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10 Seiten

Blutmond - Karms Reise beginnt --- Kap.3 Herzsprache

Romane/Serien · Fantastisches
Herzsprache


Als Karm nach einem tiefen Schlaf mit dem Morgengrau erwachte, erhob er sich langsam, reckte und streckte erst einmal seine Muskeln und gähnte dann herzhaft. Erst danach fiel ihm das Menschenkind wieder ein und abrupt drehte er seinen Kopf herum, um einen scharfen, angespannten Blick zu dem Versteck des Mädchens zu werfen. Sogleich verließ ein Teil der Anspannung seinen Körper, denn die Kleine war noch immer dort. Sie schlief tief und fest. Nur Sekunden später bewegte sich das Kind unruhig und gab seltsame Geräusche von sich. Karm brauchte einige Momente um zu begreifen, dass das Mädchen nicht etwa aufwachte, sondern wohl träumte und so wie es aussah, waren es keine angenehmen Träume. Sofort tat sie ihm schon wieder leid. Die Kleine hatte wohl wirklich einiges mitgemacht.
Der Wandelwolf seufzte leise. Er hatte keine Ahnung, was er nun machen sollte, aber das Kind brauchte seine Hilfe, das war klar. Aber er hatte ja auch seine Mission, also konnte er nicht hier bei dem Mädchen bleiben.
Eigentlich blieb damit nur noch eine Möglichkeit. Das Mädchen musste mit ihm kommen. Nur wie sollte er DAS der Kleinen begreiflich machen? Schließlich war sie nur ein Mensch. Ein Mensch zudem, der sich schrecklich vor ihm fürchtete. Solange er Wolf war, würde sie ihn wohl kaum verstehen.
Mit einem leisen frustrierten Knurren ließ sich der Wolf wieder auf den Boden sinken und betrachtete weiterhin das Kind. Wie sollte er das nur hinbekommen?
Vielleicht wusste ja Schnurr was zu tun war. Ja genau, Schnurr, das war doch mal eine Idee! Die Katze lebte schließlich bei den Menschen und das Kind würde sich nicht vor der Samtpfote fürchten. Karm stimmte sich selbst zu. Ja, Schnurr hatte die ganze Zeit bei Menschen gelebt, sie verstand diese verwirrenden Wesen bestimmt viel besser und womöglich war das Mädchen ja auch sogar der Mensch der Katze. Außerdem würde die Samtpfote das Kind auch beruhigen können und wusste womöglich sogar einen Ort, wohin die beiden gehen konnten.
Entschlossen erhob sich der Wandelwolf. Er würde jetzt gleich die Katze suchen und um Hilfe bitten. Wenn er Glück hatte, fand er die Samtpfote und war wieder hier, bevor die Kleine aufwachte. Doch schon mit dem nächsten Schritt, den er tat, musste er dieses Vorhaben verschieben.
Mit seinen Gedanken wo anders hatte er erneut den rechten Vorderlauf belastet und sich so den Dorn noch tiefer ins Fleisch getrieben. Heißer Schmerz zuckte ihm durch den ganzen Lauf und ließ Karm laut aufjaulen. Der Wolf konnte nicht glauben wie weh das tat, noch schlimmer als am Tag zuvor.
Winselnd legte sich Karm nieder und leckte vorsichtig an seiner Pfote, die sich dick und heiß anfühlte. Noch immer pochte dumpf der Schmerz durch seinen gesamten Lauf.
Der große Wolf stieß ein neues Winseln aus und jammerte dann leise vor sich hin. Jetzt hatte er wirklich ein ernstes Problem, das wurde ihm nun klar. Die Wunde hatte sich wohl entzündet und wenn er nicht bald etwas dagegen tat, dann würde es wohl bald anfangen zu eitern. Dieser dreimal verfluchte Dorn musst unbedingt da raus, egal wie, sonst wurde das alles nur noch schlimmer. Der Wolf seufzte leise. Es half alles nichts, er musste in die Wandlung und zwar am besten sofort. Er kam ja nicht mal diese Treppe da richtig hinauf. Was das allerdings mit dem Kind machen würde, das wollte sich Karm gar nicht so genau ausmahlen. Zumindest aber konnte er dann versuchen mit ihr zu reden. Vielleicht würde sie ja zuhören und er konnte der Kleinen erklären was und wer er war.
Gerade sammelte der Wolf seine Gedanken um sich auf die Wandlung zu konzentrieren, da sprach ihn einen kleine, helle Stimme von hinten an.
"Karm?"


