ich wollte dich wirklich nicht ärgern,” meint er, “ich wusste ja nicht wirklich wie Sandhexen sind.”
Surya lacht auf. “Nun, jetzt weißt du es, Engel.”
Damit wendet sie sich ab und setzt sich neben dem Feuer nieder. Saleha indessen schüttelt nur den Kopf und scheint mit aller Macht ein Lachen zu unterdrücken. Uriel verdreht nur die Augen und beginnt den Sand aus seinen Flügeln zu schütteln.
“Irgendwann,” sage ich an niemand besonderen gewandt, “möchte ich die ganze Geschichte erfahren.”
Saleha lacht auf.
"Ich werde sie dir irgendwann einmal erzählen."
Ich mustere die Sandhexe scharf, belasse es dann aber bei dem Blick und geselle mich zu den anderen an das Feuer.

Sobald wir alle sitzen erzählen uns die Sandhexen, dass sie nicht alle Lebewesen von den Oasen fernhalten konnten, worauf sich die Kreatur dort an ihnen nun nährt. Wir würden es also nicht ganz alleine mit diesem bösen Wesen zu tun haben. Weiterhin sagen die beiden Schwestern noch, dass diese Kreatur nun anscheinend ihre Verwandlung fast abgeschlossen hat und der steinerne Mann einige verwandelte Wesen im Hejatz-Gebirge gesehen und sie in einer Schlucht mit Hilfe der Felsen, die er beherrschen kann, eingeschlossen hat. Wir beschließen, dass wir uns um diese später kümmern würden und ich bitte die Sandhexen dem steinernen Mann zu sagen, dass er versuchen soll sie weiterhin dort festzuhalten. Saleha nickt und flüstert in den Wind. Minuten später lächelt sie.
"Der Steinerne Mann meint," sagt sie, "das er sich das schon gedacht hat. Sie werden den Ort nicht verlassen, das verspricht er uns."
Nachdem dies geklärt ist, beginnen wir damit uns einen Plan zurecht zu legen, um die Kreatur in den Oasen zu vernichten.

Eine Stunde später schwebe ich hoch über den Oasen und betrachte bestürzt die Kreatur dort. Mittlerweile sieht sie wirklich wie ein gigantisches Insekt aus, dabei wirkt sie aber immer noch wie falsch zusammengesetzt und ihre Ausstrahlung hat sich kein bisschen verändert. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Neben mir schlägt eine erschrockene Shanael wild mit den Flügeln um auf der Stelle zu fliegen.
"Du liebe Zeit," entfährt es ihr, "das Ding ist ja riesig!"
Uriel fliegt von hinten an mich heran und greift mich aus der Luft. Vertrauensvoll halte ich mich an dem Engel fest.
"Du und die beiden Sandhexen,” meint der Engel zu mir, “ihr habt wirklich nicht übertrieben als ihr uns diese Kreatur hier beschrieben habt."
Langsam schraubt er sich mit mir in die Tiefe.
Wir haben tatsächlich einen Plan um dieses Ding zu vernichten. Sobald die beiden Engel und ich auf dem Boden angekommen sind, würden die Sandhexen den Ort mit einem dichten Sandsturm umgeben, so dass die Kreatur es schwer haben sollte von dort zu fliehen, selbst wenn sie Flügel ausgebildet hat. Dann soll Uriel alles was noch an Leben in der Oase war nehmen, um dieses Ding zu schwächen und Shanael die Kreatur mit ihrer Feuergabe angreifen. Ich selbst soll den Engel dabei mit dem Feuerring unterstützen. Es ist ein riskanter Plan, aber derzeit ist eben nur Feuer in Lage diese Wesen zu töten und Shanael hat als einzige von uns die Feuergabe.
Ein Seufzen entfährt mir. Uriel hat zuvor schon angedeutet, dass die anderen Engel uns nicht helfen können. Tatsächlich ist jetzt Michael nicht der einzige Engel, der verschwunden zu sein scheint. Alle Wesen der himmlischen Reiche sind in großer Sorge deswegen und ich frage mich langsam ob das alles nicht einem größeren Plan folgt.
Endlich erreichen wir den Boden und die Sandhexen beginnen einen gewaltigen Sandsturm um uns herum aufzubauen. Unvermittelt beginnt unser Kampf gegen diese Kreatur und die nächsten Minuten habe ich wirklich keine Zeit zum nachdenken. Uriel nimmt den wenigen noch nicht völlig verwandelten Wesen, die sich hier aufhalten das Leben, selbst die Pflanzen lässt er verdorren und Shanael greift unverzüglich an. Die Kreatur bäumt sich wütend, laut kreischend auf. Ich nutze die Gelegenheit um den Feuerring zu benutzen und brenne ein Kopfgroßes Loch aus der Seite des Wesens, das nun zu mir herumfährt und Shanael damit die andere Seite darbietet. Die Frau fackelt nicht lange und greift mit einem Feuerball an. Erschrocken erkenne ich, das die Kreatur mit ihrer Veränderung auch unempfindlicher gegenüber Feuer geworden ist. Wieder brenne ich ein Loch aus dem Ding, doch dann reißt mich Uriel fort und steigt einige Meter mit mir auf. Die Kreatur hat eine Art stachelbesetzten Schwanz ausgebildet, der sich unter dem Sand verborgen hielt und nun empor schnellt. Die scharfe Spitze kracht genau dort auf den Sand, wo ich eben noch gestanden habe. Erschrocken zucke ich etwas zusammen und benutze den Ring um den Schwanz unschädlich zu machen, während Uriel mit aller Macht gegen die auf einander prallenden Winde ankämpft um nicht abzustürzen. Der Peitschenähnliche Fortsatz verdampft regelrecht und Sekunden später hat uns der Engel wieder sicher auf den Boden gebracht.
Der Todesengel ruft seine Waffe zu sich, lässt mich kurz alleine, um Shanael zu Hilfe zu kommen. Eine verwandelte Kreatur nähert sich von hinten dem rothaarigen Engel, die dies, von der Kreatur vor sich abgelenkt, nicht bemerkt.
Uriel trägt als Todesengel die Sense, manchmal sind es auch zwei Sicheln. Es ist die einzige Waffe eines Engels, von der ich weiß, dass sie sich verändern kann. Dieses Mal hält er die Sense in der Hand und durchbohrt mit geschickten Schwung das Wesen, das sich von hinten Shanael nähert. Die Frau blick nur kurz über die Schulter und ich reagiere, indem ich erneut die Kreatur mit dem Ring angreife. Dann attackiert Shanael sie wieder und ich lenke das Feuer des Rings als dünnen Strahl in das von Uriel durchbohrte Wesen, um es zu verbrennen.
Innerhalb weniger Sekunden zerfällt es unter der Hitze zu schwarzer Asche und auch Shanaels Feuer scheint endlich Wirkung zu zeigen, denn die Bewegungen der Kreatur werden nun deutlich langsamer. Gerade wende ich mich wieder dieser zu, als mich der heftige Schlag einer unsichtbaren Macht trifft und wegschleudert.

Einen Moment wird mir Schwarz vor Augen, dann rolle ich hilflos über den Sand und bleibe erst einmal benommen liegen. Um mich herum ist Stille.
Verwirrt rapple ich mich auf die Knie hoch und blicke mich wild um. Kein Sturm zerrt hier an mir und ich bin noch nicht einmal mehr in der Nähe der Oasen. Um mich herum ist nur rötlicher Sand. Einen Augenblick später erkenne ich an den Resonanzen, dass ich immer noch in der Nefud bin, aber in ihrem Zentrum und sehr, sehr weit weg von dem Kampf, an dem ich eben noch teilnahm.
"Was? Wie? Wer?“
Völlig verwirrt spreche ich die Worte laut aus. Vorsichtig stehe ich auf und stöhne, denn mein Körper schmerzt an vielen Stellen. Offenbar hat mich dieser Schlag viel härter getroffen, als ich zuerst annahm. Ich verwende einige Augenblicke um nach innen zu lauschen und stelle fest, dass nichts gebrochen ist. Ich habe nur einige Prellungen abbekommen. Irritiert sehe ich mich erneut um und ein Stirnrunzeln erscheint auf meinen Zügen. Wie bin ich jetzt hier her gekommen frage ich mich, und was zum Donnerwetter hatte mich da gerade getroffen?
Ein böses Lachen hinter mir lässt mich erschrocken herumwirbeln.

