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6 Seiten

Das Weiße Königreich - Kapitel 19

Romane/Serien · Spannendes
© Alexander
Gegen Mitternacht verließen die letzten Sträflinge unter Aufsicht die Stollen. Wong kehrte von seinem Beobachtungsposten zurück.
Mit wenigen Hieben der Zwergenbrüder wurde der Versorgungsstollen wieder geöffnet. Diesmal verzichten Sie vorsichtshalber auch Fackeln. Kronos ging voraus, blieb aber in Sichtweite seines Bruders. Baldami blieb bei der Gruppe und führte sie.
Als sie den anderen Stollen erreichten, hörten sie irgendwo im verzweigten Stollensystem klirren, klappern und Stimmen. „Kommt.“, flüsterte Baldami. Die Gruppe verließ den Versorgungsstollen und ging nach Links. Einige Meter später bogen sie nach Rechts in einen Verstrebungsstollen, der Zwei Parallel laufende Stollen miteinander verband. Langsam verklangen die Geräusche vom Hauptstollen. Stattdessen kamen sie dem schwachen Rauschen immer näher.
Irgendwann erreichten sie einen abschüssigen Stollen. Schon nach wenigen Metern merkte man die hohe Luftfeuchtigkeit. Das Rauschen schwoll immer mehr an. Dann betraten sie den einstigen Lavakanal, indessen Kanalbett ein Fluss statt Lava floss. Durch die Feuchte hatte sich an der Kanalwand Grünes Moos angesiedelt.
Ein solch kräftiges Grünes Moos hatte Tanja bisher noch nicht gesehen. Durch das Gletscherwasser schimmerte der Lavakanal teilweise bläulich. Sie war fasziniert.
Vorsichtig folgten Sie dem Flussverlauf. Er führte die Gruppe in eine Höhle, die mehr an eine riesige Blase erinnerte. Das Wasser funkelte wie ein übergroßer blauer Diamant.
„Meine Güte.“, hauchte Tanja überwältigt.
Frauen!, dachte Michael und rollte mit den Augen. Andererseits war der Anblick vom See inmitten der Lavablase schon nicht ohne. Das Wasser lud einen geradezu ein hinein zu springen, zu schwimmen und sich einfach treiben lassen. Dummerweise hatten sie für solche Spielereien keine Zeit. „Sirka.“, flüsterte Michael. Die Ork kam zu ihm. Er legte seinen Waffengurt ab, nahm die leere Feldflasche, schraubte sie auf und nickte ihr zu. Nach dem Michael sich hingelegte, nahm sie seine Füße. Er atmete noch mal tief durch. „Okay. Bist du soweit?“
Sirka änderte ihre Haltegriffe und nickte ihm zu.
Michael robbte über die Kante, streckte seinen Arm aus um die Feldflasche ins Wasser zu tauchen. Es reichte nicht. „Etwas tiefer.“ Sie ließ ihn etwas tiefer. Ohne das es Michael sah blickte Sirka zu Tanja.
War das ein lächeln? Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf.
Jetzt konnte er die Feldflasche ins Wasser tauchen. Blubbernd wich die Luft aus der Flasche, als sie sich mit den Tränen der Sieben Seen fühlte. Bei ungefähr mehr als die Hälfte gefüllt war, verschloss Michael sie wieder. „Kannst mich raufziehen.“ Als nichts passierte, verrenkte er sich seinen Kopf. Ihr Gesicht ließ deutlich erkennen, mit welchem Gedanken die Ork spielte. „Das ist nicht witzig.“
„Sagst du.“, erwiderte Tanja mit einem mädchenhaften Lächeln.
Er sah sie an. „Das gefällt dir.“
„Ein wenig.“, gestand sie ihm. Einige Sekunden lang schaute sich Tanja an wie Michael kopfüber von der Ork an den Füßen gehalten über dem Siebten See hing.
Dann zog ihn Sirka wieder hoch. Sein böser Blick verpuffte bei der Ork. Wenig später machten sich die Gruppe auf den Rückweg.
Man verließ gerade den Verstrebungsstollen als plötzlich eine Gruppe Soldaten mit einigen Sträflingen im Stollen auftauchte. „Wer seit ihr?“, wollte der gesprächige Anführer wissen. Bevor die Soldaten ihre Schwerter zückten, krachte eine Ork auf die Gruppe. Da eine Begegnung mit Soldaten in Betracht gezogen wurde, hatte man beschlossen niemand zu töten.