***


Annabella schreckte hoch als das Jaulen des Wolfes in ihre unruhigen Träume drang. Schlaftrunken und noch völlig verwirrt fragte sie leise nach der Mutter und sah sich mit verschwommenem Blick um. Erst lange Momente später klärte sich ihre Sicht und dem Mädchen wurde klar wo sie war, warum sie dort war und dass ihre Mutter nicht kommen würde. Schmerzhaft drängten sich die Erinnerungen an die schreckliche Nacht in ihre Gedanken und entlockten ihr ein leises Wimmern. Dann jedoch erinnerte sich das Kind auch daran, dass es sich nicht alleine in diesem Keller befand.
Erschrocken biss sie sich auf die Lippen, holte tief Atem und spähte dann vorsichtig aus ihrem Versteck hervor. Die leise verborgene Hoffnung, dass sie den Wolf geträumt habe, zerbarst recht schnell. Es war kein Traum. Der Wolf war sehr real und immer noch da, riesengroß und pechschwarz. Allerdings auch leise winselnd und jammernd. Unglücklich leckte er sich die rechte Pfote.
"Aua, aua, autsch! Oh Mutter Mond, das tut aber weh. Verflixt noch eines!"
Das Mädchen blinzelte überrascht. Also hatte sie auch das nicht geträumt, denn erneut verstand sie genau, was das Tier da von sich gab. Sie hatte sich also nicht eingebildet, dass der Wolf zu ihr gesprochen hatte. Einen langen Moment hatte sie geglaubt, sie hätte dies geträumt.
Verwirrt runzelte sie die Stirn und beobachtete das große Tier weiter. Was auch immer er sich in die Pfote getreten hatten, es musste offenbar ganz schrecklich gemein weh tun.
Annabella erinnerte sich, dass sie im letzten Sommer nach dem Spielen einen Holzsplitter in der Hand gehabt hatte. Der hatte sich bald ganz böse entzündet. Auch nachdem ihre Mutter das Ding aus ihrer Haut gezogen und die Wunde behandelt hatte, war ihre Hand noch ganz dick und heiß gewesen. Tagelang konnte sie kaum etwas damit machen, weil es so weh tat. Offenbar ging es dem Wolf gerade nicht viel anders. Da er zudem auf der Pfote auch noch laufen musste, war das bestimmt auch noch viel schlimmer, als ein kleiner Splitter in der Hand.
Das Mädchen biss sich grübelnd auf die Lippen.
Irgendwie tat ihr der Wolf leid und sie fragte sich, ob sie ihm vielleicht helfen könnte. Er hatte ihr ja immerhin nichts getan und vielleicht würde er friedlich bleiben, wenn sie ihn mit seinem Namen ansprach. Immerhin hatte er ihr diesen ja genannt und wenn er sah, dass sie ihn verstand, dann konnte sie vielleicht auch mit ihm reden.
Sie grübelte noch einige Momente länger darüber nach und fällte schließlich eine Entscheidung. Schlimmer konnte ihre Situation ja sowieso kaum mehr werden.
Also holte sie tief Atem, kratzte ihr bisschen Mut zusammen und krabbelte aus ihrem Schlupfwinkel im Regal hervor. Vorsichtig schob sie sich zwischen die großen Tonkrüge, von wo sie schnell wieder in ihr Versteck zurückweichen konnte, und hielt kurz inne. Erneut kaute Annabella auf ihrer Lippe herum, dann jedoch riss sich das Mädchen zusammen und sprach den Wolf leise mit seinem Namen an.
"Karm?"