Hinter mir befinden sich die ausgetrockneten Reste eines alten Brunnens und auf den Steinen dort sitzt ein Dämon, der mich mit einem bösen Lächeln bedenkt. Es muss mir keiner sagen wer er ist, ich erkenne ihn auch so. Ich denke jeder weiß es, wenn er Satan gegenübersteht.
Ich runzle die Stirn.
"Warst du es, der mich aus dem Kampf geschleudert und hier abgeladen hat?"
Meine Stimme klingt überraschend ruhig. Der Mann lacht laut auf.
"Was kein: Wer bist du? Kein: Ich bin?"
Seine Stimme hat einen Ironischen Klang.
Ich gebe ein genervtes Geräusch von mir.
"Ich bitte dich,” meine ich, “Bocksbeine, Stierhörner, rote Haut und Augen, einen Schwanz, fiese Eckzähne, große, lederne Schwingen und eine üble Resonanz. Wenn du nicht Satan bist, dann wüsste ich gerne wer du bist. Und ich nehme einmal an, du weißt auch sehr genau wer ich bin?"
Nun klingt auch meine Stimme ironisch und Satan lacht erneut laut auf.
"Du also bist das letzte Licht?” Er schnurrt beinnahe. “Sieh an, ich dachte du wärst größer. Und du magst mich anscheinend nicht, wie das denn?"
Er hat Recht, ich mag ihn nicht. Seine Stimme zerrt an meinen Nerven und seine Resonanz ist alles andere als angenehm für mich. Sie ist so seltsam, disharmonisch und schmeckt nach Bösartigkeit.
"Wer sollte dich auch schon mögen?"
Ich kann meinen Widerwillen nicht ganz verbergen und er lacht erneut, was mir einen kalten Schauder über den Rücken jagt.
"Also," meine ich schroff," warst du das, der mich auf so unfeine Art aus einen Kampf herauskatapultiert hat?"
Er schenkt mir nur ein träges Grinsen, das in mir den Wunsch auslöst mich umzuwenden und davonzulaufen. Der Dämon ist gefährlich, sehr gefährlich, aber nicht wie Lucifer, der wie ein wildes, elegantes Raubtier ist. Satan wirkt eher wie ein Reptil auf mich, vielleicht eine ausgesprochen giftige, aggressive Schlange oder etwas in der Art. Ja, denke ich, das ist kein schlechter Vergleich. Ich mustere ihn mit zusammengekniffenen Augen.
"Warum?"
Meine schlichte Frage lässt Satan erneut auflachen, doch er antwortet noch immer nicht. Langsam werde ich ärgerlich und bin diese seltsame Spiel auch leid.
"Nun wenn du mir es nicht sagen willst," meine ich verärgert, " dann ist das deine Sache. Ich jedenfalls habe noch einen Kampf zu Ende zu bringen. Auf nimmer wieder sehen!"
Empört wende ich mich ab und mache mich verärgert daran den Schritt zu gehen, um meinen Freunden in der Oase wieder beizustehen.
"Sie kommen gut ohne dich zurecht." Satans Stimme klingt immer noch heiter. "Tatsächlich haben sie den Kampf schon fast gewonnen."
Ich wende mich erneut dem Dämonen zu und mustere ihn aus zu Schlitzen verengten Augen.
Satan grinst mich breit an, dann scheint er unvermittelt ernst zu werden.
"Ich wollte mir nur ein Bild von dir machen, da ER ja soviel Hoffnung in dich zu setzen scheint."
Ich weiß das Satan von Lucifer spricht, so wie er dieses er betont hat.
"Und?"
Meine einsilbige Frage lässt ihn schon wieder lachen und ich starre den Mann nun wirklich wütend an. Soll doch dieser Dämon verdammt sein, denke ich, schließlich habe ich anderes im Sinn, als hier fröhlich zu plauschen. Immerhin kämpfen meine Freunde in der Oase gegen einen sehr gefährlichen Gegner. Brüsk wende ich mich ab.
"Oh,oh...," ruft er mir nach," du bist süß wenn du wütend bist, Schätzchen."
Ich drehe mich erneut zu ihm um.
“Was soll das?”
Satan erhebt sich und ich weiche einen Schritt zurück, was ihn natürlich wieder zum lachen bringt. Aber ich kann mich nicht beherrschen, seine Resonanz gefällt mir gar nicht.
"Ja ich bin wütend und ja ich mag dich nicht, Satan.” Ich klinge so wütend, wie ich bin. “Nicht nur dass du mich einfach so durch den Schritt geworfen und mitten in der Wüste abgesetzt hast, du lachst mich auch noch aus. Deine Resonanz ist so übel, das mir fast dabei schlecht wird, deine Stimme zerrt an meinen Nerven und ich habe das Gefühl einem bösartigen Reptil gegenüber zu stehen. Natürlich bin ich wütend. Und wenn du das süß findest, dann ist das deine Sache." Meine Stimme ist etwas lauter geworden. "Wenn du mir nicht sagen willst warum du das machst, dann lass mich gefälligst in Ruhe. Ich habe besseres zu tun, als meine Zeit mit jemanden, den ich nicht mag, zu verbringen! Und hör endlich auf mich auszulachen!"
Ich funkle den Dämonenherrscher wütend an und dieser stellt tatsächlich sein Lachen ein.
"Ich bin gekommen dich zu warnen, Kleine."
Nun ist seine Stimme plötzlich ernst, was mich erneut irritiert. Irgendwie weiß ich nicht so wirklich, was ich von diesem Kerl halten soll. Ein Zweifelnder Ausdruck erscheint auf meinem Gesicht.
"Sieh doch," fährt er fort, "mich magst du nicht, aber ganz offensichtlich magst du Lucifer, was ich seltsam finde und gefährlich. Er wird nicht umsonst Verführer genannt. Ich zumindest zeige ganz offen was ich bin und wer, während der gefallenen Engel es gut raus hat, genau das zu verschleiern."
Verwirrt mustere ich ihn. Was meint er?
Satan lacht erneut kurz auf, verstummt dann aber gleich wieder.
"Ach Schätzchen, du hast ja Recht, ich bin gefährlich und übel obendrein, aber siehst du irgendwelche Ketten oder Fesseln an mir?" Er bedenkt mich mit einem düsteren Blick. "Fragst du dich nicht, warum das so ist? Warum bin ich nicht auch weggeschlossen, wenn ich so gefährlich bin und warum ist es dann Lucifer? Warum sind die Engel wohl so erpicht darauf ihn unter Kontrolle zu halten? Hast du dich das noch nie gefragt?"
Der Dämon hält inne und mustert mich aufmerksam, während auf meinem Gesicht ein ernster Ausdruck erscheint. Er hat recht, ich habe mich das tatsächlich schon gefragt. Zugeben werde ich das jetzt aber gewiss nicht. Als ich etwas erwidern möchte, lässt mich Satan aber nicht zu Wort kommen.
"Natürlich hast du das. Du bist eine kluge Frau, so etwas erkenne ich auf den ersten Blick und mutig bist du außerdem, ebenso wie stark." Er lächelt kurz. "Die Engel erzählen dir nicht viel über Lucifer nicht wahr? Ich finde dass sie das besser tun sollten. Aber vermutlich werden sie das nicht, denke ich zumindest. Also wollte ich dir einen kleinen Gefallen tun und dir erzählen, was du wissen solltest. Weißt du Lucifer ist keinen Deut besser als ich."
Ich öffne den Mund um zu widersprechen, aber er hält mich mit der erhobenen Hand auf.
"Ich weiß schon, du kannst mir unmöglich glauben. Das wäre auch nicht klug, nicht wahr? Also werde ich dir ein kleines Geschenk machen."
Satan bewegt die Hand und ein kleiner Handspiegel taucht darin auf. Der Rahmen ist in tiefsten Schwarz und eigentlich mit sehr schönen, elegant geschwungenen Ornamenten verziert. Verwirrt starre ich das Ding an.
"Das hier," Satan hebt den Spiegel," ist ein Wahrspiegel. Er wird dir immer nur die Wahrheit zeigen. Frag ihn nach Lucifers Geschichte, danach was er getan hat und er wird dir die Wahrheit zeigen. Leider kann er nur Bilder der Vergangenheit und Gegenwart zeigen, denn die Zukunft ist wandelbar. Du kannst dieses Objekt auch gerne deinen Freunden zeigen, Liebchen. Sie werden es dir bestätigen, das es ein echter Wahrspiegel ist und sonst nichts. Um ihn zu benutzen musst du nur die Schrift auf seiner Rückseite laut lesen und deine Frage stellen. Bitte ihn dir dies oder das oder was auch immer zu zeigen. Das ist wichtig, du musst den Spiegel sagen dass er dir etwas zeigen soll. Bleibt er schwarz, so musst du die Frage anders stellen."
Der Dämon hält mir mit einem Lächeln den Spiegel entgegen, doch ich runzle nur die Stirn und verschränke die Arme vor meiner Brust.
"Ich weiß genug über dich, "meine ich leise, "dass du nichts ohne Hintergedanken oder Hacken tust, Satan. Also wo ist hier der Hacken?"
Ich starre den Dämonen fest an, der schon wieder lacht. Dieses Lachen zerrt an meinen Nerven, noch schlimmer als seine Stimme. Satan bedenkt mich mit nun einem eindeutig amüsierten Blick.
"Siehst du, ich wusste das du klug bist. Eine weniger kluge Person wäre jetzt gar nicht mehr auf die Idee gekommen, danach zu fragen. Natürlich habe ich Hintergedanken," nun verbeugt er sich spöttisch, "aber die betreffen weder dein Seelenheil, noch das deiner Freunde. Es wird gemunkelt, dass du vielleicht tatsächlichen einen Weg finden könntest Lucifers Ketten zu zerstören. Weißt du was der schwarze Engel dann als erstes tun wir? Er wird natürlich seine Konkurrenten auslöschen, also auch mich.” Satan grinst. “Ich möchte das natürlich nicht. Auch ich will sehr gerne meine Existenz und meine Macht behalten und solange Lucifer in Ketten liegt, kann er mir nichts anhaben. Wenn du weißt, wie Lucifer wirklich ist, was er alles getan hat um dort zu landen, wo er nun ist. Nun dann wirst du es dir vielleicht noch einmal überlegen.”
Ich bewege mich keinen Deut als er mir den Spiegel erneut entgegenhält und behalte meinen skeptischen Ausdruck bei. Dies wiederum lässt Satan erneut auflachen.
“Überlege es dir,” meint er, während er den Spiegel auf den Rand des zerfallenen Brunnens legt, “nimm den Spiegel und erfahre, was du erfahren willst, oder lasse es bleiben. Dann allerdings werde ich vermutlich irgendwann etwas gegen dich unternehmen müssen, letztes Licht. Wäre das nicht schrecklich schade?”
Seine Stimme hat schon wieder einen ironischen Unterton. Bevor ich mich jedoch versehe, tippt Satan sich an einen imaginären Hut und verschwindet in einer Übelriechenden Wolke. Einige Sekunden starre ich noch auf den Platz, wo Satan noch eben stand . Dann sinke ich schrecklich erleichtert auf den Boden, erschöpft als wäre ich stundenlang gelaufen. Tatsächlich fühle ich mich, als wäre ich eben einer sehr viel größeren Gefahr entronnen, als diese Kreatur darstellen.