Wegen dem fehlenden Bewegungsspielraum behielt Sirka ihren Kampfstock am Gürtel. Er wäre nur hinderlich. Einem Soldaten schlug Sie mit solch einer Wucht gegen den Schädel dass der sofort zusammensackte. Sein Kamerad neben ihn hielt eine Peitsche in der Hand, hob sie zum Schlag. Sirka schnappte sich die Peitsche, zog einmal kräftig dran. Der Soldat stolperte nach vorne, prallte gegen die Ork und sah die entblößten Hauer. Bei dem knurren wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht. Mit einer Kopfnuss brach sie dem Mensch das Nasenbein. Bewusstlos sackte die Wache zusammen.
Dem nächsten Soldaten gelang es sein Kurzschwert zu zücken. Er hieb nach dem Bauch der Ork, statt ihn aufzuschlitzen prallte er mit der Klinge gegen die Stollenwand. Bevor er nachsetzen konnte, packte die Ork mit ihrer Pranke den Arm, schlug ihm die Faust ins Gesicht. Ein Schwall aus Knorpel und Blut spritzte aus der Nase. Sein Versuch die Hand aus dem Griff zu bekommen scheiterten kläglich. Sie riss die Hand herunter, schlug den Kopf gegen die Wand und ließ die schlaffe Hand los.
Der Vierte Soldat war der jüngst. Als die Ork auf ihn zukam, bekam er es mit der Angst zu tun, wollte nur noch seine Füße in die Hände nehmen. Sirka riss den Soldaten zu Boden. Mit einem verächtlichen Schnaufen wegen der Angst des Soldaten, verpasste sie ihm einen unsanften Handkantenschlag.
Als sie nun die Sträflinge ansah, zuckten die vor Schreck zusammen. „Bitte…Wir sind Unschuldig…“, flehte der ältere Mann.
„Sagen das nicht alle Sträflinge.“, raunte Kronos dem Mann entgegen.
„Wir waren auf dem Weg zur Roma Grenze, als Soldaten unsere Kolonne angriffen. Sie beschuldigten uns Sympathisanten der Aufständigen zu sein und verhafteten uns. Man brachte uns hierher.“, erklärte der Mann.
„Ohne einen Prozess!“, sagte Tanja erschrocken.
„Die Leute werden wahllos verhaftet.“, entgegnete eine Frau in mittleren Jahren.
Tanja sah zu Michael. Ihr Blick war eindeutig. Die Lage war schlechter als bisher vermutet. Wahllose Verhaftungen zeugten von einem schlechten Zustand der politischen Verhältnisse.
„Wenn sie wollen, können sie mitkommen.“, meinte Michael.
Die Frau und der Mann sahen sich an. Vermutlich hatten sie gehofft man wäre gekommen um sie zu befreien. So gerne er die Unschuldigen auch befreit hätte, im Moment hatten sie für so was keine Zeit. Und sich noch jemanden zum Feind zu machen, war nicht besonders gut.
Erol, Wong und die Jungs gingen voran. Dahinter kamen die Zwerge, die unschuldigen Sträflinge, Michael, Tanja und Sirka bildete das Schlusslicht.
Als sie den Stollen verlassen hatten, gaben sie den Leuten was zu Essen und zu trinken. Danach ging es weiter Richtung Königreich Gregoria. Die Grenze lag knapp Zwei Tage vom Siebten See entfernt.
Unterwegs wurde nur wenig gesprochen. Samuel ging die Unterlagen durch. Tanja unterhielt sich mit dem älteren Mann, einem Lehrer. Kronos behielt die unschuldigen Menschen im Auge. Wong zeigte dem Jungen Ramon einige Techniken seiner waffenlosen Kampfart. Sirka hielt die Umgebung im Auge. Baldami war die Vorhut und Erol die Nachhut. Michael trug die Tränen der Sieben Seen bei sich.
Er dachte über verschiedene Dinge nach. Dazu gehörte auch die momentane Lage im Fürstentum Bremen, deren Entwicklung. Balthasars Gesundheitszustand, Dova`s mögliche Krönung zum Großkönig der Zwerge. Selena und ihre Absichten. Die Rückkehr der Jünger von Orin. Ihre Suche nach der Stadt Okai.
Aus irgendeinem Grund hegte Michael den Verdacht das manches davon zusammenhing.
Damit lag er auch gar nicht so falsch.