***


Der Wolf schüttelte den Kopf.
"Gleich Süße," meinte er abgelenkt, "ich muss nur erst mal…"
Verwirrt hielt Karm inne, dann wurde ihm klar was eben passiert war. Ungelenk sprang er auf, ohne seine verletzte Pfote zu benutzen, wandte sich dem Versteck des Kindes zu und betrachtet das Mädchen verblüfft.
"Du verstehst mich?!"
Er klang so verblüfft, wie er sich fühlte.
Das Mädchen nickte zaghaft und kaute nervös auf der Unterlippe herum. Karm blinzelte, dann setzte er sich und legte den Kopf schräg. Das Kind roch noch immer nach Furcht, hatte sich aber jetzt schon etwas aus seinem Versteck herausgewagt. Sie stand zwischen den Tonkrügen und hielt tapfer seinem Blick stand. Als sich ihr Kinn langsam hob und Mut in ihren Augen aufblitzte, erhellte ein wölfisches Grinsen seine verblüfften Züge. Dies jedoch erschreckte die Kleine und sie wich erschrocken zurück.
"Nein, nein, keine Angst Kleine. Der Ausdruck ist freundlich. Ich grinse."
Zur Bekräftigung zeigte er das Grinsen erneut und hechelte hinterher. Das Mädchen musterte ihn misstrauisch.
"Wirklich?"
Ihre Stimme war immer noch klein und zaghaft, aber nun schon etwas fester. Karm grinste sie wieder an und nickte leicht.
"Ja wirklich. Denk dir einfach ich wäre ein großer Hund, das Mienenspiel und die Körpersprache ähnelt sich."
Er blinzelte dem Mädchen aufmunternd zu, wedelte kurz mit dem Schwanz und fuhr ruhiger fort.
"So, da du schon meinen Namen kennst, finde ich es nur fair, wenn du mir den Deinen auch verraten würdest. Oder soll ich dich jetzt immer mit Kind oder Mädchen ansprechen?"
Er grinste sie wieder an, doch das Mädchen schien weiterhin skeptisch zu sein. Mit einem kleinen Stirnrunzeln musterte sie in weiter ganz genau. Dann verschleierte sich ihr Blick etwas und plötzlich fühlte sich der Wolf ein wenig seltsam. Ein heller, fröhlicher Geist strich wie ein Hauch an seinem Wesen vorbei und hinterließ ein seltsam prickelndes Gefühl, das ihn dazu reizte zu kichern. Es dauerte nur einen Augenblick. Wenige Momente später schien die Furcht von dem Kind zu weichen und machte Faszination Platz. Ganz unverhofft begann das Mädchen zu lächeln und trat tatsächlich ganz aus ihrem Versteck hervor.
Der Wolf blinzelte überrascht, doch dann erkannte er erstaunt, dass diese kleine geistige Berührung gerade von dem Mädchen gekommen war. Sie hatte ihn tatsächlich auf einer Geistigen Ebene gemustert und erkannt, dass sein Wesen ehrlich und darum auch seine Worte wahr waren.
Seine Augen weiteten sich verblüfft.
Auf was war er denn da gestoßen?
Das Kind sprach nicht nur die Herzsprache, sondern verfügte wohl auch über das zweite Gesicht oder den tiefen Blick, wie es die Wandelwölfe nannten. Die Herzsprache zu beherrschen bedeutete, dass derjenige mit jedem Wesen der Welt sprechen konnte. Oft wurde diese Fähigkeit, die ererbt wurde, in gefährlichen, schwierigen oder lebensbedrohenden Situationen entfaltet. Der tiefe Blick hingegen, der konnte ererbt, aber auch verliehen oder erlangt werden. Er zeigte einem die Dinge hinter den Dingen. Viele Tiere und Wesen verfügten von Natur aus darüber, doch die Menschen gehörten eigentlich nicht dazu.
Der Wolf musterte noch immer staunend das Kind.
Das Mädchen hingegen lächelte ihn nun offen an.
"Annabella ist mein Name," meinte sie, "Annabella Luna
Steinformer, Tochter von Luna und Georg Steinformer."
Der Wolf grinste, überwand seine Verblüffung und erhob sich langsam auf drei Beine. Sacht neigte er leicht den Kopf und stellte sich nun auch förmlich vor.
"Karm ist mein Name, Jäger aus dem Rudel Mondsinger, Sohn von Runari und Arramas. Es freut mich dich zu treffen, Annabella Luna Steinformer."
Das Kind schenkte ihm ein weiteres Lächeln und wagte sich nun endlich gänzlich aus ihrem Versteck hervor. Das ließ den Wolf innerlich aufatmen. Sie schenkte ihm ihr Vertrauen, das war schon mal gut. Das Mädchen legte leicht den Kopf schräg und imitierte ihn damit ungewollt. Karm nahm dies amüsiert zur Kenntnis, verbiss sich aber das Grinsen. Annabella hingegen deutet auf seinen Lauf, den er in einer Schonhaltung hochhielt.
"Hast du dir etwas in die Pfote getreten, Karm?"
Der Wolf deute ein Nicken an, dann schenkte er dem Mädchen ein weiteres Wolfslächeln.
"Ja, Annabella, einen Dorn und einen ganz gemeinen noch dazu. Leider bekomme ich ihn nicht selbst heraus."
Er musterte das Kind kurz.
"Sag Kind, weißt du was ein Wandelwolf ist?"
Zu seiner Erleichterung nickte das Mädchen sofort.
"Ja, das weiß ich. So einer bist du, nicht wahr?"
Der Wolf nickte erneut und diesmal schenkte ihm das Mädchen ein breites Grinsen.
"Soll ich versuchen dir den Dorn aus der Pfote zu ziehen?"
Das Mädchen legte erneut den Kopf schräg und Karm, immer noch darüber amüsiert, neigte leicht den eigenen Kopf.
"Ich wäre dir sehr dankbar, Annabella."