Lange Augenblicke sitze ich einfach nur im Sand und versuche wieder zu Atem zu kommen. Das wird ja immer besser, denke ich ironisch. Jetzt habe ich es auch noch mit Satan zu tun!
Ich blicke auf, zu dem Brunnen hinüber. Dort liegt tatsächlich noch immer dieser Spiegel und glitzert im Schein des Mondes. Langsam erhebe ich mich und beginne sehr zögerlich, langsam und vorsichtig darauf zu zugehen. So sehr ich auch Satan misstraue, seine Worte haben genau den Punkt getroffen, der mir schon seit einiger Zeit zu schaffen macht. Was weißlich wirklich über Lucifer?
Eben nur sehr, sehr wenig.
Zweifel nagen an meinem Innersten. Zweifel, die schon vorher da waren, nun aber ausgelöst von Satan stärker in mir rumoren. Kann ich denn einem Geschenk, das ausgerechnet von dieser Wesenheit stammt auch wirklich trauen?
Auf der anderen Seite klangen seine Argumente aber auch logisch. Mit einem Seufzend nehme ich den Spiegel auf und drehe ihn unentschlossen in den Händen. Seine Resonanzen lassen auf nichts böses oder verdorbenes schließen. Schließlich stecke ich ihn in meine Tasche, die ich immer bei mir habe und beschließe, dass ich das Objekt, bevor ich es benutze zuerst einmal den Sandhexen und Shanael zeigen werde.
Uriel würde mir hier wohl keine große Hilfe sein, denn als Erzengel war er gegen alles, was von Satan stammte voreingenommen. Er würde darauf bestehen den Spiegel sofort zu zerstören.
Ich blicke mich wieder um, denn noch immer fühle ich mich reichlich unwohl, gerade so als würde mich etwas belauern. Zudem hallen die Disharmonien, die Satan durch sein Auftauchen im Gewebe der Welt verursacht hat, noch immer stark nach. Etwas was ich seltsam finde. Ich drehe mich langsam um die eigene Achse. Ist er denn tatsächlich verschwunden? Oder lauerte er irgendwo unsichtbar um zu sehen, ob ich den Spiegel nehmen würde?
Irgendetwas stimmt hier nicht!
Augenblicke später spüre ich was es ist. Verzerrt und Falsch, eine Resonanz, die nicht hier her gehört. Meine Augen weiten sich und ich wende mich zur Flucht, doch es ist bereits zu spät. Aus dem scheinbar begrabenen Brunnen peitscht ein tintenschwarzer Tentakel hervor und windet sich um meinen rechten Fußknöchel. Selbst durch die festen Stiefel fühle ich die schreckliche Kälte der Berührung. Schmerz schießt mir das Bein hinauf und blendet mich einen Augenblick. Als sich mein Blick wieder klärt sehe ich erschrocken, wie sich die Spitze des Tentakels durch den Stiefel hindurch in mein Fleisch gebohrt hat. Es ist als würde plötzlich schwarzes Eiswasser durch meine Adern fließen und der Schmerz wird immer schlimmer. Instinktiv benutze ich den Ring an meinem Finger und richte seinen Strahl auf den Tentakel. Zuckend löst sich das Ding von meinem Bein und wirft dann Blasen. Tief unter mir, irgendwo in dem Brunnen, brüllt die Kreatur, zu der der Tenakel gehört und beginnt nun rasend schnell aus dem Loch zu kriechen, das kann ich in den Schwingungen fühlen. Ich stolpere einige Schritt zurück und richte den Ring und dessen Magie direkt auf den Brunnen, doch nichts geschieht. Entsetzt erkenne ich, das ich mich schon wieder an einem magietoten Ort befinde.
“Verflixt, doch eine Falle!”
Mein Fluch kommt zischend über meine Lippen, denn der Schmerz in meinem Bein hat nicht nachgelassen. Stattdessen gesellt sich nun auch noch ein seltsames Taubheitsgefühl dazu und macht es mir schwer auf den Beinen zu bleiben. Mir bleibt aber keine andere Wahl, wenn ich dieser Falle entkommen will. Ich fahre herum, stolpere über etwas im Sand und falle auf die Knie. Ich sehe nicht nach über was ich gefallen bin, sondern plage mich wieder auf die Beine und laufe hinkend los, wobei ich mich dazu zwingen muss mein verletztes Bein zu bewegen.
Nach scheinbar endlosen Sekunden verlasse ich den magietoten Ort und erkenne nun zu meinem Schreck, das ich meine magischen Energien fast vollkommen erschöpft habe. Es ist gerade so, als hätte sie mir dieses Ding regelrecht aus dem Körper gesaugt. Dennoch muss ich hier weg. Verzweifelt konzentriere ich mich auf eine Düne, die ich von hier aus gerade noch sehen kann und falle regelrecht in den Schritt, als mein Bein wieder nachgibt.
Meine Hände treffen auf den losen Sand des gewünschten Ortes. Ich versuche erneut aufzustehen und bemerke zu meinem Entsetzen, dass mich mein Bein nun wirklich nicht mehr tragen kann. Der Schmerz hat nachgelassen, aber ich kann es nun nicht mehr fühlen. Ich stolpere nach vorne, weg von der Richtung, in der der Brunnen liegt und rutsche an der Kante der Düne ab. Hilflos, die Augen gegen den Sand geschlossen rolle ich an der Seite dieser großen, vom Wind geformten Sandanhäufung hinunter und bleibe schließlich an ihrem Grund desorientiert liegen.
Müde versuche ich mich wieder aufzurappeln, aber kann es nicht. Die taube Kälte in meinem Bein, die immer weiter hochsteigt macht mir Angst. Wie Gift, schießt es mir durch den Kopf. Ich erinnere mich an Uriel und wie krank er war. Entschlossen konzentriere ich mich nun auf die verletzte Gliedmaße und fühle dann wie plötzlich wieder Wärme hineinfließt. Die Taubheit verschwindet, leider aber nicht die Schmerzen. Ich stöhne laut auf, was vielmehr wie ein Schluchzen klingt und versuche erneut hoch zu kommen.