***
Das Mausoleum von Madius, dem Ersten Großkönig der Zwerge, befand sich im Tempel von Toran. Welcher wiederum in der einzigen Zwergenstadt unter freiem Himmel stand. Gegründet von Madius persönlich. Er nannte sie Volan, nach dem Ersten Zwerg den Toran nach Eurasien schickte.
Eigentlich befand sich die Stadt im Zwergenreich der Dritten, gehörte aber keinem der Stämme an. Trotzdem bewohnten Mitglieder der Stämme die Stadt, die eine eigene Autonomie besaß. Madius wollte einen Ort aller Zwerge, egal von welchem Stamm. Gleichzeitig sollte es nur in der Zwergenstadt einen Tempel für Toran geben. Im Zuge dessen hielten die Freien als erstes in Volan Einzug, bevor die Stämme die Freien akzeptierten.
Nichtsdestotrotz musste die Zwergenstadt regiert werden. Diese Aufgabe wurde vom Rat übernommen. Er setzte sich aus Sieben Zwergen zusammen. Jeder Stamm hatte einen Sitz und wählte aus ihren Reihen Einen aus. Einer der Sieben Ratsmitglieder wurde Stadtherr. Alle Fünf Jahre wechselte die Regentschaft über Volan innerhalb des Rates. Starb ein Mitglied, musste der Rat neu gewählt werden.
Paladin, Dova, Sandja und die 5 Krieger erreichten die Zwergenstadt an einem sonnigen aber kühlen Vormittag. Einen großen Unterschied zu anderen Städten im Land gab es nicht, lediglich die kleineren Gebäude, die detailverliebte Baukunst, eine intakte Infrastruktur, kein Verkehrschaos und die Ruhe, machten die Stadt der Zwerge anders.
Der Tempel von Toran bestand aus roten Steinquadern, hatte eine gläserne Kuppel und eine sechseckige Form. An allen Eckpunkten ragte ein Turm in die Höhe. Die Fenster besaßen Bleiverglasungen. Der Torbogen war mit Goldbeschlägen und Ornamenten verziert. Im Inneren bestand der Fußboden aus Mosaikgranit. Platin, Bronze, Chrom, Stahl, Rotholz, Marmor, grauer und weißer Kalkstein waren verbaut worden. Die Halle hatte die Ausmaße menschlicher Kathedralen. Durch die Glaskuppel drang das Sonnenlicht nach innen, wurde durch Bleiprismen gestreut und verteilte sich so in der gesamten Halle.
Selbst für Zwerge war der Baustil beeindruckend. Nur die Meister hatten den Tempel erbaut, ihm eine Einzigartigkeit gegeben, die man nirgendwo sonst im Reich der Zwerge fand.
Einer der Tempelwächter kam auf sie zu. „Euer Anliegen?“, erfragte der Zwerg.
„Wir müssen ins Mausoleum von Madius.“, antwortete Sandja.
Der Tempelwächter blickte die Gruppe an. „Tut mir leid, aber das Mausoleum ist für den Publikumsverkehr gesperrt.“
Er hielt sie für Besucher. Paladin trat vor. „König Balthasar schickt uns.“ Wovon der Zwerg wenig beeindruckt schien.
Dova reichte ihm ein Schreiben seines Onkels. Er las es, sah die Gruppe an und bat ihm zu Folgen.