***


Nur zwei Stunden später stand Karm, der immer noch etwas hinkte, mit dem Mädchen Annabella vor einem großen Gebäude, Annabellas Zuhause. Das Mädchen hatte hier mit den Eltern und den drei älteren Brüdern in einer der fünf Wohnungen gelebt. Sie hatte sich redlich darum bemüht Karm das Konzept von Miete und Mietwohnungen zu verdeutlichen, aber für den Wolf war dies genauso abstrakt wie die Idee von Geld selbst. Er hatte aber zumindest den Grundgedanken begriffen.
Wenigstens war er nun den Dorn los. Das Kind war sanft und geschickt vorgegangen, dennoch hatte es fast eine halbe Stunde gedauert, bis der Dorn endlich aus Karms Pfote heraus war. Der Wolf hoffte, dass die beginnende Infektion bald abklingen und die Wunde dann schnell verheilen würde. Während Annabella ihn also von dem Dorn befreite, erzählte ihm das Mädchen von ihrer Familie und auch, dass sie selbst mal einen Splitter in der Hand gehabt hätte und von daher verstehe, wie weh sowas tun würde. Sie erzählte dem Wolf auch, dass ihre Mutter Heilerin gewesen sei, ebenso wie die Großmutter und dass sie daheim nicht nur Wundtinktur sondern auch Heilsalbe und weitere Mittel hätten, womit man sowas behandeln konnte.
Bald darauf waren der Wolf und das Mädchen zu Annabellas Zuhause aufgebrochen. In der kühlen Luft zitterte das Kind schnell, schließlich hatte es nur Stiefel, Nachthemd und eine dünne Jacke an.
Karm hätte der Kleinen sagen können, das ihr Zuhause leer sein würde, aber er wusste nicht wie. Er wusste auch nicht, wie er dem Mädchen klar machen sollte, dass die Menschen ihrer Familie entweder tot oder ohne sie fortgegangen waren.
Also schwieg der Wandelwolf und begleitete das Kind einfach, denn schließlich würde sie in ihrem Zuhause zumindest warme Kleindung für das Mädchen finden und die würde sie sicher brauchen. Ein lautloses Seufzen dehnte den mächtigen Brustkorb des Wolfes als er dem Mädchen in das Gebäude folgte und sich mühsam über mehrere Treppen hinauf quälte. Das war gar nicht so einfach, wenn man nur einen Vorderlauf belasten konnte. Karm hoffte sehr, dass dies bald wieder besser werden würde. Endlich gelangten sie vor der Tür zur Wohnung der Kleinen an, doch plötzlich wirkte das Mädchen verzagt. Es schien beinahe so, als wolle sie gar nicht hineingehen. Aber wer wollte dem Kind das auch verdenken. Im Unterbewusstsein war ihr bestimmt schon lange klar, dass ihre Familie nicht dort sein würde. Aber solange sie nicht hineinging und es mit eigenen Augen sah, dass niemand zuhause war, konnte sie so tun als ob. Doch sobald sie hineinging, musste sie sich der Wahrheit stellen.
Mit einem leisen Seufzen öffnete Annabella schließlich die Eingangstür. Einen langen Moment zögerte sie noch, dann trat sie in die stille Wohnung hinein.
Während die Kleine durch die Räume ging und dabei natürlich kein Familienmitglied fand, blieb Karm neben der Eingangstür sitzen, sah sich aufmerksam um und beobachtete das Mädchen mitfühlend.
Die Wohnung bestand aus fünf Räumen.