Eine warme, kräftige Hand mit schlanken Fingern, die sich mir plötzlich um den Oberarm legt erschreckt mich. Einen Augenblick später erkenne ich, dass mir der Fremde hoch helfen will. Die Resonanz des Mannes ist dunkel, aber weder falsch noch verzerrt. Schreck sticht daraus hervor wie eine scharfe Kante. Es ist ein Dämon, erkenne ich jetzt. Einen Augenblick später stehe ich, wobei ich mich immer noch auf den Fremden stützen muss und kann ihm ins Gesicht sehen. Er sieht überraschend gut aus, mit dem kinnlangen, tiefschwarzen Haar, der dunklen Haut, den spitz zulaufenden Ohren, den nichtmenschlichen, bernsteinfarbenen Augen mit der mandelförmigen Pupille und den markanten Gesichtszügen. Der große Mann mit dem schlanken, durchtrainierten Körper sieht mich verblüfft an.
“Du bist das letzte Licht.”
Seine Stimme klingt überrascht, ja beinnahe erschrocken. Beim sprechen hat er spitze, scharfe Eckzähne offenbart. Ich nicke perplex.
“Und du ein Dämon,” stelle ich fest, “sag kannst du Feuer als Waffe benutzen?”
Meine Stimme klingt schwach und schrill vor Panik.
Der Dämon runzelt die Stirn und fragt dann prompt weshalb ich das wissen will.
Wie zur Antwort ertönt oben auf der Düne ein triumphierendes Gekreische und ein Blick nach oben zeigt mir, das die Kreatur mir gefolgt ist. Erschrocken bemerke ich, dass ich den Ring nicht mehr benutzen kann, da ich all meine verbliebene magische Energie darauf verwandt habe, das Gift der Kreatur in meinem Körper zu neutralisieren.
Mir wird erneut kurz schwarz vor Augen und ich sinke gegen den Mann, der mir aufgeholfen hat. Instinktiv hält er mich aufrecht, während er zu dem Ding oben auf der Düne hinaufstarrt.
“Vergiss meine Frage,” murmelt er halblaut, “und halt dich einfach gut fest.”
Bevor ich fragen kann, was er meint, hat er mich auch schon auf seine Arme gehoben, wendet sich um und beginnt in einem überraschenden Tempo loszurennen. Hinter uns erklingt das sich entfernende Schreien der Kreatur, doch der Dämon hält nicht inne, sondern läuft noch ein gutes Stück weiter. Hoch oben auf einer weiteren Düne wendet er sich wieder um und blickt angespannt zurück.
“Hartnäckig, das Vieh,” knurrt er, ”sieh hin, es kriecht unter dem Sand, als würde es schwimmen.”
Ich folge der Aufforderung und erkenne, das der Mann recht hat. Die Kreatur bewegt sich wirklich unter dem Sand dahin. Es sieht beinnahe so aus, als würde sie unter der Oberfläche dahin fließen. Der Mann an meiner Seite runzelt die Stirn.
“So werden wir es auf jeden Fall nicht los,” meint er trocken, “ und einfach so verschwinden sollten wir auch nicht. Diese Dinger machen einem in letzter Zeit das Leben öfter schwer. Saugen alles aus was sie erwischen.” Er sieht mich scharf an. “Warum hast du gefragt ob ich Feuermagie habe?”
“Weil, “ antworte ich ,” man sie so töten kann, mit Feuer.”
Meine Augen weiten sich, als ich eine Idee habe. Ich hebe die Hand und streife den Ring ab um das Objekt dem Dämon zu zeigen.
“Kannst du mit so etwas umgehen?”
Erstaunt betrachtet er das Stück.
“Ein Feuerring,” stell er fest, “ich habe zwar keine Feuergabe, dafür kann ich aber Hitze herbeirufen. In Verbindung mit diesem Ring kann ich wohl einen kleinen Feuersturm entfachen.”
Die Kreatur ist mittlerweile schon wieder sehr nahe. Ich kann kaum glauben, wie schnell sich dieses Wesen unter dem Sand bewegt hat. Der Dämon lässt mich mit der rechten Hand los, hält mich aber mit dem linken Arm noch fest, so dass ich mich weiterhin an ihn lehnen kann. Auffordernd streckt er mir die Rechte hin, damit ich ihm den Ring überstreife und nachdem das getan ist, reckt er sie der Kreatur entgegen. Mit einigen guttural klingenden Worten, die ich nicht verstehe, ruft er seine Kräfte auf und schickt unserem Verfolger einen Schwall aus Hitze entgegen. Dann ruft er die Macht des Ringes dazu und tatsächlich entfesselt er damit eine lange, breite sehr heiße Flamme, von der die Kreatur mitten im Angriff getroffen wird. Schreiend und sich windend verbrennt sie nur wenige Meter vor uns.
Erleichtert atmen wir beide auf und mir wird klar, dass wir großes Glück hatten, denn dieses Wesen war relativ klein, sogar noch kleiner als die allererste Kreatur in Bonn. Ich seufze froh auf und der Mann neben mir schenkt mir ein kleines Lächeln, dann jedoch wird der Dämon plötzlich ernst.
“Sie hat dich verletzt, nicht wahr?”
Er sieht mich traurig an und ich nicke.
“Ja, hat sie, aber ich werde mich nicht verwandeln.” Ich lächle über sein erstauntes Gesicht und fahre erklärend fort. “Ich kann es anscheinend heilen, aber nur ganz am Anfang. So habe ich auch einen Freund davor gerettet sich zu verwandeln.”
Der Mann hebt überrascht die Augenbraue.
“Du bist dir sicher?” Ich nicke erneut.
“Ja, aber das heißt nicht, das es nicht mehr wehtun würde. Ich habe nur das Gift in meinem Körper neutralisiert, zu mehr reichte meine Kraft nicht mehr aus.”
Er nickt verstehend. “Du musst viel Magie in dir haben, denn das ist das erste was sie aus einem heraussaugen und das verdammt schnell.”
Er blickt wieder zu dem Häuflein Asche, das der Wind langsam verweht, dann sieht er mich wieder an und ein Lächeln zuckt über seine Züge.
“Ich bin übrigens Tamoran.”
Auch über mein Gesicht zieht nun ein Lächeln.
“Hallo Tamoran, schön dich kennen zulernen. Ich glaube ich schulde dir etwas.”
Jetzt öffnet sich das Lächeln des Dämonen zu einem breiten, amüsierten Grinsen. Mit einer schnellen Bewegung hat er mich wieder hochgehoben.
“Ich bringe uns wohl besser erst einmal hier weg, irgendwo hin wo ich dich absetzen kann und dann will ich mir dein Bein ansehen.”
Ich halte mich an ihm fest und sehe ihn dankbar an.
“Danke, Tamoran,” meine ich mit ernster Stimme, “vielen Dank. Ich glaube du hast mir eben wirklich das Leben gerettet.”
Erneut grinst der Mann auf diese anziehende Weise.
“Gern geschehen.”
Mit diesen Worten dreht er sich um und läuft mich tragend los.
Eine Stunde später erreichen wir steiniges Gelände und bald findet der Dämon einen etwas windgeschützten Ort. Vorsichtig setzt er mich auf einem großen Steinblock ab und ich prüfe instinktiv die Resonanzen des Ortes. Wir befinden uns nun irgendwo östlich der Oasen. Es ist erstaunlich wie schnell dieser Dämon laufen kann und ich frage mich zu welcher Rasse er wohl gehört. Überhaupt bin ich sehr neugierig auf Tamoran, da er der erste wirkliche Dämon ist, mit dem ich sprechen kann.
Der Mann schnürt nun vorsichtig meinen Stiefel auf und zieht ihn mir dann behutsam aus. Trotzdem entfährt mir ein leiser Schmerzlaut. Das tut aber auch weh!
Ebenso behutsam geht der Dämon weiter vor, als er mir auch noch den Strumpf vom Bein zieht, die Gliedmaße anhebt und im Licht des Mondes in Augenschein nimmt. Nachdenklich nickt er und erhebt sich dann.
“Warte einen Moment hier, ich will versuchen irgendwo etwas Holz aufzutreiben um ein Feuer zu entzünden. Ich brauche ein wenig mehr Licht um zu sehen, was alles zu Schaden gekommen ist.”
Ich nicke leicht, worauf sich der Mann abwendet und in der Dunkelheit verschwindet.
Erschöpft lasse ich mich auf dem natürlichen Sitz zurücksinken und schließlich liege ich auf den Rücken und starre zu dem klaren Sternenhimmel empor. Wo wohl nun meine Freunde sind?
Sicher suchen sie schon nach mir. Hoffentlich geht es ihnen allen gut. Ein Seufzen fließt mir über die Lippen. Ich fühle mich schrecklich ausgelaugt und erschöpft, der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern und ich weiß nicht was mit meinen Freunden ist. Ich weiß noch nicht einmal, wo sie in diesem Augenblick sind oder ob es ihnen allen wirklich gut geht. Ich mache mir Sorgen.
Mein Bein tut noch immer schrecklich weh und es fühlt sich kalt an. Besorgt fühle ich in meinen Körper hinein, aber ich kann keine Spur des Giftes mehr in mir wahrnehmen. Anscheinend hat die Kreatur auch alle Wärme aus dem Glied gesaugt, so ausgekühlt wie es sich anfühlt.
Ein leises Geräusch lässt mich ruckartig hochfahren, doch es ist nur Tamoran mit einem Bündel trockener Zweige in den Armen.
“Habe ich dich aufgeweckt? Das wollte ich nicht.”
Seine Stimme klingt leise. Ich schüttle sanft den Kopf.
“Ich schlafe nicht,” bemerke ich, “wenn ich ruhe ist das eheste, das an Schlaf erinnert ein diffuser Dämmerzustand, aus dem mich jedes Geräusch reißen kann.”
Er nickt nachdenklich und ich setze mich langsam wieder auf. Während ich ihm zusehe, wie er seine Magie benutzt um mit der Hitze einen der Äste zum glühen zu bringen, frage ich mich wie schnell er wohl wirklich laufen kann. Holz ist schrecklich rar in der Wüste.
“Sag Tamoran,” frage ich leise, “welche Art Dämon bist du eigentlich.”
Eine kleine Flame züngelt aus dem trockenen Holz und der Mann verwendet einige Augenblicke darauf sie zu füttern, bevor er aufblickt und mir ein Lächeln schenkt. Seine Zähne blitzen weiß aus dem dunklen Gesicht hervor.
“Ich? Ich gehöre zu den Wüstendämonen, genauer gesagt zu den Wüstenläufern. Wir haben ein wenig etwas Katzenartiges an uns, können ziemlich schnell rennen und Hitze herbeirufen. Dadurch vertragen wir auch gut Hitze. Wir sind an keinen bestimmten Landstrich gebunden, sondern streifen frei umher. Mal hier, mal dort, Wüste oder Steppe, das ist egal, Hauptsache warm. Einige von uns aber bevorzugen auch Kälte. Für gewöhnlich sind wir recht harmlos, außer jemand ärgert uns. Wir treiben aber manchmal unsere Späße mit einsamen Wanderern.” Er zwinkert mir zu. “Lass mich jetzt dein Bein genauer ansehen.”
Er kommt zu mir und hebt die Gliedmaße vorsichtig an.
“Es fühlt sich so kalt an.”
Meine Stimme klingt dünn. Tamoran nickt sanft.
“Die Haut ist wirklich kalt, aber ich denke du hast recht. Es scheint, als hättest du dich tatsächlich geheilt. Sieh.”
Ich folge der Aufforderung und erblicke erschrocken tiefschwarze Linien, die sich wie Adern über mein Bein schlängeln, aber schon im Verblassen begriffen sind. Außerdem sehe ich den dünnen Schorf auf einer kreisrunden Wunde und getrocknetes Blut.
Der Dämon wirkt nachdenklich, dann fährt er langsam über die Haut während er leise etwas murmelt. Wärme strahlt von seinen Händen aus und vertreibt langsam die Kälte. Ein leiser Seufzer des Wohlbehagens entflieht meinen Lippen.
“Weißt du eigentlich wie gut sich das anfühlt, Tamoran?”
Ich sehe ihn an und er nickt.
“Ja klar,” meint er , “das sagen mir Frauen immer wieder.”
Jetzt muss ich laut lachen, doch gleich ziehe ich zischend den Atem ein. Tamoran hat meinen Fuß bewegt und das tut richtig weh. Er nickt ernst.
“Du hast dir den Knöchel kräftig vertaucht,” er sieht mich an, “ und dieses Wesen hat dir ein nettes Loch verpasst. Darauf kannst du die nächsten Tage nicht laufen.”
Sinnend wandert sein Blick ins Leere. Dann geht er zu seinem kleinen Bündel, das er bei sich trug und holt etwas heraus. Das Geräusch von reißendem Stoff lässt mich auffahren. Der Dämon winkt ab, bevor ich etwas sagen kann.
“Das war sowieso nur ein altes Hemd und dieser Knöchel da,” er zeigt auf mein geschwollenes Bein, “gehört bandagiert, sonst wird er noch dicker und die Wunde reißt wieder auf.”
Er grinst mich an und entnimmt seinem Bündel eine Salbentube. Meinen erstaunten Blick quittiert er mit einem weiteren breiten Grinsen.
“He, ich bin zwar ein Dämon, aber nicht unverwundbar. Und wenn man so schnell wie ich laufen kann, dann passiert es schon mal, dass man etwas übersieht und auf die Nase fällt, oder schlimmer noch irgendwo dagegen läuft.”
Jetzt muss ich kichern, das Bild, das bei dieser Feststellung durch meinen Kopf geistert ist einfach zu lustig. Tamoran hebt die Tube in die Höhe.
“Essigsaure Tonerde,” erklärt er,” wirkt kühlend und hilft bei Blutergüssen, Prellungen, Verstauchungen und was man sich sonst noch so zuzieht, wenn man auf die Nase fällt. Außerdem gut bei Mückenstichen und dergleichen.”
Ich lasse zu, dass er meinen verletzten Fuß vorsichtig reinigt und mit dieser Salbe bedeckt, wobei er sorgfältig die Wunde auslässt. Anschließend bandagiert er den Knöchel mit den in Streifen gerissenen Hemd.
“So fertig.”
Er klingt stolz und ich lächle ihn dankbar an. Doch plötzlich fährt ein scharfer Wind zwischen uns und wirft dem Dämonen Sand und Staub ins Gesicht. Der Mann stolpert einige Schritte zurück und der Wind umwirbelt ihn noch immer, zerrt und reißt an seinen Kleidern und wirft ihm Sand entgegen.
“He,” ruft Tamoran überrascht, “was ist den jetzt los?”
Er dreht sich um die eigene Achse, während er versucht den Angreifer zu finden und fällt schließlich rückwärts hin. Der Wind zerrt noch immer an ihn und bewirft ihn auch weiterhin mit Sand.
”Hilfe!” Der Dämon klingt verwirrt. “Wer bist du, was willst du?” Eine weitere Böe wirft neuen Sand auf den Mann. “Warum wirfst du mit Sand nach mir?”
Ich bin ebenso verwirrt wie der Dämon und starre nur entgeistert auf das sich mir bietende Schauspiel. Der Wind wirbelt nun auch um mich herum und umschmeichelt mich sachte.
Etwas was mich noch in größere Verwirrung stößt und dann vernehme ich gehauchte Worte.
“Saleha sagt, suche sie, finde und beschütze. Ich suche, finde und nun beschützen.”
Lange Sekunden starre ich völlig perplex in die Leere. Hat der Wind gerade gesprochen?
Dann wird mir plötzlich die Bedeutung der Worte klar. Saleha hat einen ihrer Winde geschickt mich zu suchen und zu beschützen und der Wind hält nun Tamoran auch für eine Bedrohung.
“Wind,” rufe ich leise, “Wind, der von Saleha der Sandhexe gesandt wurde. Dieser Dämon, der den Namen Tamoran trägt ist kein Feind. Auch er beschützt mich.”
Ich meine ein verstehendes Seufzen aus dem Wind zu vernehmen und Augenblicke später lässt er auch tatsächlich von Tamoran ab. Der Mann setzt sich reichlich zerzaust auf, niest heftig, spuckt etwas Sand aus und mustert mich erstaunt, die ich immer noch von dem Wind umschmeichelt werde.
“Du kennst eine Sandhexe?”
Er plagt sich wieder auf die Beine.
Ich will ihm gerade antworten, als ich Suryas Resonanz wahrnehme. Bevor ich Tamoran warnen kann, stürzt sie wie eine Furie kreischend auf den Dämon nieder. Dessen Augen werden einen Moment riesengroß und dann tut er das einzig richtige. Er wirft sich, Gesicht nach unten zu Boden und schützt seinen Kopf mit den Armen. Dann wird er auch schon von einem heftigen, kleinen Sandsturm verdeckt.
“Surya, nein!” Meine Stimme klingt schrill. “Tu ihm nicht weh, Tamoran hat mir geholfen!”
So schnell wie der Wind aufkam, so schnell vergeht er auch wieder. Dennoch haben die wenigen Sekunden ausgereicht um den Dämonen fast völlig unter Sand zu begraben.
Surya landet vor mir.
“Wirklich?”
Sie klingt erstaunt und ich nicke nur, während ich zusehe, wie sich der Mann aus dem Sand herausmüht und etwas wackelig auf die Beine kommt.
“Ja,” zischt er wütend, “wirklich!”
Er niest mehrmals kräftig und sieht die Sandhexe vorwurfsvoll an.
“Warum macht ihr das eigentlich immer?”
Surya runzelt fragend die Stirn und Tamoran verdreht die Augen.
“Einem unter Sand begraben, wenn ihr wütend seit. Warum macht ihr das?”
Er funkelt die Frau wütend an, doch dann verändert sich sein Gesichtsaudruck schlagartig und zeigt nun Erschrecken. Der Dämon richtet sich kerzengerade auf und hebt vorsichtig beide Hände in Schulterhöhe, um zu zeigen, dass er nichts darin hat.
“Du hast,” richtet er eine leise Frage an mich, “noch mehr Furchterregende Freunde, oder?”
Seine Stimme klingt nun eindeutig besorgt und ich sehe die schmale, scharfe Klingenspitze von Uriels Sense an seinem Hals liegen. Das Mondlicht bricht sich hell in dem Metall. Ich nicke und blicke an ihm vorbei zu Uriel, dem ich einen scharfen Blick schenke.
“Uriel, lass das bitte. Er hat mir nicht nur geholfen, sondern sogar das Leben gerettet.”
Meine Stimme ist nun ruhig, aber auch sehr ernst geworden. Ich bemerke am Rande wie der Dämon zusammenzuckt, ganz offensichtlich begreift er von wem er da gerade bedroht wird.
Der Engel hingegen blickt mich nur sehr aufmerksam an und ich fühle, wie er nach meiner Resonanz tastet. Erst danach hebt er, anscheinend zufrieden, die scharfe Klinge langsam vom Hals des Dämons vor ihm. Einen Moment später treten Saleha und auch Shanael aus dem Schatten hervor. Tamorans Augen weiten sich erneut und er beugt ehrerbietig den Kopf.
“Seid mir gegrüßt Shanael Abendstern.”
Ich glaube in seiner Stimme ein leises Zittern zu vernehmen. Mein erstaunter Blick trifft Shanael, die mich anlächelt. Sie nickt Uriel zu, der immer noch seine Sense bereithält und einen skeptischen Blick beibehält.
“Ich kenne ihn, Uriel, wenn auch nur flüchtig. Tamoran ist schon in Ordnung und ich glaube sogar, das er es fertig bringt, dem letzten Licht das Leben zu retten. Er hat ein Talent dafür, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein.”
Ein Lächeln huscht ihr über das Gesicht. Mein Blick wandert aufmerksam zwischen dem rothaarigen, gefallen Engel und dem dunkelhäutigen Dämon hin und her.
“Ihr beide kennt euch also?”
In meinen Augen funkelt nun wohl Neugierde, worauf beide etwas nervös reagieren. Ich belasse es dabei und nehme mir vor, später noch einmal zu fragen.
Uriel lässt seine Sense immer noch nicht verschwinden. Stattdessen umrundet er den Dämon mit skeptischen Blick und mustert den Mann nun von vorne.
"Zu welcher Rasse gehörst du?"
Die Frage des Engels ist in einem beinnahe eisigen Ton gestellt. Auch sein Blick ist kalt. Tamoran weicht ein wenig zurück und ich habe das Gefühl, das er sich am liebsten aus dem Staub gemacht hätte. Schließlich antwortet er dem Engel, der ihn immer noch misstrauisch mustert. Meine Augen verengen sich ein wenig. Der geflügelte Mann benimmt sich tatsächlich langsam wie ein großer Bruder.
"Uriel!" Diesmal klingt meine Stimme etwas ärgerlich.
Der Engel dreht sich um und mustert mich intensiv, dann gleitet sein Blick zu meinem Bein.
“Du,” stellt er fest, “bist verletzt.”
Einen Moment später kniet Uriel vor mir und untersucht mein Bein.
“Wir haben uns alle schreckliche Sorgen gemacht,” murmelt er , “du warst urplötzlich verschwunden und ich konnte die Spuren im Gewebe wahrnehmen, die Satan hinterlässt, wenn er sich hier zeigt.”
Er sieht mich forschend an und meine Augen verengen sich wütend bei der Erinnerung.
“Oh ja,” meine ich aufgebracht, “ich bin diesem verlogenen, hinterhältigen, missratenen Sohn einer Klapperschlange begegnet. Er hat versucht mir weiszumachen, dass er mir helfen möchte und dann hat er, glaube ich, mir tatsächliche eine dieser Kreaturen auf den Hals gehetzt.”
Überrascht halte ich inne. Erst jetzt wird mir die Bedeutung von diesem Geschehnis klar. Erst jetzt erkenne ich, dass Satan höchstwahrscheinlich etwas mit diesen Kreaturen zu tun hat. Bisher habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht, sondern einfach nur wahrgenommen, dass mich dieser hinterhältige Mistkerl in eine Falle gelockt hat. Die offensichtlichen Zusammenhänge aber sind mir bis zu diesem Augenblick nicht wirklich bewusst geworden. Meine Augen weiten sich erschrocken. Wie konnte mir das nur entgehen? Warum habe ich nicht sofort daran gedacht?
Uriel sieht mich ebenso bestürzt an.
Schließlich erhebt er sich wieder und setzt sich dicht neben mich.
“Erzähl uns bitte was passiert ist?”
Der Blick des Engels wandert erneut zu Tamoran. Erneut mustert er den Dämonen kalt und skeptisch, doch schließlich wird sein Blick dann doch etwas wärmer.
“Und du auch, Tamoran. Das war doch dein Name, oder?”
Uriels Stimme klingt immer noch kühl, aber ganz offensichtlich hat er sich nun damit abgefunden, das der andere Mann wohl keine Bedrohung darstellt. Der Dämon nickt stumm und macht sich daran sein Feuer, das unter den heftigen Winden erloschen ist, wieder zu entfachen.
“Ja,” meint er schlicht, “mein Name ist Tamoran und ich werde erzählen, was ich über die Dinge, die geschehen sind weiß.” Er hebt den Blick und mustert meine Freunde abschätzend. “Aber nur,” setzt er hinzu, “wenn mich keiner mehr mit Sand bewirft oder mit einer Klinge bedroht.”
Shanael lacht auf, genauso wie ich, wohingegen Uriel nur eine Augenbraue nach oben zieht und Surya und ihre Schwester sich ungläubig ansehen. Mit funkelndem Augen hebt die harte Surya ihre Hand, in der Geste, die wir schon kennen, vollführt sie aber dann so sanft, dass dem Dämon nur eine kleine Handvoll an Sand entgegengeweht wird.
“He!” Seine Stimme klingt aufgebracht. “Lasst das doch bitte!“
Er bedenkt die Sandhexen mit einem empörten Blick aus zu Schlitzen verengten Augen. Doch dann bemerkt es das Lachen auf ihren Gesichtern und verdreht nur die Augen. Nun muss er selbst beinnahe grinsen. Er sieht mich wieder an, beinnahe vorwurfsvoll.
“Du hast interessante Freunde,” bemerkt er, “aber hättest du mich nicht vorwarnen können?”
Ich schenke ihm ein entschuldigendes Lächeln.