***
Das Mausoleum befand sich unterhalb des Tempels. Eine Wendeltreppe führte hinunter, wo der Tempelwächter eine Gittertür aufschloss. Am Gangende ging eine mehrstufige Treppe hinab. Dahinter kam ein Raum, in dem eine Siedlung platz hatte. Hier fanden sich die Gräber und Mausoleum von zwergischen Persönlichkeiten, wie dem Großkönig Madius. Vor jedem Eingang musste man Fünf Stufen hinunter. Auf einem Sockel standen die Statuen jener Zwerge, die an diesen Orten Ihre letzte Ruhestätte besaßen. Darunter befanden sich die Eingänge.
Der Tempelwächter blieb am Stufenabsatz stehen. Die Statur auf dem Sockel zeigte den Ersten Großkönig der Zwerge. Paladin wies Zwei Krieger an oben zu bleiben. Zusammen mit den anderen ging er hinunter. Das Mausoleum war durch eine runde Steinplatte versperrt. Die Oberfläche war rau, ohne irgendwelche Verzierungen. Schlicht, so gar nicht eines Königs würdig. Es gab keinen erkennbaren Mechanismus um die Steintür zu öffnen.
Paladin sah zum Tempelwächter. „Wie öffnet man das Mausoleum?“
„Wissen wir nicht. Niemand hat es je versucht.“ Wofür es bisher keinen Grund gab.
„Und jetzt?“, wendete sich Paladin mehr an Sandja als an die anderen.
Der Neffe vom König machte einen ratlosen Gesichtsausdruck.
Die Hüterin der Großen Sammlung hingegen hatte dieses gewisse Leuchten in den Augen.
Eine Leidenschaft von ihr war es die prähistorische Vergangenheit der Zwerge zu studieren. Zu diesem Thema gab es nicht allzu viel in der Großen Sammlung, dennoch fand Sandja das eine oder andere Juwel. Die Texte deckten nur einen Bruchteil von dem ab, was damals das Leben der Zwerge darstellte. Beim Lesen kam die Zwergin mit dem Tempel von Sida, den Tränen der Himmelswächter, dem Orden der Ritter und der Stadt Okai in Berührung. Es waren fantastische Geschichten, deren Alter alles überstieg, was je niedergeschrieben wurde. So voller Leben.
Nun erwies sich ihre Leidenschaft als nützlich. Durch die Texte wusste Sandja das es in der prähistorischen Vergangenheit Eurasien einst Magie gab. Keine Hexerei oder Zauberei, wie Landläufig gemeint wurde. Die Magie wurde neben anderen Dingen dazu eingesetzt um bestimmte Orte zu sichern. Dafür verwendeten die alten Schamanen in ihrem Volk magische Runen.
Ganz unvermittelt kehrte eine Erinnerung zurück, die Sandja vergessen glaubte. Ihre Großmutter hatte ihr in einer Nacht, in der Sie Albträume hatte, was erzählt mit dem sie damals und auch später nur wenig anfangen konnte. Mit einem Mal wurde ihr die Bedeutung klar.
„Madius, einst schmiedetest du eine Zukunft für die Zwerge. Brachtest uns zusammen, um Seite an Seite zu kämpfen für eine friedliche Zukunft.“ Am Rand der Steinplatte wurden Runen sichtbar. Sie konnte es genauso wenig glauben wie die anderen Zwerge. „In der dunkelsten Bedrohung Eurasiens kämpften wir mit den anderen Völkern. Gaben unser Blut und Leben.“ Eine zweite Reihe Rune erwachte zum Leben. „Erneut liegt eine Bedrohung über Eurasien. Wir brauchen eure Hilfe Madius, Sohn von Toran. Gewähre uns Einlass um die Vergangenheit für die Gegenwart zu nutzen. Für die Zwerge, die Völker und für Eurasien.“ Mit ein Mal erloschen die Rune plötzlich. Bis dahin war sich Sandja ziemlich sicher auf dem richtigen Weg zu sein. Anscheinend hatte sie sich getäuscht.
„Was ist passiert?“, wollte Dova leise wissen.
Sie sah den Vertrauten des Königs an, öffnete den Mund um etwas zu sagen, als die beiden Runenringe zurückkehrten. Ihre Intensität hatte deutlich zugenommen, sie glühten praktisch. Winzige Adern begannen zu leuchten. Es wirkte wie ein Spinnennetz. Sie flossen in einen Kreis, der heller leuchtete als jedes Feuer in den Schmieden der Zwerge. Im Kreisinneren kamen Konturen zum Vorschein. Die Runenringe verblassten. Dafür wurden die Adern stärker. Wie ein Rinnsaal bewegte sich das Glühen von den Runenringen über die Adern zum Kreis.
„Bei Toran.“, hörte Sandja jemand keuchen.
Die Konturen nahmen an Schärfe zu, wurden detailreicher, verloren nach und nach ihre Unkenntlichkeit. Die Zwergin brauchte einige Atemzüge, um zu erkennen, was sich ihnen entblößte.
Eurasien…
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-Ende, Kapitel 19-
© by Alexander Döbber
 
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Michael trägt nun die Tränen der sieben Seen bei sich. Der Neffe des Zwergenkönigs und die kleine kluge Zwergin sind ebenfalls auf ein Geheimnis gestoßen. Man fragt sich, wird ihnen das alles hilfreich sein?

Jochen (28.06.2010)

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