Da war die große Wohnküche, in der die Familie nicht nur aß, sondern zusammen saß und praktisch lebte. Ein großer Esstisch dominierte den Raum und an der Außenwand gab es eine einfache Kochstelle, einen Ofen und eine Bank nahe dem Ofen. Von der Küche zweigte eine winzige Wasch- und Badekammer ab. Durch die offene Tür hatte Karm einen guten Blick auf den großen Badezuber, der die Kammer beinahe vollständig ausfüllte. Die anderen drei Räume waren offenbar Schlafräume.
Der Wolf lenkte seine Aufmerksamkeit auf Annabella zurück, die sich gerade auf einen der Küchenstühle setze und ins Leere starrte. Schließlich blickte das Kind auf, die Augen voller ungeweinter Tränen.
"Sie sind alle weg! Und sie kommen nicht mehr wieder, nicht wahr, Karm?"
Die Stimme des Mädchens war wieder ganz klein und leise geworden. Eine erste Träne floss ihr über die Wange und der Wolf seufzte erneut. Seine Stimme wurde sehr sanft, als er ihr die Wahrheit sagte.
"Nein, Annabella, sie kommen nicht mehr wieder. Wenn einer aus deiner Familie überlebt hat, dann sind sie mit den anderen Menschen geflohen und kommt nicht wieder hier her. Wahrscheinlich halten sie dich für tot."
Er erhob sich, hinkte zu dem Mädchen und stupste es tröstend mit der Nase an. Das Kind schniefte leise.
"Und wo gehen sie hin, wenn sie überlebt haben?"
Karm gab ein unbestimmbares Geräusch von sich.
"Nun auf jeden Fall weg von den Dschan, also erst einmal den kleinen Bruch hinunter und dann über die Kliffs ins Tiefland. Da die Dschan auch dorthin ziehen, werden die Menschen erst mal immer weiter zurückweichen müssen."
Er klang noch immer sanft doch Annabella blickte verwirrt drein.
"Dschan?"
Karm schenkte ihr ein kleines Wolfslächeln.
"So nennen die Wissenden die Kreaturen, die jetzt überall auftauchen, dieselben Wesen, die auch euch Menschen hier angegriffen haben. Viele Tiere nennen sie auch Nachttode oder Nachtschatten."
Er legte den Kopf schräg.
"Du hast instinktiv das richtige gemacht, Annabella und dich unter der Erde verborgen. Nur tief unter der Erde oder im Tageslicht ist man sicher, wenn die Dschan über die Lande ziehen."
Das Mädchen nickte langsam und verstehend, dann jedoch sank es wieder in sich zusammen.
"Aber Karm, wenn sie nicht mehr hier her kommen, was mache ich denn dann jetzt?"
Annabella klang ein wenig verzweifelt, doch der Wolf lächelte ihr aufmunternd zu und stupste sie erneut mit der Nase an.
"Du kommst erst einmal mit mir. Auch mich zieht es in diese Richtung, zum Tiefland. Ich bin auf der Suche nach etwas und mein Gefühl sagt mir, dass ich jenes weiter in Richtung der Kliffs und des Tieflandes finden werde. Außerdem habe ich nicht das Herz dich alleine hier zurückzulassen. Besonders nicht wo du die Herzsprache sprichst und offenbar über das zweite Gesicht verfügst. Du bist was besonderes, Annabella und ich mag dich jetzt schon sehr."
Er stupste das Kind noch einmal aufmunternd an.
"Aber wir müssen bald aufbrechen, denn es sind noch immer Dschan hier und ich möchte noch zu einer neuen Freundin gehen, die wir unbedingt auch mitnehmen sollten. Eine Katze Namens Schnurr."
Er zwinkerte dem Kind zu.
"Na komm Annabella, auf die Beine, zieh dir warme Kleidung an und dann suchen wir zwei dir alles zusammen was du für unsere Reise gebrauchen kannst."
Bevor Karm reagieren konnte hatte Annabella die schlanken Arme um seinen Hals geschlungen und das Gesicht in seinem Fell vergraben.
"Danke Karm."
Der Wolf lächelte nur.