Nachdem das Feuer endlich wieder brennt, beginne ich langsam zu erzählen, was mir widerfahren ist. Hatte ich mir erst Gedanken darum gemacht Uriel von dem Spiegel zu erzählen, so tue ich es jetzt doch. Ich weiß nicht was Satan vorhat, aber ich denke nicht, das er mir den Spiegel nur als Lockmittel auf dem Brunnen zurückgelassen hat. Also erzähle ich auch das.
Als ich endlich fertig bin sitzen wir alle einige Zeit schweigend und erschrocken um das Feuer herum. Schließlich bittet mich Uriel ihm den Spiegel zu zeigen und ich reiche ihm das Objekt. Lange dreht er es zwischen den Händen, dann reicht er es achselzuckend an Shanael weiter.
"Ich," meint er leise, "kann nichts ungewöhnliches daran feststellen. Für mich ist es nur ein Wahrspiegel. Wohl gemerkt ein überraschend guter und klarer, aber eben nur ein Wahrspiegel."
Auch Shanael kann nichts daran feststellen und selbst die Sandhexen kommen darüber überein, dass es wirklich nur das ist, was es zu sein scheint. Schließlich gibt ihn mir Saleha zurück und auch ich betrachte ihn noch einige Zeit, aber wie schon zuvor kann ich nichts böses oder verdorbenes daran feststellen. Fragend blicke ich Uriel an, der nur die Stirn runzelt. Dann jedoch seufzt er.
"Mir gefällt es nicht."
Er sieht die anderen kurz an und heftet dann seine Augen wieder auf mich.
"Irgendetwas bezweckt Satan damit, aber ich komme nicht dahinter, was. Womöglich hat er dir auch ganz einfach die Wahrheit gesagt und will, dass du dich von Lucifer abwendest. Andererseits kann uns dieses Ding vielleicht sogar von Nutzen sein."
Das überrascht mich nun aber. Der Engel atmet tief durch und seufzt erneut.
"Willst," fragt er mich nun, "du denn diesen Spiegel benutzen?"
Ich denke kurz darüber nach, dann stecke ich das Objekt wieder in meine Tasche.
"Ich weiß es nicht, Uriel. Wirst du denn mir endlich die Geschichte erzählen?"
Ich fixiere ihn ernst mit meinen Augen doch der Engel schüttelt den Kopf.
"Ich kann nicht."
Diese schlichte Feststellung lässt mich nun die Stirn runzeln, bis sich Shanael einmischt.
"Das stimmt, Hoffnung," ihre Stimme ist ernst," es wurde jedem Engel verboten darüber zu sprechen. Nicht einmal ich, ja sogar nicht einmal Lucifer selbst wird dir erzählen können, was geschehen ist, obwohl wir alle es wissen." Sie lächelt entschuldigend. "Du wirst es selbst herausfinden müssen."
Mein Gesicht zeigt mein Erstaunen sehr deutlich, als ich enttäuscht nicke. Langsam habe ich all diese Geheimnisse satt.
Sekundenlang schweigen wir alle, dann breche ich die Stille erneut, indem ich mich Tamoran zuwende, der bisher still zugehört hat.
"Sag einmal, Tamoran, wie kam es eigentlich dazu, dass du gerade zur Rechten Zeit da warst, um mich zu retten?"
Ich lächle bei der Frage und der Dämon grinst kurz.
"Zufall," lacht er, "meine Art liebt das schnelle Laufen, aber es gibt selten irgendwo eine echte Gelegenheit das auszuleben. Also bin ich in diese Wüste gekommen." Er grinst wieder. " Da gibt es keine Bäume oder sonst irgendwelche Hindernisse gegen die man rennen könnte."
Das entlock uns allen ein kurzes Lachen. Nur Uriel lacht nicht, bemerke ich, sonder zeigt nur ein dünnes, schmallippiges Lächeln. Ganz offensichtlich hat der Engel gehörige Vorbehalte Tamoran gegenüber.
"Nun ja," fährt der Dämon fort, "da laufe ich also, genieße es in vollen Zügen und da sehe ich doch glatt, wie eine hübsche junge Frau, ganz offensichtlich verletzt auf einer Düne in der Nähe erscheint und diese dann auch noch runterrollt. Das fand ich dann schon erstaunlich, mitten in der Wüste. Also bin ich nachsehen gegangen." Er hebt die Schultern kurz. "Den Rest kennt ihr ja jetzt schon."

Wir unterhalten uns anschließend noch weiter, bis sich Shanael erhebt. Ihre Geste zum Himmel erklärt ihr Verhalten schnell, den die Dunkelheit der Nacht schwindet. Ich runzle die Stirn, denn jetzt fällt mir wieder ein, dass ich den Engel eigentlich noch etwas fragen wollte. Nun aber bleibt dafür erneut keine Zeit.
"Es ist Zeit," meint die Frau leise, "ich muss euch nun verlassen. Sehen wir uns morgen Nacht wieder?"
Ich nicke still.
"Ja," meine Stimme klingt nachdenklich, "ich denke schon. Aber ich glaube ich bleibe für die nächsten Tage hier in der Wüste. Ich brauche endlich einmal Ruhe und ich will nachdenken, dafür sind solche Orte am besten geeignet."
Ich sehe die Sandhexen fragend an und die beide nicken zustimmend.
"Du bist," Surya lächelt mich offen an, "uns immer und zu jeder Zeit in der Wüste willkommen, letztes Licht."
“Außerdem," setzt Saleha nun hinzu," kannst du dann deine Geschichte selbst Amara erzählen. Sie löchert mich deswegen schon."
Ich muss lachen und sage ihr, das ich das gerne tun werde. Shanael neigt den Kopf zustimmend, verabschiedet sich nun von den anderen und geht den Schritt.

Etwas später bringt mich Uriel zurück zu dem Ort, an dem Amara sich aufhält und geht nun auch wieder seinen Verpflichtungen nach. Bevor er uns aber verlässt nimmt er Tamoran noch einmal beiseite.
"Wenn du ihr Schaden zufügst," zischt er kalt, "dann ist meine Sense nicht das einzige, das du fürchten solltest, Dämon."
Er funkelt den Dämon an und dieser reagiert abwehrend.
"Ich tu ihr schon nichts," grummelt er, "hätte ich das gewollt, dann hätte ich ihr doch nicht geholfen, oder?"
Uriels Augen ziehen sich zu gefährlichen Schlitzen zusammen.
"Ich wollte es nur erwähnt haben."
Dann wendet sich der Engel abrupt ab und geht den Schritt. Ich schüttle verärgert den Kopf. Der Dämon, der das sieht kommt zu mir herüber.
"Du," fragt er ," hast es gehört, nicht?"
Ich nicke leicht. "Wie jedes übernatürliche Wesen habe auch ich ein schärferes Gehör, nur Uriel vergisst das ganz gerne einmal." Ich sehe Tamoran an und lächle.
"Mach dir keine Sorgen," meine ich nun," er will mich nur beschützen."
Erneut zeigt der Mann sein anziehendes Grinsen und winkt ab.
"Ich kann sowieso viel schneller laufen, als er fliegen kann." Er sieht sich um. "Wenn du nichts dagegen hast, dann verabschiede ich mich nun auch. Ich hab noch etwas zu erledigen. Aber ich würde dich gerne wieder besuchen, also nur wenn dich das nicht stört?"
Mein Lächeln wird breiter.
"Natürlich stört mich das nicht." Meine Stimme klingt bestimmt. "Du bist der erste echte Dämon, mit dem ich mich mal unterhalten konnte und ich habe so viele Fragen."
Tamoran lacht auf. "Gut dann ist es abgemacht."
Bald darauf hat er seine Sachen gepackt, sich von mir verabschiedet und rast in einem beeindruckendem Tempo davon. Ich blicke dem Dämonen noch eine Weile sinnend nach, wie er im ersten Morgenlicht über die Dünen rauscht und dabei eine Staubwolke hinterlässt. Irgendetwas ist an dem Mann seltsam und obwohl ich nichts an ihm wahrnehme, das seine Vertrauenswürdigkeit beeinträchtige, bin ich mir nicht so sicher ob man ihm auch wirklich trauen kann. Ich finde es schon einen seltsamen Zufall dass er ausgerecht in der Nähe war, als ich dringend Hilfe brauchte.