***


Eine ganze Weile später, es war bereits Nachmittag, betraten Karm und Annabella endlich die Gasse, in der die Metzgerei lag und wo die Katze Schnurr irgendwo ihren Unterschlupf haben musste. Bevor sie los gegangen waren, hatte die Kleine die Wunde in Karms Pfote noch mit einer Tinktur und dann mit Heilsalbe behandelt. Karm staunte etwas über die Wirkung, denn schon jetzt konnte er beinahe wieder normal laufen. Sein Lauf tat kaum mehr weh und fühlte sich auch nicht mehr so heiß an.
Annabella trug nun auch warme Kleidung und feste Stiefel. Alles in allem wirkte das Kind nun wesentlich entschlossener und stellte sich tapfer den neuen Umständen. In Gedanken aber dankte sie ihrem lieben Papa. Denn ihm hatte sie die passende Kleidung und Ausrüstung für dieses Abenteuer zu verdanken. Im Stillen hoffte das Mädchen sehr, dass ihre Eltern und die Brüder es irgendwie aus Blaustein hinaus und in Sicherheit geschafft hatten. Denn dann gäbe es die Chance sie alle irgendwie und irgendwo wieder zu finden.
Annabella strich sich über die noch recht neue Kleidung und dachte an ihren Vater. Der hatte sie dieses Jahr zum ersten Mal mit hinauf in die Berge genommen.
Als Steinformer konnte er nicht nur die Energiekristalle und den blauen Himmelstein formen und aufeinander abstimmen, er wusste auch so eine ganze Menge über Stein und Fels. So konnte Georg Steinformer auch gut einschätzen wo ein neuer Stollen nicht nur sicher angelegt werden konnte, sondern sich auch wo sich das graben lohnen würde. Er hatte es einfach im Gefühl und genau darum wurde der Mann auch oft in die Berge zu den Steinbrüchen gerufen. Georg hatte sich angewöhnt seine Söhne auf diese kleinen Reisen mitzunehmen, schließlich machte das nicht nur Spaß, sondern sie konnten dabei auch noch etwas lernen. Annabella hatte schon mit sieben Jahren darum gebettelt mitgenommen zu werden, aber da war sie laut ihrer Mutter noch ein wenig zu klein. Annabella jedoch hatte nicht aufgegeben und dieses Jahr endlich mitgedurft. Dafür aber brauchte sie noch die richtige Ausrüstung und Georg hatte sie mitgenommen, als er diese besorgte.
Oh was hatte sich Annabella darüber gefreut und wie aufgeregt sie gewesen war, als sie mitsamt ihren Vater und den drei älteren Brüdern zum ersten Mal mit auf den Berg durfte.
Von daher besaß das Mädchen nun eine vollständige Wanderausrüstung. Zwei feste Hosen, eine leichte und eine warme und feste, warme Lederstiefel zum Schnüren, sowie ein langärmliges und ein kurzärmeliges Hemd aus festem Stoff. Dazu eine Lederweste, die mit Lammfell gefüttert war und ein Regenumhang mit Kapuze. Die Hose, die Weste und die Stiefel waren dunkelbraun, die Hemden Beige und das Cape dunkelgrau.
Zudem beinhaltete die Ausrüstung noch einen festen, schwarzen Ledergürtel, eine Scheide mitsamt Messer, einen für sie passenden Lederrucksack und sogar ein Kletterseil, eine kleine Spitzhacke zum Klettern und Kletterhacken.