Stunden später habe ich mich von den Schrecken der Nacht erholt und mein Bein schmerzt auch nicht mehr so sehr. Ganz offensichtlich heilen auch bei mir nun Verletzungen schneller ab, als bei einem gewöhnlichen Menschen. Ich sitze im Sand, hoch oben auf einer Düne in der Nähe der Oasen. Dort, bei der kleinsten, haben sich nun Amara und die beiden Sandhexen eingerichtet. Es ist besser für das Mädchen und die Sandhexen wollen die Wasserstellen im Auge behalten, falls sich erneut eine der Kreaturen dort zeigen sollte. Ich denke aber, das dem nicht der Fall sein wird. Woher ich diese Gewissheit habe, das weiß ich nicht so recht. Doch sie ist da und ich habe gelernt auf meine Intuition zu hören. Bisher lag ich so gut wie nie falsch damit.
Ich blicke kurz in den Himmel, die Sonne steht schon tief, bald wird der Abend anbrechen. Erneut senke ich meinen Blick auf meine Hände, in denen ich unentschlossen den Wahrspiegel drehe. Noch immer wundert es mich, das Uriel ihn nicht gleich zerstören wollte. Ich frage mich warum. Hat der Engel womöglich Gründe dafür? Will er vielleicht sogar, das ich den Spiegel befrage und herausfinde, warum Lucifer dort ist, wo er nun ist? Und warum war Satan so erpicht darauf, das ich die Geschichte erfahre? War den Lucifer wirklich so gefährlich, oder wollen mir das alle nur weis machen?
Ich runzle die Stirn, Satan traue ich das zu, aber nicht Uriel.
Ich sehe zurück zu der Oase und denke über Amara nach. Das Mädchen hat ganz offensichtlich heilende Hände, eine Heilgabe, die sich vor allen in den Händen konzentriert.
Bisher kann sie noch nicht viel bewirken und auch noch nicht gut damit umgehen, aber immerhin ist es ihr gelungen die Wunde an meinen Bein zu schließen und die Verstauchung etwas abklingen zu lassen. In Verbindung damit, das auch bei mir anscheinend Verletzungen nun schneller heilen, bin ich schon wieder in der Lage einigermaßen aufzutreten. Dennoch habe ich die Levitation benutzt um diese Düne zu erklimmen.
Ich glaube das Amara immer besser darin werden wird zu heilen. Ein Lächeln erscheint auf meinem Gesicht als ich die Verbindung zu ihren Namen erkenne, der soviel wie die Heilende bedeutet. Ob das noch Zufall ist? Ich denke nicht.
Wieder betrachte ich den Spiegel und ein tiefer Seufzer fließt mir über die Lippen. Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll. Ich wünschte, es gäbe jemanden, der mir die Geschichte erzählen könnte. Aber wenn selbst die Engel sie nicht erzählen dürfen, ja sie nicht einmal erzählen können, dann bezweifle ich, dass es so jemanden gibt. Erneut drehe ich den Spiegel in den Händen und untersuche die Rückseite und den Spruch darauf, den ich zwar lesen kann, aber nicht verstehe. Ich runzle die Stirn. Welche Sprache ist das denn? Und warum erscheint sie mir so vertraut?
Tief in meinem Innersten gerät etwas in Bewegung, irgendetwas ist da. Aber wie schon die Male zuvor bekomme ich es einfach nicht wirklich zu fassen. Verwirrt runzle ich die Stirn. Was ist das nur? Woher kommt es? Und warum bekomme ich es nicht zu fassen?
Entnervt schüttle ich den Kopf und drehe den Spiegel wieder und wieder in meinen Händen. Betrachte ihn genau, obwohl ich genau weiß das mir das auch nichts bring. Schließlich entwindet sich mir ein weiterer Seufzer und ich beschließe, dass ich das Risiko eingehe und den Spiegel zumindest einmal ausprobiere. Zumindest sollte ich herausfinden wie er funktioniert. Ich spreche die fremden Worte aus, drehe das Ding um und überlege, was er mir denn nun zeigen soll. Schließlich entscheide ich, dass ich gerne wissen will, was Tamoran gerade macht. Ich bitte den Spiegel mir den Dämonen zu zeigen und tatsächlich zeigt er mir was ich sehen will. Allerdings kann ich nur erkennen das es Tamoran ist und dass der Dämon rennt, mehr nicht. Ich kneife die Augen zusammen.

Eine Stunde später habe ich verstanden, dass dieses magische Objekt praktisch alles wörtlich nimmt. Wenn ich etwas oder jemanden sehen will, dann zeigt der Spiegel es mir, allerdings weder Ort noch Zeit. Langsam begreife ich wie das Ding funktioniert. Bisher aber habe ich mich gescheut die Fragen zu stellen, die ich wirklich stellen möchte. Allerdings habe ich Spaß an der Sache gefunden. Gerade überlege ich mir, was oder wen ich jetzt noch beobachten könnte, als ich Uriels Resonanz wahrnehme. Ich blicke auf und sehe den Engel mühsam die Düne herauf stapfen.
"Warum fliegst du nicht?"
Meine Stimme klingt fröhlich. Der Mann sieht auf und lächelt mich an.
"Weil Surya mir gedroht hat mich mit heißen Sand zu bewerfen, wenn ich dich erschrecke."
Ich kichere und warte darauf, das mich der Engel ganz erreicht. Leise stöhnend lässt er sich neben mir in den Sand sinken.
"Wie bist DU eigentlich hier herauf gekommen?"
Er klingt erstaunt und ich muss lachen.
"Mit Hilfe von Levitation."
Meine Stimme klingt immer noch fröhlich. Nun zieht Uriel die Augenbrauen überrascht in die Höhe. Erstaunt mustert mich der Engel.
"Aber du warst doch magisch vollkommen erschöpft, wie ist das möglich?"
Ich zucke kurz mit den Schultern.
"Ich habe mich schon wieder einigermaßen erholt," meine ich, "ich kann noch nicht in den Schritt oder so etwas, aber schweben funktioniert schon wieder ganz gut."
Ich sehe ihn an und der Engel staunt weiter. Schließlich verengt er die Augen und hebt die Hand, um von der rechten Seite meines Kopfes eine Strähne meines Haars zu fangen. Sie ist ebenso silbern, wie die andere, das habe ich vor kurzem selbst entdeckt. Uriel sieht mich forschend an, während er die Strähne durch seine Finger gleiten lässt. Ich lächle ihn an.
"Komm schon, Uriel. So schlimm ist das nicht. Ich finde sogar, dass es gut aussieht."
Ein Lächeln gleitet über mein Gesicht. Aber das Gesicht des Engels bleibt ernst.
"Hoffnung," meint er leise, “es bedeutet das du wieder all deine magische Energie verloren hattest. Und das so kurz, nachdem es schon einmal so weit war. Eigentlich solltest du dich immer noch von der ersten Erschöpfung erholen müssen und doch bist du hier und kannst bereits schon wieder die Levitation benutzen."
Er sieht mich so ernst an, dass ich mich langsam frage was wohl in seinem Kopf vorgeht. Aber bevor ich fragen kann verschwindet sein ernster Gesichtsausdruck und er lächelt mich wieder an.
"Wie," fragt er unvermittelt, "geht es deinem Bein?"
Ich runzle die Stirn hebe erneut die Schultern. Was für ein abrupter Themenwechsel, denke ich, antworte dann aber auf Uriels Frage.
"Auftreten kann ich noch nicht so wirklich, aber es tut nicht mehr so schlimm weh. Ich denke in einigen Tagen bin ich wieder ganz genesen." Ich mustere den nickenden Engel. "Du hast dir schon gedacht, dass auch bei mir nun Verletzungen schneller heilen, nicht wahr?"
Der Mann gibt ein zustimmendes Geräusch von sich. "Ich habe es vermutet."
Er deutet auf den Spiegel. "Und, was willst du tun?"
Auch mein Blick fällt auf das Objekt.
"Nun zuerst einmal versuche ich herauszufinden, wie dieses Ding eigentlich funktioniert, das ist nämlich gar nicht so einfach. Mittlerweile aber kriege ich es dazu mir nicht nur eine Person zu zeigen, sondern auch den Ort und die richtige Zeit."
Ich sehe Uriel wieder an, doch in seinem Gesicht kann ich nicht lesen, was er denkt. Schließlich lächelt er leicht und traurig, wie mir auffällt.
"Warum," frage ich ihn unvermittelt, "bist du zu mir gekommen?"
Der Engel blickt von mir fort, über die Dünen hinweg und ins Leere.
"Wir haben aufgehört nach Michael zu suchen, das wollte ich dir sagen." Er sieht mich wieder an. "Es sind noch weitere Engel und vor allem viele Himmelswesen verschwunden und Raphael hat zwei weitere dieser Kreaturen auf seinen Flügen entdeckt." Nun klingt der Mann ernst.
Ich stöhne leise auf.
"Das klingt nach Arbeit und da dachte ich, ich könnte mich jetzt wirklich ein wenig ausruhen."
Ich sinke etwas zusammen aber Uriel schüttelt den Kopf.
"Ja es kling nach Arbeit, aber nicht für dich," meint er bestimmt, "du wirst dich ausruhen. Ich und Shanael kümmern uns darum und vielleicht kann uns ja auch Tamoran helfen. Ich traue ihm zwar nicht so ganz über den Weg, aber mit dem Ring wäre er uns eine große Hilfe, gerade weil er so schnell laufen kann. Außerdem kann ich ihn so noch mal genauer in Augenschein nehmen."
Ich nicke nachdenklich und weiß einen Moment lange nicht, wie ich mich fühlen soll. Einerseits bin ich enttäuscht, andererseits aber auch froh mich etwas ausruhen zu können.
"Du kannst ihn ja fragen, wenn er wieder da ist. Er wollte weg um etwas zu erledigen, aber nun glaube ich ist er wieder auf dem Rückweg."
Uriel sieht irritiert aus und ich hebe als Antwort den Spiegel. Jetzt lacht er auf.
"Du hast Tamoran beobachtet?"
Ich nicke. "Mir fiel niemand anderes ein."
Uriel lacht immer noch.
"Wir sollten dann wohl zu den anderen gehen," meint er, "bevor mich Surya doch noch einstaubt."
Ich lache laut auf und strecke dem sich erhebenden Engel die Hand entgegen, damit er mir auf hilf. Bevor ich mich versehe hat er mich aber hochgehoben und trägt mich die Düne hinunter.
"Uriel," meine ich trocken, "langsam aber sicher benimmst du dich wie ein großer Bruder."
Der Mann lacht auf.
"Was? Bin ich wirklich so schlimm."
Allerdings, denke ich. Spreche es aber nicht aus und schenke ihm nur einen meiner vieldeutigen Blicke. Der Engel lacht nur.
"Wie gut," meint er, "das es hier keine Brombeeren gibt."
Ich frage mich einen Moment wie er jetzt darauf kommt, bis mir unser Streit auf der Waldlichtung einfällt. Jetzt muss ich ein Kichern unterdrücken.