Ganz alleine durfte sie natürlich noch nicht klettern, aber ihr Vater hatte ihr gezeigt wie es ging. Georg war der Meinung, dass solche Dinge nicht früh genug erlernt werden konnten und das auch durchaus ein Mädchen solche Dinge können sollte. Er hatte ihr zudem auch den Wanderstab geschnitzt, den sie nun in der Hand hatte.
Der Mann wusste wohl nicht einmal welch einen großen Gefallen er seiner kleinen Tochter damit erwiesen hatte. Nicht nur mit dem Stab und der Ausrüstung, sondern auch mit all dem andren, was das Mädchen auf dieser kleinen Reise in die Berge von ihm gelernt hatte.
Nun trug Annabella die wärmeren Kleidungstücke und die Jacke, die sie schon zuvor anhatte. Am Gürtel hatte sie das große Messer ihres Vaters in seine Scheide befestig.
Im Rucksack auf ihrem Rücken befanden sich nun die leichtere Wanderkleidung, die Weste, das Regencape und alles an Proviant, das sich in der Küche finden ließ. Viel war es nicht, das sich dafür eignete, ein großes Stück Brot und Käse, aber auch vier gekochte Eier, mehrere Äpfel und eine kleine Flasche Öl, die für so eine Reise ganz besonders kostbar war und zudem ein kleiner Beutel Salz. Außerdem hatte sie die wichtigsten Heilmittel ihrer Mutter eingepackt. Ganz unten im Rucksack befand sich alles Gold ihrer Eltern in einem Beutel und in einem weiteren Beutel der Schmuck von Annabellas Muttern. Weiterhin hatte sie ihr eigenes, kleines Messer und das ihres ältesten Bruders mitsamt einem Wetzstein darin verstaut.
Noch etwas hatte das Mädchen in ihrem Rucksack, etwas das viel wertvoller war, als das bisschen Gold. Sie hatte einen Beutel kleiner, aber reiner Himmelssteine und einen dazu passenden Energiekristall, in seinem Metallkästchen, eingepackt. Der Kristall aktivierte die Himmelsteine und brachte sie nicht nur zum schweben, sondern auch zum leuchten. In der Metallschatulle wurde der Energiestein abgeschirmt und konnte so die Himmelssteine nicht aktivieren.
In den Außentaschen des Rucksacks steckten die Zunderbox und die metallene Wasserflasche ihres Vaters, die Mundharmonika ihres jüngsten Bruders und das Klappmesser ihres mittleren Bruders. Oben auf dem Rucksack hatte sie den großen, sehr warmen Winterumhang ihres Vaters zusammengerollt festgebunden. Sie nahm ihn anstatt der viel größeren und schweren Decke mit. Spitzhacke und Kletterhacken ließ sie zurück, aber das Seil hing sauber zusammenrollt in der dafür vorgesehenen Schlaufe außen am Rucksack.
Alles in allem konnte das Mädchen dieses Gepäck gut tragen. Sie war zwar noch nicht ganz zwölf Jahre alt, aber in diesem Alter musste auch sie schon im Haushalt und allem mithelfen. Von daher war das Mädchen körperliche Belastung gewöhnt und fand den Rucksack wirklich nicht zu schwer, auch wenn Karm sich etwas besorgt zeigte.

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ENDE DER LESEPROBE

Das Buch ist ab sofort bei Amazon zu haben und zwar als Kindle und auch als Taschenbuch. Es ist der erste Teil einer geplanten Triologie.

Mit lieben Grüßen
Tis Anariel
 
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