Nachdem die Sonne untergegangen ist, taucht auch Tamoran wieder auf. Der Dämon scheint guter Laune zu sein, so wie er lacht. Schwungvoll verbeugt er sich vor mir und ich muss kichern.
"My Lady."
Seine Stimme klingt ausgelassen und er scheint wirklich ausgesprochen gute Laune zu haben. Das Lachen aber vergeht ihm, als Uriel aus dem nahen Zelt tritt. Ich kann sein kurzes Stirnrunzeln sehen, während er sich schnell aufrichtet.
"Ist der immer noch da?"
Er murmelt es so leise, dass selbst ich es kaum verstehe. Das Lächeln das er nun zeigt wirkt ein wenig aufgesetzt. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und frage mich, wie lange es wohl dauern wird, bis die zwei Männer einander wirklich akzeptieren.
"Tamoran," Uriels Stimme nimmt wieder diesen kühlen Ton an, "gut das du schon wieder zurück bist. Ich möchte mit dir sprechen."
Der Engel wendet sich ab und bemerkt gar nicht wie überheblich das wirkt. Der Dämon durchbohrt seinen Rücken mit einem empörten Blick, dann wendet er sich mir noch einmal zu.
"Will er wirklich mit mir reden," meint er halblaut, "oder mich eher abmurksen?"
Uriel, der dies gehört hat, fährt mit verengten, wütend blitzenden Augen herum und ich schüttle einfach nur den Kopf. Etwas das beide Männer innehalten lässt, bevor sie sich wirklich an die Kehle gehen. Der Engel bedenkt den Dämonen aber immer noch mit Wut in den Augen, was mich selbst die Augen verdrehen lässt. Tamoran scheint noch etwas sagen zu wollen, aber was auch immer es ist, er behält es dann doch für sich.
Schließlich sitzen wir dann doch zu dritt um ein kleines Feuer herum und Uriel bringt widerwillig seine Idee, dass Tamoran uns helfen könnte, zum Ausdruck. Erst ziert sich der Dämon ein wenig, aber als ich erwähne, dass womöglich Satan mitbekommen hat wie er mir geholfen hat und ihm das vielleicht übel nehmen könnte, wird er nachdenklich. Als sich schließlich die beiden Sandhexen und dann auch endlich Shanael zu uns gesellen, ist die halbe Nacht vorüber und Tamoran zu dem Entschluss gekommen, dass er uns helfen wird.
Nachdem das geklärt ist, erzählt uns Uriel, was er über diese beiden neu aufgetauchten Kreaturen herausgefunden hat. Die eine sei nahe der Sahara ebenfalls in einer Oase aufgetaucht und die andere macht angeblich Rom unsicher. Außerdem sind da noch immer die verwandelten Geschöpfe, die der steinerne Mann im Hejatz-Gebirge festhält und die wir gestern nicht mehr auslöschen konnten. Saleha blickt sinnend auf.
"In der Sahara gibt es eine junge Sandhexe, gerade einmal hundert Jahre alt, ihr Name ist Dara und sie ist uns, mir und meiner Schwester nicht böse gesonnen."
Surya nickt.
"Ja," meint sie, "wir sollten sie zumindest darauf vorbereiten, dass sehr bald ein übernatürlicher Kampf nahe ihres Gebietes stattfinden wird. Vielleicht hilfst sie uns ja auch. Zu dritt sind wir sicher in der Lage so eine Kreatur, wenn nicht schon auszutrocknen, so zumindest sie zu isolieren."
Uriel sieht die beiden Schwestern nachdenklich an und nickt schließlich langsam.
"In Ordnung. Dann werdet ihr euch in die Sahara begeben?"
Die Sandhexen nicken und Uriel sieht Shanael an, die ebenfalls ein zustimmendes Nicken zeigt.
"Ja," bekräftigt sie, "es ist am besten, wenn wir uns gleich um das Wesen in Rom kümmern, aufgrund der Zeitverschiebung habe ich dort auch mehr Zeit und muss nicht befürchten euch mitten im Kampf verlassen zu müssen. Aber bevor wir nach Rom gehen, sollten wir die verwandelten Wesen, die hier noch festsitzen auslöschen."
Uriel stimmt dem zu und bedenkt dann Tamoran mit einem scharfen Blick.
"Sag Tamoran," wieder schleicht sich ein kühler Ton in die Stimme des Engels, "du hast Hoffnung erzählt, dass solche Kreaturen einem jetzt öfter das Leben schwer machen, oder?"
Der Dämon nickt zögerlich.
"Ja das stimmt," er klingt grimmig, " von der in der Sahara habe ich schon Gerüchte gehört, aber das Ding in Rom ist mir neu." Er sieht plötzlich sehr ernst aus. "Außerdem weiß ich, das so ein Ding am Amazonas rumspuckt. Das hat mir eine Leopardenfrau erzählt."
Er runzelt die Stirn, scheint kurz nachzudenken und fährt schließlich fort.
"Zudem habe ich Gerüchte gehört, dass sich so ein Ding irgendwo in Alaska herum treibt. Das hat mir meine Schwester erzählt, die es wiederum von einem guten Freund weiß. Ach ja übrigens, ich habe heute einen Freund getroffen und ihm erzählt, dass diese Kreaturen von Feuer verletzt werden können. Er wird es weitererzählen." Er sieht uns alle etwas besorgt an.
"Ich hoffe das nehmt ihr mir jetzt nicht übel."
Uriel schüttelt den Kopf.
"Nein," seine Stimme klingt nun beinnahe freundlich, "das war vollkommen richtig."
Ich mustere den Engel erstaunt, der das mit einem belustigten blinzeln quittiert. Er sieht die anderen wieder an, doch ich mische mich nun ein und unterbreche ihn.
"Uriel," meine ich, "ich kenne ein Wesen, dass uns bestimmt am Amazonas hilfreich sein wird.”
Als der Engel mich erwartungsvoll ansieht fahre ich ruhig fort.
“Um genau zu sein kenne ich einen Phönix, der sich öfter in der Gegend des Amazonas aufhält. Ich kann zwar jetzt noch nicht in den Schritt, aber ich glaube das ich morgen Nachmittag wieder stark genug dafür sein werde. Ich könnte versuchen den Phönix zu finden und ihn um Hilfe bitten."
Ich blicke auf und bin etwas verwirrt, denn alle meine Freunde, sogar die beiden Sandhexen, starren mich überrascht an. Irritiert runzle ich die Stirn. Dachten sie etwa, das ich das früher hätte erwähnen sollen.
"Ihr wisst doch," rechtfertige ich mich, "das Phönixe nicht von ihrem Gebiet wegzukriegen sind, selbst wenn die Welt davon abhängt?"
Uriels Augen weiten sich kurz als er begreift, dass ich ihre Blicke als leichten Vorwurf gewertet habe.
"Natürlich wissen wir das," beruhigt mich der Engel sofort, "es ist nur... Es ist beinnahe neunhundert Jahre her, das ich zuletzt einen Feuervogel gesehen habe. Ich wusste noch nicht einmal, dass es noch einen am Amazonas gibt. Sie sind so schrecklich scheu."
Ein Lächeln huscht mir über die Lippen als ich endlich die seltsame Reaktion der anderen begreife. Das also ist es, was sie so in Erstaunen versetzt.
 
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Kommentare  

Huhu Doska,

das freut mich, dass dir die neu hinzugekommenen Wesen so gut gefallen. Schön, dass es dir immer noch gefällt.
Nun...ob auf den Wüstendämon echter Verlass ist, das wird sich noch zeigen.Nu gehts erst mal auf in den Amazonas....;)

Liebe Grüße


Tis-Anariel (26.04.2010)

Grässlich, das Krakenähnliche Wesen und niedlich - wenn auch gefährlich - die Sandhexe. Auch dein Wüstendämon gefällt mir ausgesprochen gut. Er wirkt sehr sympathisch und charmant, aber ob er wohl so zuverlässig ist, wie er vorgibt? Ein abenteuerliches Kapitel mit wunderschönen aber auch gruseligen Bildern. Wirklich toll!

doska (25.04.2010)

Liebe Jeiy,
ja so schnell geht es. Ich hab ihn aber auch bewusst so sympatisch geschrieben.
Freu mich über deinen Kommentar.

Huhu Jochen,
ja es ist lang, vermutlich einer der längsten Teile in dem Roman, aber ich wollte es auch nícht auseinanderrupfen.
Nun Satan, der hat sich schon was dabei gedacht und dieser Spiegel spielt auch noch seine Rolle.
Freut mich, dass es sich gut und flüssig lesen lässt und dass du auch an diesem Teil Gefallen findest.

Liebe Grüße


Tis-Anariel (25.04.2010)

Ein langes und abenteuerliches Kapitel. Satan ist wirklich ein unheimliches Wesen, aber er macht sogar einen auf hilfsbereit, als er Hoffnung begegnet. Anfänglich dachte ich ja mit dem Spiegel wäre doch nicht so alles in Ordnung, aber dem ist nicht so. Ich bin gespannt wie Hoffnung künftig den Spiegel einsetzen wird. Immerhin sammelt Hoffnung mehr und mehr Freunde um sich, um besser gegen die Schattenmacht ankämpfen zu können. Hat sich gut und flüssig gelesen.

Jochen (24.04.2010)

Ah, ja! Da hab ich letztens noch von tollen Charakteren gesprochen, die noch auftauchen werden und schon
ist einer da: Tamoran! Ich mag ihn ^^ Hab ja generell eine Schwäche für Dämonen und dergleichen und seine
Art und Weise finde ich wirklich genial. Bringt auch wieder ein wenig Humor mit ein ^^ Wirklich toll!

Liebe Grüße


Jeiy (24.04.2010)

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